Rechtliche und medizinische Fakten

Der Schwangerschafts-Abbruch

Unter welchen Umständen ist eine Abtreibung straffrei? Und welche medizinischen Details sollten Frauen kennen, die vielleicht ungewollt schwanger geworden sind und einen Schwangerschafts-Abbruch in Erwägung ziehen?

Autor: Petra Fleckenstein

Die Entscheidung liegt bei der Schwangeren

Frau nachdenklich
Foto: © panthermedia.net/ Sonia Boukaia-Murari

Im Jahr 2015 wurden dem Statistischen Bundesamt in Deutschland rund 99.200 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von etwa 0,5 Prozent. Über 96 Prozent der gemeldeten  Schwangerschaftsabbrüche wurden nach der Beratungs­regelung vorgenommen. Medizinische und kriminologische Indikationen waren in weniger als vier Prozent der Fälle die Begründung für den Abbruch.

Ob ein Schwangerschaftsabbruch zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört und moralisch vertretbar ist, darüber gibt es in unserer Gesellschaft sehr unterschiedliche Ansichten. Fest steht jedoch: Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai 1993 entschieden, dass die "Beratungsregelung" zulässig ist.

Im Klartext heißt dies: Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt in Deutschland straffrei, wenn sich die Schwangere drei Tage zuvor einer Beratung unterzogen hat und sie sich beim Eingriff höchstens in der zwölften Schwangerschaftswoche seit der Empfängnis befindet (14. Woche seit der letzten Menstruation). Auch wenn Frauen somit durch das Gesetz angehalten sind, sich vor dem Abbruch mit mindestens einer Person über ihre Gründe zu unterhalten, bleibt die Entscheidung über einen Abbruch letzten Endes jeder einzelnen Frau selbst überlassen.

Übrigens: In unserem Forum "Ungeplant schwanger" kannst du dich mit anderen austauschen, die sich vielleicht in ähnlicher Situation befinden.

Rechtliche Fakten zum Schwangerschaftsabbruch

Der Paragraph 218 des Strafgesetzbuches stellt den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich unter Strafe. Nach Paragraph 218 a bleibt der Abbruch jedoch straffrei,

  • wenn die Schwangere den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung beweist, dass sie sich bei einer anerkannten Stelle einer Beratung unterzogen hat
  • wenn der Eingriff frühestens am vierten Tag nach dem Tag vorgenommen wird, an dem sie sich hat beraten lassen
  • wenn der Abbruch von einem Arzt/einer Ärztin vorgenommen wird – und zwar bis zum Ende der 12. Woche nach der Empfängnis.

Als "rechtmäßig" gilt die Abtreibung, wenn sie nach der "kriminologischen" oder der "medizinischen" Indikation vorgenommen wird. Das bedeutet, dass durch einen Arzt oder eine Ärztin festgestellt worden sein muss, dass die Schwangerschaft entweder durch eine Straftat (z.B. Vergewaltigung) zustande kam oder dass die Schwangerschaft eine Gefahr für die seelische und körperliche Gesundheit der Mutter bedeutet. Dies kann auch der Fall sein, wenn eine schwere Schädigung des Kindes zu erwarten ist.

Bei einer kriminologischen oder einer medizinischen Indikation werden die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch komplett von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.

Übrigens macht es vor dem Gesetz keinen Unterschied, ob es sich um den ersten Schwangerschaftsabbruch oder um einen wiederholten handelt.

Beratung bei einer anerkannten Beratungsstelle

Nach Paragraph 219 des Strafgesetzbuches dient die Beratung primär dem Schutz des ungeborenen Lebens und soll die Frau ermutigen, die Schwangerschaft fortzusetzen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen. Außerdem soll sie Hilfen geben, um durch die Schwangerschaft entstandene Konflikte zu bewältigen. Dennoch ist die Beratung "ergebnisoffen". Das heißt: Letztendlich entscheidet die Schwangere selbst, ob sie abtreiben wird. Die Beratungs-Bescheinigung muss ihr unabhängig vom Ergebnis des Gesprächs ausgestellt werden.

Gesetzlich vorgeschrieben ist aber, dass die Beratung bei einer anerkannten Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstelle erfolgt und dass die abschließende Bescheinigung den Namen der Schwangeren und das Datum, an dem sie stattfand, enthält. Außerdem darf die Beratung nicht durch den Arzt durchgeführt werden, der auch den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt.

Abtreibung keine Verhütungsmethode

Im Beratungsgesetz hat der Gesetzgeber versucht, den ungezügelten Missbrauch von Abtreibung als einer Art späte Verhütung zu verhindern und dennoch Frauen in schwierigen Situationen die Entscheidung über eine Abtreibung zu überlassen. Daher heißt es darin wörtlich:

"Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und deshalb der Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt."

Übrigens: Anerkannte Beratungsstellen sind zu finden unter anderem im urbia-Beratungsstellen-Service, außerdem direkt unter "Pro Familia" im Telefonbuch oder im Internet, unter "Arbeiterwohlfahrt" oder "Donum vitae". Ist keine geeignete Beratungsstelle in der Nähe, kann man diese auch in einem anderen Bundesland aufsuchen.

Instrumentell oder medikamentös?

Seit Ende 1999 haben Frauen auch in Deutschland die Möglichkeit, zwischen einem sogenannten "instrumentellen" (Absaugmethode oder Ausschabung) oder einem "medikamentösen" Schwangerschaftsabbruch (durch das Hormonpräparat Mifegyne) zu wählen. Letzteres allerdings nur bis zum Ende der siebten Schwangerschaftswoche (fünfte Woche nach der Empfängnis). Außerdem haben sie die Wahl, ob sie die Abtreibung ambulant, stationär, mit örtlicher Betäubung oder mit einer Vollnarkose vornehmen lassen.

Sowohl ein instrumenteller als auch der medikamentöse Eingriff haben Vor- und Nachteile. Wer lieber ein Hormonpräparat schluckt als einen Eingriff an der Gebärmutter vornehmen zu lassen, für den mag Mifegyne die bessere Lösung sein. Ein Nachteil dieser Methode ist es aber, dass der Abbruch sich über eine etwas längere Zeit hinzieht.

Wie der Abbruch vor sich geht

Zunächst ist der Arzt verpflichtet, der Schwangeren nochmals Gelegenheit zu geben, über die Gründe für den Abbruch zu sprechen und sie über den Verlauf, die Risiken und Folgen der Abtreibung zu informieren. Dies ist jedoch nur ein Gesprächsangebot, das die Schwangere ablehnen kann.

Absaugmethode

Bei einem instrumentellen Eingriff ist die Absaugmethode das schonendere Verfahren, das im Gegensatz zur Ausschabung sehr gut auch ohne Vollnarkose vonstatten geht. Dies führt im Nachhinein zu weniger Blutungen und birgt nicht die Risiken – zum Beispiel für Herz und Kreislauf -, die eine Vollnarkose sonst mit sich bringt.

Der Eingriff beginnt mit einer örtlichen Betäubung, die durch die Scheide in den Muttermund gespritzt wird. Dies ist kaum schmerzhaft. Danach wird durch Metallstäbchen der Gebärmutterhals etwas geweitet, bis die dünne Kanüle und der Schlauch eingeführt werden können. Gebärmutterschleimhaut und Frucht werden abgesaugt, was Schmerzen wie bei einer Menstruation hervorrufen kann. Der Eingriff dauert etwa fünf bis zehn Minuten, und nach einer kurzen Ruhepause kann die Patientin nach Hause gehen. Meistens ist es möglich, eine Begleitperson dabei zu haben.

Zu den Risiken bei instrumentellem Abbruch gehören Nachblutungen und Entzündungen. In sehr seltenen Fällen kommt es während des Eingriffs zu Verletzungen der Gebärmutter oder, wenn es eine Narkose gab, zu Narkoseschäden. Zehn bis 14 Tage nach dem Eingriff sollte eine Gynäkologin zur Nachuntersuchung aufgesucht werden.

Abbruch mit Mifegyne

Mifegyne ist ein künstliches Hormon, das die Wirkung von Progesteron blockiert, dem Hormon, das für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft nötig ist. Das Medikament wird in Tablettenform unter ärztlicher Aufsicht eingenommen, meist beginnt am nächsten Tag die Blutung, die sieben bis zwölf Tage dauert. 48 Stunden nach der Einnahme von Mifegyne ist ein zweiter Arztbesuch nötig, um Prostaglandine als Tabletten oder Zäpfchen einzunehmen. Dieses Präparat fördert die Ausstoßung des Embryos und des Schwangerschaftsgewebes und erhöht damit die Wirkung von Mifegyne. Nach der Einnahme bleibt man drei Stunden unter ärztlicher Beobachtung. Meist findet der vollständige Abbruch in dieser Zeit statt.

Nach zehn bis 14 Tagen muss der Arzt zum dritten Mal aufgesucht werden, um festzustellen, ob der Schwangerschaftsabbruch vollständig stattgefunden hat. In 96 Prozent der Eingriffe ist dies der Fall. Wenn nicht, ist eine Ausschabung nötig.

Nebenwirkungen des medikamentösen Abbruchs können Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen nach der Einnahme der Prostaglandine sein. Kein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch darf bei Verdacht auf eine Eileiterschwangerschaft vorgenommen werden, auch starke Raucherinnen über 35 Jahre sollten davon absehen.

Nach dem Abbruch

Das Beratungsgespräch vor dem Schwangerschaftsabbruch ist auch für den Verlauf nach der Abtreibung von großer Bedeutung. Wenn Zweifel und Konflikte bereits da ausführlich besprochen und den damit verbundenen Gefühlen begegnet wurde, überrollen diese die Frau nicht erst nach dem Eingriff mit aller Macht.

Dennoch kommt es nicht selten nach dem Abbruch zu depressiven Verstimmungen – einmal wegen der hormonellen Umstellung, aber häufig auch wegen der Trauer um die Schwangerschaft. Geht dies über längere Zeit nicht weg, gibt es zum Beispiel bei Pro Familia die Möglichkeit Einzel- oder Gruppengespräche zum Thema "Nach dem Abbruch" wahrzunehmen.

Blutungen und auch Schmerzen ähnlich einer Regelblutung sind nach dem Schwangerschaftsabbruch normal. Auch ein Temperaturanstieg auf 38° C ist möglich, sollte aber nur einen Tag andauern. Hält der Temperaturanstieg länger als einen Tag an und kommt es zu lang anhaltenden starken Blutungen, kann ein Rest des Schwangerschaftsgewebes in der Gebärmutter zurück geblieben sein. Höheres Fieber weist eventuell auf eine Entzündung in der Gebärmutter hin. In beiden Fällen muss sofort der Arzt aufgesucht werden. Meist reicht eine medikamentöse Behandlung. Die nächste Regelblutung ist nach vier bis sechs Wochen zu erwarten.

Verhütung danach

Direkt nach dem Schwangerschaftsabbruch (beim medikamentösen nach der Prostaglandingabe) beginnt ein neuer Zyklus und damit die Möglichkeit einer neuen Schwangerschaft. Am gleichen Tag kann also mit der Einnahme der Pille begonnen werden. Unter Umständen kann es auch wichtig sein, sich zu fragen, ob vielleicht ein unbewusster Kinderwunsch dazu geführt hat, dass unbewusst die Verhütung zuvor zu locker gehandhabt wurde.

Wo kann der Eingriff durchgeführt werden?

Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch ohne medizinische oder kriminologische Indikation werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Beratung und Nachsorge sind jedoch für die Frau kostenlos. Nach dem Eingriff kann man krank geschrieben werden, das Gehalt wird weiterbezahlt. Der Grund des Fehlens muss natürlich dem Arbeitgeber nicht genannt werden.

Ein Schwangerschaftsabbruch darf vorgenommen werden in Einrichtungen, in denen auch die Nachsorge gesichert ist, also in Praxiskliniken, Praxen, Krankenhäusern und den medizinischen Einrichtungen von Pro Familia.