Warum macht meine Mutter mir immer ein schlechtes Gewissen?

Hallo,

sonst geht es hier ja immer nur um "böse Schwiegermütter" - meist jedenfalls. Bei mir gehts heute mal um die "liebe Mama". Das möchte ich zuerst vorneweg nehmen: meine Mama ist eine ganz liebe Mama, sie hilft mir - seis beim Bügeln oder beim Fensterputzen. Sie und mein Vater sind super Großeltern. Das steht alles ausser Frage. Und gerade deshalb muss ich mir bestimmt sagen, ich wäre vielleicht undankbar, aber trotzdem, ich muss hier mal meinen Kummer loswerden, denn ich schaffs alleine nicht raus aus dieser dämlichen Verhaltensspirale. Ich denke, ich "treffe" hier noch mehr Töchter, die meine Sorgen mit der Mama genaustens und aus eigener Erfahrung kennen.

Also, dann schieß ich mal los:
Meine Eltern sind beide Mitte 60, beide Rentner. Sie haben leider keinen "Freundeskreis". Mein Vater überhaupt nicht, meine Mutter hat ein, zwei Frauen, mit denen sie mal Kaffee trinkt oder so. Regelmäßige Kontakte mit anderen in ihrem Alter haben sie somit nur auf Familiengeburtstagen - da wir eine recht große Familie sind, ist das meist 1 - 2 mal im Monat. Wenig also. Aber da verstehen sich auch alle gut und es ist immer sehr lustig.

Mein Vater ist neuerdings - und darüber bin ich heilfroh - in den ADFC eingetreten und fährt nun alle 14 Tage Radtouren. Dort sind auch immer die gleichen Leutchen und er sagt, das ist eine nette Truppe und er freut sich auch immer sehr, wenn Tour angesagt ist. Das freut mich natürlich um so mehr - den sonst ist mein Dad ein echter Einzelgänger.

Meine Mutter hat keine Hobbys. Wir (meine Schwester und ich) haben schon viel versucht. Wir sind mit ihr zur Gymnastik, fand sie gut, aber nach dreimal ist sie nicht mehr hin. Wir haben ihr vorgeschlagen, mit meinem Vater in einen Tanztee zu gehen, vereinsmäßig. Scheiterte an meinem Vater und alleine geht sie auch nicht, klar. Sie müsste aufgrund einer Herzerkrankung dringenst Sport machen: ich habe ihr vieles an ihrem Wohnort ausgedruckt und selbst dort angerufen ... aber sie sagt immer: "Ja, ich will ja. Aber ich muss erst noch mit dem Hausarzt/Herzarzt/Orthopäden/Venendoktor.... sprechen." Das sagt sie mir jetzt seit über 2 Jahren. Gut, ich bin auch total unsportlich, und ich mag Sport auch überhaupt nicht, also will ich sie ja nicht in etwas drängen, was ich auch nicht machen wollte.

Doch selbst eine Freitzeitgruppe vom MSV (radfahren, kegeln, wandern, picknicken etc.) konnte sie nicht vom Hocker reißen.

Dann wollte sie unbedingt, als sie im Krhs. lag, nach ihrer Genesung "grüne Dame" werden. Sehr gut, dachte ich, aber ich frag von Zeit zu Zeit mal nach: nee, will ich doch nicht, da bin ich ja dann so gebunden.

Ihr seht, ich hab mich wirklich um Ablenkung und Spaß bemüht, aber es ist so müßig.

Sorry, jetzt bin ich immer noch nicht bei meinem Problem.

Alles in allem hat meine Ma also sehr viel Langeweile. Und sie erwartet, dass ich sie bespaße. Ich allein. Meine Schwester ist außen vor, denn sie hat ja ach so viel um die Ohren, weil ihr Mann ein Arsch ist. Sie muss ja soviel arbeiten und alles alleine machen und Probleme und Sorgen.... Allet klar. Ich geh zwar auch arbeiten, ich hab auch ein Haus, ein Kind, nen Mann und Tiere... bin gesundheitlich angeschlagen und ansonsten hab ich auch so die Probleme, die man halt so hat, aber bei mir wiegt das irgendwie nicht so schwer, wie bei meiner Schwester. OK, ist auch in Ordnung. Was aber nicht in Ordnung ist, ist dass meine Mutter mir ständig ein schlechtes Gewissen macht, ich hätte keine Zeit für sie.

Wir treffen uns einmal in der Woche, wir telefonieren mindestens zwei bis dreimal in de Woche und ein WE im Monat unternehmen wir etwas zusammen. Mehr ist - selbst wenn ich es wollte - nicht drin.

Aber meine Mutter sieht das nicht so. Ich arbeite zwei Tage - also hab ich doch mindestens 3 Tage Zeit. Wenn sie dann anruft - wie z. B. eben - und mich zum frühstücken einladen will und ich dann aus verschiedenen Gründen leider - wirklich leider - nicht kann, dann zählt das nicht. Andere Verabredungen kann ich doch schließlich absagen ("Na, wenn dir das wichtiger ist!"), Arzttermine lassen sich doch verschieben und außerdem hab ich ja sowie so nie Zeit. Es wäre ja immer das Gleiche mit mir und das wäre sehr schade.
Und prompt sitze ich hier, überlege ob ich die mir wichtige Verabredung für Freitag sauen lasse und zum Frühstück fahre. Nein, werde ich nicht tun, aber ich weiß, dass ich nun mindestens zwei Tage ein schlechtes Gewissen habe. Blöd, oder?

Und das ist nicht alles, sie vergißt auch ständig, was ich ihr erzählt habe. So war ich gestern im Krhs zur Untersuchung, ich muss mal wieder operiert werden. Hat sie vergessen. Sage ich. Sie sagt, ich habe es ihr überhaupt nicht erzählt. Könne ich ihr ja auch überhaupt nicht erzählt haben, denn wir hätten schließlich vor 14 Tagen das letzte Mal gesprochen. ..... wir haben am Montag telefoniert.

Warum wird sie so schwierig? Warum kann ich nicht einfach auch "gróß" sein und hinter meinen Entscheidungen stehen. Wieso nimmt mich das alles so mit. Immer wenn ich mit ihr solche Verschiedenheiten habe, komme ich mir wieder vor, wie ein kleines Mädchen. Mein Mann hat erst lange Zeit darüber gelacht über den Zirkus, denn mein schlechtes Gewissen mit mir veranstaltet, mittlerweile zeigt er mir nen Vogel....

So, ich könnte noch weiter schreiben, aber das was wichtig war, bin ich los.

Viele Grüße
pitti-lise

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Deine Mama baut emotional Druck auf. Und Du kommst unter die Räder. Sich davon zu befreien ist gerade als Tochter sehr schwierig. Ich kenne das. Bin immer noch "die Kleine". Daher bin ich als Ratgeberin absolut ungeeignet. Tut mir leid.

Gibt es Dir nicht zu denken, daß sie meint Euer letztes Telefonat sei 14 Tage her, obwohl es Montag war?

Gott zum Gurße
Irmi

2

Herjeee - nicht ganz sooo schlimm aber ähnlich war es bei mir!

Meine Eltern sind auch über 60 - meine Mutter im Besonderen war und ist sehr agil und lebensfroh - aber auch recht anspruchsvoll gewesen!

Sie hatte eine leitende Position im Beruf und mit der Rente kam dann der Frust! Zum Glück hat sie aber , wie Dein Vater gelernt, etwas zu machen! Sie malt!

Hat Kurse besucht und Spaß gehabt und malt heute wunderschöne Aquarelle!!!

Mein Vater ist wie Deine Mama! Enzelgänger und froh, wenn wir mal da sind!

Ab und zu telefoniert er mit alten Schulfreunden und eben sagte meine Ma noch, daß er rüberfahren soll und nicht telefnieren muss. Die herren häötten auch Langeweile - da könnten sie quatscen und dabei einen Kaffee trinken! Nö, will er nicht!

Wir haben auch immer alles versucht und gemacht und getan!

Meine Mutter und ich - das ist ein Thema speziell: ich sehe ihrer Mutte immer ähnlicher und meine Mutter hatte ein ambivalentes Verhältnis zu ihr. Meine Oma war lieb und klasse, aber hatte ihre euigene Vergangenheit und so.... als sie starb, gab es seit 10 Jahren keinen Kontakt zwischen den beiden außer Briefe! Sie lebte im Ausland!

Meine Mutter hadert heute noch mit sich und macht sich Vorwürfe! Und dazu kommt, daß ich vom Wesen her wie meine Mama bin - die Kombi ist nicht immer gut!

Ich habe gelernt mit ihrem Druck auszukommen, als ich meine 2. Tochter bekam und sie mich im KH fragte, wieso der Name so und nicht so geschrieben wird! Ich sagte, daß es einfacher sei wegen der Behörden und alles... da war sie soooo eingeschnappt und ließ sich 4 Wochen nicht blicken! In den 4 Wochen habe ich mir selber gesagt, daß ich mein Leben habe ich ICH bestimme! Da kam sie dann auf mich zu und entschuldigte sich. Seitdem fluppt es!

Du musst lernen, Dich abzugrenzen ohne schlechtem Gewissen! Sie ist groß, hat Kinder bekommen und alles... Sie wird den Rest auch ohne Dich meistern!

Zieh Dich etwas zurück ohne zu Grummeln oder so!

Und irgendwann wird ein ruhiges Gespräch kommen und es wird besser! Nur bitte immer ruhig bleiben!

LG Scrollan

3

Hallo

Menschen werden generell im Alter immer schwieriger. Ihr ist langweilig und wahrscheinlich hat sie von dir früher schon mehr verlangt, als von deiner Schwester.

Du musst dir kein schlechtes Gewissen einreden lassen, nur weil du ein eigenes Leben hast und auch lebst. Niemand kann von dir verlangen nur noch für sie da zu sein, auch wenn sie deine Mutter ist.

Mein Rat: Treff dich mit ihr, wenn es dir passt. Vielleicht könntet ihr am Monatsanfang schon die Tage abmachen, an denen ihr euch treffen werdet. Was natürlich nicht heisst, dass es nicht auch mal spontan geht. Aber eben, es muss für euch beide passen!!

Evtl. könntest du sie für das verpasste Frühstück zu einem Frühstück nächste Woche bei dir einladen. Dann musst du auch kein schlechtes Gewissen mehr haben. ;-)

Das mit eurem letzten Telefonat hat mich aber stutzig gemacht. Hat deine Mutter öfter mal so Gedächtnisaussetzer?
Ich will mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich würde das an deiner Stelle mal beobachten.
Es wäre evtl. gut möglich, dass deine Mutter beginnt an Altersdemenz zu leiden.
Eins der Symptome bei Altersdemenz ist z.B. die Persönlichkeitsveränderung, Depressionen und dazu gehört auch starker Antriebsverlust, von dem du ja auch berichtet hast.

LG, Ciara

4

Hallo pitti-lise!

Ich muß mich z. T. meinen Vorschreiberinnen anschließen. Ich denke auch an die Möglichkeit, daß das eine beginnende Altersdemenz sein könnte. Da sei erst mal die Vergeßlichkeit: Gut, das könnte man noch als Desinteresse interpretieren mit viel gutem Willen. Wobei das mit dem Telefonat schon ein starkes Stück ist.

Dann ihre Scheu, etwas neues anzufangen, das ist auch ziemlich typisch. Sie igelt sich ein und will nur mit Leuten etwas unternehmen, die ihr vertraut sind.

An deiner Stelle würde ich mich weniger über sie ärgern und das mal noch eine längere Zeit beobachten, vielleicht auch mal mit deinem Vater unter vier Augen darüber reden, ob er einen ähnlichen Eindruck hat oder noch andere Sachen beobachten kann...

LG, Rebekka

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Deine Mutter weiß, daß sie Dich mit Deinem schlechten Gewissen immer noch erziehen kann, deswegen wird sie es immer wieder tun. Für viele Großeltern ist Mitleid und das damit verbundene schlechte Gewissen das einzige Druckmittel, viele Nutzen es aus zu wissen, daß Kinder meistens nicht die Kraft dazu haben, sich aus diesen Gefühlen zu befreien.

Ich sehe das an meiner Schwester auch, die trotz der Distanz und vielem Ärger über meine Eltern an der Beziehung festhält, immer in der Erwartung doch endlich akzeptiert zu werden. Aber dies wird sie von meinen Eltern nie erhalten, denn dann wäre sie frei und sie hätten die Kontrolle über ihre Tochter verloren.

Bei mir ist das inzwischen anders. Wir haben mehrfach die Notbremse gezogen und den Kontakt abgebrochen. Dadurch wurde ihnen klar, daß sie mit ihrem Verhalten sich selber schaden und mittlerweile ist Ruhe.

Leider muss man ab einem gewissen Alter nicht nur seine Kinder erziehen, sondern auch seine Eltern. Ich wünsche Dir viel Gelingen dabei.

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Vielen Dank an euch für eure Antworten. Im Grunde spiegeln sie das wieder, was ich so insgeheim in meinem Inneren ja auch denke und fühle.

Die Sache mit einer eventuell beginnenden Altersdemenz überlegen wir (meine Schwester, mein Vater und ich) schon seit einiger Zeit. Es kommt schon erschreckend häufig vor, dass wir ihr Dinge angeblich nicht erzählt haben, sie von Terminen nichts wußte usw. Zudem ist es so ungefähr das letzte Jahr so, dass sie immer und immer wieder Geschichten von früher erzählt. Bis zum Erbrechen. Sorry, aber es ist so. ... weil sie von heute nichts mehr zu erzählen hat, oder warum....???...

Sie wird auch sehr pingelig. Ob es die Ordnung und Sauberkeit angeht oder Lärm oder Umgangsformen. Andererseits hat sie gerade mit den Enkelkindern Mordsnerven und ist bei z. B. Hausaufgaben die Ruhe selbst und flippt auch beim 10. Erklärversuch nicht aus.

Eine andere Möglichkeit ist aber auch: sie nimmt wegen einer Herzkrankheit derzeit 12 verschiedene Tabletten am Tag. Bei zwei dieser Mittel ist bekannt, dass es die Patienten in eine Art "Wattewelt" packt. In einer ruhigen Minute hat mir meine Ma mal anvertraut, dass sie selbst merke, dass sie anders sei als früher und sie habe ihren ARzt darauf angesprochen. Der meinte aber, dass sei leider schade, aber nicht zu ändern, weil diese Medikamente "lebenswichtig" seien. Ich mag mich da zwar nicht mit abfinden, aber mir sind ja die Hände gebunden. Derzeit bearbeite ich meinen Vater, dass er mal ein Gespräch mit dem Hausarzt sucht.

Also, vielen Dank für eure Antworten.
Das Frühstück werde ich selbstverständlich mal nachholen und ich werd am Samstag, wenn wir alle etwas zusammen unternehmen, auch besonders aufmerksam zu ihr sein - auch wenns mir manchmal schwerfällt, nicht die Geduld zu verlieren.

Tschüss
und schönes WE
pitti-lise