Er macht Kinder fit für die nächste Runde

Mittagsschlaf: So gelingt die kleine Pause

Der Mittagschlaf macht kleine Kinder fit für die nächste Runde im Spielen und Lernen. Doch nicht immer klappt das Einschlafen. Und manchmal stellen die Kleinen das Schläfchen früher als erhofft wieder ein.

Autor: Gabriele Möller

In der Mittagsruhe liegt die Kraft

Mittagsschlaf von Kindern
Foto: © iStock, evgenyatamanenko

Eltern wissen es instinktiv: Der Mittagschlaf ist eine wichtige Pause für ihr Baby oder Kind, in der es neue Kraft zum Erforschen seiner Welt tankt. Doch er macht außerdem auch klug: "Im Schlaf wird das Gelernte so lange wiederholt, bis es sich fest verankert hat", erklärt der Schlafforscher Professor Jürgen Zulley von der Universität Regensburg. Dabei werden die gleichen neuronalen Verbindungen aktiviert wie beim Lernen im wachen Zustand. Kindertagesstätten sollen den Tagesschlaf sogar gezielt einsetzen, wenn es nach Schlafforscher Prof. Jan Born von der Universität Lübeck geht: „Wenn die Kinder regelmäßig Mittagsschlaf halten, wird sich dadurch ihre Lernleistung längerfristig deutlich verbessern“, so Neuroendokrinologe Born. Beim Großwerden hilft das Schlafen übrigens auch, denn dabei schüttet das Gehirn ein Wachstumshormon aus.

Wenn Babys innere Uhr anders tickt als die Familienuhr

Doch damit der Mittagschlaf hält, was er verspricht, muss der Nachwuchs erst einmal einschlafen. Und das klappt nicht immer auf Anhieb. „Ich kann Noel (6 Monate) immer erst hinlegen, wenn ich unsere Große (5) vom Kindergarten abgeholt habe, obwohl er da meist schon seit einer halben Stunde müde ist. Wenn ich ihn früher schlafen legen würde, müsste ich ihn ja nach einer halben Stunde wieder aus dem Bettchen reißen. Wenn wir zurück sind, quengelt er aber oft ewig vor sich hin, ohne dass ihm die Augen zufallen“, erzählt Christine Peters (39) ratlos.

Dass Noel nach dem Abholen der Schwester nicht mehr einschläft, hat einen einfachen Grund: Seine innere Uhr tickt anders als die des Familienalltags. Optimal ist es, wenn ein Baby dann schlafen gelegt wird, wenn es Anzeichen von Müdigkeit zeigt: es gähnt, weinerlich wird, Augenkontakt meidet, sich ruckartig bewegt, Fäustchen macht oder sich die Augen oder Ohren reibt. Doch das ist nicht immer möglich. Hier sollten Eltern sich gedulden, raten Schlafexperten. Denn Babys und Kleinkinder haben zum Schlafen so genannte Zeitfenster. Wenn sie müde sind, aber nicht schlafen gelegt werden können, geht die Gelegenheit zum Einschlafen erst einmal vorüber. Das nächste Fenster öffnet sich erst nach 50 bis 60 Minuten. Christine könnte Noel also eine Weile ablenken und ihn nach einer knappen Stunde noch einmal hinlegen.

Der ideale Zeitpunkt: gleich nach dem Mittagessen

Ähnliche Probleme beim Einschlummern kann es auch geben, wenn Kinder über Mittag in der Tagesstätte bleiben und erst am frühen Nachmittag abgeholt werden können. Der berühmte „tote Punkt“ ist dann oft überwunden, das Kind wieder munter oder auch aufgedreht. Denn die beste Zeit für den Mittagsschlaf, so belegen es Studien, ist zwischen 12 und 14.30 Uhr, also gleich nach dem Mittagessen. Der Körper braucht jetzt Ruhe, um sich der Verdauungsarbeit zu widmen. Auch hier muss man sich gedulden, bis sich das nächste Zeitfenster zum Einschlafen öffnet. Besser kann es da sein, wenn das Kind sein „Power Nap“ (kurzes Schläfchen) noch im Kiga nimmt. Doch auch hier sollten Erzieherinnen nichts erzwingen. Nicht jedes Kind kann im Kindergarten schlafen, wenn die älteren Kinder weiterspielen.

Das Sandmännchen erfolgreich anlocken

Damit ein Kind mittags gut einschläft, helfen dieselben Rituale, die auch in den Nachtschlaf überleiten: Das Anziehen des Schlafanzugs oder Schlafsacks, die sanfte Melodie der Lieblingsspieluhr, das Schaukeln der Wippe oder das Schuckeln des Stubenwagens und ein leises Lied. Gerade das Schaukeln lässt besonders leicht die Augen zufallen, weshalb bewegliche „Schlafstätten“ wie Wiege oder ein Stubenwagen mit Rädern in den ersten Lebensmonaten besser sind als feste Gitterbetten. Manche Babys aber schlafen auch tagsüber am liebsten auf dem Arm ein und müssen dann behutsam wie ein rohes Ei hingelegt werden.

Schläft ein Baby oder Kleinkind trotz aller Mühe und obwohl der Zeitpunkt stimmt nur schwerfällig ein, hatte es vielleicht morgens einfach zu viel Programm. „Wehrt ein Kind sich regelrecht gegen den Mittagsschlaf, obwohl es ihn offenbar dringend nötig hätte, kann es daran liegen, dass es zu viel an ‚Input‘ erhalten hat, zum Beispiel Babykurse, Ausflüge oder Besuche“, erklärt Ärztin Dr. Andrea Schmelz, Autorin und Herausgeberin eines Elternratgebers.

Mittags darf es hell bleiben

Viele Eltern gehen davon aus, dass der Ort, an dem ihr Kind nachts schläft, auch für den Mittagschlaf der beste ist. Doch der Mittagschlaf hat seine eigenen Regeln. So manches Baby schläft dort, wo das Familienleben spielt, leichter ein als im eigenen, stillen Zimmer – also etwa auf dem Schaffell, der Wippe, unterwegs im Kinderwagen, und im Auto sowieso. Größere Kinder dagegen haben eher ein Bedürfnis nach Ruhe: Wissenschaftler haben beobachtet, dass Kinder umso mehr Stille brauchen, je älter sie sind. Wo auch immer ein Kind schläft - das betreffende Zimmer sollte allenfalls leicht verdunkelt werden. Denn simuliert man die Nacht, gerät vor allem bei Babys das Gefühl dafür, wann es wirklich Nacht (und damit Zeit für einen ausgedehnteren Schlaf) ist, durcheinander.

Wie lange soll das Nickerchen dauern?

Die meisten Babys machen im ersten Lebensjahr etwa zwei bis drei Tagesschläfchen, vormittags, mittags und am frühen Nachmittag. Denn nach drei bis fünf Stunden Aktivität ist es für sie schon wieder Zeit zum Ausruhen. Babys schlafen tagsüber zusammen genommen ungefähr drei bis vier Stunden, was aber von Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein kann.

Irgendwann jedoch - meist zwischen neun und 18 Monaten - stellen Kinder sich um und schlafen nur noch ein Mal am Tag. Und es gibt sie tatsächlich: Kinder, die nachmittags drei Stunden schlafen und trotzdem abends um 19 Uhr wieder bettreif sind. Doch das sind Ausnahmen. Viele Kinder schlafen abends nur schwer ein, wenn sie sich nachmittags zu lange ausgeruht haben. Hier kann man versuchen, den Mittagschlaf auf eine bis anderthalb Stunden zu begrenzen. Denn den Gesamtschlafbedarf eines Kindes über 24 Stunden kann man zwar weder vergrößern noch verkleinern – man kann ihn aber umverteilen. Zwischen dem Ende des Nickerchens und dem abendlichen Insbettgehen sollten mindestens vier Stunden liegen, raten Fachleute.

 

Mittagspause statt Mittagsschläfchen

„Ich verzweifle gerade! Mika ist 20 Monate alt, und der Mittagsschlaf wird immer schwieriger. Er braucht immer bis zu zwei Stunden, bis er schläft. Dann ist es meistens schon 15 Uhr, und er schläft nur noch eine Stunde“, klagt eine Mutter in einem Online-Forum. Kinderärzte betonen, dass ein Kind, das nach 20 Minuten nicht eingeschlafen ist, nicht müde genug ist. „So manches Kleinkind will schon mit knapp zwei Jahren mittags nicht mehr schlafen. Daher sollten Eltern sich an den Bedürfnissen ihres Kindes orientieren“, rät Dr. Schmelz in solchen Fällen. „Ich denke aber, Mika braucht mittags noch seinen Schlaf, da er sich andauernd weh tut und hinfällt, weil er müde ist“, beobachtete seine Mutter.

Mika befindet sich also in einer Zwischenphase: Er ist nicht mehr müde genug für einen Mittagschlaf, hat aber Probleme, ohne diesen den Nachmittag gut zu überstehen. Solchen Kindern hilft eine Mittagspause anstelle des Schlafs. In dieser Zeit kann man mit dem Kind kuscheln, ihm etwas vorlesen, es ein Hörbuch hören lassen oder eine CD mit Entspannungsmusik auflegen. So eine Pause muss nicht länger als 30 Minuten dauern.

Ein Viertel aller Kinder hört früh mit dem Mittagschlaf auf

Mika ist nicht allein: Ein Viertel aller Kinder hört schon vor dem dritten Geburtstag mit dem Mittagschlaf auf. Die Hälfte macht ihn bis zum Alter von drei bis vier Jahren. Und nur ein Viertel genießt ihn noch im Alter von fünf Jahren oder länger. „Es gibt sehr große individuelle Unterschiede in der Schlafdauer. Erzwingen sollte man einen Mittagschlaf nicht“, betont Professor Zulley. Eine Mittagspause kann auch die beste Lösung sein, wenn ein Kind erst nachmittags aus der Betreuung abgeholt wird und dort nicht geschlafen hat. Denn sonst liegen zwischen dem Ende des Mittagschlafs zu Hause und dem abendlichem Zubettgehen oft nicht mehr die empfohlenen vier Stunden, was dazu führen kann, dass das Kind abends schwer einschläft.

Manchmal kommt der Tagschlaf zurück

Manche Kinder, die schon früh mit dem Mittagschlaf aufgehört haben, fangen aber damit wieder an, wenn sie in den Kindergarten kommen. „Leon (3) schläft eigentlich schon seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr“, erzählt seine Mutter Bärbel. „Aber seit er in den Kindergarten geht, ist er mittags so platt, dass wir wieder damit angefangen haben. Schon beim Abholen weint er vor Müdigkeit wegen jeder Kleinigkeit, und zu Hause schläft schon nach ein paar Minuten ein“.

Normal: Stimmungstief beim Aufwachen

Nach dem mittäglichen Schläfchen taucht oft ein Phänomen auf, das viele Eltern ratlos macht: „Meine Tochter (2,5) ist nach dem Mittagschlaf immer so was von schlecht gelaunt, egal ob ich sie lieb wecke oder sie von allein aufwacht, auch egal, wie lange oder wie kurz sie schläft“, klagt eine Mutter in einem Online-Forum, „sie braucht 40 bis 60 Minuten, bis es wieder geht.“ „Das kenne ich, unsere Zweijährige ist nach dem Mittagschlaf immer total weinerlich. Bei ihr dauert‘s auch bis zu einer Stunde, bis man etwas mit ihr anfangen kann“, berichtet eine andere Mutter. Doch warum sind viele Kinder nach dem Aufwachen so „mies drauf“? „Meist schlafen die Kleinen mittags nicht so tief wie nachts, und es fällt ihnen schwer, sich innerhalb kurzer Zeit bewusst von einer Situation auf die nächste umzustellen“, erklärt Diplom-Sozialpädagogin Christiane Schuster in ihrem Elternberatungsforum. Am besten lasse man dem Kind Zeit zum Wachwerden, während es im Bett Musik hört oder mit dem Kuscheltier schmust. „Die Mutter oder eine andere Bezugsperson sollte sich währenddessen in Hörweite aufhalten.“