Nachteilsausgleich bei LRS - was ist sinnvoll?

Nun ist es bestätigt - nach dem Testmarathon beim KJP hat mein Großer nun einen Bericht erhalten, aus dem hervorgeht, dass er ein Problem beim Erwerb der Schriftsprache hat bei gleichzeitiger altersgerechter Lesekompetenz und normaler allgemeiner Intelligenz.

Nächste Woche folgt nun das Gespräch mit dem Lehrer, es geht um einen Nachteilsausgleich.

Hat von Euren Kindern jemand einen solchen Ausgleich und was ist sinnvoll? Wie offen seid ihr im Umgang mit der Diagnose ggü. neuen Lehrern bzw. beim Übertritt in die weiterführende Schule?

Wir wohnen in Hessen, Kind ist in der 4. Klasse.

LG, Cherish, deren Sohn gestern "Schuhle" schrieb *puh*

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Hallo,

meine ganz persönliche Meinung, ist das ein Nachteilsausgleich, das aller letzte Mittel sein sollte. Sinnvoll und wichtig natürlich, wenn das Kind physische Probleme hat.

Wenn man es zu meiner Schulzeit schon diese Tests gemacht hätte, wäre es das gleiche Ergebnis gewesen wie bei deinem Sohn. Ich habe gerne und viel gelesen, aber Rechtschreibung eine Katastrophe.
Mein Abschlußzeugnis der Realschule, Mathe 1 Nebenfächer 1-2, Deutsch und Englisch 4.
Ein strenger Deutschlehrer im letzten Jahr meinte, er müsse nochmal ein Diktat schreiben, aber wer nicht da ist muß nicht nachschreiben. Ich bin zum Arzt und holte mir eine Bescheinigung. Ansonsten hätte ich eine 5 in Deutsch. Aufsatz war ich gut, aber Wortbilder merken, Kommas setzen ganz schlimm.

Bei der Bewerbung als Steuerfachangestellte, meinte mein Arbeitgeber, die 4 in Deutsch ist sicher wegen den Aufsätzen, das ist nicht schlimm. Ich war ruhig und sagte nichts. Er nahm mich, aber das hätte er nicht mit einem Eintrag im Zeugnis gemacht.

Ich kam gut durch meine Ausbildung, machte einen Schnitt von 2 und mein Rechtschreibproblem war Ok, da es ja am Computer die Rechtschreibprüfung gibt.

Dieser Text ist jetzt ohne Rechtschreibprüfung geschrieben. Klar sind sicher kleine Fehler drin, aber man lernt die Wörter mit den Jahren auswendig, die man regelmäßig braucht und vermeidet automatisch Sätze mit anderen Wörter.

Das lege ich alles so offen, da es mir sehr am Herzen liegt. Ich finde Nachteilsausgleich wird oft viel zu schnell beantragt.

Meine Tochter hat eine Hörschädigung und auch u.a. Rechtschreibprobleme.
Einen Nachteilsausgleich wurde ihr auch schon angeboten. Mir ist aber wichtig, daß dies nur das aller letzte Mittel sein kann, solange es irgendwie geht vermeide ich es.

Klar gibt es die Auskunft, man kann ja auch kurz vorm Abschluß auf den Nachteilsausgleich verzichten. Aber ganz klar, ein Kind das sich immer anstrengen mußte wird eine bessere Note im Zeugniss haben, als ein Kind das bis kurz vorm Abschluß einen Nachteilsausgleich hatte.

Jetzt noch kurz zur Info. Meine Tochter ist auf dem Gymnasium und hat durch ihren Hörschaden auch Hilfsmittel. Von ihrer Betreuerin weiß ich auch daß nur ein Eintrag ins Zeugnis erfolgt, wenn man auf eine Leistungserhebung verzichtet.
d.h. z.B. eine Zeitverlängerung wird nicht in Zeugnis erfasst.

Liebe Grüße:-)

Martina

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Hi,

kann es sein, dass du den Sinn eines Nachteilsausgleichs irgendwie nicht erfasst hast?

Er dient dazu, einen Nachteil, den das Kind aufgrund einer festgestellten LRS o. a. hat, auszugleichen! Ein Brillenträger trägt ja auch eine Brille, um seinen Nachteil auszugleichen, oder jemand, der schlecht hört ein Hörgerät.

Meine Tochter hat eine isolierte Lesestörung. Sie bekommt etwas mehr Bearbeitungszeit und alles wird in einer etwas größeren Schrift bei Klassenarbeiten ausgedruckt (für die ganze Klasse - so hat der Lehrer weniger Arbeit :-) )und diese Zeit benötigt sie auch i. d. R., WEIL sie eben wegen ihrer Lesestörung nicht so schnell lesen KANN!

Wir konnten unserer Tochter damit schon sehr viel psychischen Stress nehmen - alleine deshalb, weil sie weiß, dass sie sich etwas länger Zeit nehmen darf. Ich finde nicht, dass Nachteilsausgleiche zu schnell in Anspruch genommen werden. Man bekommt Nachteilsausgleich nicht "einfach so".

Wie viel Stress wäre dir wohl erspart geblieben, wenn du eine Diagnose gehabt hättest und einen Nachteilsausgleich in der Schule? Nachteilsausgleich in Anspruch zu nehmen ist nicht gleichbedeutend mit "jetzt ruhe ich mich auf meiner Störung aus"! Man muss da schon noch zusätzlich dran arbeiten. Bei uns bedeutet das, jede Woche 1 Stunde in einer Praxis für Logopädie mit Übungen und "Hausaufgaben".

VG
Gael

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Mein Grosser (nun 7.Klasse) hat einen Nachteilsausgleich in Rechtschreibung.
Ich denke nicht, das Du Dir was 'wünschen' kannst. Die Schulen haben einen Maßnahmenkatalog, aus dem schöpfen können - je nachdem was sinnvoll für das einzelne Kind ist.
Mit der Diagnose (bzw. dem Nachteilsausgleich) wirst Du sehr offen sein müssen - er steht im Zeugnis. Ausserdem ist für die Erteilung des Nachteilsausgleichs (zumindest in Niedersachsen) die Klassenkonferenz zuständig.

Aber das Allerwichtigste: Der Nachteilsausgleich hilft man gar nix, wenn Dein Kind parallel nicht therapiert wird. Bei Rechtschreibschwäche ist das nämlich mit ein bißchen zusätzlich Üben nicht getan.

Grüsse
BiDi

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Ein Nachteilsausgleich steht aber nicht in jedem Bundesland im Zeugnis.

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HI,

in welchem Bundesland seid ihr denn? Das ist ganz ausschlaggebend. Hier in Bayern wird nun unterschieden zwischen einem Zeitzuschlag, der nicht im Zeugnis steht und dem Verzicht auf die Bewertung der Rechtschreibung - das steht dann im Zeugnis. Über den Zeitzuschlag hast du nicht zu bestimmen, der wird von der Schulpsychologin festgelegt und liegt in der Regel bei 20 % .

Mein Sohn hat aufgrund einer massiven Sehbehinderung einen Zeitzuschlag von 25 % und ähnliche Zugeständnisse wie ein LRer, nur dass bei ihm die Rechtschreibung gewertet (wenn auch sehr zu seinem Gunsten :-)) wird.

LG

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Unser Sohn fast 9, 3klasse wurde letztes Jahr getestet und hat seitdem einen Nachteilsausgleich.
Wir konnten ihm damit den psychischen Druck nehmen.
Seid dem läuft es besser. Er galt als Verhalten nicht altergerechtes, nicht kontaktfähig in der Klasse (in der Schule schon hat bis heute keine Kontakte in der Klasse, Wechsel nicht möglich da alle 4 Klassen mit 28 Kindern sind) Versetzung gefährdet.
Wir haben alles für eine Lerntherapie beim Jugendamt eingereicht, diese bekommen aber nur schwere Fälle, er nicht Antrag wurde abgelehnt.
Haben dann Logo bekommen zur Warnehmungsförderung nach 2x 10Std war Schluss.
Jetzt hatte er ein super Zeugnis bekommen nur 2 en. Der Nachteilsausgleich wurde in der Klassenkonferenz beschlossen und steht auch so im Zeugnis (Niedersachsen)

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Für den Übertritt ist es zum Beispiel interessant, dass euer Sohn Zeitzuschlag bekommen würde - auch für einen evtl. Probeunterricht (so etwas gibt es in Bayern, wenn die Zensuren für Gym oder Realschule eigentlich nicht reichen würden.)
Hier ist es auch so gehandhabt, dass vor allem Zeitzuschlag (bis zu 50%) gewährt wird, in extremen Fällen werden Aufgabenstellungen vorgelesen. Die Rechtschreibung darf nicht gewertet werden - weder in Deutsch, noch in Fremdsprachen. Hier kann es außerdem sein, dass das mündliche stärker gewichtet wird (also 1:1 - statt 2:1 wie bei Schulaufgaben) Dieser Nachteilsausgleich muss im Zeugnis vermerkt werden. Aber das ist ja per se bis 1 Jahr vor Abschluss egal. Dann muss er sich mit dem Zeugnis bewerben, dann kann man immer noch überlegen, was sinnvoller wäre.
Vor der Bewerbungszeit sollte man jeden Vorteil mitnehmen, den man kriegen kann - Nachteile entstehen ihm keine.

Lg Irina

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Hallo,

unser Sohn hat aufgrund seiner schweren LRS einen Nachteilsausgleich und ich bin wirklich froh drum. Allerdings konnten wir uns nicht aussuchen was er bekommt. Das wurde in einer Konferenz unter Lehrern und Rektor/Konrektor festgelegt. Das kann dann bei jedem Kind anders ausfallen.

Bei unserem Sohn ist es zum Beispiel so das schlechte Noten (in Deutsch) aufgrund der LRS zurückhaltend bewertet werden können. Rechtschreibung wird schwächer als bei anderen Kindern bewertet (anstatt z.B. einen vollen Punkt Abzug nur einen halben). Er bekommt mehr Zeit und in allen anderen Fächern bei welchen sinnerfassendes Lesen gefragt ist (also auch bei Textaufgaben) hat er das Recht das er es erklärt oder vorgelesen bekommt.

Im Zeugnis darf davon übrigens nicht stehen.

Wir sind sehr froh um diese Möglichkeit. Unser Sohn stand zwischen 3 und 4. Durch den Nachteilsausgleich hat er sich jetzt um eine ganze Note verbessert, steht zwischen 2 und 3.

LG Nadine

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Ach ja, mündlich und schriftlich wird gleich gewertet. Dikatate, Aufsätze zählen bei uns z.B. 4fach. Mündliche Beiträge, Gedichtvorträge 2fach. Wird bei ihm durch den Nachteilsausgleich gleich gewertet.

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Hallo,

meine Meinung: der Nachteilsausgleich sollte ERSTES Mittel der Wahl sein. Ihr solltet den unbedingt in Anspruch nehmen! Danach bzw. parallel laufen andere Hilfen.

Mein Tochter hat eine diagnostizierte LRS. Sie ist jetzt in der 5. Klasse (wir leben in Brandenburg, hier gehen die Kinder bis Ende 6. Klasse auf die Grundschule), festgestellt wurde die LRS Ende 2./Anfang 3. Klasse. Ohne den Nachteilsausgleich wäre sie schon mind. 1 mal "sitzen" geblieben...

Eine Auswahl über die Art des Nachteilsausgleichs gibt es hier nicht...man beantragt diesen schriftlich und er wird dann von der Klassenkonferenz beschlossen.
MeineTochter wird in Deutsch anders (schwächer) benotet. Sie schreiben jetzt viel Aufsätze und freie Texte, da wäre ohne den Nachteilsausgleich wohl alles 5. Es wird bei ihr quasi nur der Inhalt bewertet, sodass sie im letzten Halbjahreszeugnis eine 3 in Deutsch hatte. Das finde ich für ihre Verhältnisse sehr gut.
Mittlerweile ist sie total begeistert beim Geschichten-schreiben dabei. Ihre Lehrerin lobt sie sehr. Meine Tochter schreibt tolle Geschichten. Das hätte ich nie gedacht. Man muss sich nur beim Lesen konzentrieren, um die Fehler auszublenden.

Sie erhält in Deutsch Hilfsmittel, wie Duden etc, mehr Zeit, bei Diktaten andere Texte. Es wurde für sie eine extra Fördermappe zusammen gestellt, die sie immer wieder bearbeitet.
In Mathe müssen ihr Textaufgaben erklärt/vorgelesen werden, in allen anderen Fächern wird die Rechtschreibung (so gut wie) nicht beachtet.

Der Nachteilsausgleich bewirkt eine Entlastung bei den Kindern. Sie müssen sich "nur" auf den Inhalt konzentrieren. Meine Tochter war vorher immer so mit der Rechtschreibung beschäftigt (Wie schreibe ich das Wort? Was ist das überhaupt für ein Buchstabe?), dass sie in Diktaten überhaupt nicht hinterher kam und Aufgabenstellungen nicht verstanden hat.

Es wissen alle Lehrer bescheid und wir gehen sehr offen damit um. In ihrer Klasse wissen auch alle Kinder bescheid, es gibt noch 2, 3 die ebenfalls LRS oder Dyskalkulie haben.

Auf dem Zeugnis steht ein Hinweis "Wegen einer besonderen Schwierigkeit im Lesen und Rechtschreiben (LRS) sind Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung vorgenommen worden."

Ich sehe da kein Problem. Im Gegenteil: die LRS wurde erkannt und es wird entsprechend gehandelt. Das spricht doch eher für sich. Ohne Hinweis könnte jemand von außen bei den ganzen Rechtschreibfehlern doch denken, das Kind ist einfach "doof".

Wenn unsere Tochter nach der 6. Klasse auf die Oberschule kommt werde ich mich selbstverständlich darum kümmern, dass sie weiter den Nachteilsausgleich bekommt.

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Hi,

der Nachteilsausgleich soll den Nachteil ausgleichen, wie das Wort schon sagt.

Mein Sohn hat sogar Notenschutz, zum Glück. Der steht aber natürlich im Zeugnis.

Jetzt bekommt er auch z. B. in Mathearbeiten, die Textaufgaben vorgelesen.

Den Lehrern fällt sowas leider oft nicht auf.

Bei meinem Sohn ist auch das Lesen betroffen.

LG Bigi