Guter Anlass für neue Bräuche

Erstes Weihnachten mit Baby

Auch wenn das Kleine bewusst noch nicht so viel davon mitkriegt, beim ersten Weihnachten mit Baby beginnt dennoch ein ganz neuer Abschnitt. Es ist deshalb eine gute Gelegenheit für die junge Familie, eigene Heiligabend-Traditionen zu beginnen.

Autor: Gabriele Möller

Gute Gelegenheit für neue Familien-Bräuche

Baby erstes Weihnachten Mütze
Foto: © fotolia.com/ Oksana Kuzmina

Spätestens mit dem ersten Baby wird für Paare aus dem gemischten Doppel auch gefühlsmäßig eine Familie. Hat bisher vielleicht noch jeder bei den jeweiligen Eltern gefeiert, möchte man ab jetzt auch das Weihnachtsfest gemeinsam für sich selbst beanspruchen und entdecken. Nie war die Gelegenheit günstiger, eigene und ganz neue Wohlfühl-Rituale für die Weihnachtstage zu finden. Denn zuverlässig wiederkehrende Familienbräuche sind Fixsterne in unserer unruhigen, wandelhaften Zeit. Sie geben ein wenig Beständigkeit – und erlauben vor allem eine große Portion Vorfreude. Jetzt ist auch die beste Zeit, eventuell ein paar ungeliebte oder verstaubte Traditionen aus dem Elternhaus über Bord zu werfen. urbia hat Ideen für die gemeinsame Entdeckungsreise zu einem ganz persönlichen neuen Weihnachtsgefühl mit Baby.

Kleine Weihnachtsträumerei zeigt die Richtung an

Um herauszufinden, welche Art von Bräuchen am besten zur neuen Kleinfamilie passen, hilft ein kurzer Blick nach innen: Welches Bild hat man vor Augen, wenn man an zukünftige Weihnachten mit Kind denkt? Schnell kristallisiert sich heraus, ob man’s lieber traditionell oder eher unkonventionell mag. Was man hier schon in groben Umrissen erkennt, sollte man bereits jetzt gedanklich ausschmücken und in die Tat umsetzen, auch wenn der Nachwuchs erst ein Baby ist. Denn nun werden die Weichen für die Feste der nächsten Jahre gestellt. Auch will eine neue Tradition eingeübt werden, soll sie sich verfestigen und von Dauer sein. Was man jetzt nicht einführt, wird zukünftig leicht in Vergessenheit geraten.

Verzauberte Momente wie anno dazumal

Weihnachten bei den eigenen Eltern war immer wunderbar, und man mag es sowieso gern traditionell - dann darf man sich lustvoll am Althergebrachtem bedienen. Zu den ältesten Traditionen gehört natürlich der Weihnachtsbaum: Seit 1605 ist der Brauch belegt, zu Weihnachten ein Bäumchen mit Früchten, Lebkuchen, Zuckerwerk und Kerzen zu schmücken. Statt Kugeln und Lametta sehen auch heute Plätzchen und alte Glückssymbole als Baumbehang wunderbar aus. Besonders beliebt waren früher kleine Marienkäfer aus Holz (heute wahlweise auch aus Schokolade). Ihnen sagt man schon immer eine himmlische Herkunft nach, was auch ihr anderer Name verrät: Herrgottskäfer. Sie bringen nach altem Glauben frohe Botschaften vom Himmel. Wer kleine Geldbeutel an den Baum hängte (heute: Schoko-Goldtaler), hoffte damit auf finanziellen Segen. Äpfel und Nüsse waren schon zu heidnischer Zeit Fruchtbarkeits- und Erntesymbole, die in diesen Bereichen Glück fürs kommende Jahr bringen sollten. Richtig edel sehen mit Goldfarbe (aus dem Baumarkt oder Bastelgeschäft) besprühte Walnüsse aus, die mit roten Haltebändchen beklebt und an den Baum gehängt werden. Mit leiser Weihnachtsmusik im Hintergrund stimmt das langsame Schmücken des Baums auch gestresste Eltern weihnachtlich und hat fast etwas Meditatives. Wenn ein Baby schon krabbeln kann, sollte der Weihnachtsbaum dieses Mal natürlich lieber ein Tischbaum sein.

Besonders an Weihnachten hört (und fühlt) es sich schöner an, wenn die Lieder nicht nur aus dem CD-Player kommen, sondern wenigstens teilweise auch aus der eigenen Kehle. Kinder lieben und brauchen Lieder. Auch ein Baby freut sich schon, wenn Mama und Papa es auf dem Arm wiegen und ihm dabei ein Weihnachtslied vorsingen. War man bisher eingefleischter Nicht-Sänger, so sollte man ruhig mal den sich zierenden inneren Schweinehund überwinden und einfach loslegen. Zwei Liedchen schafft jeder, zumal mit Unterstützung eines kleinen Büchleins. Das Ganze im Glanz der Weihnachtskerzen zaubert garantiert kleine Freudensterne in Babyaugen.

So macht das Warten auf die Bescherung Spaß

Viele Kirchengemeinden bieten am Nachmittag des Heiligen Abends Familienandachten mit Krippenspiel an, zu denen man auch sein Baby mitbringen darf. Dies stimmt nicht nur auf Weihnachten ein, sondern verkürzt später auch die langen Warte- und Quengelstunden der Kinder vor der Bescherung. Das gilt auch für das Vorlesen der Weihnachtsgeschichte (das Original steht im Lukas-Evangelium). Ein Baby versteht sie natürlich noch nicht, aber es genießt trotzdem bereits jetzt diese innigen Minuten zu dritt. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war es in vielen Gegenden Deutschlands üblich, dass das Christkind oder der Weihnachtsmann nachts kommen und die Geschenke am Morgen des ersten Weihnachtstages unterm Baum lagen. Für Kinder gab es nichts Schöneres, als früh morgens ins noch dunkle Wohnzimmer zu kommen, das nach Tannennadeln duftete, und wo man unter dem Baum bereits die Konturen der Geschenke erahnen konnte, noch bevor Licht gemacht wurde. Dieser Zauber des ersten Weihnachtsmorgens kann locker mithalten mit der nachmittäglichen Bescherung am Heiligabend. Auch kann so der Heiligabend entspannter verlaufen, weil nicht alle ständig auf die Uhr sehen, um zu erfahren, wie lange es noch bis zur Bescherung ist. Sondern Stimmung und Festessen in Ruhe genießen.

Auch Bräuche aus anderen Ländern können die Familientradition bereichern. So wird in Polen immer ein wenig Heu auf den Weihnachtstisch gelegt, um daran zu erinnern, dass Jesus auf Heu geboren wurde. Es gibt zudem an Heiligabend 13 verschiedene kleine Speisen, weil es insgesamt 13 Apostel gab. Ein zusätzliches Gedeck bleibt immer frei, um auch einen vielleicht einsamen und unerwarteten Gast bewirten zu können. In den USA bekommt Santa Claus Kekse und Milch hingestellt, damit er sich etwas stärken kann.

Weihnachten ganz anders

War das traditionelle Weihnachten zu Hause doch etwas zu altbacken und man wünscht sich frischen Wind im Weihnachtszimmer, sollte man sich leichten Herzens von Althergebrachtem trennen. Statt des Weihnachtsbaums können experimentell veranlagte Eltern auch eine grün oder rot bemalte hölzerne Trittleiter mit brennenden Kerzen auf den Stufen schmücken. Man kann 24 rote Schwimmkerzen in einer flachen Terrakotta-Schale im Wasser still vor sich hin treiben lassen. Es gibt kleine Plastik-Tannenbäume für den Tisch, die - nach englischer Art über und über mit Kugeln behängt - so bezaubernd aussehen, dass sie schon (fast) nicht mehr kitschig sind. Oder man hängt schön geformte Laubbaumzweige (Zirbelsträucher) an Decke oder Fensterrahmen und dekoriert sie mit Weihnachtskugeln plus Lichterkette mit vielen feinen Lämpchen. Sieht toll aus und ist garantiert babysicher. Überhaupt kann man Lichterketten in verschiedenen Farben oder auch mit Sternen, Glöckchen und anderen Weihnachtsmotiven fast überall hinhängen – sie sehen immer stimmungsvoll aus.

Sehr beliebt ist heute bei vielen Familien ein fröhlicher Lichtertanz an Heiligabend: Dafür befestigt man nach Einbruch der Dunkelheit ein paar Kerzen an einem Nadelbaum im Wald oder stellt einige kleine Windlichter in die Äste eines Laubbaums. Dann reicht man sich die behandschuhten Hände und läuft singend (und mit Baby auf dem Arm oder im Tuch) um den Baum herum. Anschließend werden ein paar Meisenknödel an die Zweige gehängt sowie Möhren oder Kartoffeln unter dem Baum platziert, damit auch die Tiere ein „Weihnachtsessen“ bekommen. Das Ganze funktioniert natürlich auch im Garten. Wer beides nicht zur Verfügung hat, verlegt den Tanz ins Wohnzimmer. Ein Ritual, das Ihr Baby jetzt schon beeindruckt und das es als Kleinkind lieben wird. Dieser Brauch ist übrigens eher wiederentdeckt als neu: Schon im Mittelalter tanzten die Angehörigen der Handwerks-Zünfte zur Wintersonnenwende um reich geschmückte Bäume und feierten den so genannten „Wintermaien“ – als Gegenstück zum Maientanz im Frühsommer.

Geteilte Weihnachtsfreude - doppelt schön

Fühlt sich die traute Dreisamkeit der neuen kleinen Familie zu Hause aber doch zu eng und zu still an, kann eine Feier mit anderen jungen Familien genau das Richtige sein. Das ist zwar eher turbulent als besinnlich und hat immer einen leicht chaotischen Touch. Es macht aber garantiert auch schon Babies glücklich und ist sehr kommunikativ für die Großen. Schauplatz hierfür kann auch ein gemütliches Holzhaus an Dänemarks Küste oder eine Ferienwohnung im verschneiten Schwarzwald sein – Hauptsache es ist genug Platz zum Toben für die größeren Kinder und ein wenig Rückzugsmöglichkeit für die Erwachsenen oder auch stillende Mütter. Hier kann man sich beim Kochen, bei der Babybetreuung und beim Programm für die älteren Kinder gegenseitig entlasten.

Auch Hilfe für andere kann bereichern und eine wertvolle neue Familientradition werden. Wer trotz Babystress etwas Energie übrig hat, kann zum Beispiel an einem der Feiertage einige alte Menschen in einem Seniorenheim besuchen, die keinen Familienbesuch bekommen (telefonisch nachfragen). Die Hemmschwelle überwindet sich leichter, wenn man sich dafür mit einer zweiten Familie zusammen tut. Wenn auch das Baby mitkommt, ist große Freude bei den alten Menschen garantiert, denn nichts lockert eine Runde von Senioren besser auf, als ein kleines Kind. Einsamkeit oder Depressionen haben da für ein oder zwei Stunden keine Chance! Oder man lädt für einige Wochen im Advent ein Kind aus Tschernobyl ein, das man richtig verwöhnen kann. Gut wäre ein Kind, das selbst kleine Geschwister hat und für das ein Baby nicht ganz ungewohnt ist.

Das Fest-Menü: zwischen Tradition und Trend

Die Christen in Äthiopien und Eritrea schlachten am Weihnachtstag nach dem Kirchgang ein Lamm. Diesen rustikalen und nicht sehr tierfreundlichen Brauch wird hierzulande niemand übernehmen wollen. Dennoch sollte man auch hier ruhig eigene (und eigenwillige) Wege gehen. Es muss an Heiligabend nicht immer Kartoffelsalat mit Würstchen oder ein Karpfen sein. Lust auf ein Käse- oder süßes Schokoladen-Fondue, auf herzhaftes Raclette mal nur mit Edelfisch oder nur mit geschnittener Gänse- oder Entenbrust und herzhaften Dips? Oder schlicht, aber lecker auf ein nach Hause bestelltes Essen vom Chinesen oder Italiener? Je weniger Arbeit, desto besser. Denn gerade jetzt schnappt die Stressfalle für junge Eltern besonders schnell zu. Beim nachmittäglichen Kaffeetrinken am ersten und zweiten Weihnachtstag kann man, statt selbst in die Tortenbäckerei einzusteigen, auf den schönen italienischen Brauch zurückgreifen, ein Panettone zu genießen (köstliches Mittelding zwischen Stollen und Rosinenstuten, gibt’s fertig und verpackt in gut sortierten Supermärkten und Lebensmittelabteilungen großer Kaufhäuser).

Auch das Tischgespräch ist wichtig. Bei der christlichen Minderheit in Taiwan ist es unumstößlicher Brauch, beim Weihnachtsessen nie von traurigen oder negativen Dingen zu sprechen: Weder über Sorgen, Streit und Krankheiten noch über politische Probleme – denn dies könnte Unglück bringen, glauben die Taiwanesen. Ein Brauch, den man getrost auch hierzulande übernehmen kann. Mancher Familienstreit unterm Weihnachtsbaum ließe sich so bestimmt vermeiden.

Dos und Don’ts bei Familienbräuchen und –ritualen

Familienrituale sollten vor ihrer Einführung einen Kurztest bestehen, damit die Freude darüber auch lange anhält. Wer bei folgenden Punkten fröhlich nickt, für den ist der neue Brauch wie geschaffen:

  • Jedes Familienmitglied mag das Ritual, keiner findet es peinlich oder lästig.
  • Man möchte den Brauch wenigstens über einige Jahre beibehalten, damit er fester Bestandteil des Familienlebens werden kann.
  • Alle Familienmitglieder stehen dazu. Ein Weihnachtsgast findet den Lichtertanz peinlich? Egal, der Brauch wird trotzdem durchgezogen, mit oder ohne den Besucher.
  • Es wird auch unter widrigen Umständen am Brauch festgehalten: Nach Zoff unterm Weihnachtsbaum tut das bewährte Ritual besonders gut und sollte keineswegs ausfallen!
  • Dass ein Brauch nicht (oder nicht mehr) optimal zur Familie passt, erkennt man so:

  • Der Brauch kommt beim Partner nicht wirklich an, er macht nur mit, um kein Spielverderber zu sein.
  • Das Ritual passt nicht mehr zum Alter des Kindes. Gemeinsamer Familiengesang ist für Babies und Kleinkinder wunderbar. Ein Kind ihn im Grundschulalter findet ihn vielleicht extrem uncool. Zwang, gezeigte Enttäuschung oder auch Vorwürfe sind dann tabu.
  • Die Familientradition wird übertrieben starr gehandhabt, oder es gibt fürs Fest zuviele Regeln. Lieber wenige Familienbräuche, die gern und fröhlich gelebt werden, als ein zu durchgeplantes Fest.

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