Wechsel auf weiterführende Schule

So klappt der Start in die 5. Klasse

Der Wechsel auf die weiterführende Schule bringt für Schüler viele Veränderungen mit sich. Sie brauchen einige Zeit, um sich an die neue Klasse, die vielen Fachlehrer und das anspruchsvollere Lernpensum zu gewöhnen. Wie Eltern ihnen jetzt am besten Halt und Unterstützung geben.

Autor: Heike Byn

Nach dem Schulwechsel: Suche nach Selbstständigkeit

Neu weiterfuehrende Schule
Foto: © iStockphoto.com/ gradyreese

Vor ein paar Monaten haben sie noch rosafarbene Einhornranzen getragen oder sich als Fan von "Star Wars" geoutet. Jetzt schleppen sie angesagte unifarbene Marken-Rucksäcke für Teenager. So als hätte eine fremde Macht im Kinderhirn einen Schalter umgelegt, fährt Amelie nach anfänglicher Ängstlichkeit jetzt souverän mit Bus und Straßenbahn zu ihrem neuen Gymnasium, radelt Lukas aus Überzeugung morgens und mittags den Weg zur Realschule. Dieselben Kinder stöhnten in den Sommerferien noch über Radtouren, die länger als 30 Minuten dauerten und spielten Bundesbedenkenträger bei der elterlichen Bitte, alleine zum Bäcker um die Ecke zu gehen.

Was ist passiert? Für viele Kinder beginnt mit dem Übertritt auf die weiterführende Schule eine neue Zeitenrechnung. Sie haben schon in der vierten Klasse gespürt, dass die Zeit reif für neue Erfahrungen ist. Doch das bis dato bestens funktionierende elterliche Rundum-Sorglos-Paket und vielleicht auch ein bisschen die Angst vor dem Neuen, haben verhindert, dass sich die Zehnjährigen von alleine auf die Suche nach mehr Selbstständigkeit machten. Jetzt müssen sie den Schritt ins Unbekannte wagen und tun dies mit einer Mischung aus Stolz und Unsicherheit. Stolz, dass sie nun endlich zu den „Großen“ gehören, Unsicherheit darüber, was sie wohl in der neuen Schule erwartet.

Netzwerke helfen im Schulalltag

Das fängt schon mit dem neuen, meist längeren Schulweg an. Viele Kinder müssen zum ersten Mal mit Bus und/oder Straßenbahn zur Schule fahren. Eltern können ihrem Nachwuchs die Scheu nehmen, indem sie bereits vor dem ersten Schultag gemeinsam den neuen Schulweg einüben. Zuerst ein paar Mal gemeinsam, dann aber alleine oder mit einem anderen Kind aus der Umgebung, das auch in die neue Schule geht. Sind beide Elternteile berufstätig und nicht immer zuhause, wenn das Kind mittags oder unerwartet einmal früher als geplant aus der Schule kommt, kann ein rechtzeitig geknüpftes Netzwerk in der Familie, im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft das nicht Planbare auffangen. Denn anders als zu Grundschulzeiten bieten die meisten weiterführenden Schulen keine beaufsichtigte Übermittagsbetreuung an. Hilfreich sind zum Beispiel Großeltern, Eltern von Schulfreunden oder eine Nachbarin, bei der das Kind bis zur Ankunft der Eltern bleiben kann. Manche Eltern geben ihren Kindern sogar schon einen eigenen Schlüssel, mit dem es in die Wohnung kommt. Ein längerer Schulweg bedeutet immer auch früheres Aufstehen. „Eltern sollten  gemeinsam mit ihrem Kind eine neue Schlafenszeit festlegen und dabei genug Zeit zum  Ranzenpacken und Kleidung Bereitlegen einplanen“, erklärt Josef Zimmermann, Kinderpsychologe und Leiter der Katholischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Köln.

Fünftklässler müssen Lernen erst lernen

Jährlich wechseln hunderttausende Grundschüler auf eine weiterführende Schule. Vor allem die Neu-Gymnasiasten unter ihnen hören vorher mehr als einmal, dass dort leistungsbereite, frustrationstolerante, lernwillige und selbstständige Schüler gefragt sind. Während die „öffentliche Meinung“ künftigen Real- und Hauptschülern vermittelt, dass ihre Karriere-Aussichten in der Leistungsgesellschaft mit dem Eintritt in eine solche Schule stark gen Null tendieren.

Für alle Schulwechsler ist eine Erfahrung gleich: Bis Ende des Jahres warten anstrengende Wochen und Monate auf die Kleinen im großen Schulbetrieb. Denn sie müssen sich an den neuen Schulweg gewöhnen, das meist viel uübersichtlichere Gebäude sowie viele neue Fächer und Lehrer mit unterschiedlichen Lehrmethoden. Es gilt, höheren Leistungsansprüchen gerecht zu werden, regelmäßig Vokabeln zu lernen und sich auf Tests und Klassenarbeiten vorzubereiten, zudem selbständig Hausaufgaben einzuteilen und zu bearbeiten. Und so ganz nebenbei sollen die Kinder auch neue Freunde gewinnen und ihren Platz in der Gruppe finden.

Kinder brauchen Unterstützung der Eltern

„Tief durchatmen und ruhig bleiben“, rät jetzt der Kinderpsychologe Josef Zimmermann allen (mit-)leidenden Vätern und Müttern. „Kinder brauchen Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Dabei können die Eltern ihnen gut helfen. Mit einem offenen Ohr für alle Probleme und ganz pragmatisch, indem sie sie bei der Organisation der Hausaufgaben und Vorbereitungen von Tests und Klassenarbeiten unterstützen.“ Viele Zehnjährige wissen von alleine nicht, auf was man alles beim Ranzenpacken achten muss. Sie wissen nur in Ansätzen, wie man Hausaufgaben sinnvoll einteilt, Vokabeln paukt und sich rechtzeitig auf Tests und Klassenarbeiten vorbereitet. Zwar versuchen Schulen mit Methodenseminaren und Einführungswochen den Übergang harmonisch zu gestalten, doch ohne die Hilfe der Eltern im ersten Jahr geht es nicht, weiß auch Josef Zimmermann. Auch wichtig: Eltern sollten ihr Kind immer positiv bekräftigen und loben. Das stärkt sein Selbstbewusstsein und macht ihm Mut.

Wenn allerdings schon ein Fünftklässler Nachhilfe und ständige Hausaufgabenbetreuung braucht, ist seine Schule wahrscheinlich nicht die richtige für ihn. In solchen Fällen rät Erziehungsberater Zimmermann zu einem  Schnitt und damit Wechsel in eine andere Schulform: „Dabei hilft und berät  Familien der Schulpsychologische Dienst. Auch wenn ein erneuter Schulwechsel nicht ohne Stress abläuft, so hat doch ein guter Realschüler mehr Spaß am Lernen und damit verbunden mehr Erfolg, als ein ständig gecoachter Gymnasiast."

Apropos Spaß: Egal ob nun Hauptschüler oder Gymnasiast – ein Fünftklässler ist immer noch ein Kind. Mit Freunden in der Nachbarschaft und Hobbys, denen es bislang in Musikschule oder Sportverein ungehemmt nachgehen konnte. Doch mit „Langtagen“ und neuer Hausaufgabenfülle droht den Verabredungen oder Freizeitterminen während der Woche auf Dauer das Aus. Gerade weil die meisten Schulen einen unbedingten Einsatz fordern, ist es so wichtig, dass Eltern ihrem Kind zeigen, dass es noch etwas anderes im Leben als Schule gibt, indem sie es nicht nur für gute Noten, sondern auch für seine Kreativität oder sein Engagement in Sport oder Musik loben und darin bestärken.

Mobbing: Schnell auf Angriffe reagieren

Es kann aber auch Probleme in der neuen Schule geben, die nichts mit Organisations- oder Leistungsfragen zu tun haben. Manche Eltern nehmen nach ein paar Wochen wahr, dass ihr Kind niedergeschlagen wirkt, gereizt und aggressiv. Dass es nicht zur Schule gehen will oder über Bauchschmerzen klagt. Dann könnten die Schwierigkeiten im sozialen Bereich liegen. Darin, dass das Kind seinen Platz in der Gruppe noch nicht gefunden hat und darunter leidet oder von Klassenkameraden geärgert, gehänselt oder drangsaliert wird. „Eltern können das mit Fragen wie ‚mit wem spielst du denn so?', oder ‚magst du deine Klassenkameraden?' herausfinden. Auf abstrakte Fragen wie das übliche ‚na, wie war's heute in der Schule?' bekommen sie dagegen kaum brauchbare Antworten", so Kinderpsychologe Josef Zimmermann. Stellt sich dann heraus, dass das Kind unter seinen Mitschülern leidet, sollten die Eltern zuerst das Gespräch mit dem Klassenlehrer suchen. Viele Schulen bieten heute auch die Dienste von Streitschlichtern oder Mediatoren an. Das sind meist ältere Schüler, die sich mit den betroffenen Kindern auf Augenhöhe unterhalten und eine gemeinsame Vereinbarung zur Konfliktlösung erarbeiten und deren Einhaltung zeitnah überprüfen. „Grundsätzlich sollten Eltern sich nicht scheuen, die Schule hier auf ihre Verantwortung aufmerksam zu machen. Die meisten Schulen haben Regeln zum friedvollen und respektvollen Umgang miteinander im Schulvertrag stehen und werben in ihren Info-Veranstaltungen damit. Da sollte man sie ruhig beim Wort nehmen", so Josef Zimmermann.

Immer Ärger mit den Hausaufgaben?

Ein Fünf-Punkte-Plan für weniger Stress:

  1. Ein Hausaufgabenheft muss sein: Niemand kann sich merken, was in welchem Fach zu erledigen ist
  2. Hausaufgabenzeit festlegen: Manche Kinder setzen sich gleich nach dem Mittagessen an die Arbeit, andere brauchen erst  eine Pause. Wichtig ist, dass das Kind dafür einen ruhigen, eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung hat
  3. Täglicher oder wöchentliche Hausaufgabenplanung: Welche Hausaufgaben sind für wann zu erledigen? Lieber nach Plan arbeiten, als jeden Tag alle Hausaufgaben machen, die aufgegeben wurden
  4. Regelmäßig Hausaufgaben checken: Prüfen Sie anfangs täglich, später alle paar Tage oder einmal die Woche, ob die Hausaufgaben vollständig gemacht wurden und Fehler auftauchen
  5. Vokabeln lernen: Besser täglich 10 Minuten Vokabeln lernen und abfragen, als vor Arbeiten oder Tests stundenlang pauken. Helfen Sie Ihrem Kind beim Anlegen einer Vokabelkartei oder dem Einrichten eines digitalen Vokabelprogramms