Berühren der Kunstwerke erlaubt

Museen für Kinder: Mitmachen und staunen

Wer mit Museen das ehrfürchtige Betrachten alter Kunstwerke verbindet, der wird in den über siebzig deutschen Kindermuseen eines Besseren belehrt. Mitmachen, entdecken und ausprobieren ist hier ausdrücklich erwünscht. In diesem Artikel erhalten Sie zahlreiche Ideen für interessante Familienausflüge - ins Museum!

Autor: Maja Roedenbeck

Kindermuseen: Eher Lernspielplätze als verstaubte Museen

SelbstgebauteBatterien Kindermuseum Exploratorium
Foto: © Exploratorium Potsdam

Ob als Unterhaltungsprogramm beim Kindergeburtstag, Ausflugsziel für Kindergartengruppen und Schulklassen oder Wochenendunternehmung mit engagierten Großeltern – so genannte „Kindermuseen“ erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Es handelt sich dabei um Erlebnisorte, auf die der Begriff „Museum“ in seiner herkömmlichen Bedeutung fast gar nicht mehr zutrifft. Passender wäre: „Experimentierlabor“, „Lernspielplatz“ oder „wissenschaftliches Abenteuerland“. Denn im Kindermuseum gilt das „Hands-on-Prinzip“: Das Berühren der Ausstellungsstücke ist erwünscht, nicht verboten. „Unter den Besuchern sind viele Kinder, deren Eltern frühkindliche und spielerisch vermittelte Bildung sehr wichtig ist“, berichtet Nikola Mirza vom Labyrinth Kindermuseum in Berlin, „Das hängt damit zusammen, dass die Kindermuseen generell auf qualitativ hochwertige Angebote setzen.“

Die Idee stammt aus dem USA

An jeder Ecke gibt es Mitmachstationen und eine Aufforderung zum Ausprobieren. Hier können sich die jungen Museumsbesucher in einen Rollstuhl setzen, herum schieben lassen und nachempfinden wie es sich ohne funktionstüchtige Beine lebt. Dort können sie den Weg durch ein Labyrinth suchen oder barfuß einen Fußtastpfad erkunden. Und nebenan werden Experimente mit qualmendem Trockeneis oder platzenden Schokoküssen vorgeführt. Kindern die Welt erklären, sodass es Spaß macht, lautet die Devise. Nicht umsonst werden Kindermuseen zu den „außerschulischen Lernorten“ gerechnet – auch für junge Menschen mit weniger engagierten Eltern. „Besonders Kinder aus sozial schwachen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund machen hier ihre ersten aufregenden Museumserfahrungen“, stellt der Bundesverband Deutscher Kinder- und Jugendmuseen auf seiner Website fest, „Erfahrungen, die den Kindern vermitteln, dass es immer wieder ein großes Abenteuer ist, die Welt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu entdecken.“

Die Idee kommt wie so viele aus den USA. Schon 1899 wurde das „Brooklyn Children’s Museum“ in New York gegründet, das bis heute existiert. Weltweit erstmalig waren dort die Exponate der kindlichen Körpergröße entsprechend niedrig aufgestellt. Als ältestes Kindermuseum in Deutschland gilt das 1970 gegründete „JuniorMuseum“ im Museum für Völkerkunde in Berlin-Dahlem. Es startete damals mit dem Anliegen, Vorurteile anderen Kulturen gegenüber abzubauen. Mit seiner 3-Raum-Mini-Ausstellung „Ab durch die Wüste“ wirkte es im Vergleich zu den immer pompöseren Neueröffnungen zuletzt etwas still und altmodisch, doch derzeit wird eine neue Schau vorbereitet. Als erstes eigenständiges Kindermuseum in Deutschland eröffnete 1991 die „Kinder-Akademie Fulda“.

In Deutschland gibt es über 70 Museen für Kinder

Seither ist der Boom nicht mehr aufzuhalten. Auch in Osteuropa werden die ersten Kinder- und Jugendmuseen gegründet. „Es gibt einen großen Bedarf an öffentlichen Räumen für Kinder, in denen sie von Erwachsenen einigermaßen ungestört ihrem ‚Hauptjob’ nachgehen können – nämlich spielen und lernen in einem“, erklärt Nikola Mirza, „Gleichzeitig haben Hirnforscher, Pädagogen und Eltern erkannt, dass es viele Arten und Weisen gibt, etwas zu lernen, und dass man auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen muss. Gerade die positive und präventive Herangehensweise an Themen aus der kindlichen Lebenswelt macht die Stärke von Kindermuseen aus.“ Wer mit seinem Nachwuchs einen Ausflug ins Kindermuseum machen möchte, muss heute wahrlich nicht lange suchen beziehungsweise googeln. Allein im Bundesverband Deutscher Kinder- und Jugendmuseen sind über 70 Mitglieder organisiert, Zielgruppe sind in den allermeisten Fällen Kindergarten- und Grundschulkinder.

Vom mobilen Museumsteam, das mit einer Truhe voller Schätze durch die Lande zieht, um sie in Schulen oder bei Kinderfesten auszustellen (www.musikaktion.de, www.museum-im-koffer.de), über die in konventionelle Museen eingegliederten Kinderausstellungen (das „Kinderreich“ im Deutschen Museum München, das „Junge Museum Speyer“ im Historischen Museum der Pfalz bis hin zum eigenständigen Kindermuseum ist alles dabei. Allein schon die Namen verheißen geheimnisvolle Erfahrungen: „miraculum“, „Exploratorium“ oder „mondo mio!“.

Hier eine kleine Auswahl an Museumsangeboten für Kinder:

  • „AHA-ERLEBNISmuseum“ in Wolfenbüttel
    Jedes Jahr vor Ostern eröffnet eine neue Ausstellung, die bis in den Herbst hinein zu sehen ist. Im Winter hat das Museum wegen Vorbereitungen fürs nächste Jahr geschlossen. 
  • „Dynamikum“ in Pirmasens
    Das Dynamikum gehört zu den so genannten Science-Centern, es geht hier also vor allem um das spielerisch-wissenschaftliche Entdecken von Natur und Technik. Das Leitthema „Bewegung“ wird an verschiedenen Experimentierstationen anschaulich dargestellt, die Fragen wie diese beantworten: Warum schwingt ein Pendel? Kannst du schneller tanzen als dein Schatten? Was hat das Universum mit einem Spielzeugkreisel zu tun? Bist du stärker als ein Adler? Und: Wie lässt sich mit einer Schaukel Kraft übertragen?
  • „Kindermuseum KLIPP KLAPP“ in Oelde
    Vier Themenräume machen die Welt erfahrbar. In der historischen Wassermühle aus dem Jahr 1726 dürfen Kinder echtes Getreide mahlen oder die Spiel-Mühle nebenan mit bunten Bällen füttern, sie mit eigener Kraft antreiben und wie ein Mehlsack die Sackrutsche hinunter rutschen. Eine interaktive Wasserlandschaft bietet Schleusen zum Stauen und ein Hafenbecken mit Wasserfördertechnik. In der Kinderküche wird nach Anleitung gekocht, und im Vier-Jahreszeiten-Raum können die kleinen Museumsbesucher am Riechschrank Gewürze erschnuppern oder einem Vogelstimmenkonzert lauschen.
  • „Labyrinth Kindermuseum“ in Berlin
    Das Labyrinth ist nach Größe und Besucherzahlen eines der führenden Kindermuseen in Deutschland. Ein 60-köpfiges Team u.a. aus Schauspielern, Schneidern, Pädagogen, Kunsttherapeuten und Kulturpädagogen gestaltet die Erlebniswelten für Kinder. In der aktuellen Ausstellung zum Thema „Anderssein“ können vier- bis 11-jährige der gesellschaftlich relevanten Frage nachgehen: Was bedeutet „anders“ sein, „normal“ sein, „tolerant“ sein? Sie lernen die Braille-Schrift für Blinde kennen und versuchen, mit verbundenen Augen auf einen Basketballkorb zu werfen. Im „Andersatelier“ bauen sie ein Generationenhaus und denken über das Altwerden nach. 

Auch die Museen für die Großen ziehen mit

Keine Stätten heiliger Andacht mehr

Eins wird beim Stöbern durch die Angebote klar: In Kindermuseen ist immer was los. Das magische Gefühl, das sich einstellt, wenn man ehrfürchtig und still zwischen antiken ägyptischen Ausgrabungsstücken oder farbenprächtigen Leinwandkunstwerken steht und sich überwältigt von ihrer Ausstrahlung ganz klein und unbedeutend fühlt, vermitteln sie eher nicht. Wie lässt sich also die Lust der Jungs und Mädchen am Entdecken und Staunen aus dem Kindermuseum ins „richtige“ Museum hinüberretten? Sind sie nicht zwangsläufig enttäuscht, wenn sich die Ausstellungsstücke dort gar nicht bewegen und kein Animateur mehr um sie herumspringt, um einen Special Effect nach dem anderen zu zünden? „Kindermuseen können durchaus Wegbereiter für den späteren Besuch der ‚großen’ Museen sein“, findet Nikola Mirza vom Labyrinth Kindermuseum in Berlin, „Der Begriff ‚Museum’ wird hier schon früh positiv besetzt. Wir vermitteln den Kindern also, dass das Entdecken von Fremdem, Neuem und Altem Spaß machen kann und eine Bereicherung ist. Wenn das geschafft ist, ist eine wichtige Brücke hin zum Erwachsenen-Museum gebaut. Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch der Vorbildcharakter der Eltern.“

Ohnehin sind auch konventionelle Museen längst keine Stätten der heiligen Andacht mehr. Auch hier sind immer öfter Museumspädagogen beschäftigt, die die Ausstellung lebendig werden lassen. So dürfen junge wie ältere Besucher im Deutschen Technikmuseum Berlin in eine Lokomotive hinein und auf einem Hausboot herum klettern. Sie können die Segel eines Holzkahns hissen und eine Dampfmaschine in Action bestaunen. Das Berliner Museum für Naturkunde bietet nächtliche Taschenlampenführungen für Kinder und am Kindersonntag darf der Nachwuchs Schmucksteine oder Fossilien aus Gips herstellen. Der Übergang vom Kinder- zum Erwachsenenmuseum gestaltet sich also sanft.

Mal etwas anderes: Kindergeburtstag im Museum

Kindergeburtstage kann man übrigens in jedem Museum feiern. Ob Kinderführung oder das komplette Geburtstagsprogramm mit Torte und dreistündiger Animation, ob selbst mitgebrachtes Picknick oder Vesper in der Museumscafeteria – vieles ist möglich. Wer sich das Geld für die Profis sparen möchte, organisiert selber eine Kinder-Rallye durchs Museum, dann werden nur die Eintrittsgelder fällig. Eine Schatzkarte mit ein paar Rätselfragen, die sich anhand der Exponate im Museum lösen lassen und einen Hinweis auf das Versteck einer Süßigkeitentruhe liefern, macht sich immer gut. Die Aktion sollte nicht länger als eine bis eineinhalb Stunden dauern. Dafür reichen fünf oder sechs ausgesuchte Ausstellungsstücke bzw. Mitmachstationen. Bis jeder mal dran war und die Rätselfragen gelöst sind, ist die Zeit schon rum.

„Am besten ist es, die Partygäste nicht in alle Himmelsrichtungen loslaufen zu lassen, sondern sich als Eltern und Großeltern des Geburtstagskindes die Zeit zu nehmen, die Ausstellungen zusammen mit den Kindern zu erkunden“, schlägt Nikola Mirza vor, „denn in Kindermuseen wird auch das Gemeinschaftserlebnis großgeschrieben.“ Danach wird gefuttert, „Happy Birthday to you“ gesungen und im Museumsgarten oder auf einem nahe gelegenen Spielplatz getobt.

 

Übrigens: Einen Museums-Guide Berlin für Kinder und Jugendliche gibt es unter inside.expedia.de/berlin-museumsguide.