Beckenboden stärken ist wichtig

Inkontinenz nach Geburten

Inkontinenz kann verschiedene Gründe haben. Oft ist es jedoch der geschwächte Beckenboden, der dafür verantwortlich ist, dass in manchen Situationen ungewollt Urin austritt. Erfahren Sie hier, welche Möglichkeiten Sie haben, Abhilfe zu schaffen.

Autor: Petra Fleckenstein

Geburten hinterlassen Spuren

Frauenbeine ueberschlagen
Foto: © iStockphoto.com/ szefei

Dass Schwangerschaften und Geburten am Körper von Frauen nicht spurlos vorübergehen, ist allgemein bekannt. Vorher straffe Haut legt sich am Bauch plötzlich in Falten, ein stolzer Busen zeigt erste Ermüdungserscheinungen. Tipps, wie frau dieser kleinen Schönheitsfehler Herr wird, werden freimütig ausgetauscht. Doch eine Folge von Geburten verraten Frauen nicht einmal ihrer besten Freundin: Inkontinenz – das unfreiwillige Tröpfeln.

Auch junge Frauen trifft es

Es passiert beim Niesen, Husten, beim Hochheben des Kindes oder beim Joggen. Ist die Blase gefüllt, geht in diesen Momenten unfreiwillig ein wenig Urin ab. Die Fachwelt spricht von Stress-Inkontinenz. Damit ist jedoch nicht psychischer Stress gemeint, sondern dass bei besonderen Belastungen wie zum Beispiel Husten, Lachen, oder Schweres heben der Druck der Blase stärker ist als die Verschlusskraft des Schließmuskels. Sechs bis sieben Millionen Bundesbürger sind nach Angaben der deutschen Ärztezeitung von Inkontinenz betroffen, 50 Millionen Menschen weltweit. Dabei erwischt es Frauen häufiger als Männer, nicht nur nach dem , sondern oft auch in jüngeren Jahren – nach einer oder mehreren Geburten.

Schwangerschaft und Geburt stellen für das Gewebe im Genitalbereich eine große Veränderung und Belastung dar. Alles wird stark gedehnt, lockerer, in der Folge lässt die Stützfunktion des umliegenden Bindegewebes nach, der Verschlussmechanismus der Blase verliert an Kraft und dichtet nicht mehr zuverlässig ab. Daher wird nach Geburten Beckenbodengymnastik empfohlen. Vielen Frauen fehlt allerdings in dieser Zeit die Kraft und Lust, sich konsequent mit derlei Übungen zu beschäftigen. Manchmal vergehen Jahre, bevor die kleine Blasenschwäche so störend geworden ist, dass Frauen sich nun doch aufraffen möchten, etwas dagegen zu tun.

Welcher Arzt ist richtig?

Zunächst einmal: Es gibt sehr viele verschiedene Formen von Inkontinenz. Daher ist es zunächst wichtig, sich dem Gynäkologen oder direkt dem Urologen anzuvertrauen. Da in manchen Fällen die diagnostischen Möglichkeiten von Gynäkologen nicht ausreichen, um die individuelle Störung genau abzuklären. Neben der Stress- oder Belastungs-Inkontinenz kann zum Beispiel auch eine Drang-Inkontinenz vorliegen. Bei diesem Problem klappt das Zusammenspiel von Gehirn und Blase nicht mehr richtig. Normalerweise melden Sensoren in der Blasenwand dem Gehirn, wann die Blase voll ist, und das Gehirn erteilt den Befehl zur Öffnung der Schleusen. Bei der Drang-Inkontinenz reagiert das Gehirn zu früh und gibt den Befehl zum Wasser-Lassen schon dann, wenn nur wenig Urin in der Blase ist.

Gymnastik, Tabletten oder Operation?

Während der Dranginkontinenz in vielen Fällen mit Medikamenten beizukommen ist, wird bei nicht allzu schweren Formen von Inkontinenz gewöhnlich zu einem Beckenboden-Training geraten. Falls der Arzt die Physiotherapie verschrieben hat, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Aus Gründen der Arzneimittel-Budgetierung scheuen sich allerdings heute viele Ärzte, ein Rezept auf Krankengymnastik auszustellen. In diesen Fällen müssen Frauen die Behandlungskosten selbst übernehmen.

Die Kosten liegen nach Informationen von Anne Muzykorska vom Zentralverband der Krankengymnasten (ZVK) in Berlin zwischen 50 und 60 EUR für sechs mal eineinhalb Stunden. In dieser Zeit wird ein Verhaltenskonzept erarbeitet, das es den betroffenen Frauen ermöglicht, die Übungen künftig ohne Aufwand in ihren Alltag einzubauen. Anne Muzykorska: "Wir vermitteln ein ganzheitliches Konzept. Denn erfolgreich ist die Therapie dann, wenn man zum Beispiel weiß, wie man richtig hebt, falsches Atmen vermeidet und seine Körperhaltung verbessert." So macht es auch wenig Sinn, innerhalb von zwei bis drei Monaten auf eine endgültige Heilung zu hoffen. Anne Muzykorska: "Wer mit der Gymnastik anfängt, muss sich klar machen: von jetzt an für immer."

Den größten Erfolgshemmer sieht die Physiotherapeutin denn auch in der mangelnden Bereitschaft mancher Mutter, wirklich etwas in ihrem Leben zu verändern. Wer sich allerdings entschließt, den Beckenboden zu trainieren, sollte nicht auf Wunder hoffen. "Man sollte sich sagen, vielleicht wäre es schlimmer geworden, wenn ich nichts getan hätte," schlägt Anne Muzykorska vor.

Hilfe durch Bio-Feedback

Eine Möglichkeit, sich bei den Übungen Hilfe zu holen, bietet ein unscheinbares Gerät von der Größe eines Handys. Bio-Feedback erspart jedoch nicht das notwendige Beckenbodentraining, sondern hilft den Übenden, besser zu erkennen, ob sie den richtigen Muskel spannen und dies in ausreichendem Maße. Das Gerät ist über Kabel mit Elektroden verbunden, die zum Beispiel auf die Haut geklebt werden und über Druckfühler der Patientin optische oder akustische Rückmeldungen geben. Zur Zeit kosten Bio-Feedback-Geräte allerdings noch um die 500 EUR. Manche Physio-Therapeuten sind allerdings in ihrer Praxis mit einem Gerät ausgestattet, das dann dort genutzt werden kann.

Da Beckenbodentraining ganz schön mühsam ist, wünschen sich manche Patientinnen vielleicht eine schnelle Lösung – durch eine Operation. Eine in Schweden entwickelte Methode macht von sich reden, die die Blasenschwäche während einer nur halbstündigen Operation in 90 Prozent der Fälle von Stressinkontinenz dauerhaft ausräumen soll. Bei dem Eingriff wird unter örtlicher Betäubung ein sogenanntes TVT – ein Nylonband – um die Harnröhre gelegt und angespannt. Muss die Frau husten oder niesen, verhindert das Band künftig ein Absenken der Harnröhre unter dieser Belastung und damit das ungewollte Tröpfeln. Die Physiotherapeutin warnt jedoch vor allzu großer Euphorie. Eine Operation birgt immer auch ein Risiko und auch bei der Blasen-Op geht es nicht ohne anschließende Gymnastik.

Raus aus dem Versteck

Fazit: Es lohnt sich, die Scham zu überwinden und mit dem Inkontinenz-Problem den Arzt aufzusuchen. Auch als junge Frau sind Sie damit nicht allein und es ist nie zu spät, sich etwas Gutes zu tun.

Adressen von Physiotherapeuten in Ihrer Nähe, die eine Beckenbodenschule anbieten, vermittelt der Zentralverband der Pysiotherapeuten in Berlin, Tel. 030-4319232, Fax 030-43656704.

Umfangreiche Informationen und Adressen gibt es bei der Gesellschaft für Inkontinenzhilfe