Erstaunliches aus der Wissenschaft

'Männliche' Männer weniger fortpflanzungsfähig?

Männer, die sich den traditionellen männlichen Eigenschaften verpflichtet fühlen, weisen häufiger krankhafte Veränderungen der Spermien auf. So das erstaunliche Ergebnis einer aktuellen Forschungsarbeit.

Autor: Petra Fleckenstein

Haben Machos schlechteres Sperma?

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Mütter können längst ein Liedchen davon singen. Hat der Vater ihrer Kinder keine Hemmungen, auch seine weiblichen, fürsorglichen, pflegenden Seiten zuzulassen und auszuleben, kommt das nicht nur ihm, sondern auch Mutter und Kind zugute. So haben viele Frauen in unserer modernen Gesellschaft heute die Lektion gelernt. Nicht mehr diejenigen Männer, die sich durch Imponiergehabe, Muskelkraft und besonders aggressive Durchsetzungsfähigkeit gegenüber ihren männlichen Konkurrenten hervortun, versprechen, die besten Familienväter abzugeben. Es sind vielmehr solche, die sich auch einmal kritisch mit dem konservativen Bild von Männlichkeit auseinandergesetzt haben und es nicht scheuen, sich in manchen Punkten den immer noch kursierenden Erwartungen an echte Männlichkeit einfach zu entziehen.

Nun erhält der Verdacht, dass alte Männlichkeits-Muster in unseren westlichen Industrienationen ausgedient haben könnten, neue Nahrung aus der wissenschaftlichen Forschung. Die Hamburger Professorin Dr. Kerrin Christiansen hat eine Studie veröffentlicht, nach der ausgerechnet Männer, die sich mit einer ausgeprägt maskulinen Geschlechtsrolle identifizieren, häufiger einen krankhaften Spermabefund aufweisen. Oder etwas vereinfacht: Besonders männliche Männer verfügen über schlechteres Sperma und damit eine geringere Zeugungskraft als ihre etwas zart-besaiteteren Geschlechtsgenossen.

Ellbogenmentalität erzeugt Stress

Tatsächlich hat die Forscherin eine Stichprobe von 73 ungewollt kinderlosen Männern mit verschiedenen Kontrollgruppen verglichen und kam zu dem Ergebnis, dass bei "maskulinen Männern signifikant häufiger als bei den androgynen Patienten ein pathologischer Spermabefund diagnostiziert wurde, und zwar bei 92 Prozent der maskulinen Männer." All die weniger prächtigen Exemplare der Spezies Mann werden sich nun erleichtert zurücklehnen und betont lässig konstatieren: Ja, Männlichkeit zeigt sich eben nicht durch einen muskelgestählten Oberkörper und dreistes Macho-Gehabe...

Aber Vorsicht, ganz so einfach ist's wohl auch wieder nicht. Zwar hat die Forscherin durchaus eine Erklärung für diesen erstaunlichen Zusammenhang. Männliche Männer nämlich, also solche, die sich der traditionellen Definition von Männlichkeit verpflichtet fühlen, nach der Männer vor allem Ellbogeneigenschaften mitbringen, indem sie "wetteifern", "kritisieren ohne Unbehagen" und "Führungseigenschaften" an den Tag legen, diese also vermeintlich besonders männlichen Männer geraten in unserer Gesellschaft durch ihr "Streben nach Aktivität, Wettstreit und Dominanz" unter erheblichen Stress. Stess nun wiederum senkt die Zahl und Qualität der Spermatozoen und damit die Zeugungsfähigkeit. Dennoch betont die Wissenschaftlerin der Ehrlichkeit halber, dass "die maskuline Rollenorientierung eines Mannes nicht die einzige Ursache für Paarsterilität ist."

Okay, die sicher notwendige Einschränkung wird gerne zur Kenntnis genommen. Dennoch sind Frauen durch diese Arbeit wieder um ein Argument reicher, wenn sie künftig einfühlsamen, zärtlichen und kommunikationsstarken Männern den Vorzug geben und in ihrem nicht ganz so aggressiv zielstrebigen oder kaum kraftstrotzenden Expemplar an ihrer Seite die wahre Männlichkeit erkennen.

Quelle: Der Originalaufsatz von Kerrin Christiansen mit dem Titel "Sind evolutionär angepasste Fortpflanzungsstrategien heute noch erfolgreich?" ist erschienen in: Evolutionäre Sozialpsychologie und automatische Prozesse, Witte, E.H., 2006

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