urbia-Glosse

Mein toller Mann!

Neue Männer braucht das Land und urbia-Autorin Svenja Sander, Mutter zweier Kinder, hat offenbar einen. Küchenfertigkeit, Elternzeit, wenn das kein toller Vater ist? Warum unsere Autorin dennoch sauer ist, liest du hier.

Autor: Svenja Sander

'Hast du einen tollen Mann!'

Mann Haushalt panther Monkeybusiness Images
Foto: © Panthermedia, Monkeybusiness Images

Alljährlich (besonders zum Vatertag) ergehen Aufrufe an Väter, ihre Vaterschaft aktiver zu leben und sich mehr bei der Familienarbeit einzubringen. urbia-Autorin Svenja Sander hat einen Mann, der (so scheint es zumindest) wirklich dazu gehört, zu der ersehnten Spezies der „neuen Väter“. Warum sie dennoch oft sauer auf ihn ist, beschreibt sie hier.

Ich habe einen tollen Mann. „Hast Du einen tollen Mann...!“, seufzen, jubilieren, flüstern mir Freundinnen, Besucher, Nachbarn und vor allem meine Mutter gern und häufig zu. Ja, weiß ich, stimmt ja auch. Ein toller Mann. Denn hat er nicht, als unsere Kinder klein waren, öfters mitgewickelt, schwingt er nicht virtuos den Kochlöffel, weiß Bunt- von Weißwäsche zu unterscheiden und im Notfall das Bügeleisen zu bedienen und hat – ja wirklich (Tusch!) sogar ein halbes Jahr Elternzeit genommen? Eine Nachbarin will ihn gar einmal mit Schürze beim Fensterputzen beobachtet haben. Und dies alles, obwohl er - wahrlich kein Pantoffelheld – auch im Beruf in Vollzeit (plus Überstunden) im Einsatz ist und die Familie damit haupternährt. Einfach ein Glücksgriff, dieser Mann. Ich kann also zufrieden, nein mehr - MUSS einfach glücklich sein.

Und jetzt, du merkst schon, da kommt noch was: Ich bin es nicht! Im Gegenteil! Ich bin wütend auf meinen tollen Mann, sauer auf meine Mutter und ärgerlich über das blauäugige Lob meiner Freundinnen. Ja, kannst du dir das vorstellen?

 

Hoher Punktgewinn durch Elternzeit

Es fing an mit unserem ersten Kind: Klar wollten wir coole Eltern sein und nach der Geburt einfach so weitermachen wie bisher. Mein toller Mann tat das auch. Nur ich saß auf einmal jede Nacht mit etwas Lärmendem ohne Lautstärkeregler wach im Bett und fühlte mich wie bei einem Vulkanausbruch. Nebenan schlief mein toller Mann und sammelte Kräfte für einen weiteren wichtigen, ernsten, fordernden Tag im Job. Nur eine Brustentzündung, ein mehrstündiges Gespräch mit der Hebamme und diverse kleine Nervenzusammenbrüche später wurde ihm bereits klar, dass auch Väter nachts aufstehen und der vom Nachwuchs schlafgestörten Jungmami ein wenig unter die Arme greifen können. Und wenn ich ihn ganz nett bat, tat er es sogar.

Und dann die Sache mit der Elternzeit. Jaja, er hat es wirklich getan, sechs lange Monate ganz raus aus dem Job und rein in die Familienarbeit. Einer der wackeren fünf Prozent. Kannst du dir vorstellen, wie er damit punktete? Sogar eine Frauenzeitschrift riss sich darum, diesen Helden am Wickeltisch zu portraitieren. Wie schön und harmoniegetränkt das da zu lesen war auf Hochglanzpapier: Wahnsinnig genießt er die Zeit mit seiner kleinen Tochter und irrsinnig wachsen tut er daran. Klar haben keinen die schweren Geschütze interessiert, mit denen die junge Mutter ihren tollen Mann erst überzeugen musste, diesen gewagten Schritt zu gehen. Und wie vieler Krisen-Gespräche es bedurfte, um seine Ängste vor dem Karriere-Knick zu lindern. Wer wollte auch so was lesen? Für alle Zeiten hat er doch damit bewiesen, wie ernst es ihm ist mit seiner Vaterpflicht. Von nun neun Jahren mit Kind(ern) hat er doch immerhin sechs Monate echt und wirklich mit einem verbracht.

Event-Koch mit Glorienschein

Wahrscheinlich bin ich einfach eine dieser ewig keifenden Xanthippen, wenn mich die Bewunderung nicht immer freut, die alle Welt ihm zollen zu müssen meint. Letztens wieder, als Freunde erwartet wurden. Schon seit mehr als einer Stunde verwirklichte ich mich - ungestört von meinem Mann – an Schneidbrettern, Töpfen und Schüsseln, um ein besonders mediterran-hippes Dinner zu fabrizieren. Zehn Minuten vor Erscheinen der Gäste stieß auch mein toller Mann dazu und band sich eine Schürze um. Kundig, wie er sich zu besonderen Anlässen in der Küche bewegt, belegte er ein paar Schnittchen und schob sie gerade zum Überbacken in den Ofen, als die Türglocke erklang. Zuvorkommend wie stets öffnete er – mit noch umgebundener Schürze – unseren Gästen die Tür, die angesichts seines kücheneifrigen Anblicks in hysterische Lobgesänge verfielen: „Wie toll Anton, stehst Du wieder in der Küche, hast Dir sooo viel Arbeit gemacht. Einfach Wahnsinn!“

Selbst beim Abschied ließen es sich unsere Gäste nicht nehmen, nochmals ausdrücklich meinen tollen Mann für das gelungene Abendessen zu lobpreisen, an dessen Zubereitung er doch auch wirklich mindestens zu fünf Prozent beteiligt war. Na, fällt langsam der Groschen, verstehst du, was ich meine?

Zählen Küchenstunden von Frauen eigentlich weniger?

Ja, ich liebe meinen tollen Mann, aber zählen Küchenstunden von Frauen eigentlich weniger? Warum ernten Väter nach dem Gesetz der umgekehrten Proportionalität für geringen Einsatz bei der Familienarbeit besonders viel Lob, während Mütter für viel Engagement höchstens mit einem winzigen Quäntchen Anerkennung rechnen dürfen? Hängt es mit der Neigung unserer Welt zusammen, sich von perfekter Außendarstellung blenden zu lassen, wenn Event-Väter (zwei Stunden Spaßbad am Wochenende) und Event-Köche (überbackene Schnittchen für den Sonntagsbesuch) mehr Zuspruch erhalten als Mütter, die sieben Tage lang neben dem Teilzeitjob die aufwändige ganz alltägliche Versorgung sichern? Oder sind wir auch heute noch unbewusst geneigt, es als besondere Gnade zu empfinden, wenn der eigentlich für die Jagd gemachte Kerl tatsächlich auch hier und da bei der Pflege und Versorgung seiner Nachkommen Hand anlegt?

Also Mütter, keine falsche Bescheidenheit und Väter, Schluss mit magerem Fünf-Prozent-Einsatz und Event-Vaterschaft am Wochenende! Zum wirklich tollen Mann (und Vater) gehören auch die unauffälligen Niederungen des Alltagslebens, ohne heldenhaftes Glanz- und Gloria-Potential. Wagt es einmal wirklich!

Lies dazu auch: urbia-Special: Väter