Das neue Unterhaltsrecht und seine Folgen

Weniger Geld für geschiedene Mütter

Nach einer Scheidung ist jeder Ehepartner wieder für sich selbst verantwortlich. Eine lebenslange Versorgung durch den Ex-Partner gibt es nicht mehr, auch Mütter bekommen nur noch eingeschränkt Unterhalt vom Ex. So sieht es das neue Unterhaltsrecht vor, das 2008 in Kraft getreten ist. Was die Neuregelung verändert hat, erfahren Sie hier.

Autor: Sabine Ostmann

Nach der Ehe muss nun jeder für sich selber sorgen

Mutter Soehne traurig Scheidung
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16 Jahre Ehe – und jetzt das: Ulla K., Mutter von zwei 14 und 12 Jahre alten Söhnen, seit 2005 geschieden, muss wieder auf Jobsuche gehen. Kaum war 2008 die Reform des Unterhaltsrechts in Kraft getreten, strich ihr Ex-Mann ihren Unterhalt. Seine Begründung: Die Kinder seien alt genug; die Ex-Frau könne wieder in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Ulla K. wehrte sich. Doch ihre Klage wurde abgewiesen: Nicht ihr Status als Ehefrau eines gut verdienenden Arztes sei maßgeblich für die Bemessung der Unterhaltszahlungen, beschied das Gericht, sondern ihr Status vor der Ehe – da war Ulla K. Krankenschwester. Angesichts des Alters der Kinder sei eine Vollzeitstelle zumutbar. Noch zwei Jahre lang bekommt die 45-Jährige den großzügigen Unterhalt von ihrem Ex-Mann; spätestens dann muss sie einen Job gefunden haben und mit einem Krankenschwestern-Gehalt über die Runden kommen.

Zugegeben: Dieser Fall ist fiktiv. Aber alles andere als unrealistisch. Denn Unterhaltskonflikte wie dieser beschäftigen die Gerichte zuhauf. Mit allen bitteren Folgen für die Betroffenen, vor allem für geschiedene Mütter, die für lange Zeit wegen der Familie aus dem Beruf ausgestiegen sind. Denn seit der Einführung des neuen Unterhaltsrechts ist jeder Ehepartner wieder selbst für sich verantwortlich. So sieht es der „Grundsatz der Eigenverantwortung“ in §1569 des „Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts“ vor: „Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.“ Ehegattenunterhalt nach der Scheidung sollte also nicht mehr die Regel, sondern eine Ausnahme sein. Das gilt auch für geschiedene Mütter. Durch die neue Regelung steht ihnen nun weniger Unterhalt zu und dies auch nur befristet. Spätestens nach dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes sollen sie finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen. Auf detaillierte Vorgaben zu Dauer und Bemessung des Unterhalts hat der Gesetzgeber ausdrücklich verzichtet und stattdessen Einzelfallprüfungen vorgesehen.

Bis 2008 galt für Geschiedene mit minderjährigen Kindern das „Altersphasenmodell“ – von Juristen auch als „08/15-Modell“ bezeichnet: Der erziehende Elternteil brauchte nicht erwerbstätig zu sein bis das jüngste, im Haushalt lebende Kind acht Jahre alt war; bis zu dessen 15. Geburtstag wurde von der Mutter allenfalls eine Teilzeittätigkeit erwartet. Der unterhaltspflichtige Partner, in der Regel der Vater, musste im Ernstfall zahlen, bis ihm nur noch ein Selbstbehalt von 900 Euro monatlich blieb – eine neue Beziehung mit Nachwuchs war für Normalverdiener unter diesen Umständen oft nicht mehr möglich.

Kinder haben Vorrang

Das sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers ändern. Deshalb wurde im neuen Unterhaltsrecht nicht nur die „nacheheliche Eigenverantwortung“ gestärkt. Anders als vor 2008 haben jetzt minderjährige Kinder Vorrang vor dem Ex-Partner. Das heißt: Unterhaltspflichtige müssen zuallererst ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber ihren minderjährigen Kindern nachkommen – gleichgültig, ob diese aus einer geschiedenen Ehe, aus einer nichtehelichen Beziehung oder aus einer neuen Partnerschaft stammen. Erst danach kann der Ex-Partner Ansprüche geltend machen. Durchsetzen kann er sie freilich nur, wenn überhaupt noch Geld übrig ist. Ist der Ex-Ehemann zum Beispiel Angestellter mit einem Durchschnittsverdienst und hat er nach der Scheidung eine neue Familie gegründet, so dürfte für die Ex-Ehefrau nichts mehr zu holen sein.

Experten sind sich einig: Das neue Unterhaltsrecht bedeutet faktisch das Ende der „Hausfrauenehe“. Und das war im Grunde auch die Absicht des Gesetzgebers. Die neue Regelung sei die angemessene „Antwort auf gesellschaftliche Realitäten“, so die frühere Justizministerin Brigitte Zypries.

Das neue Unterhaltsrecht gilt auch rückwirkend

Mütter, die sich heute scheiden lassen wollen, wissen was auf sie zukommt. Anders Frauen, deren Ehe vor dem Stichtag 1. Januar 2008 geschieden wurde. Sie sind keineswegs auf der sicheren Seite. Denn das Gesetz gilt auch rückwirkend; Übergangsfristen sind nicht vorgesehen. Die Folge: Kaum war das neue Recht in Kraft, fochten viele unterhaltspflichtige Männer die bei der Scheidung getroffenen Unterhaltsregelungen mit Abänderungsklagen an oder stellten die Zahlungen an ihre Ex von heute auf morgen ein.

Das allerdings war etwas übereilt. Denn die gesetzlichen Regelungen sehen eine Übergangsfrist als Vertrauensschutz vor. Allerdings ist diese Frist zeitlich nicht näher definiert. Manche Gerichte legen die halbe Ehedauer fest. In anderen Fällen beschränken die Gerichte die „nacheheliche Solidarität“ auf eine deutlich kürzere Frist: So entschied das OLG Karlsruhe nach 17 Jahren Ehe auf lediglich vier Jahre Unterhalt.


Was ist geschiedenen Müttern zumutbar?

Gehen Frauen, die der Familie zuliebe lange im Haushalt, anstatt karrierefördernd im Job gearbeitet haben, jetzt leer aus? Sie sind im Grunde die Verliererinnen der Reform. Sicher wird einer 60-Jährigen, die 30 Jahre lang verheiratet war, angesichts der langen Ehedauer kein Unterhalt gestrichen. Gleiches gilt für Mütter, die ein schwer behindertes Kind betreuen – auch hier dauert die „nacheheliche Solidarität“ fort. Doch wie sieht es aus, wenn die Situation nicht so eindeutig ist? Im Fall einer ungelernten Reinigungskraft nämlich befand das OLG Bremen, dass der nacheheliche Unterhaltsanspruch sogar nach 27 Jahren Ehe noch begrenzt werden darf.

In § 1570 des neuen Gesetzes heißt es, dass „sich die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. (Sie) verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.“ Doch was genau meint „billig“? Das wird nach den konkreten Umständen des Einzelfalles entschieden. Dabei ist eine Fülle von Fragen zu klären:

  • Existiert überhaupt eine Kinderbetreuung am Ort? Gibt es einen Ganztagskindergarten oder einen Hort für die Betreuung nach der Schule? Gibt es Betreuungsmöglichkeiten während der Ferien?
  • Was ist wenn ein Kind krank ist oder aus anderen Gründen eine umfangreichere Betreuung durch die Mutter notwendig ist?
  • Hat die Frau, beispielsweise nach einer langen Familienpause, überhaupt eine Chance, einen Arbeitsplatz zu finden – hier sind ihre Erwerbsbiographie sowie die konkrete Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen.
  • Wie ist der ehebedingte Nachteil zu werten – also die beruflichen Nachteile, die Frauen in Kauf nehmen, wenn sie zugunsten des Ehemannes und der Familie auf eine eigene Karriere verzichten?

Der ehebedingte Nachteil

Das Problem: Bei der Bewilligung und Bemessung des Ehegattenunterhalts sind viele Faktoren zu berücksichtigen und die Richter haben bei den vom Gesetzgeber vorgesehenen Einzelfallentscheidungen einen großen Ermessensspielraum. Die Beweislast liegt bei den Müttern: Sie müssen Atteste liefern, wenn ein Kind krank ist und eine intensivere Betreuung braucht. Sie müssen nachweisen, dass sie trotz angestrengter Bemühungen keine Stelle finden. Noch schwieriger ist es, einen Nachweis über den sogenannten ehebedingten Nachteil infolge einer traditionellen Rollenverteilung in der Ehe zu erbringen.

Dabei ist gerade dieser Punkt von zentraler Bedeutung – vor allem für hochqualifizierte Frauen, die kaum in Teilzeit arbeiten können und nach längerer Familienpause oft nur schwer wieder in ihren Beruf zurückfinden. Viele Gerichte neigen inzwischen dazu, diesen Frauen so lange Aufstockungsunterhalt zu gewähren wie der ehebedingte Nachteil angedauert hat; die Höhe bemisst sich nach dem Verdienst, den die Frau hätte erzielen können, wenn sie ihren Beruf nicht aufgegeben hätte. Eigene Einkünfte der Frau dürfen dabei nicht mehr voll angerechnet werden – so ein BGH-Urteil. Einer Controllerin, die während ihrer Ehe fünf Jahre „Familienpause“ gemacht hat, stünde also 2,5 Jahre lang Aufstockungsunterhalt zu. Es sei denn, sie hätte während der Ehe die Bücher im Betrieb ihres Mannes geführt. Dann könnte das Gericht sie darauf verweisen, auch künftig als Buchhalterin zu arbeiten – denn das wäre nun ihr neuer Beruf.

Die Rechtslage ist verwirrend

Seit mehr als zwei Jahren gilt das neue Unterhaltsrecht nun. Doch die Vielzahl der bisher getroffenen Einzelfallentscheidungen ergibt nach wie vor kein klares Bild. Die vielen Fragen Betroffener in einschlägigen Blogs zeigen, wie groß die Irritation ist. Einige Beispiele: Einer 51-jährige Krankenschwester, die während ihrer 16 Ehejahre vier Kinder erzogen hatte, wurde der nacheheliche Unterhalt mit der Begründung versagt, es sei für sie zumutbar, dass sie Vollzeit in ihrem Beruf arbeite. Das KG Berlin hingegen entschied, dass der Mutter eines Achtjährigen dies nicht zuzumuten sei, da eine Ganztagsbetreuung dem Kindeswohl widerspreche. Der BGH wiederum befand, dass eine Lehrerin mit einem siebenjährigen Sohn durchaus Vollzeit arbeiten kann. Dieses Urteil entspricht im Übrigen dem Trend, dass die Richter den Gesetzestext zunehmend restriktiver auslegen. Dennoch lässt sich kaum einschätzen, wie eine Entscheidung im Einzelfall aussehen könnte – selbst Rechtsanwälte sind hier oft unsicher.

Ab zu Papa?

Faktisch zwingt das neue Unterhaltsrecht allein erziehende Mütter früher oder später dazu, neben der Erwerbstätigkeit nach Feierabend noch den „Zweitjob“ Haushalt und Kinder zu erledigen: einkaufen, kochen, den Haushalt erledigen, mit den Kindern spielen, ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte zu haben, noch einen Blick auf die Hausaufgaben zu werfen, die Betreuung während der Ferien regeln und so weiter bis oft genug weit nach Mitternacht. Manche Mütter haben in dieser Situation schon auf volles Risiko gesetzt und den Kindsvätern angedroht, dass der Nachwuchs in Kürze wieder bei Papa einzieht. Meist floss in solchen Fällen der Betreuungsunterhalt rasch wieder.

Ein Ehevertag muss her

Frauen, die nach mehreren Jahren Ehe und Familienarbeit geschieden werden, trifft das neue Unterhaltsrecht hart. Ihnen bleibt nur der Weg zu einem erfahrenen Fachanwalt für Familienrecht – und dann gilt es auf den guten Willen des Gerichts zu hoffen. Für jüngere Frauen hingegen birgt die neue Rechtslage durchaus Chancen. Zumindest aber Klarheit: Denn die Frage, ob sie berufstätig sein wollen oder sich der Familienarbeit widmen möchten, stellt sich für sie nun nicht mehr. Sie dürfen den Anschluss an den Job einfach nicht verlieren, auch wenn Kinder geplant sind. Ganz wichtig sind klare Absprachen mit dem Partner, am besten in Form eines Vertrags und mit Unterstützung eines versierten Anwalts. Dieser privatrechtliche Vertrag sollte Absprachen zu den Anteilen beider Partner an der Familienarbeit ebenso festhalten wie Lösungen für die Altersversorgung des Elternteils, das wegen der Kinderbetreuung einige Zeit aus dem Beruf aussteigt. Vor allem aber sollte darin geregelt sein, wie der Unterhalt im Fall einer Scheidung geregelt sein soll.

Das Ziel: Gleichstellung verheirateter und unverheirateter Mütter

Ein wichtiges Ziel des Gesetzes war die Gleichstellung verheirateter und nicht verheirateter Eltern – eigentlich ein lobenswerter Ansatz. Eckhard Benkelberg, Fachanwalt für Familienrecht aus Emmerich, erwirkte 2007 ein spektakuläres Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Gesetzgeber aufforderte, alle Mütter beim Betreuungsunterhalt gleich zu stellen. Das ist auch geschehen. Allerdings nicht auf dem Niveau, das das „Altersphasenmodell“ geschiedenen Mütter vor 2008 zugestand, sondern auf der niedrigeren Stufe, die unverheirateten Müttern zugebilligt wurde: Wenn das jüngste Kind drei Jahre alt wird, ist Schluss mit den Zahlungen.

Zum Weiterlesen:

Astrid Congiu-Wehle, Joachim Mohr: Das neue Unterhaltsrecht. Stern Ratgeber. Linde Verlag, Wien, 9,90 Euro

Ute Lohrentz, Thomas Denno: Unterhalt bei Scheidung und Trennung. dtv Taschenbuch, 8,90 Euro

Barbara Schramm: Trennung, Scheidung, Unterhalt für Frauen, mit CD-ROM. Rudolf Haufe Verlag, 16,90 Euro

„Mein Recht beim Kindes- und Ehegattenunterhalt“. Rechtstipps Spezial Nr. 2. Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag. Zu bestellen unter www.rechtstipps.de, 14,80 Euro

Weiterführende Links

www.familienrecht-ratgeber.de: Informationen rund um Eherecht, Scheidung, Unterhalt, nichteheliche Lebensgemeinschaft, Lebenspartnerschaft sowie familiengerichtliche Verfahren

www.allein-erziehend.net: Forum für allein erziehende Mütter und Väter