Tod und Vergänglichkeit

Trauern mit Kindern

Der Tod gehört zu unserem Leben, und selbst Kindern bleibt die Konfrontation damit nicht erspart. Zum Beispiel, wenn ein Haustier oder ein nahestehender Mensch stirbt, fragen sich viele Eltern, wie sie auf angemessene Weise mit ihrem Kind trauern können. Hier gibt es Anregungen.

Autor: Gabriele Möller

Plötzlicher Tod eines Haustiers

Trauer Mutter Kind panther R Kneschke
Foto: © panthermedia, Robert Kneschke

Gestern noch hatte unsere Meerschweindame „Chips“ vergnügt an ihren Salatblättern genagt. Als ich ihr am nächsten Morgen ihr Frühstücks-Heu hinaus in ihren Stall bringen wollte, lag sie reglos und starr neben ihrer aufgeregten Artgenossin. Mir wurde es flau angesichts der kleinen Tragödie: Unsere Tochter war erst vier Jahre alt. Wie sollte ich ihr nach dem Abholen vom Kindergarten beibringen, dass das geliebte Kleintier plötzlich gestorben war? Was schon bei einem kleinen Trauerfall mit dem geliebten Haustier nicht leicht ist, wird richtig schwer, wenn Oma, Opa oder ein anderer nahe stehender Mensch gestorben ist. Wie sagt man das seinem Kind? Mit welchen Reaktionen muss man rechnen? Sollte ein Kind mit zur Beerdigung gehen? Und wie kann man angemessen mit dem Kind trauern?

Kommen Meerschweinchen in den Himmel?

Weil ich meine kleine Tochter vor Herzweh bewahren wollte, tat ich genau das Falsche: Ich vergrub das verblichene Haustier rasch in einem kleinen Pappsarg im angrenzenden Wald. Den restlichen Vormittag verbrachte ich damit, sämtliche Zoohandlungen unserer Stadt anzurufen, um eine ähnlich aussehende Ersatz-Meersau aufzutreiben. Erst meine Freundin Anja brachte mich zur Vernunft: „Du musst es ihr natürlich sagen! Sie merkt es sowieso, und außerdem gehört der Tod doch auch zum Leben dazu. Du kannst sie nicht immer vor allem beschützen!“ Also erzählte ich meiner Kleinen mittags schweren Herzens, dass ihr Lieblingsmeerschwein letzte Nacht gestorben war und ich es im Wald beerdigt hatte. Sie brach sofort in Tränen aus und musste auch in den nächsten Tagen immer wieder aus heiterem Himmel ein bisschen weinen. Vor allem aber fragte sie ständig, wie das tote Tier denn ausgesehen habe, als es im Stall und später im Pappsarg lag. Ich merkte längst: Ich hatte ihr mit meinem „Schon-Programm“ überhaupt keinen Gefallen getan.

Ich rettete, was zu retten war: Wir legten zusammen Blumen auf das kleine Tiergrab, und ich erzählte meiner Tochter, unser Meerschweinchen habe nur seinen Körper zurückgelassen, seine Seele lebe aber jetzt im Himmel. Dort könne es den ganzen Tag sein Lieblingsfutter fressen, über grünes Gras laufen und mit Artgenossen spielen. Diese Vorstellung gefiel unserer Vierjährigen sehr. Sie sah in den nächsten Monaten beim Spielen oft hinauf in den Himmel und war überzeugt, dass Chips uns sehen konnte, wenn gerade keine Wolken da waren.

„Es ist ganz wichtig, dass man auch bei einem toten Haustier eine richtige kleine Zeremonie mit dem Kind zusammen abhält“, bestätigt mir auch Familientherapeutin Erika Sievers aus Wuppertal im Gespräch. „Rituale müssen sein, damit Kinder ihre Trauer ausleben können“. Man könne zum Beispiel im Garten zusammen ein kleines Grab einfrieden und es mit Blumen und einem Holzkreuz schmücken. „Natürlich muss man das Kind trösten und in den Arm nehmen, wenn es weint.“ Auf keinen Fall dürfe man ein totes Haustier „entsorgen“, es also in Hausmüll oder auf den Kompost werfen, was leider auch vorkomme.

Jedes Kind trauert anders

Was aber, wenn es sich nicht um einen kleinen Trauerfall handelt, wie das Ableben eines Haustieres, sondern um einen großen Einschnitt durch den Tod eines geliebten Menschen? Natürlich muss man dem Kind die traurige Nachricht schrittweise vermitteln. Zum Beispiel, indem man zunächst sagt: „Du weißt ja, dass der Opa sich in letzter Zeit immer so schwach gefühlt hat und krank war“ oder: „Der Körper von der Oma wollte nicht mehr recht mitmachen, sie ist ja schon alt. Weißt Du, und jetzt hat ihr Herz aufgehört zu schlagen, weil es zu schwach geworden war.“ Man sollte dem Kind dagegen nicht erzählen, dass der Verstorbene jetzt „weggegangen ist“, „woanders wohnt“ oder „friedlich schläft“, sondern ehrlich sagen, dass er gestorben ist und vermitteln, dass dies etwas Endgültiges ist.

„Wichtig ist, dass man jetzt keine bestimmte Reaktion des Kindes erwartet, sondern für alles offen ist und sich klar macht: Absolut jede Reaktion des Kindes ist okay!“ erläutert Diplom-Psychologin Sievers. Tatsächlich reagieren Kinder sehr unterschiedlich: Es kann sein, dass ein Kind bei der traurigen Nachricht sofort weint. Es kann aber auch sein, dass es scheinbar desinteressiert reagiert, das Thema wechselt oder vielleicht erstmal gar nichts sagt. Hier sollte man nicht insistieren („Bist du denn gar nicht traurig?“), sondern dem Kind Zeit geben, das Gehörte zu verarbeiten. „Je nachdem, wie eng das Verhältnis zum Verstorbenen war, ist die Nachricht ja ein Schock. Ein Kind kann sie erstmal gar nicht glauben. Das geht ja sogar uns Erwachsenen manchmal so.“ Deshalb solle man unerwartete Reaktionen beim Kind nicht bewerten, sondern einfach annehmen. Meist kommen nach einiger Zeit dann von selbst Fragen. „Wenn ein Kind reden will, müssen Eltern alles wahrheitsgemäß erklären. Kinder spüren, wenn man lügt oder etwas verschweigt“, betont die Familientherapeutin.

Wo wohnt der Opa jetzt?

Wie viel das Kind jetzt wissen möchte und auch versteht, hängt auch vom Alter ab: „Das Thema Tod und Vergänglichkeit wird für die Kinder zwischen vier und fünf Jahren langsam interessant“, erläutert Kinderarzt und -psychotherapeut Dr. Rüdiger Posth in seinem Online-Beratungsforum. Bis zu diesem Alter sei es weniger der Tod, als die Abwesenheit eines Menschen, der das Kind beschäftige. Denn eine ausgedehntere Zeitvorstellung habe ein Kind erst jenseits der Fünfjahresgrenze. Stirbt also die geliebte Uroma, möchte ein Kleinkind „einfach erfahren, warum jemand, der vorher da gewesen ist, plötzlich so weit weg ist, dass er nie wieder zurückkommen kann. Dieses Fortsein und Nichtzurückkehren ist es, was das Kind aufhorchen lässt, denn Fortsein und Verlust sind kindsspezifische Themen.“

Da kleine Kinder also keine großen Zeiträume verstehen könnten, mache es keinen Sinn, ihnen viel von Endgültigkeit und Ewigkeit zu erzählen, so Posth. „Es genügt eine kleine Geschichte, warum jemand auf einmal nicht mehr da ist“. Diese könnte zum Beispiel lauten, dass Uroma oder Uropa zu alt und zu schwach waren, um zu laufen und all das zu tun, was man im Alltag tut. Und dass sie deshalb jetzt im Himmel sind, wo es ihnen gut geht. Dass sie aber nicht mehr zurückkommen können von dort. Das Kind spekuliere sowieso, dass sich der Verstorbene irgendwo aufhalten müsse, auch wenn man ihn nicht besuchen könne. „Das Bild vom Himmel ist, so betrachtet, gar keine Entdeckung der Religion, sondern ein tiefenpsychologisches Relikt aus der frühen Kindheit“, erläutert Posth. Das heißt: Weil ein Kind sich die Nicht-Existenz eines Menschen nicht vorstellen kann, ist eine Erklärung, wo dieser Mensch jetzt ist, sehr wichtig – ob eine Familie religiös ist oder nicht.

Antworten gegen die Angst

Ältere Kinder möchten dagegen meist Genaueres wissen. Was man ihnen sagt, hängt vom persönlichen Weltbild ab. „Aber egal, woran man glaubt oder nicht glaubt, wichtig finde ich, dass man doch von einer Seele spricht“, betont Familientherapeutin Erika Sievers. „Man kann zum Beispiel erklären, dass die Seele den Körper verlässt, wenn dieser zu krank oder zu schwach geworden ist, und dass die Seele nicht sterben kann. „Wer nicht religiös ist, kann sagen, dass die Seele nun irgendwo ist, auch wenn man nicht genau weiß, wo. Und dass manche Menschen dazu dies glauben, andere jenes.“ So brauche man sich selbst nicht festzulegen, gebe dem Kind aber dennoch Trost. „Wer religiös oder spirituell orientiert ist, kann natürlich sagen, dass die Seele sich jetzt vielleicht einen neuen Körper sucht, oder dass sie im Himmel ist.“ Wer nicht an die Existenz einer Seele glaubt und seinem Kind auch keinesfalls davon erzählen möchte, kann erklären, dass der Verstorbene in der Erinnerung der Menschen, die ihn lieb hatten, weiterlebt.

Wenn Kinder mit dem Tod konfrontiert werden, befürchten sie manchmal, dass auch sie selbst sterben können. Hier sollte man ein Kind auf jeden Fall beruhigen, empfiehlt Dr. Posth: „Man kann ruhig sagen, dass man normalerweise erst im hohen Alter stirbt. Und dass man nur durch Unfälle und sehr schwere Krankheiten früher sterben kann, dass dies aber eine Ausnahme ist. Das verstehen auch Kinder schon ganz gut und es macht ihnen normalerweise auch keine Angst.“

Irgendwann im Kindergartenalter kommen Kinder aber auch ohne konkreten Auslöser ganz von selbst mit Fragen nach dem Tod. Sie hören von anderen Kindern, dass jemand gestorben ist, wollen wissen, was ein Friedhof ist, oder das Thema wird beim Anblick eines auf der Straße überfahrenen toten Tieres akut. Es kann daher nicht schaden, sich als Eltern schon vorher ein wenig zu überlegen, was und wie man im Fall der Fälle antworten möchte.

Sollte ein Kind mit zur Beerdigung gehen?

„Unbedingt sollte ein Kind bei der Beerdigung eines geliebten Menschen dabei sein dürfen“ betont Diplom-Psychologin Erika Sievers im Gespräch mit urbia. Man brauche keine Sorge zu haben, dass dies das Kind überfordere, ganz im Gegenteil: „Wenn man ihm das vorenthält, ist ein Kind oft lange enttäuscht und hat das Gefühl, dass etwas fehlt.“ Dies gelte unabhängig vom Alter. Jedes Kind müsse Gelegenheit haben, Abschied zu nehmen und dürfe ruhig auch sehen, dass die anderen ebenfalls traurig sind oder weinen, weil jemand gestorben ist. „So sehen sie, dass auch die anderen den verstorbenen Menschen lieb hatten.“ Auch hier könne man dem Kind noch einmal erklären, dass nur der Körper tot ist und im Sarg in die Erde hinabgelassen wird, während die Seele bereits woanders ist.

Wenn ein Kind ausdrücklich nicht mitkommen möchte zur Beerdigung, sollte man es nicht dazu drängen. Manche Kinder haben aber nur deshalb zunächst Angst, weil sie nicht wissen, was eigentlich auf einer Beerdigung passiert. Man kann also das Kind fragen, ob es wissen möchte, was dort geschieht. Danach kann es entscheiden, ob es lieber zu Hause bleiben oder mitkommen möchte.

Rituale erleichtern den Abschied

Was für das tote Haustier gilt, wird noch wichtiger, wenn ein Verwandter gestorben ist: Rituale erleichtern Kindern das Abschiednehmen. Ist ein geliebter Mensch gestorben, kann das Kind „zum Beispiel einen eigenen, bunten Blumenstrauß pflücken und bei der Beerdigung in das Grab werfen. Es könnte auch ein Bild für den Verstorbenen malen und mit ins Grab geben“, schlägt Familientherapeutin Sievers vor. „Das geht natürlich auch später, es muss nicht bei der Beerdigung selbst sein, falls das Kind da noch nicht soweit ist. Ein Kind kann ein selbst gemaltes Bild, etwas Gebasteltes oder ein Geschenk, wie zum Beispiel ein Stofftier, auch im Nachhinein in die Erde eingraben und es sozusagen dem Verstorbenen „nachschicken“.

Wann ist Hilfe nötig?

Trotzdem kann es passieren, dass ein Kind den Tod eines geliebten Menschen zunächst nicht verkraften und verarbeiten kann – vor allem wenn jemand stirbt, der für das Kind existentiell wichtig war, wie Mutter, Vater oder ein Geschwisterkind (aber auch die beste Freundin, der beste Freund). Sitzt der Schock zu tief, ist professionelle Hilfe von außen nötig. „Wenn man das Kind genau anschaut, spürt man, ob es noch zurecht kommt oder nicht“, so Sievers. Zum Beispiel kann es passieren, dass ein Mädchen, dessen beste Schulfreundin bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, in den Tagen und Wochen nach der Beerdigung immer stiller wird, sich in sich zurückzieht und kaum noch spricht. „Bei solchen Alarmzeichen sollte man sich auf jeden Fall an einen Kinder- und Jugendpsychiater wenden, oder auch an eine Selbsthilfegruppe für trauernde Kinder, wie es sie in vielen Städten gibt“, rät Erika Sievers.

Buchtipps

Für Eltern

Kinder trauern anders: Wie wir sie einfühlsam und richtig begleiten. Von Gertrud Ennulat, Herder Verlag 2008, ISBN-10: 3451053675, ISBN-13: 978-3451053672.

Wenn Kinder trauern. Von Christine Fleck-Bohaumilitzky, Südwest-Verlag 2003, ISBN-10: 3517066982, ISBN-13: 978-3517066981.

Wie Kinder trauern - So können Eltern die Selbstheilungskräfte ihrer Kinder fördern. Von Gertraud Finger, Kreuz Verlag 2008, ISBN-10: 3783131073, ISBN-13: 978-3783131079.

Zum Vorlesen

Leb wohl, lieber Dachs. Von Susan Varley. Betz Verlag 1984, ISBN-10: 3219102832, ISBN-13: 978-3219102833 (Der Dachs ist alt, sein Körper will nicht mehr recht. Eines Abends träumt er, wie er durch einen langen Tunnel ins Licht läuft, und dabei seinen kranken Körper zurücklässt. Am Morgen finden ihn seine Tierfreunde tot im Lehnstuhl. Jeder erzählt nun von einer besonders schönen Begebenheit, die er mit dem Dachs erlebt hat).

Hat Opa einen Anzug an? Bilderbuch mit einfachem Text von Amelie Fried und Jacky Gleich, Hanser Verlag 1997, ISBN-10: 3446190767, ISBN-13: 978-3446190764 (Bruno mag seinen Opa. Doch jetzt ist Opa fort. Sein Bruder Xaver sagt, er sei auf dem Friedhof. Papa sagt, er ist im Himmel. Beides geht ja wohl nicht. Warum lässt Opa ihn überhaupt einfach allein, und wer wird jetzt immer mit ihm angeln gehen?).

Die besten Beerdigungen der Welt. Von Ulf Nilsson (Autor), Eva Eriksson (Illustrator), Moritz Verlag 2007, ISBN-10: 3895651745, ISBN-13: 978-3895651748 (Drei Kinder gründen an einem langweiligen Tag ein Beerdigungsinstitut. Für alle toten Tiere, die sonst keiner beachtet, wollen sie die besten Beerdigungen der Welt ausrichten). Von der Kritik besonders empfohlenes Kinderbuch zum Thema Tod.

Adieu, Herr Muffin. Von Ulf Nilsson (Autor), Anna-Clara Tidholm (Illustrator), Beltz Verlag 2007, ISBN-10: 3407760477, ISBN-13: 978-3407760470 (An einem Mittwochmorgen kann Herr Muffin nicht mehr aufstehen. Es tut so weh im Bauch und in den Beinen. Eine Tierärztin kommt und drückt und klopft auf seinen Bauch. Danach schüttelt sie traurig den Kopf). Ausgezeichnet als bestes schwedisches Kinderbuch des Jahres.

Abschied von Opa Elefant: Eine Bilderbuchgeschichte über den Tod. Von Isabel Abedi (Autor), Miriam Cordes (Illustrator), Ellermann Verlag 2006, ISBN- 10: 3770742923, ISBN-13: 978-3770742929 (Opa Elefant verabschiedet sich bei seinen Enkelkindern. Er erklärt ihnen, dass er sterben und nicht zurückkommen wird. Die Elefantenkinder überlegen, was man wohl erlebt, wenn man gestorben ist, und dass man wohl in der Erinnerung anderer weiterlebt).

Hat Oma Mia Schuhe an? Eine Geschichte über Christa, Lukas und deren Oma. Von Udo Hartmann, Verlagshaus Schlosser, 11,90 EUR, ISBN 978-3-86937-061-3 (Gerade hat Oma noch ihren 70 Geburtstag gefeiert, dann stirbt sie plötzlich. Eine Familíengeschichte über den Tod und die dazugehörige Trauer in der Familie für Kinder ab 5 Jahren und deren Eltern. Ablauf der Bestattungsvorbereitungen und der Bestattung kindgerecht erzählt).