ich darf keine Forderung an ihn stellen, aber bin müde

Hallo,

mein Freund ist krank. Er hat einige psychische Probleme, war öfter stationär in einer Klinik.

Als wir uns kennengelernt haben, war ich neunzehn und sehr naiv. Ich dachte, ich könnte ihn "gesund lieben".

Wir sind schon nach kurzer Zeit zusammengezogen und tatsächlich ging es ihm danach eine Zeit lang besser, auch wenn es immer wieder schlechte Tage oder Phasen gab.

Als es gerade eine Zeit lang gut lief, sind wir Eltern geworden.

Doch kurz nach der Geburt ging es ihm so schlecht, dass er wieder ein paar Monate lang in die Klinik musste.

Er ist in ambulanter Behandlung, mal mehr und mal weniger regelmäßig. Als ich letztes mal mit seiner Therapeutin gesprochen habe, meinte sie, dass ich ihn so gut es geht entlasten soll und Verständnis für ihn aufbringen muss.

Er hat einen Minijob und ruht sich ansonsten aus. Ich bin für alles verantwortlich. Haushalt, Kind. Gehe selbst arbeiten. Und wenn ich nach Hause komme, hat er es nicht mal geschafft, seinen Teller in die Spüle zu stellen oder die Jacke aufzuhängen. Aber ich darf keine Forderungen an ihn stellen, weil er momentan (seit der Geburt vor fast zwei Jahren) sehr labil ist.

Unser Kind schläft schlecht und immer stehe ich mit ihm auf, auch wenn ich am Morgen früh raus muss.

Einerseits liebe ich meinen Freund immer noch, andererseits bin ich manchmal wirklich erschöpft und dadurch auch wütend. Ich will ihn nicht verlassen. Ich habe auch das Gefühl, ihn nicht alleine lassen zu können. Und gleichzeitig fühle ich mich wie ein schlechter Mensch, weil ich immer weniger Verständnis für ihn aufbringen kann.

Wie kann ich etwas verändern oder muss ich mich damit abfinden?

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Such dir selebst Hilfe von außen!

"Als wir uns kennengelernt haben, war ich neunzehn und sehr naiv. Ich dachte, ich könnte ihn "gesund lieben"."

Auch wenn du vom Kopf her vielleicht eine andere Einstellung hast inzwischen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass du immer wieder an jemanden gerätst, wo es ähnlich läuft, ist oft hoch.
Zumindest bei Menschen, die es mal dachten "gesund lieben" zu können. Das würde ich um deiner selbst willen bei einem Therapeuten ansprechen.

Auch wenn du es heute nicht mehr glaubst. Die Muster dahinter sind dennoch oft da und lassen sich nicht einfach ablegen. Sie werden sich nur anders zeigen.
Daher therapeutische Unterstützung, wie du dir selbst helfen kannst.


"Ich will ihn nicht verlassen. Ich habe auch das Gefühl, ihn nicht alleine lassen zu können."

Das wichtigste um anderen helfen zu können ist: sich selbst zu helfen!

Freunde, die mir bei Krankheit (organischer) beistehen und beigestanden haben, können dies NUR tun, so lange sie für sich selbst sorgen. Sich zurück ziehen, wenn ihnen die Puste ausgeht.

Ich vergleiche es oft so. Ich, Person die Hilfe braucht, treibe im Meer. Keine Kraft mehr selbst zu schwimmen.
1. ich tue alles, um wenigstens an der Oberfläche zu bleiben
2. ich gehe respektvoll mit ihnen um
3. jemand der NUR auf mich schaut, wird mit mir unter gehen! Das ist so.
Demjenigen gehen die Kräfte aus. Kann weder sich noch mich halten.

4. wer mir helfen will, muss
- selbst gut schwimmen können
- seine eigenen Kräfte einschätzen können
- ein eigenes gutes stabiles Rettungsboot haben
Es ist ok, wenn diejnigen mich nicht in ihr Boot holen können!
Aber es ist ver***mmt wichtig, dass sie sich selbst im Boot ausruhen und verschnaufen können.
- Vertrauen, dass es mehrere Menschen gibt
Im Wechsel stützen, halten und selbst aufatmen ist viel wichtiger.

5. Dieses selbst für sich sorgen ist für mich sehr wichtig. Ich habe nicht die Kraft auf deren Kräfte mitzuschauen.

6. Grenzen setzen!
Die Therapeutin erwartet von dir, dass .....
sag ihr klar, was geht und was nicht geht. Was nicht mehr geht, muss SIE eine neue Lösung suchen.. Stationär, ambulanter Pflegedienst, Haushaltshilfe, Tipps für Anträge / Adressen wo man das stellen kann.

Sie kann und darf nicht auf dich als einziges Pferdchen setzen
- falls du ihn doch verlässt
- falls du zusammen brichst.
Dann steht er zwangsläufig allein da. Das ist dann nicht dein Job! Sie als Therapeutin sollte da beraten euch ein Back up aufzubauen, das dich nicht auf seine Kosten kaputt macht.
Falls du mal wegbrechen solltest, bringt ihr ein jammern auch nix mehr .... die blöde ... will nicht *buhu*. Dann MUSS sie zackzack eine schnelle Lösung finden.
Warum geht das unter Druck, wenn er sonst gefährdet ist, alleine dasteht mit allem dann plötzlich ..... vorher wo sein Leben, dein Leben und das des Kindes dran hängen .... nicht? Weil deine Kräfte weniger wert sind? Weil man dich kaputt machen kann und erst danach eine Alternative /Ergänzung sucht?

Wer sich mirgegenüber übernimmt, meint mich retten zu wollen, alle Kraft in mich steckt, untergeht .... und hofft, dass ich dann die Person rette .... diese Kraft habe ich nicht.
Ich kann auch niemandem sagen: schau auf dich.

Wer helfen will, muss zuerst sich selbst helfen und das auch können.

Hilfe gibt es
- Therapeuten (ja, das darf man, das ist sogar wichtig!) Ein eigenes Rettungsboot kann beide retten
- Beratung für ANGEHÖRIGE von psychisch Kranken
- Hilfen für ANGEHÖRIGE

Nicht umsonst gibt es
- Mutter-Kind-Kur für ANGEHÖRIGE von psychisch Kranken
- Unterstützung bei Pflege (auch psychische Kranke pflegen hat etwas mit Pflege zu tun)

Lass dich umfassend beraten !
Von Pflegestufe über Pflegegeld über Ergänzungen.
Mit Pflegegeld könnte z.B. eine Haushaltshilfe in Erwägung gezogen werden. Ohne dich müsste er ja auch jemanden kommen lassen, der es macht.

Das ist ein riesen großes Feld an Möglichkeiten.

Und für Angehörige auch.

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Top Beitrag.

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Vielen, vielen Dank für deinen umfangreichen Beitrag und all die hilfreichen Anmerkungen.

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Hallo,
Erstmal finde ich es toll das du so zu deinem Freund stehst, das schaffen nicht viele.
Die Frage ist natürlich, wie lange schaffst du das noch und willst du das?
Ja,er ist krank, aber wie soll es weitergehen?
Wie ist die Prognose?
Was macht das mit euch als Familie?
Gibt es vielleicht eine andere Therapie Möglichkeit die bessere Erfolge hat?
Ich glaube nicht das ich das, für den Rest meines Lebens, leisten wollte bzw könnte.
Du kannst ja auch mal ausfallen,eure Kind kann krank werden, das sind starke Belastungen die eine gesunde Beziehung an den Rand bringen kann.
Es ist eine schwierige Situation.
Hoffe ihr findet eine Lösung.

Lg

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Schön, dass du ihn so unterstützt und auch die schwere Zeit mit ihm meisterst!

Aber langfristig ist das einfach nicht zu stemmen, denke ich. Du kannst auch nicht für 2 arbeiten, sonst ist es mit deiner (psychischen) Gesundheit auch bald vorbei - und dann?

Könnte dein Freund auf den Mini-Job verzichten (oder Elternzeit nehmen) und seine wenige Energie lieber in die Familie stecken? Wäre eine Haushaltshilfe möglich? Wo wäre Entlastung für dich? Stundenreduzierung? Freunde/Verwandte die helfen können?

Achte bitte, bitte auch auf dich!

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Ich würde empfehlen, dass ihr gemeinsam Therapiestunden nehmt und dort anständige Konzepte ausarbeitet. Es wird ihm nie besser gehen, wenn er nicht nach und nach wieder Alltag lebt.

Er muss einen Weg finden mit dem Alltag klar zu kommen. Es können feste Strukturen oder Aufgabenpläne helfen. Oder das ihr Dinge gemeinsam aufräumt oder putzt. Das kommt auf seine Grunderkrankung an.

Und lass dich nicht verarschen, wenn er nicht mitzieht oder Therapien abbricht, dann hast du das Recht dich zu trennen. Ja er ist krank, aber wenn er keine Bereitschaft zeigt daran etwas zu ändern, dann passiert das auf deinen Schultern.

Grundsätzlich finde ich es toll, dass du ihn unterstützt und bei ihm bleibst, aber 2 Jahre ist nicht tolerierbar. Ich denke ihr steckt da gerade eher in der Phase, läuft ja auch ohne mich, warum sollte ich was ändern. Und das hat mit einer psychiatrischen Grunderkrankung wenig zu tun.

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Ich war 18 und auch naiv, dachte auch ich könne meinen (Ex)Mann gesund lieben, wir bekamen direkt zwei Kinder.

Nein, gesund lieben hat nicht geklappt. Meine Liebe war irgendwann aufgebraucht, beziehungsweise weit weg von dem was man als Liebe zwischen Mann und Frau versteht.
Durch seine schwere, chronische, psychische Erkrankung war eine Partnerschaft auf Augenhöhe, im Gleichgewicht gar nicht möglich.

Es war für alle, insbesondere die Kinder, die einzig faire Entscheidung, die Ehe zu beenden.

Du steckst in einem Dilemma: einerseits fühlst du dich verantwortlich für deinen Mann, willst ihn nicht im Stich lassen. Das ehrt dich. Mit dieser Entscheidung lässt du aber dein Kind im Stich, ein Kind sollte definitiv NICHT in einem Haushalt mit jemandem mit so einer gravierenden psychischen Erkrankung leben müssen. Das kommt nicht gut.

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Würde die Beziehung beenden. Du bist nicht deine Therapeutin.

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>>>Und wenn ich nach Hause komme, hat er es nicht mal geschafft, seinen Teller in die Spüle zu stellen oder die Jacke aufzuhängen.<<<

Wie schafft er denn dann seinen Minijob?

Wenn er soo krank ist, dass er das mit dem Teller und der Jacke nicht schafft, gehört er in eine Klinik.

Kann es sein, dass er es sich mit seiner Krankheit bequem zu Hause eingerichtet hat?

>>>oder muss ich mich damit abfinden?<<<

Du bist viel zu jung, um dich auf unabsehbare Zeit mit deinem Leben "abzufinden".

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Mit seiner eigenen Krankheit samt dem Segen der Therapeutin zu Hause bequem eingerichtet.

Sekundärer Krankheitsgewinn, google das mal, liebe TE.

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Wahrscheinlich eben weil er ua. den Minijob hat ist die Kapazität aufgebraucht um auch noch Teller und Jacke zu regeln. Ist weder ungewöhnlich, noch unnormal. Geht einigen psychisch kranken so.

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Hey!

Es ist schön und gut, was die Therapien von dir verlangt. Allerdings befördert sie dich damit geradewegs in die Co-Abhängigkeit. Das scheint ja bei dir schon aufzukeimen.

Du solltest dringend anfangen, Entlastung zu suchen. Ggf solltest du auch einen Therapeuten suchen und mit dem ausarbeiten, wie du dich schützen kannst. Sonst gehst du auch vor die Hunde- und davon hat niemand was.


Liebe Grüße
Schoko

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Wie finanziert er eigentlich sein Leben, wenn er nur einen Minijob hat?

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Danke für deine Antwort.

Ich arbeite Vollzeit. Ich verdiene auch nicht spitzenmäßig, aber wir kommen hin.

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Ich frage mich ob es nicht besser wäre die Therapeutin zu wechseln.
Sie meint er soll nicht belastet werden? Ja was denn dann? Soll er nicht sein Leben selbst wieder in den Griff bekommen?
Klingt irgendwie danach als würde die Frau noch länger gerne gutes Geld mit ihm verdienen.
Das er einen Minijob macht ist schon mal gut. Aber es kann nicht sein, dass du zu Hause hinter ihm her räumen musst. Das schafft er, wenn er den Minijob auch schafft.
Wenn er sein Leben und seine psychische Krankheit in den Griff bekommen möchte, muss er selbst aktiv werden und zwar Schritt für Schritt. Immer ein bisschen mehr.
Da würde ich als Partnerin darauf bestehen.
Man muss ihn nicht gleich überfordern, aber das Pensum sollte kontinuierlich gesteigert werden.
Rumliegen, sich ausruhen, womöglich noch sinnieren und nichts ändern bringt ihn nicht hoch.
Es ist total verständlich, dass du langsam wütend wirst. Du willst ihm helfen und ich nehme an er zeigt kein großartiges Interesse etwas zu ändern. So kommt er nie aus dem Loch raus. Und du fällst wahrscheinlich irgendwann mit rein,weil du keine Kraft mehr hast.
Hast du das Gefühl er nutzt es aus nichts machen zu können?

Ich habe lange eine sehr gute Freundin durch ihre Depression begleitet. Sie war zu nichts mehr fähig. Der Alltag kaum machbar. Mehrere stationäre Aufenthalte, Trennung, fast den Job verloren und 2 Kinder.
Ich habe ihr wortwörtlich in den Hintern getreten, denn mit duzi duzi und schonen wird das nichts. Erst wollte sie auch nicht mitmachen und hat gejammert was das Zeug hält, aber ich hab nicht locker gelassen, obwohl ich selbst schon Zweifel hatte ob das jemals wieder was wird. Irgendwann war ich ihr wahrscheinlich zu lästig und sie hat eingesehen, dass nur sie sich selbst helfen kann. Ab da ging es schrittweise bergauf.
Wie oft habe ich scharf mit ihr geredet, gesagt du machst jetzt dies und das.
Wie mit einem Kind kam es mir oft vor und dieselbe Platte in Dauerschleife.

Kurz um, wenn du deinem Freund helfen willst, dann muss er mitmachen.
Er hat ein Kind und für dieses Kind, muss er stark werden. Er kann sich einfach nicht gehen lassen.

Ich hoffe er kriegt noch die Kurve.

Wenn es dir zuviel wird, ist es besser du trennst dich, denn schließlich braucht dich dein Kind auch.

Alles Gute!

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Danke für deine Antwort.

Nein, ich habe nicht das Gefühl, dass er es bewusst ausnutzt. Er kann nicht wirklich anders. Schon (aus meiner Sicht) einfache Aufgaben wie die Wäsche lösen eine Krise bei ihm aus.

Die Therapeutin findet, dass er auf jeden Fall den Minijob weitermachen soll, um rauszukommen und etwas Struktur zu haben. Wesentlich mehr ist ihm nicht wirklich zuzumuten. Vor der Geburt unseres Kindes war das anders.

Es ist gut, dass das bei deiner Freundin geholfen hat, aber nicht für jeden funktioniert dieser Weg. Neben Depressionen hat er eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Angststörung. Ihm wurde auch mal von einem Therapeuten ein Burn Out diagnostiziert, bei einer Belastung, bei der man nicht annehmen würde, das sie zum Burn Out führen könnte.

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Hast du das Gefühl sein Zustand wird zunehmend schlechter?

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