Hilfe für Eltern

Mehr Harmonie durch Erziehungskurs

Wenn Eltern sich immer wieder nicht anders zu helfen wissen, als ihre Kinder lautstark anzubrüllen, dann läuft etwas schief. Das "Trainingsprogramm zur positiven Erziehung" kann Abhilfe schaffen.

Autor: Petra Fleckenstein

Schimpfen, brüllen, anschreien - wenn Eltern nicht mehr weiter wissen

Familie harmonisch
Foto: © panthermedia.net/ Daniel Schoenen

Die meisten Eltern kennen das: Eigentlich hatte man sich den gemeinsamen Nachmittag mit den Kindern so schön vorgestellt. Dann jedoch läuft irgend etwas schief und keiner weiß wirklich genau, wie sich dieser kleine Streit so schnell derart hochschaukeln konnte. Am Ende sind die Eltern stocksauer und rot vor Wut, haben entgegen aller guten Vorsätze ihre Kinder angebrüllt und mit Vorwürfen überschüttet, während die Sprösslinge sich schreiend und in totaler Verweigerungshaltung auf dem Boden des Kinderzimmers wälzen, im sicheren Glauben, wieder einmal zutiefst ungerecht behandelt worden zu sein.

Szenen wie diese lassen am Ende nur Verlierer zurück: Eltern, die sich fühlen, als hätten sie einmal mehr als Erzieher versagt und Kinder, die sich nicht erklären können, warum ihre Eltern so furchtbar böse auf sie sind.

Elternkurs kann mehr Ruhe und Harmonie in den Alltag bringen

Aber geht es überhaupt anders? Es geht, behaupten die Verfechter eines Erziehungsprogramms, das in Australien entwickelt wurde und nun in Deutschland wachsende Verbreitung findet: "Triple P" steht für "Positive Parenting Program" und heißt zu deutsch ganz einfach "Trainingsprogramm für positive Erziehung". Das Besondere: Die Wirksamkeit des Programms wurde durch jahrelange Studien mit Eltern wissenschaftlich erwiesen und hebt sich daher deutlich ab von der erdrückenden Schwemme an Erziehungsratgebern auf dem Buchmarkt.

Ein wichtiges Prinzip des Konzepts ist es beispielsweise, erwünschtes Verhalten der Kinder durch Beachtung und sogenanntes beschreibendes Lob zu fördern, während problematisches Verhalten wenig beachtet und dadurch auch wenig verstärkt wird. Auch das Aufstellen und konsequente Einhalten von Regeln gehört dazu, um Kindern Halt und Berechenbarkeit zu bieten. Nicht zuletzt wird eine klare Sprache trainiert, die Kinder wirklich erreicht und verstanden wird, anstatt zu verwirren. All dies kann in einem Elternkurs gelernt und trainiert werden, der sich in erster Linie an der alltäglichen Praxis orientiert und Eltern einfache, gut anwendbare Verhaltensweisen vermittelt, die jedoch eine große Wirkung zeitigen und die Familienatmosphäre enorm verbessern können.

Interview zum Trainingsprogramm für positive Erziehung

urbia sprach mit der Diplom-Psychologin Nina Brühl vom PAG Institut für Psychologie, dem deutschen Ausbildungsinstitut für Triple P-Trainer in Münster.

Eltern fühlen sich von den zahlreichen Erziehungs-Ratgebern auf dem Markt schon geradezu überfordert: Ist Triple P etwas anderes als nur ein weiteres Erziehungskonzept von vielen?

Das Besondere an Triple P ist die Nähe zur Praxis, mit der die Erziehungsstrategien vermittelt werden. Dies ermöglicht es den Eltern, die Strategien leicht umzusetzen und in ihren Alltag zu integrieren bzw. auf ihre spezielle Familiensituation zu übertragen. Darüber hinaus ist das Triple P Programm außergewöhnlich gut wissenschaftlich auf seine Wirksamkeit überprüft worden. Das Programm stammt ursprünglich aus Australien und ist dort an der Universität Queensland, unter der Leitung von Prof. Dr. Matthew Sanders, in zahlreichen Untersuchungen immer wieder optimiert worden. Auch in Deutschland wird das Triple P-Programm in Kooperation mit der Universität Braunschweig fortlaufend wissenschaftlich untersucht.

Wie ist das Programm entstanden?

Das Programm stammt ursprünglich aus Australien und ist sozusagen aus der
Praxis heraus entstanden. Am Family Support Centre der Universität von Queensland haben Wissenschaftler über viele Jahre hinweg gemeinsam mit den ratsuchenden Familien geschaut, welche Strategien Eltern bei typischen Erziehungsproblemen am besten entlasten können. In Australien ist das Triple P Programm mittlerweile so verbreitet, dass es gewissermaßen in das Gesundheitswesen intergriert ist. Prof. Kurt Hahlweg von der Universität Braunschweig hat das Triple P-Programm in Zusammenarbeit mit der Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie in Braunschweig 1999 nach Deutschland geholt.

Für welche Zielgruppe wurde Triple P entwickelt?

Das Triple P Programm ist nicht auf eine spezielle Zielgruppe beschränkt, sondern für alle Eltern gedacht. Erziehung stellt in den meisten Familien eine Herausforderung dar und viele Eltern wünschen sich mehr Information über Erziehung. Triple P wurde als 5-Ebenen-Konzept entwickelt, mit gestuften Interventionen unterschiedlicher Intensität, d.h. alle Eltern erhalten genau soviel Information oder Unterstützung wie benötigt bzw. erwünscht. In Deutschland ist das Programm bisher bis zum Grundschulalter verfügbar, Triple P für Teenager befindet sich derzeit in Übersetzung. Selbstverständlich ist es sinnvoll, Triple P möglichst früh zur Anwendung zu bringen. Viele der Strategien funktionieren aber auch noch bei Kindern, die das Grundschulalter bereits überschritten haben, so dass es auch für diese Eltern sinnvoll ist, sich mit dem Triple P Programm zu beschäftigen.

Wie kann Triple P Eltern und Familien helfen?

Ganz zentral für eine positive und stressfreiere Erziehung ist die positive Beziehung zum Kind. Indem die Eltern für ihr Kind da sind, wenn es sie braucht, viel wertvolle Zeit mit ihm verbringen, mit ihm reden und ihm genug Aufmerksamkeit und Zuneigung schenken, können sie die Beziehung zu ihrem Kind stärken. Um Problemverhalten vorzubeugen, ist es außerdem wichtig, Kindern jene Dinge beizubringen, die sie brauchen, um selbstständig zu werden, und erwünschtes Verhalten mit Aufmerksamkeit zu belohnen. Wenn Eltern dies berücksichtigen, tritt Problemverhalten in vielen Situationen gar nicht erst auf und es kommt viel seltener zu schwierigen Situationen. Durch den Einsatz von positiven Strategien wie z.B. dem beschreibendem Lob oder spannenden Beschäftigungen kann vielerlei Problemverhalten vermieden werden.

Trotzdem treten in den meisten Familien auch hin und wieder Probleme auf, die Eltern an ihre eigenen Grenzen bringen. Daher beinhaltet Triple P Strategien zum gewaltfreien Umgang mit Problemverhalten. Alle Kinder müssen lernen, Grenzen zu akzeptieren und es gibt positive Wege, um ihnen dies beizubringen. Durch eine Bandbreite von Strategien soll den Eltern ein Reportoire an die Hand gegeben werden, das Zuhause ausprobiert und nach und nach etabliert werden kann. Auch die Vorbereitung auf schwierige Situationen im Alltag, die für Kinder besonders langweilig sind, wie beispielsweise der Großeinkauf im Supermarkt oder die Wartezimmersituation beim Arzt, werden durch Vorausplanen erleichtert.

Was sind die Grundprinzipien und Eckpfeiler von Triple P?

Das Fundament der positiven Erziehung bildet die positive Basis. Wichtig sind beispielsweise eine sichere und interessante Umgebung, eine positive Lernatmosphäre, Konsequenz, realistische Erwartungen, aber auch die Beachtung der eigenen elterlichen Bedürfnisse. Weitere wichtige Aspekte sind die Förderung von bereits vorhandenen und von neuen Fähigkeiten, sowie von wünschenswertem Verhalten durch Aufmerksamkeit. Zeigt das Kind ernsthaftes Problemverhalten, sollten die Eltern entschieden und konsequent darauf reagieren. Die Strategien zum Umgang mit Problemverhalten helfen den Eltern, dies zu tun. So lernt das Kind, Grenzen zu akzeptieren, sich zu beruhigen und beispielsweise mit seiner Wut angemessen umzugehen. Auch für die Eltern bietet dies die Möglichkeit, wieder zur Ruhe zu kommen und nicht die Fassung zu verlieren.

Welche Schritte führen zum Erziehungserfolg?

Welche Schritte führen zum Erziehungserfolg

1. Schaffen einer positiven Basis (z.B. durch die positive Beziehung, wertvolle Zeit miteinander verbringen, die eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen). 2. Realistische Erwartungen an das Kind stellen, aber auch an sich selbst - erwarten Sie nicht zu viel! 3. Sich konsequent verhalten, damit das Kind das Verhalten der Eltern einschätzen kann und weiß, was von ihm erwartet wird. 4. Regeln aufstellen bzw. mit den Kindern aushandeln (sogenannte Familienregeln), an die sich aber auch die Eltern halten sollten.
5. Insbesondere bei Problemverhalten konsequent reagieren und dieses nicht durch Aufmerksamkeit verstärken (z.B. logische Konsequenzen, Stiller Stuhl oder Auszeit).

Wichtig ist, dass die Strategien aufeinander aufbauen und es manchmal notwendig sein kann, mehrere Strategien zu einer sogenannten Routine zusammenzufassen.

Wer kann am Programm teilnehmen?

Die Materialien zur Positiven Erziehung sind für alle Eltern gedacht (Broschüre Positive Erziehung, die Kleinen Helfer für Säuglinge, Kleinkinder, Kindergartenkinder und Grundschulkinder, sowie das Video Positive Erziehung) und können bei der PAG Institut für Psychologie AG schriftlich gegen Vorkasse bestellt werden. Wer sein Wissen noch weiter vertiefen möchte, sich einen Austausch mit anderen Eltern und Unterstützung bei der Umsetzung der Strategien wünscht, kann an einem Elternkurs teilnehmen. Der Elternkurs erstreckt sich über acht Wochen und besteht aus vier zweistündigen Gruppensitzungen sowie vier zwanzigminütigen, individuellen Telefonkontakten. Auf unserer Homepage gibt es eine Liste aller lizenzierten Trainer, über die man Kontakt mit Trainern aus der Region aufnehmen kann. Ab dem kommenden Jahr wird es auch ein Elternarbeitsbuch mit praktischen Übungen geben, das die Eltern über einen Zeitraum von zehn Wochen alleine zu Hause durcharbeiten können.

Wieviel Zeit bzw. Geld müssen Eltern dafür aufbringen?

Die Materialkosten für die Broschüre liegen bei 6,50 €, die kleinen Helfer kosten 8,50 € pro Altersstufe (10 Themen). Das Video liegt für Privatpersonen bei 30 €. Den Preis für den Elternkurs erfragen Sie bitte bei einem Trainer in Ihrer Nähe.

Wieviele Trainer für Triple P gibt es?

Es gibt derzeit etwa 300 lizenzierte Triple P - Trainer deutschlandweit, hinzu kommen Trainer in Österreich und in der Schweiz.

Gibt es einen standardisierten Aufbau der Triple P Elternkurse?

Unsere Trainer durchlaufen nach Ihrer Ausbildung ein Lizenzierungsprogramm, das sie verpflichtet, die Elternkurse manualgetreu anzubieten. Dies bedeutet, dass die Elternkurse immer gleich ablaufen und der Inhalt der Sitzungen fest vorgegeben ist.

Weitere Infos bei www.triplep.de

Einen sechswöchigen Online-Erziehungskurs können Eltern bei www.elterntraining.ch absolvieren. Eltern mit Kindern zwischen 1 und 18 Jahren lernen, wie sie besser mit individuellem Stress und Stress in der Familie umgehen können.