Entspannungshilfe

Autogenes Training für Kinder

Autogenes Training hilft nicht nur Erwachsenen: Auch Kinder können mit dieser Entspannungsmethode sehr gut Stress und Ängste abbauen. In diesem Artikel sagen wir Ihnen, wie das geht.

Autor: Andrea Lützenkirchen

Schlafstörungen und Ängste

Maedchen liegt auf Wiese
Foto: © panthermedia/ Markus Nicolini

Weinend steht der zehnjährige Matthias am Bett seiner Mutter. Seitdem er mit sechseinhalb Jahren in die Schule gekommen ist, schreckt er nachts auf. Am nächsten Tag, kann er sich an nichts erinnern. Auf Anraten ihres Kinderarztes suchen Matthias Eltern schließlich eine Kinder- und Jugendpsychiaterin auf. Es stellt sich heraus, dass Matthias Schulängste aus dem Lot gebracht haben. Zusätzlich zu Gesprächen empfiehlt die Ärztin Autogenes Training für den Jungen. Matthias übt mit großem Erfolg: Schon nach fünf Wochen kann er wieder friedlich bis zum nächsten Morgen durchschlafen.

Matthias ist kein Einzelfall. Nicht nur Babys, auch ältere Kinder haben oft Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen. Und nicht wenige von ihnen bekommen schon Schlafmittel verordnet. Dabei sind Schlafstörungen oft ein Symptom für tiefer liegende Ängste oder Konflikte. Das können Schulängste, Trennung der Eltern, Geschwisterrivalität und viele andere Probleme sein. Neben der Bewältigung dieser Konflikte im therapeutischen Gespräch bietet das Autogene Training für Kinder ab sieben oder acht Jahren Hilfe auf körperlich-mentaler Ebene an.

Entspannung in kurzer Zeit

Beim Autogenen Training lernt der Patient, sich innerhalb von kurzer Zeit sehr tief zu entspannen. Dies geschieht autosuggestiv mit einer Reihe von Übungen.

Sitzend oder liegend stellt sich der Patient vor, wie sein Körper schwer und warm wird. Der Atem geht gleichmäßig und tief, das Herz schlägt in ruhigem Rhythmus. Körper und Geist fallen in einen Zustand von innerer Ruhe und Geborgenheit. Dieses Gefühl tiefer Entspannung wird als sehr angenehm erlebt und wirkt sich positiv auf den Alltag aus, weil Stress-Situationen mit mehr Gelassenheit begegnet wird. Vor dem Einschlafen geübt ist das Gefühl tiefer Entspannung die Brücke über die der Patient in den Schlaf gleiten kann.

Das Autogene Training wurde in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem Berliner Arzt Johannes Schultz entwickelt. Obwohl sehr bekannt in der Behandlung Erwachsener, wird das AT bei Kindern noch nicht oft eingesetzt. Erfahrene Therapeuten berichten jedoch, dass gerade Kinder mit Spaß dabei sind und sich die Technik lustvoll und spielerisch zu eigen machen. Denn: Kindern fällt es meist viel leichter als Erwachsenen, sich etwas vorzustellen.

Hilfe auch bei Bauch- und Kopfschmerzen

Nicht nur bei Schlafstörungen, sondern auch bei nervösen Bauch- und Kopfschmerzen, bei Konzentrationsschwäche, Asthma, Einnässen und situationsbedingter Angst vor Spritzen, Zahnarztbesuchen, Klassenarbeiten usw. zeigt das Autogene Training seine positive Wirkung. Das Kind wird gelassener, kann sich besser konzentrieren und hat weniger Versagensängste. Einen weiteren wichtigen Vorzug des Autogenen Trainings beschreibt eine Kölner Kinder- und Jugendpsychiaterin*: „Die Kinder machen die Erfahrung, dass sie selbst etwas für sich tun können. Ich erlebe immer wieder, dass ein Kind durch das Autogene Training selbstständiger und eigenverantwortlicher wird. Das Kind lernt, seine Schwierigkeiten auch ohne Hilfe zu bewältigen.“

Magenkrämpfe vor Klassenarbeiten

Da ist z.B. Anne, die vor Klassenarbeiten regelmäßig Magenkrämpfe bekam. Wenn sie jetzt vor ihrer Aufgabe sitzt, bewältigt sie die aufsteigende Angst mit dem, was sie beim Autogenen Training gelernt hat. Vorraussetzung für den Zugriff auf dieses „Schatzkästchen“ ist allerdings regelmäßiges Üben. Im Idealfall übt das Kind 2-3-mal täglich drei Minuten. Und an diesem Punkt wird es schwierig. Besonders zu Beginn der Therapie verlangt es viel Einfühlungsvermögen von der Therapeutin, die Kinder zum Üben zu motivieren. Wenn sie nach einiger Zeit aber erkennen, dass es ihnen gut tut, üben viele Kinder aus freien Stücken. Kontrolle von Seiten der Eltern ist nicht gefragt, denn das Kind soll ja gerade in seiner Autonomie gestärkt werden und die Verantwortung für sich übernehmen.

Autogenes Training schadet niemandem. Aber Kinder mit massiven Schlaf- oder Verhaltensstörungen brauchen zunächst einmal ärztliche oder psychologische Hilfe, um die Ursache für diese Symptome zu klären. Dann kann das Autogene Training eine gute Möglichkeit sein, um dem Kind wieder zu erholsamem Schlaf, innerer Ruhe und besserer Konzentrationsfähigkeit zu verhelfen.

Kinder vor Stress bewahren

Damit es erst gar nicht so weit kommt, können Eltern eine Menge tun, um ihre kleinen Kinder vor übergroßem Stress zu bewahren. Dies geschieht dadurch, dass sie ein Gespür für das Zuviel entwickeln: zu viele Aktivitäten, zu viel Spielzeug, zuviel Zerstreuung. Kreativität entsteht aus Ruhe und der erst mal ungeliebten Langeweile. Ältere Kinder, die nicht von sich aus ihre Ruhe haben wollen, brauchen möglicherweise die Hilfe ihrer Eltern, um sich im Alltag Phasen der Entspannung einzurichten. Sie könnten gemeinsam mit ihren Kindern überlegen, wie man diese Zeiten gestalten kann. Anregend sind hier z. B. die Bücher von Else Müller (z. B. „Inseln der Ruhe. Ein neuer Weg zum Autogenen Training für Kinder und Erwachsene“ Kösel 1994). Darüber hinaus bieten Familienbildungsstätten, Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen Eltern-Kind-Kurse an, in denen Entspannungstechniken vermittelt werden.

*Name der Redaktion bekannt