Moderne Vorbereitung auf den großen Moment

Geburtsfilme anschauen: eine gute Idee?

Laienfilme im Internet, Reality-TV-Serien im Privatfernsehen und Dokumentationen aus aller Welt zeigen das einzigartige Ereignis der Geburt eines Kindes in bewegenden Bildern. Nehmen sie Schwangeren die Angst vor der Niederkunft oder verunsichern sie nur noch mehr?

Autor: Maja Roedenbeck

Was erwartet mich bei der Geburt?

Schwangere Computer Geburtsfilm
Foto: © iStockphoto/ aldomurillo

Einer Frau, die zum ersten Mal schwanger ist, brennt eine Frage ganz besonders unter den Nägeln: „Was erwartet mich bei der Geburt?“ Ihre Neugier (und Sorge) betrifft die Abläufe im Kreißsaal oder im Geburtshaus, die Gefühle, die Schmerzen, aber immer wieder auch das große Ganze: „Wie wird es sein?“ Die Schwangere fragt Mütter aus dem Freundeskreis, liest die entsprechenden Passagen im Ratgeber, googelt Entbindungsberichte. Und wenn sie ganz mutig ist, schaut sie sich Geburtsfilme an.

Die Meinungen darüber sind geteilt. „Ich kann mir nicht vorstellen, warum man das kurz vor der eigenen Entbindung sehen möchte?!?“, meint eine Userin im urbia-Forum auf die Frage einer Mitschwangeren, wo denn solche Aufnahmen zu finden seien. Annalena H., Mutter zweier Söhne (7 und 4), hat beim Tag der offenen Tür im Geburtshaus einen Film über eine Wassergeburt vorgeführt bekommen und kann das Interesse daran schon verstehen: „Filme bringen das Geschehen einfach anders rüber als Bücher. Aber sie sollten die Gefühle der Gebärenden in den Mittelpunkt rücken, was die meisten leider nicht tun. Dass die eindringliche Geräuschkulisse bei einer Geburt, zu viel Blut, ein direkter Blick in den Geburtskanal oder ein reißerischer Kommentar aus dem Off die Angst nehmen, wage ich zu bezweifeln.“

Der moderne Weg, sich zu informieren

Ulrike von Haldenwang, die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes und selbständige Hebamme, wird in der Schwangerenbetreuung immer wieder mit dem Wunsch nach Filmmaterial konfrontiert. „Es ist völlig verständlich, dass eine werdende Mama wissen möchte, was auf sie zukommt. Und Bilder aus dem Fernsehen oder Internet sind nun mal der moderne Weg, sich zu informieren“, weiß die 50-jährige, „aber man sollte sie sich mit Bedacht anschauen. Jede Frau hat ihre eigenen emotionalen Grenzen, gerade in der sensiblen Zeit der Schwangerschaft. Die richtigen Bilder können beruhigen und zuversichtlich stimmen, doch die falschen Bilder können schockieren und alles nur noch schlimmer machen.“

Die richtigen Bilder, das sind für von Haldenwang positive Bilder von schönen Geburten, bei denen eine angenehme Atmosphäre herrscht und alles glatt läuft: „Durch sie entwickelt die Schwangere eine innere Stärke, die ihr später auch durch die Wehen helfen kann.“ Doch Vorsicht: Auch positive Bilder von schönen Geburten sind emotional sehr aufwühlend, selbst für Frauen, die schon eine Geburt erlebt haben. Zu sehen, wie die Schamlippen anschwellen und sich schließlich öffnen, wie das Köpfchen ein Stück heraus und wieder zurück gleitet und gefühlte Ewigkeiten nicht ganz hervorkommen mag, obwohl die Frau am Gipfel der Anstrengung angekommen ist, ist eine extreme Erfahrung und noch mal was anderes, als sich selbst mitten im Geschehen zu befinden.

Die Folgerung „Jetzt habe ich einen Geburtsfilm gesehen und weiß, was auf mich zukommt“ ist sowie nicht haltbar. Denn jede Geburt verläuft anders und fühlt sich anders an. Frauen, die mit allzu konkreten Erwartungen in den Kreißsaal gehen, haben es oft schwer, sich durch das Geschehen treiben zu lassen.

Zwei DVDs über Geburten - von Hebammen empfohlen

Ulrike von Haldenwang, selbst Mutter eines beinahe erwachsenen Sohnes, hält jedenfalls nichts davon, sich einsam und allein spätabends am PC die Geburtsfilme aus dem Internet „reinzuziehen“, die Google oder Youtube unter Stichworten wie „Geburt“, „Entbindung“ oder „Birth“ zuhauf liefern. Von der Zwillingshausgeburt bis zur Outdoor-Geburt im Amazonasdschungel ist alles dabei. Doch gerade bei diesen Laienfilmen weiß man nie, was einen erwartet. „Schwangere sollten Entbindungsfilme, egal welcher Art, auf jeden Fall gemeinsam mit anderen Frauen anschauen, mit denen sie hinterher über das Gesehene sprechen können“, rät die Berliner Hebamme. Sie und ihre Kolleginnen empfehlen zwei professionell aufgenommene und gestaltete DVDs ganz besonders:

„Die Kraft in mir – Ein Dokumentarfilm über die Geburt“ von Ortrun Bauer et al.

(25 Euro plus 5 Euro Versand, 47min., zu bestellen unter j.sengschmid@gmx.at, Infos hier) begleitet drei Frauen sensibel durch die Höhen und Tiefen der Geburt, plädiert für eine natürliche Geburt ohne Schmerzmittel.

„birth-move-ment“ von Karin Berghammer

(44,95 Euro, 56min., zu bestellen unter www.schattauer.de, Sprache: Deutsch)
Dieser sehr informative und ermutigende Lehr- und Aufklärungsfilm für Schwangere, die keine Extrembilder sehen möchten, gliedert sich in mehrere Kapitel, die den Geburtsvorgang chronologisch verfolgen. Am Anfang jedes Kapitels erklärt eine Hebamme anhand einer Babypuppe und eines Stoff-Beckenknochens, welche Position das Baby in der jeweiligen Phase einnimmt und welche Aufgaben der Körper der Frau zu bewältigen hat. Es geht los mit Schwangerschaftsgymnastik im Wasser und dem Wehenbeginn. Wir sehen, dass es genauso normal ist, die Eröffnungsphase im leichten Dämmerzustand liegend im Bett oder in der Badewanne zu verbringen, wie scherzend und erzählend mit Partner und Hebamme beisammen zu stehen und etwas zu trinken. Der Film geht darauf ein, was der werdende Papa tun kann (für eine positive Grundstimmung der Gebärenden sorgen), zeigt verschiedene Geburtspositionen und die Versorgung der Schwangeren mit einer PDA. Die meiste Zeit über gibt es keine ungefilterten Frontalansichten zu sehen, sondern nur von der Hebammenhand abgeschirmte Distanzaufnahmen. Nur im Kapitel zur Austreibungsphase wird zweimal kurz und in sehr dunklem Licht der bereits geborene Kopf des Babys zwischen den Beinen der Frau gezeigt. Zum Schluss werden auch die Erstversorgung des Säuglings, Wochenbett, Stillpositionen und Beckenbodengymnastik angerissen, während der vorbildliche Kindsvater seiner Partnerin den Rücken freihält und sich um den Haushalt kümmert.

Weitere DVD-Besprechungen auf der letzten Seite

Wir haben uns fünf weitere Dokumentationen aus aller Welt, die es zum Thema Geburt auf DVD zu kaufen gibt, für dich angesehen. Die Rezensionen findest du auf der letzten Seite dieses Artikels.

Laienfilme versus Reality-TV

Viele Frauen kennen diese Alternativen nicht und greifen auf Reality-TV-Shows über Geburten zurück (z.B. bei „Mein Baby“. „Ich habe während meiner Schwangerschaften solche Dokusoaps angeschaut, danach nie wieder“, gesteht Nina C. (35), Mutter eines Sohnes (7) und einer Tochter (2), „Ich wollte ein Gefühl für die unbekannte Situation der Geburt bekommen und mich über die Abläufe informieren, um mit meinen Ängsten besser umgehen zu können. Das hat auch gut funktioniert, nur wenn eine Frau zehn Stunden in den Wehen lag, wollte ich das dann nicht mehr sehen. Als die Babys im Fernsehen geboren waren, musste ich immer heulen, aber bei meinen eigenen Kindern habe ich nur gestrahlt.“

Bei den Realityformaten rund um Schwangerschaft und Geburt handelt es sich nur vermeintlich um eine harmlose Variante von Entbindungsfilmen. Zwar bleiben den Zuschauern Körperflüssigkeiten und Frontalansichten zwischen die Beine weitgehend erspart. „Doch Dokusoaps zeichnen ein völlig falsches Bild von einer typischen Geburt“, hat Ulrike von Haldenwang beobachtet, „Fast alle Frauen in diesen Filmen gebären in Rückenlage, bekommen eine PDA und viele einen Kaiserschnitt, das ist einfach nicht authentisch.“ Auch die Bedingungen, unter denen die Reality-Filme aufgenommen werden, verzerren die Wirklichkeit: „Ich habe bei solchen Drehs eine sehr unsensible Regie erlebt“, meint die Berliner Hebamme, „Die Frauen benehmen sich unter der aufdringlichen Kamerabeobachtung auch nicht natürlich.“

Geburtsfilm vom eigenen Nachwuchs?

Schließlich steht noch die Frage: „Sollen wir die Geburt unseres eigenen Kindes filmen?“ im Raum. Dagegen sprechen die Argumente, dass die Kamera die intime Atmosphäre der Geburt stören könnte und dass die Erinnerung viel wichtigere Dinge speichert als ein digitaler Chip. Doch es ist modern geworden, das Elternwerden zu dokumentieren, z.B. auch in Form eines vergrößerten, bunt eingefärbten Ultraschallbilds an der Wand. „Geburtsfilm oder nicht, das ist die Sache des Paares“, findet denn auch Ulrike von Haldenwang, „Wenn es beide möchten, dann ist es okay. Ich rate aber, vorher ein Stoppzeichen zu vereinbaren, und dieses auch zu respektieren. Denn im Mittelpunkt steht die Gebärende und nicht die Kamera.“ Wenn der Partner filmt, so die Verbandsvorsitzende, sollte noch eine weitere Person außer der Hebamme bei der Geburt dabei sein, die sich voll auf die Gebärende konzentrieren und ihr Halt geben kann.

„Ich selbst werde die wunderbaren Momente der Geburt meiner Kinder auch ohne Film niemals vergessen“, meint Annalena H., deren Ehemann nur eine Filmsequenz kurz nach der Geburt des jüngeren Sohnes aufgenommen hat, „Aber für die Kids, muss es doch toll sein, Bilder davon sehen zu können, wie sie aus dem Bauch der Mutter gekommen sind. Natürlich ohne den blutigen Teil. Diese Vorstellung ist doch ein Faszinosum für sie.“

Eines wird jede Frau feststellen, wenn der Moment dann wirklich gekommen ist und sie ihr Würmchen nach anstrengenden Stunden endlich im Arm hält: Entbindungsfilme hin oder her, die Erfahrung der Geburt ist und bleibt ein Mysterium. Wer sie nicht selbst gemacht hat, kann sie sich einfach nicht vorstellen.

Rezensionen weiterer Geburts-DVDs

„Lichtblicke - Auf den Spuren der Geburt“ von Anja Hansmann

(27,90 Euro unter www.mabuse-verlag.de, 56min., ohne Altersbeschränkung, Spanisch mit Untertiteln)
Dokumentarfilm mit hohem Interviewanteil. Nach einer unvermittelt harten Eingangssequenz über eine technisierte Klinikgeburt wird am Beispiel von Argentinien über die wieder aufkommende Tradition des Gebärens im Hocken berichtet. Hebammen, Experten und argentinische Seniorinnen, die ihre Kinder noch in den Bergen zur Welt gebracht haben, kommen zu Wort. Parallel bringt Soledad ihren Sohn zur Welt. Während der Eröffnungswehen sehen und hören wir Schmerz, aber keine Verzweiflung, Anstrengung, aber auch Momente des entrückten Friedens zwischen den Wehen. Wir sehen, wie Soledad ihrem natürlichen Bedürfnis folgt, sich im Raum umher zu bewegen, ihre Position zu wechseln und unter der Wehe in die Hocke zu gehen. Als Baby Tobias am Ende das Licht der Welt erblickt, hält die Kamera minutenlang direkt und in Nahaufnahme auf den gut ausgeleuchteten Ort des Geschehens.

„Der erste Schrei“ von Gilles de Maistre

(9,99 Euro, 94min., ab 6 Jahren)
Dokumentation mit Spielfilmcharakter, gelegentlich etwas esoterisch. In wunderschönen hochwertigen, aber teils zu hektisch aneinander gereihten Kinobildern werden Frauen rund um den Globus bei der Geburt begleitet. Sei es die Hippie-Mama in den USA, die unter den Wehen mit ihren Kommunen-Mitbewohnern Folksongs anstimmt, oder die Mexikanerin, die ihr Baby im Beisein von Delfinen im Swimmingpool zur Welt bringt. 3D-Ultraschall in Europa trifft auf Naturgeburt im Wüstensand, die Dorfhebamme auf die größte Geburtsklinik der Welt in Ho Chi Minh Stadt, Vietnam, wo es im Kreißsaal zugeht wie im Bienenstock. Der Film beschäftigt sich nicht nur mit dem Erlebnis der Entbindung selbst, sondern mit dem Umgang der verschiedenen Kulturen mit Schwangerschaft und Geburt. Frontalansichten zwischen die Beine der Gebärenden kommen überhaupt nicht vor, aber wie in jedem Spielfilm eine gehörige Portion Dramatik: ein Notkaiserschnitt, eine Hausgeburt, bei der sich die Plazenta mehrere Stunden lang nicht löst – und das Baby einer Wüstennomadin, das tot zur Welt kommt.

„Wunder des Lebens“ von Lennart Nilsson

(13,99 Euro, 45min., ab 12 Jahren, Sprache: Deutsch)
Für Schwangere, die das Wunder der menschlichen Fortpflanzung mit wissenschaftlichem Interesse beobachten. Dieser Film beginnt unvermittelt mit den letzten Momenten einer Geburt in Nahaufnahme. Dann folgt ein recht komplexer Info-Teil mit 3D-Animationen, in dem der genetische Code eines Menschen erklärt wird. Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Nach einer romantischen Sexszene werden faszinierende Bilder aus dem Inneren des weiblichen Körpers gezeigt, immer begleitet von einem wissenschaftlich-sachlichen Kommentar. Wir sehen die Samenflüssigkeit auf den Muttermund spritzen, die Spermien mit der Eizelle verschmelzen und den Embryo, später Fötus genannt, heranwachsen. Ob die mit einer Endoskopie-Kamera eingefangenen Bilder aus der Gebärmutter moralisch vertretbar sind, sei dahingestellt, beeindruckend sind sie auf jeden Fall. Im letzten Teil des Films wird eine zweite Geburt „von außen“ gezeigt, nur wenige Augenblicke lang, aber wieder in Bildschirm füllender Nahaufnahme.

„Gebären und geboren werden“ von Karin Berghammer

(38,99 Euro bei Amazon, 38min., nicht FSK-geprüft, Sprache: Deutsch)
Verhältnismäßig sanfter Einstieg für sensible Schwangere, Ausschalten vor Beginn der deutlichen Bilder möglich. Die erste Hälfte des Films besteht aus einer Aneinanderreihung von Geburtsszenen ohne Kommentar, lediglich unterlegt mit beruhigender Musik. Wir beobachten kleine Momente aus den langen Stunden der Wehen: eine liebevolle Massage, warmes Badewasser, das über einen schwangeren Bauch gegossen wird, Hände, die einander halten und Kraft geben, ein Lächeln zwischen den werdenden Eltern. Die Schwangeren sind größtenteils oben herum bekleidet, die Bilder des geöffneten Geburtskanals zunächst aus einiger Entfernung und überschattet aufgenommen. In der zweiten Hälfte des Films, jetzt mit sachlichem Kommentar, werden die Bilder um einiges deutlicher, wir sehen kurze, teils blutige Nahaufnahmen. Sie werden jedoch Nerven schonend immer wieder von 3D-Animationen unterbrochen, die veranschaulichen, wie das das Baby seinen Weg aus dem Mutterleib herausfindet.

„Geburt“ von Silvia Haselbeck und Erich Langjahr

(läuft derzeit im Kino, Termine hier , 76min., keine Altersfreigabe, Schweizerdeutsch mit Untertiteln)
Dieser Film ist als Lehr- und Aufklärungsfilm für Erstgebärende und Erstpapas besonders geeignet, weil er viele grundsätzliche Informationen über die Entbindung mit der Begleitung von zwei Hausgeburten verwebt. Es geht um die Gefühle der Schwangeren in Bezug auf die Geburt, um Babyultraschall und Schwangeren-Akkupunktur, Fußmassage unter den Wehen und einen Einblick in einen (eher altmodischen) Geburtsvorbereitungskurs. Auch die Babypuppe, die von einer Hebamme zur Veranschaulichung durch ein Beckenknochenimitat geschoben wird, fehlt hier nicht. Der Moment der Austreibung der Babys wird zweimal in voller Länge, aber dezent gezeigt. Einmal mit einem Schatten zwischen den Beinen der Mutter, einmal schräg von der Seite. Im Film haben Schmerzensäußerungen und Erschöpfung genauso Platz wie wunderschöne lange Momente mit den frisch geschlüpften Säuglingen und ihren seligen Müttern. Er zeigt, wie schnell die Frauen nach dem entrückten Zustand unter der Geburt wieder in der Wirklichkeit ankommen.