Ein Unterschied wie Tag und Nacht

Die Ursachen nächtlichen Einnässens

Tagsüber ist Ihr Kind vielleicht seit Jahren trocken, aber nachts nässt es nach dem fünften Lebensjahr immer noch (oder wieder) ein. Woran kann das liegen? Die möglichen Ursachen nächtlichen Einnässens erfahren Sie hier.

Autor: Petra Fleckenstein
Junge Bett nachdenklich 2
Foto: © panthermedia.net/Liona Toussaint

Wenn Kinder im Alter von fünf Jahren und älter nachts nie trocken waren, spricht man in der Medizin von einer primären Enuresis nocturna. Sie wird unterschieden von der sekundären Enuresis, also einem Wiedereinnässen nach einer trockenen Phase von sechs Monaten oder mehr. Soweit das Medizinerlatein. Aber warum ist das bei den einen Kindern so und bei anderen nicht? Ist da etwas mit der Sauberkeitserziehung nicht ganz richtig gelaufen? War sie zu locker oder zu streng?

„Es gibt viele mögliche Ursachen“, sagt die Kinder- und Jugendärztin Dr. Monika Niehaus. In ihrer Praxis hat die Pressesprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Thüringen nicht selten mit dieser Frage zu tun. „Häufig ist das nächtliche Einnässen psychisch bedingt“, so ihre Erfahrung. „Wenn Familien den Wohnort wechseln, Eltern vor einer Trennung stehen, Kinder Angst vor der Einschulung haben oder ein Geschwisterchen geboren wird, dann kann es vorkommen, dass Kinder durch die Blase weinen, wie man so sagt.“ Auch allzu strenges oder ganz fehlendes Töpfchentraining kann nach ihrer Ansicht dazu führen, dass Kinder tagsüber oder auch nur nachts verzögert trocken werden. „Manche Eltern zwingen ihr Kind mit einem Jahr auf den Topf, andere verpassen den richtigen Zeitpunkt.“ All das kann, so die Medizinerin, unter Umständen kontraproduktiv wirken. Wie die Ärztin es in ihrer Praxis täglich erlebt, so sind auch in der medizinischen Forschung heute folgende Ursachen des Bettnässens anerkannt.

  • Psychische Ursachen: An diese ist vor allem häufig zu denken, wenn das Kind bereits eine Weile (sechs Monate) trocken war und dann von Neuem nachts einnässt. Allerdings hat Dr. Monika Niehaus auch beobachtet, dass Eltern wegen der Gewohnheit, nachts Windeln anzuziehen, nicht immer bemerken, dass ihr Kind nachts bereits längere Zeit trocken war.
  • Verzögerte Gehirnreife: Bei der primären Enuresis - wenn also ein Kind im Alter von mindestens fünf Jahren nachts noch nie zuverlässig trocken war - wird heute oft von einer Reifungsverzögerung im Gehirn ausgegangen. Das kann bedeuten, dass zum Beispiel der Mechanismus im Gehirn, der den Aufwachreflex steuert, wenn man Blasendruck hat, noch nicht ausreichend ausgebildet ist. Oder das Hormon ADH (Antidiuretisches Hormon), welches dafür sorgt, dass nachts weniger Urin produziert wird, ist noch nicht ausreichend vorhanden, vielleicht aber auch der Tag-Nacht-Rhythmus der Hormonproduktion noch nicht vollständig ausgeprägt. Dann füllt sich die Blase nachts zu stark und kann die Menge an Urin nicht halten. Dass es sich dabei einfach um eine Reife-Verzögerung handelt, dafür spricht die Tatsache, dass sich bei jährlich 15 Prozent der betroffenen Kinder das Problem ohne jedes Zutun von alleine löst.
  • Vererbung: Auch eine familiäre Anfälligkeit ist inzwischen anerkannt. Wenn beide Eltern eine Enuresis hatten, also länger einnässten, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Enuresis beim Kind 77 Prozent. War nur ein Elternteil betroffen, dann ist die Wahrscheinlichkeit bei 43 Prozent. Ohne familiäre Belastung beträgt die Wahrscheinlichkeit 15 Prozent.
  • Organische Ursachen: An organische bzw. vorübergehende krankhafte Ursachen ist vor allem zu denken, wenn Kinder auch tagsüber einnässen. Dann kann zum Beispiel auch eine Blasenentzündung verursachend sein. Bei nächtlichem Einnässen sind organische Ursachen - dazu zählen zum Beispiel Fehlbildungen der Harnblase und der der harnableitenden Wege - eher wenig wahrscheinlich.
  • Abnorme Gewohnheiten beim Trinken: Wenn abends übermäßig viel getrunken wird und Kinder zum Beispiel auch über das Alter von fünf Jahren hinaus zum Beispiel „ständig süße Getränke als Schnullerersatz erhalten“, so kann dies, so Dr. Niehaus, ebenfalls zu nächtlichem Einnässen führen.

    Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge gibt in diesem Video Tipps zum Trockenwerden: