Platz, Sachspenden, Zeit

So können Familien Flüchtlingen helfen

Erschöpfte Mütter, weinende, verängstigte Kinder, verzweifelte Väter: Die berührenden Bilder von Flüchtlingen lassen wohl kaum ein Elternherz kalt, und in vielen regt sich der Wunsch zu helfen. Wir haben Anregungen gesammelt, was Familien gemeinsam zur Hilfe für Flüchtlinge beitragen können.

Autor: Kathrin Wittwer

Wir wollen helfen – aber wie?

Hilfe für Flüchtlinge
Foto: © Fotolia

Unzählige Familien kommen dieser Tage nach einer langen, gefahrvollen Flucht in unser Land. Das ganze Land ist mit diesem Thema beschäftigt, und auch Kinder bleiben davon nicht unberührt, zum Beispiel, wenn Flüchtlingskinder in ihre Schulen gehen. In vielen Familien kommt da der Wunsch auf, etwas zu tun. Aber was und wie?

Der Familienrat: Was können wir helfen?

Egal ob Mama, die mit der fremden Mutter Mitgefühl hat, Papa, der anpacken will oder die engagierten Teenager des Hauses den Startschuss für aktive Hilfe geben: Jetzt ist eine gute Zeit, den Familienrat einzuberufen und zu besprechen, was man gemeinsam als Familie tun möchte. Was können wir geben? Zeit, Geld, Sachen? Gibt es Aktionen, die wir in der Schule oder mit Kollegen organisieren können?

Dabei hilft es, sich in die Flüchtlinge hineinzuversetzen: Wie würde es mir in dieser Situation gehen, was brauche ich jetzt? „Mit Empathie sieht man schnell, was getan werden muss. Auch eventuelle Berührungsängste lassen sich so abbauen", weiß Peter.

Der Soziologiestudent und Vater engagiert sich stark bei „Rostock hilft", einem Netzwerk, das sich aus einer privaten Initiative heraus um Geflüchtete in Rostock kümmert. Inzwischen sind 800 ehrenamtliche Helfer dabei, auch Familien, Kinder und Jugendliche.

Helfen mit Sinn und Verstand

Nach dem Brainstorming im Familienrat heißt die nächste Aufgabe: Hilfsbereitschaft und Ideenfreude nicht in blinden Aktionismus ausarten lassen, sondern in nützliche Wege leiten. Also nicht einfach Kleidung zusammensuchen und zu einer lokalen Hilfseinrichtung bringen, sondern als Erstes dort nachfragen, was ganz konkret gebraucht wird. Zum Beispiel: Wer Kinderkleidung abzugeben hat, wird damit einem Flüchtlingsheim, in dem hauptsächlich junge Männer untergebracht sind, nicht wirklich weiterhelfen. Oder: Manche Einrichtungen legen Wert darauf, dass aus Hygienegründen nur abwaschbares Kinderspielzeug abgegeben wird, also keine Plüschtiere. Manche Initiativen, wie „Rostock hilft", haben Webseiten, Blogs oder facebook-Profile, auf denen regelmäßig eine Liste veröffentlicht wird, was genau aktuell gebraucht wird, sei es witterungsgerechte Kleidung und Decken für alle Familienmitglieder, Hygieneartikel oder eben Spielzeug. Häufig fehlen Medikamente wie Schmerz- und Magen-Darm-Mittel.

Alltagshilfen: Dolmetscher, Fahrer, Amtsbegleiter

Ganz weit oben auf der „Gesucht"-Liste stehen aber auch Menschen, die aktiv was tun. „Rostock hilft" zum Beispiel nimmt Geflüchtete an Bahnhöfen in Empfang, begleitet sie in Heime, sammelt und verteilt Sachspenden, übernimmt Fahrdienste und informiert die Flüchtlinge über alles, was sie wissen müssen. Dolmetscher oder Leute, die helfen, Amtsgänge zu erledigen, sind immer willkommen.

Kleine Helfer ganz groß

Das gilt absolut auch für Kinder. Bei „Rostock hilft" haben sich schon ganze Schulklassen eingebracht: „Eine Schule hat die Kinder zum Stullenschmieren vorbei gebracht", erzählt Peter. „Eine andere hat Schüler im Rahmen einer Projektwoche für uns freigestellt. Die Kinder haben in der Logistik geholfen, also Nahrungsmittel hergestellt und verpackt und Kleidung sortiert."

Auch direkt in der Schule lässt sich so einiges auf die Beine stellen, zum Beispiel um Spendengelder zu sammeln: Kuchen- oder Spielzeugbasare, Benefizaufführungen wie Konzerte oder Theaterstücke, Sponsorläufe. Natürlich auch gemeinsame Aktivitäten mit Flüchtlingskindern, zum Beispiel Bastelnachmittage, Sportturniere oder einfach nur Spielen. Zur Verständigung braucht es keine großen Sprachkenntnisse. Im Gegenteil: Im Spiel picken Kinder Wörter ruckzuck auf – und lernen gegenseitig voneinander. Oder Kinder und Eltern finden sich für einen Aktionsnachmittag zusammen, an dem sie zusammen Geschenkpäckchen für Mädchen und Jungen verschiedenen Alters schnüren, die an Geburtstagen und Weihnachten an Flüchtlingskinder ausgegeben werden können. All das kann eine Klasse anregen oder über Schüler- und Elternrat initiiert werden.

Und Mama und Papa?

Eltern können zum Beispiel schauen, ob in den Vereinen und Freizeiteinrichtungen, die ihre Kinder besuchen, auch Flüchtlingskinder mitmachen und mittrainieren könnten und die nötigen Fahrdienste organisieren. Handarbeitsbegeisterte Mütter finden vielleicht einen Weg, Nachmittagskreise mit Flüchtlingsmüttern auf die Beine zu stellen. Jegliche Sportmöglichkeiten werden dankbar angenommen, und wer sich zutraut, einen kleinen Sprachkurs zu geben, wird mit Sicherheit ebenso auf großes Interesse stoßen.

Die ganze Familie lädt ein

„Nach unserer Erfahrung sind Geflüchtete für jede Gelegenheit dankbar, dem Lagertrott mal zu entkommen, und sei es nur für ein paar Stunden", nennt Peter einen anderen Ansatzpunkt. Zum Beispiel, wenn sie bei einer Familie zum Essen eingeladen werden. Oder zu einem Ausflug, der den Kindern Abwechslung bietet, eine unbeschwerte Spielzeit ermöglicht. Stadterkundungen, die ein Gespür für die neue Umgebung vermitteln, sind ebenfalls willkommen, egal, ob die Menschen letztlich an diesem Ort bleiben werden oder nicht.

Gastfreundliche Familien haben damit nicht nur etwas zu geben – auch für sie selbst sind solche Kontakte bereichernd und Vorurteile lösen sich ganz schnell in Luft auf, lernt man sich erst einmal kennen. Und Sorgen, dass die Geflüchteten aus so einem persönlichen Kontakt heraus immer mehr erwarten könnten, kann Peter beruhigen: „Die Vorstellung, dass wenn ich den kleinen Finger hinhalte, gleich der ganze Arm abgerissen wird, die ist völlig falsch. Da ist einfach nur Dankbarkeit."

Wir haben da noch was frei

Das Leben in Lagern und Heimen ist gerade mit kleinen Kindern schwierig. Wer einer Flüchtlingsfamilie Platz in eigenem Wohnraum zur Verfügung stellen möchte, kann dies durchaus tun. Das ist allerdings nicht ganz unbürokratisch und muss mit der zuständigen Behörde wie dem örtlichen Sozialamt geklärt werden. Generell sollte man bereit sein, den Raum auf längere Sicht zu vergeben. In manchen Fällen, meint Peter, könnten aber auch schon einige Nächte etwas bewirken: „Hilfreich ist, wenn jemand kranken Menschen eine Auszeit verschaffen kann und sagt, die Mutter mit den zwei Kindern kann mal ein, zwei Nächte bei uns schlafen. In den Zeltstädten sind die Chancen, gesund zu werden, ja nicht sehr hoch."

Nicht alle(s) auf einmal: Es wird noch lange Hilfe gebraucht

Wer aktuell keine Möglichkeit sieht zu helfen, muss das Thema nicht gleich ganz vergessen, sondern kann sehr gut ein späteres Engagement einplanen. „Wir helfen, solange wir gebraucht werden", sagt Peter klar. Allerdings weiß niemand, wie lange das sein wird, und das Engagement auf Dauer aufrechtzuerhalten, ist schwer. Gerade, wenn eine Situation zur Normalität wird und keine Neuigkeit mehr ist, neigen wir dazu, sie auszublenden. Es wird also wichtig sein, wenn die ersten Wellen der Helfer eine Pause brauchen, dass neue Unterstützer übernehmen, Geld sammeln, nötige Kleidung bereitstellen.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Auch wenn es eigentlich selbstverständlich sein sollte: Unter Hilfe mit Sinn und Verstand zählt auch, Spenden nicht dafür zu benutzen, zerrissene Kleidung und kaputten Sperrmüll auszusortieren. Viele Hilfseinrichtungen berichteten, dass Sommerkleidung im Winter abgegeben wurde oder Sachen, die für Muslime untragbar sind. Alle Sachen sollten natürlich in einem sauberen Zustand sein, denn die wenigsten Einrichtungen haben die Kapazitäten, tonnenweise Kleidung zu waschen, bevor sie weitergegeben wird. Bei Lebensmitteln, vor allem bei schon zubereiteten Speisen, ist geboten, sich vorher zu erkundigen, was es zu beachten gibt. Auch Süßigkeiten mit Gelatine sind für viele ein Tabu.

Service: Hier gibt es weitere Informationen zu Flüchtlingshilfe

Einen allumfassenden Überblick über wirklich alle Hilfsinitiativen in Deutschland gibt es derzeit (noch) nicht. Die Tagesschau versucht dies mit einer interaktiven Karte aufzubauen.

Ansonsten hilft nur die individuelle Suche im Netz oder ein Blick in die lokalen Medien. Weitere generelle Informationen über sinnvolle Flüchtlingshilfe finden sich z.B. unter: 

Und noch ein Tipp…

Will sich die ganze Familie beteiligen, gehört natürlich dazu, dass alle, auch die Kinder, wissen, worum es eigentlich geht. Eine kindgerechte Erklärung hat die Kinderbuchautorin Kirsten Boie aufgeschrieben: In „Bestimmt wird alles gut" erzählt sie die wahre Geschichte zweier syrischer Kinder. Als Bildgeschichte ist die noch bis 31. Dezember 2015 auf dem Bildungsportal „Onilo" kostenfrei online anzusehen.