Hallo ihr alle,
Ich stelle das Thema mal hier rein weil es hauptsächlich Vereine betrifft und die dortigen Aufgaben.
Ich bin schon seit meiner Jugend Mitglied in mehreren Vereinen. Ich bin im örtlichen Schützenverein, bei der Blaskapelle und im Pfarreirat. In all diesen Vereinen bin ich auch im Vorstand. Früher hatten wir viele Mitglieder und auch in den Vorstand wollte jeder gewählt werden.
Seit einigen Jahren jedoch, insbesondere seit Corona haben wir mit großem Personalmangel zu kämpfen.:
Bei der Blaskapelle haben wir 1x wöchentlich freitags Abend Probe und gestalten viele Gottesdienste (Pfingsten, Weihnachten usw.) mit und geben ca. 2 große Konzerte im Jahr.
Aktuell haben wir keine Posauen und bei den Klarinetten nur eine Person. Bei den anderen Registern ist es ebenfalls schwierig. Obwohl eigentlich in unserem Ort viele ein Musikinstrument spielen können haben wir nur einen Bruchteil davon in unserer Blaskapelle.
Ich bin dort auch im Vorstand und wir hatten heuer Neuwahlen und es wollte fast niemand kandidieren. Ich wollte mein Amt eigentlich niederlegen, habe es dann trotzdem weitergeführt weil keiner übernehmen wollte. Wir mussten auf biegen und brechen die Vereinsmitglieder finden und sie fast schon betteln das sie in den Ausschuss eine Aufgabe wie Kassier oder Schriftführer übernehmen.
Im Pfarreirat haben wir die selben Probleme im Ausschuss wie in der Blaskapelle. Auch hier konnten wir bei den letzten Neuwahlen keine jungen Nachfolger finden. Früher hatten viele für den Pfarreirat kandidiert, heutzutage haben bei uns nicht mal mehr richtige Wahlen stattgefunden, sondern die Leute mussten gebeten werden ob sie nicht interessiert wären beizutreten und etwas zu übernehmen. Wir haben dort jeden Montag eine Sitzung.
Im Schützenverein bin ich zwar nicht im Ausschuss, aber auch dort merke ich das die Leute kein Interesse mehr haben für die Allgemeinheit etwas zu tun.
Wenn wir unser jährliches Schützenfest organisieren sind sehr wenige die sich bereit erklären über das Wochenende auf dem Fest zu arbeiten und alles auf- und abzubauen.
In all diesen Vereinen sind schon viele ältere Mitglieder seit vielen Jahren dabei. Natürlich haben wir auch jüngere Leute. Es sollen auch mal die jungen Leute mehr Aufgaben übernehmen aber heutzutage hat niemand mehr Interesse etwas Ehrenamtliches zu machen.
Woran liegt das? Ist das bei anderen Vereinen in anderen Orten auch so?
Vereine, warum finden wir keine neuen (jungen) Mitglieder mehr?
Tut mir leid, wenn ich das so sage, ich weiß, auf dem Land laufen die Uhren anders. Kirche, Blaskapelle und Schützenverein sind bei jungen Leuten halt schon ein bisschen uncool. Ich musste selbst ein Instrument spielen lernen, was man dem Bereich der Volksmusik (Musikantenstadl und Co.) zuordnen würde, weil meine Mutter es schon als Kind gelernt hat. Ich bin zwar froh, Noten lesen und ein Instrument spielen zu können, würde aber viel lieber Klavier spielen können, dann wäre ich auch heute noch oder wieder dabei.
Andere Vereine wie Sportvereine, die Turnen, Fußball, andere Sportarten oder modernes Tanzen anbieten, sind nach wie vor beliebt. Vorstand macht viel arbeit und wird nicht jeder machen wollen, als Jugendliche aber waren wir in unserem Sportverein auch über den eigentlichen Sport hinaus sehr engagiert.
- Weil weggebissen wird
- Weil Zeit fehlt oder man glaubt einem fehlt Zeit
- Weil Vereine z. T. sich vergessen haben weiterzuentwickeln
- es mehr Möglichkeiten der Freizeitgestaltung gibt
- man lieber keine Verpflichtung eingeht, Unverbindlichkeit lieber mag
Nunja. Ich persönlich finde schon, dass Schützenvereine aus der Zeit gefallen sind. Brauchtumspflege hin oder her und natürlich habe ich keine Ahnung, wie Eurer aufgestellt ist, aber meine Erfahrungen sind z.B.:
Ein junger Mann, der sich für genau dieses Brauchtum wirklich begeistert, darf zwar Beiträge zahlen und mithelfen - aber nicht beim Königsschießen mitmachen, weil er muslimischen Glaubens ist.
Das letzte Schützenfest, auf dem ich war (weil ein Kollege Schützenkönig geworden war und uns eingeladen hatte), bestand ausschließlich aus einem Besäufnis. Ist nicht meins, absolut nicht. Der nimmt mir immer noch übel, dass ich um 21:30 gegangen bin, weil das doch "so schön"war.
In etlichen Schützenvereinen dürfen die Frauen zwar Kuchen backen, beim Schützenfest schuften und hinterher putzen - aber nicht auf den Kònigsvogel schießen.
Warum? Weil das so Tradition ist. Joah, da muss ich leider sagen - auf solche Traditionen pfeife ich.
Pfarreirat - das ist dann wohl die katholische Kirche, in deren Tradition ich auch aufgewachsen bin. Wie sagte eine Verwandte mal? Ich würde meine Tochter nicht in einem Fußballverein anmelden, in dem sie nur die Trikots waschen und das Vereinsheim putzen, aber nicht spielen darf - warum sollte ich meine Tochter dann taufen lassen?. Ich habe der Kirche schon lange vor den bekannten Skandalen den Rücken gekehrt. Hauptsächlich, weil ich nicht an irgendwelche höheren Wesen glaube - aber auch, weil dort Frauen Menschen zweiter Klasse sind. Und ja, ich glaube Dir, wenn Du jetzt sagst, dass das in Eurem Beritt aber ganz anders ist als in der Offizialkirche. In meinem Beritt war das aber kein bisschen anders, was wir als Kinder deutlich zu spüren bekamen, und in meinem jetzigen Wohnort wollte der letzte Pfarrer die Teilnahme am Kinder-Karnevalszug verbieten, weil er nicht aus einer Karnevalsgegend stammt. Abstimmung mit den Füßen halt. Selbstgemachtes Elend.
Und die Blaskapelle? Mit Kirchenmusik holt man doch keine jungen Menschen ab.
Um die eigentliche Frage zu beantworten: ja, auch hier im gar nicht mal so kleinen Dorf schrumpfen die Vereine und fusionieren, um sich überhaupt halten zu können. Ich trauere dem nicht nach. Wenn kein Interesse mehr besteht, dann ist halt Schluss. Manche alten Zöpfe dürfen meiner (!) Meinung nach auch mal abgeschnitten werden.
Ja glaube auch ein entscheidender Punkt ist dass die Vereine vergessen haben sich weiterzuentwickeln oder Neu zu entwickeln
Ich bin wahrscheinlich nicht eure Zielgruppe, möchte aber sagen, dass ich aufgrund eines schlechten Gedächtnisses früher hart für die Schule lernen und mir noch nebenbei mein Taschengeld verdienen musste, da es daheim ab 16 keines mehr gab. Dann hatte ich noch Freude in der Nachbarschaft und einen festen Freund, mit denen ich einfach Zeit verbringen wollte. Mehr wollte ich mir einfach nicht aufbürden.
Mein Alltag war früher schon stark fremdbestimmt, obwohl ich mir einiges (wie Freund und Freunde) aussuchen konnte. Ständig galt es: Sei um ... in der Schule, mach anschließend Hausaufgaben, lerne, sei am Wochenende um ... in der Arbeit.
Heute ist es: Sei von ... bis ... in der Arbeit. Mache daheim dies und jenes.
Ich bin sehr freiheitsliebend und brauche wenig Gesellschaft um mich herum. Meine Hobbys, die Einsamkeit erfordern, geben mir wieder die Energie, die alles andere im Alltag entzieht. Da brauche ich keine Aktivitäten nach der Arbeit. Sie schlauchen mich, egal ob Sport oder sonstiges. Mein Energielevel schwankt auch leider aufgrund einer chronischen Krankheit beinahe täglich, was es noch schwerer macht, etwas verbindlich über einen längeren Zeitraum durchzuziehen.
Ist halt die Frage ob ihr aktive Nachwuchsförderung betreibt und ob man bei euch auch als Neuling auch offen empfangen wird. Oft ist es doch schon auch so, dass man als Neuer erstmal außen vor ist und wenn man sich nach einer Weile einbringen und engagieren will, dann bitte nur so wie der Vorstand das schon seit 1955 macht.
Wenn das alles auf euch nicht zutrifft, tja dann bleiben noch die rückläufigen Kirchenmitgliedzahlen und ja auch das eher öde Image von Blaskapelle und Schützenverein. Man muss auch sagen gerade Schützenverein wird sehe mit Alkoholkonsum verbunden und der ist rückläufig. Wir haben im Umfeld immer mehr Menschen (uns eingeschlossen) die immer weniger trinken, oft bewusst darauf verzichten und es nur noch in Ausnahmen und geringem Umfang konsumieren. Mir fällt bei jeder Familienfeier auf wie sehr wir uns da von der Generation meiner Eltern unterscheiden.
Ich glaube, da kommen viele Dinge zusammen. Alle 3 deiner genannten Vereine, sind nicht unbedingt das, was viele Leute anzieht. Nichts davon wäre z. B
für mich etwas, wo ich mich engagieren wollen würde. Dann kommt vielleicht auch die Region dazu. Der Posaunenchor meiner Schwester ist gut gefüllt.
Beim Vorstand kommt hinzu, so kenne ich es von meinem Mann, gewisse teile des Vorstands (1. Und 2. Glaube ich) persönlich haftbar sind. Ein Grund, warum vorstand für ihn nicht in Frage kommt. Hinzu kommt, dass Familie, auch wenn er seinen Sport liebt, an erster Stelle steht und so eine Vereinsarbeit viel Zeit kostet.
Hinzu kam, dass es auch ein Kampf mit den "alten" ist. "haben wir schon immer so gemacht," fällt da häufig. Ja, dann sind eben viele die Lust haben, schnell wieder weg.
Hallo,
ich kenne das Problem. Ich spiele selbst in einer Blaskapelle. Es gibt total tolle Stücke für Blaskapelle, die auch recht modern sind, oder zumindest Evergreens. Mittlerweile habe ich ein paar Dirigenten durch und immer wieder stellen wir, also nicht nur ich, fest, dass bei vielen Dirigenten die Moderne in den 60er Jahren aufhört. Danach kommt gefühlt so gut wie nichts mehr. Man kann es nicht immer allen recht machen, aber man sollte alle ansprechen. Aktuell ist bei uns in der aktiven Kapelle die Jüngste 13 Jahre und der älteste über 85 Jahre. An sich finde ich das ein super Hobby, da man es eigentlich sein ganzes Leben machen kann. Wer spielt mit 85 Jahren noch Fußball, Handball oder macht Breakdance? Wir fangen früh an. mit der musikalischen Früherziehung im Kindergarten über Blockflöte bis hin zum "richtigen" Instrument. Die Kinder, die es bis zum Schluss schaffen, sind oft ab der Uni-Zeit nicht mehr dabei, weil sie einfach ihr Lebensumfeld woanders hinverlagert aufgrund des Jobs, aber andere kommen wieder. Andere stehen einfach in der Tür, man lädt sie ein mitzuspielen und schon sitzen sie zwischen uns und los geht es - und sie bleiben. Allerdings herrscht seit Jahren eine Mitnahme-Mentalität. Das günstige Angebot an Ausbildung nehmen die Eltern mit, aber geben Null zurück. Sie schaffen es nicht mal einmal im Jahr fürs Fest einen simplen Kuchen zu backen, von einer Schicht zu übernehmen reden wir erst gar nicht.
Es müsste viel mehr mit der Zeit gegangen werden, was aber nicht immer leicht ist. Man ist manchmal festgefahren. Ich muss gerade bei der Jugendarbeit sagen, dass alle meinen vollsten Respekt erhalten, die sich jede Woche 1-2 Mal die Zeit nehmen, um den Nachwuchs zu trainieren, unterrichten oder als Dirigent zu leiten. Das ist nicht leicht. Aktuell ist Ehrenamt ein undankbarer Job. Allerdings wir bei uns jetzt auf kommunaler Ebene versucht (ist in den Startlöchern bzw. ist gerade erst gestartet) das Ehrenamt einen höheren Stellenwert zu geben. Aktuell gibt es bei unserem Neubaugebiet Extra-Punkte für Ehrenamt und Engagement in Vereinen bei der Bauplatzvergabe.
Wie hier schon mehrfach angemerkt wurde - viele Vereine haben noch starre, veraltete Strukturen und einfach verschlafen auch mal neue Wege zu gehen.
Unser "Sorgenkind" im Ort ist der örtliche Turnverein.
Trendsportarten wie Basketball, HipHop oder Parcour werden nicht angeboten OBWOHL es im Ort Leute gibt, die sich als Übungsleiter angeboten haben!
Nachdem die Vorstandschaft überhaupt nicht bereit war, das veraltete Sportprogramm aufzupeppen, hat man diese ambitionierten jungen Übungsleiter verloren. Die geben ihre Kurse jetzt in den beiden Nachbarorten und der Zulauf ist enorm.
Ich kam 1982 zur Erstkommunion und wollte danach auch als Ministrant mitmachen. ABER - der damalige Kirchengemeinderat (nur Männer), wollte keine weiblichen Messdienerinnen. Es hat nochmal fast 10 Jahre gedauert, bis auch Mädchen Ministrant werden konnten. Heute ist man um jedes Kind froh, was sich einbringt.
Unsere örtliche Musikkapelle hat keine Nachwuchssorgen.
Wir haben eine sehr gute Musikschule mit eigenem Jugendorchester. Dort spielt man, bis zum 18. Lebensjahr und kann dann in den örtlichen Musikverein wechseln.
Es ist ein Klischee, dass in Blaskapellen nur Humtata Bierzeltmusik gespielt wird. Es gibt unglaublich tolle, konzertante Blasmusik. Und unsere Musikkapelle stellt dies jedes Jahr beim Jahreskonzert und bei den monatlichen Sommerkonzerten für die "Touris" unter Beweis. ABBA-Medley, Queen, Coldplay, Filmmusik, etc. - da ist alles dabei.
Natürlich spielt man beim Dorffest jede Menge Mitklatsch-Polkas - aber eben nicht nur.
Bestes Beispiel, dass Blasmusik so viel mehr ist als nur Bierzelt ist für mich das jährlich stattfindende "Woodstock der Blasmusik in Österreich:
Der Massenchor am letzten Tag macht einfach Laune
https://www.youtube.com/watch?v=IVnpUPYFyMg
Und dann gibt es auch noch die Stücke, die einem Blasorchester einiges abverlangen - aber auch das macht absolut Laune
https://www.youtube.com/watch?v=cR0UY2pgkOo