Wenn alles nur noch mühsam scheint

Weit mehr als schlechte Laune: Depressionen

In der dunkleren Jahreszeit, aber zum Beispiel auch bei Überforderung und Überlastung, legt sich bei vielen Menschen ein Grauschleier über das Herz - Depressionen. Was man dagegen tun kann, lesen Sie hier.

Autor: Petra Fleckenstein

Volkskrankheit Nummer eins

Depression: Frau am Fenster
Foto: © iStock, fizkes

Es legt sich wie Blei auf die Schultern und kriecht wie eine zähe Flüssigkeit in alle Glieder. Plötzlich fällt das Aufstehen schwer, traurige Gedanken belagern das Hirn, und wo früher Lust und Laune waren, ist nur noch Leere zu spüren. Melancholie oder Depression heißt das Leiden, das schon Hippokrates beschrieb, und das - unserer Spaßgesellschaft zum Trotz - immer mehr Menschen befällt. Mag sie durch die anhaltende Dunkelheit kurzer Wintertage, durch Mobbing am Arbeitsplatz oder eine tiefgreifende Veränderung (Geburt eines Kindes) verursacht sein. Wissenschaftler sind sich einig: Die große Niedergeschlagenheit gehört zu den am meisten unterschätzten Erkrankungen unserer Zeit.

Die Hälfte der Fälle wird schlecht oder gar nicht behandelt

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer depressiven Störung, können jedoch die Symptome wie Interesseverlust, Freudlosigkeit, Überforderungsgefühle und Schlafstörungen häufig nicht richtig einordnen. Da oft körperliche Beschwerden wie zum Beispiel Kopfschmerzen im Vordergrund stehen, werden über 50 Prozent der depressiven Erkrankungen nicht diagnostiziert oder nur unzureichend behandelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Depressionen zur Volkskrankheit Nummer eins erklärt und angesichts der davon ausgehenden volkswirtschaftlichen Schäden umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen gefordert.

Traurig oder depressiv?

Gefühle von Trauer, Lustlosigkeit und Schwermut gehören zum menschlichen Gefühlsspektrum selbstverständlich dazu. Gedrückte Stimmung ist an sich keine Krankheit, sondern kann ein wichtiges Frühwarnsystem dafür sein, dass im Leben etwas schief läuft und vielleicht eine Neuorientierung vonnöten wäre. Im Unterschied dazu dauert die Niedergeschlagenheit bei einer Depression mindestens zwei Wochen an, und ihr ursprünglicher Sinn verkehrt sich ins Gegenteil: Statt nachzudenken, verfällt man ins Grübeln, statt sich zu erholen, ermüdet man durch ständige Zweifel an sich selbst, statt neue Impulse zu erhalten, stehen die Zeichen auf Rückzug, Lähmung und Angst.

Wer ist gefährdet?

"Unter den Auslösern kommt besonders den Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen eine große Bedeutung zu", erklärt der Nürnberger Psychiater Tobias Müller eine der Hauptursachen von Depressionen. Gefährdet sind jedoch auch Mobbing-Opfer, Dauergestresste und Arbeitslose, Menschen, die ihren Partner verloren haben oder ins Rentenalter eintreten. Dabei werden Frauen zwei- bis dreimal so oft von der permanenten Melancholie heimgesucht wie Männer. Ob jemand überhaupt zu depressiven Reaktionen neigt, ist ihm entweder in die Wiege gelegt oder erst durch traumatische Erlebnisse während der Kindheit mitgegeben.

So können Sie sich schützen

Depressionen müssen Sie nicht ereilen wie ein Schicksalsschlag. Tipps, damit der große Trübsinn bei Ihnen keine Chance hat (für urbia zusammengestellt von Dr. Gregor Werner, Facharzt für Psychiatrie an der Privatklinik Somnia bei Köln):

  • Bewegen Sie sich regelmäßig. Am besten sind Ausdauersportarten wie Radfahren oder Joggen.
  • Sorgen Sie für ausreichend Ruhe und Entspannungsphasen, sowohl im Laufe des Tages als auch durch genügend Urlaub im Jahr.
  • Wenn Sie im Winter zu Schwermut neigen, gönnen Sie sich für einige Tage mehr Licht durch eine vorbeugende Behandlung mit einer Speziallampe.
  • Lassen Sie chronisch bestehende Konflikte nicht einfach so laufen, sondern suchen sie nach Lösungswegen. Konflikt-Lösung statt Vermeidung sind die Stichworte.
  • Lassen Sie sich nicht von ihren Pflichten auffressen, sondern kultivieren Sie auch die angenehmen Seiten des Lebens - Hobbies, Freunde.
  • Lassen Sie ihre Arbeit nicht zum einzigen Lebensinhalt werden und definieren Sie sich selbst nicht nur über Leistung und Erfolg.

Wenn es Sie doch erwischt hat

Zunächst die gute Nachricht: In 80 Prozent der Fälle sind Depressionen erfolgreich zu behandeln. Unbehandelt jedoch können sie einen chronischen Verlauf nehmen und für den Patienten tödlich enden. Denn 56 Prozent der Patienten mit depressiven Störungen begehen in ihrem Leben einen Selbstmordversuch. Grundsätzlich gilt: Schwere Depressionen mit Symptomen wie Arbeitsunfährigkeit, schweren Durchschlafstörungen und Selbstmordgedanken gehören in die Behandlung durch den Facharzt für Psychiatrie. Diese Mittel können helfen:

  • Lassen Sie sich von ihrem Hausarzt ein Johanniskrautpräparat verschreiben. Laut Dr. Cornelius Schüle von der Universitätsklinik München ist die Wirksamkeit dieses pflanzlichen Heilmittels in zahlreichen Studien nachgewiesen. Ohne Suchtgefahr und mit minimalen Nebenwirkungen: Bei Sonnenbädern kann es zu Hautflecken kommen. Und: Die Wirksamkeit der Pille kann unter Umständen abgeschwächt werden. Sicherstes Indiz dafür, dass dies der Fall sein könnte, ist eine auftretende Zwischenblutung. Die übliche Tagesdosis ist übrigens drei mal 300 Milligramm.
  • Behandlung durch Antidepressiva. Diese Medikamente machen ebenfalls nicht abhängig und wirken da, wo Depression im Gehirn entsteht, an den Nervenzellen. Bei Depressiven ist die Übertragung von Impulsen durch bestimmte chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, gestört.
  • Lichttherapie hilft den Menschen, die die kurzen Tage der kalten Jahreszeit trübsinnig stimmen. Saisonal abhängie Depression, kurz SAD genannt, kann durch eine hohe Lichtdosis gemildert werden. Dabei setzt sich der Patient eine Woche lang täglich 30 bis 40 Minuten vor eine Lichtlampe mit 2500 bis 10000 Lux (zum Vergleich: Unsere durchschnittliche Raumbeleuchtung liegt bei 300 bis 500 Lux). Er kann dabei lesen, arbeiten oder fernsehen. Wichtig ist, dass er die Augen offen hält und immer wieder in die Lichtquelle sieht.
  • Unter den Psychotherapien hat sich besonders die Verhaltenstherapie zur Behandlung von Depressionen durchgesetzt. Grundlage ist die Annahme, dass es sich bei einer Depression um ein erlerntes Fehlverhalten handelt, das durch Einüben anderer Verhaltensweisen überwunden werden kann. So kann ein Erlebnis von Ohnmacht und Hilflosigkeit fortan zu der Einstellung führen, im Leben ja sowieso nichts bewirken zu können. Derartige negative Denkmuster versucht die kognitive Verhaltenstherapie schrittweise zu verändern.
  • Grundsätzlich gilt: Haben Sie keine Scheu, sich Hilfe zu verschaffen, entweder über den Hausarzt oder direkt beim Facharzt. Depressionen sind eine ernste Krankheit mit sehr guten Heilungschancen.

Nützliche Links zum Thema:

www.kompetenznetz-depression.de
www.psychiater.org
www.depression.de

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