Familiengeheimnisse

Gibt es hier jemanden, der schon lange Familiengeheimnisse bewahrt und mit niemandem darüber sprechen kann oder will?
Das kann ja theoretisch alles sein: Lotteriegewinne, Krankheiten, Affären, Drogen, was auch immer.

Ich bin seit einem Jahr in der Situation, dass ich etwas verschweige, was ich wirklich niemandem sagen kann. Ich merke, dass es mich innerlich total verrückt macht, mit absolut keinem Menschen darüber sprechen zu können. Sind hier Psychologen unter euch? Das kann doch nicht gesund sein, Ewigkeiten ein Geheimnis mit sich rumzuschleppen.
Wie geht man denn am besten um mit so etwas, ohne dass es einen auffrisst?!

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Mein Vater ist das uneheliche Kind eines verheirateten Mannes und seiner Angestellten. Sowas wäre auch heute noch ein Skandal und da kannst du dir vorstellen wie das Ende der 50er Jahre ankam. Deshalb wurde das Ganze verheimlicht. Darunter hat nicht nur mein Vater sehr gelitten, sondern eigentlich fast alle Beteiligten. Es gibt Geheimnisse, die müssen ans Licht kommen, damit man sie aufarbeiten kann. Die Frage ist wie viel Öffentlichkeit es braucht. Nicht jeder muss alles wissen. Es ist okay, dass auch die eigene Biografie Privatsphäre haben darf.

Ich bin mittlerweile selbst Pastorin und bin dem Seelsorgegeheimnis verpflichtet. Alles was mir Menschen im Vertrauen sagen muss ich für mich behalten und darf sie nicht mal meinem Mann oder meiner besten Freundin erzählen. Auch da gibt es Dinge, die mir sehr nahe gehen. Und du hast total Recht, dass manche Geheimnisse ein krank machen. Deshalb gibt es beim Seelsorgegeheimnis eine Ausnahme. Ich darf mich selbst an einen Mentoren oder Seelsorger wenden um ihm/ihr alles zu erzählen. Vorausgesetzt er kennt die Person nicht bzw. es ist so anonym, dass er daraus keine Person erahnen kann. Das löst nicht jeden Kummer, aber es hilft schon sehr damit umzugehen.

Wenn du unter diesem Geheimnis leidest, dann solltest du es nicht für dich behalten. Überlege dir wie viel Öffentlichkeit es braucht. Reicht es vielleicht aus dich an eine Seelsorgerin oder Psychologin zu wenden oder muss es vielleicht sogar mal ganz auf den Tisch um die Sache zu klären.

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Ein Seelsorger wäre eine gute Idee.
Das Problem ist, dass mein Mann von dem Termin nichts wissen darf. Wie soll ich das anstellen? Wir haben Kinder die betreut werden müssen. Normalerweise sprechen wir Termine ab, er weiß wo ich bin usw. Ich müsste ihn anlügen...

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Wenn du ihm dagst, dass du einen Arzttermin hast?
Ist zwar nicht ganz die feine Art, aber immerhin nur eine Notlüge, die in diesem Fall vielleicht gerechtfertigt ist.

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Guten Morgen Liebes,

Ich würde sagen es kommt stark auf die Situation an, also erstens ob es ein positives oder negatives Geheimnis ist und zweitens wie groß der "eingeweihte" Personenkreis ist. Mit denen kannst du ja durchaus drüber sprechen.

Hier bei Urbia kann man ja auch anonym schreiben.

Liebe Grüße

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Es gibt leider keinen eingeweihten Personenkreis mit dem ich darüber sprechen kann. Das ist ja genau das Problem... Zu der anderen betreffenden Person habe ich keinen Kontakt mehr.

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Ich bin zwar keine Psychologin. Aber wenn es dich belastet, ist es nicht gut. Egal ob andere das können oder nicht, DU kannst es offensichtlich nicht.

Wer hat dir das Geheimnis anvertraut? Da würde ich schon mal sagen, dass dir diese Last echt zu schaffen macht. Und überlegen, ob man es nicht doch lüften kann.

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Es hat sich zufällig ergeben, dass ich es erfahren habe eigentlich und nun schleppe ich es herum und merke, dass es mich einfach fertig macht.
Ich hab schon überlegt, zu einer psychologischen Beratung zu gehen um mir Rat zu holen aber ich weiß nicht, wo?

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Zum Beispiel Telefonseelsorge.

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Ja ich weiß was du meinst.
Leider habe ich auch solche Geheimnisse, von denen, bis auf die betroffenen, niemand weiß.

Es ist schwer und anstrengend, aber ich würde meine Familie damit sprengen. Also behalte ich es für mich.

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Okay dann verstehst du ja genau, wovon ich rede.
Ich kann so schwer damit umgehen. Ich denke täglich darüber nach und es geht mir wirklich nicht gut damit. Wie machst du das?!

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Ehrlich gesagt habe ich es die ganze Zeit verdrängt.

Jetzt gehe ich in Therapie und hoffe das ich das ganze aufarbeiten kann.

Ich würde dir empfehlen eventuell professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und in einem geschützten Raum darüber zu reden.
Das tut wirklich gut und es gibt keinerlei Gefahr das es rauskommt, solltest du es für dich behalten wollen.

Es zu verdrängen und in sich rein zu fressen, kann sehr gefährlich sein.

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Ich habe zwei Geheimnisse, über die ich nicht sprechen darf.

Die älteste Tochter meiner Schwester ist nicht das Kind ihres Mannes. Nur sie, ihr Mann und ich wissen es. Sonst niemand. Irgendwann dachte ich, dass sie es wenigstens der Tochter sagen sollte. Vor allem da der Vater sie (unbewusst?) anders behandelt als die beiden anderen Kinder. Meine Schwester und ihr Mann haben sich aber dagegen entschieden und schließlich habe ich es akzeptiert.

Meine Cousine ist behindert, weil ihre Mutter in der Schwangerschaft Alkohol und Drogen konsumiert hat. Ich weiß nicht, ob es ein wirkliches Geheimnis ist. Denn eigentlich wissen es alle, aber es wird nicht darüber gesprochen und nach der Geburt wurde immer wieder von verschiedenen Familienmitgliedern darauf hingewiesen, dass ein Großonkel auch behindert sei und es deshalb vielleicht eine genetische Ursache gäbe. Meine Cousine ist jetzt acht und manchmal wird darüber gesprochen, wie schwer die Situation für meine Tante sei. Aber die Ursachen für die Behinderung werden totgeschwiegen und ich weiß nicht, was hier los wäre, wenn es jemand ansprechen würde.

Ich weiß ja nicht, was dein Geheimnis ist. Aber das schöne an diesem Forum ist, dass du hier anonym posten kannst.

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Ja, auch ich kenne sowas. Beim einen Geheimnis ist es nicht ganz so schlimm (sehr, sehr, sehr hohe Erbschaften, von denen die "betroffenen" Personen zwar natürlich bescheid wissen, aber niemand darüber redet. Total absurd).
Beim anderen ist es ein behindertes Kind bzw. behinderter Erwachsener, bei welchem bis heute die Förderschulzeit und die bis heute daraus resultierenden Probleme verschwiegen werden. Die Person hat aber heute immer noch ein Einschränkungen aufgrund ihrer Behinderung, aber dieses wird in der Familie komplett tot geschwiegen und verheimlicht, obwohl bestimmte Verhaltensweisen dieser Person für alle nachvollziehbarer wären, wenn man es einfach sagen würde. Ich finde, mit diesem "Familiengeheimnis" stigmatisiert man einen Menschen und wie schwer es für diese Person als Kind gewesen sein muss, niemandem zu erklären dass man auf eine Förderschule geht etc., will ich mir gar nicht vorstellen.

Ich denke, mit jemandem reden ist immer wichtig und ich berede wirklich ALLES mit meinem Mann. Da gibt es auch nichts, was ich verschweige. Wenn man so einen Menschen nicht hat, hilft es natürlich auch in grau bei Urbia zu schreiben ;-) und wenn du dich das auch nicht traust (musst den Text ja nicht als abschicken, für dich selbst formulieren reicht) kann ein Psychologe wirklich hilfreich sein, denn der hat Schweigepflciht und "muss" dir zuhören.

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Ich kann darüber leider mit meinem Mann nicht sprechen.
Ich traue mich nicht wirklich, es irgendwo öffentlich aufzuschreiben. Ich schreibe für mich viel darüber aber könnte es glaube ich nicht so einfach offen legen, selbst wenn es anonym ist.

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Dann ist er nicht deine große Liebe.

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Ich hab lange geschwiegen... und mache jetzt ne Therapie, wo ich in nem geschützten Raum erzählen kann. Ich weiß noch gar nicht, wie ich das finde: einerseits erleichternd, andererseits werden die Dinge durchs Aussprechen reeller.

Es gibt tolle Seelsorge-Hotlines. Da bist du anonym und könntest mal probieren, ob es dir gut tut, Dinge auszusprechen und oft sitzen da echt fitte Leute, die dir Hilfreiches sageb können.

Eine weitere Möglichkeit wäre, zu beichten oder mit einem Seelsorger zu sprechen. Kirchen bieten eh generell oft Seelsorge-Sprechstunden an.

Alles Gute dir.

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Ich habe ehrlich gesagt riesige Angst, dass man mich, wer immer sich die Geschichte anhört, total verurteilen würde. Es geht nicht um ein Verbrechen und um nichts Kriminelles, nicht falsch verstehen.
Aber trotzdem habe ich Angst vor der Reaktion meines Gegenübers bzw in einigen Fällen (meinem Mann oder meinen Freundinnen), wäre ich mir ziemlich sicher, wie die Reaktion wäre...

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Das kenne ich, das Gefühl. Es hat ein Jahr Therapie gebraucht, bis ich Andeutungen machen konnte. Ganz ausgepackt hab ich noch gar nicht. Und es fällt mir unwahrscheinlich schwer, meine Angst vor Verurteilung nicht in meinen Therapeuten zu projizieren. Der strengste Richter ist man vermutlich selbst...
Mir hilft es vermutlich trotzdem, mich aus den Verstrickungen von Schuld und Scham zu befreien.

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Hallo.

Ich denke, dass sowas aufgearbeitet werden sollte, wenn es belastend wird.
Ich habe jahrelang ein Geheimnis mit mir herum getragen - es waren 17 Jahre nur mein Geheimnis. Ein schlechtes Geheimnis, was mich Albträume kostete und mich zeitlang beziehungsunfähig machte.
Ich wurde als 5 Jährige von meinem Vater sexuell missbraucht. Nach dem Tod meines Vaters habe ich es das erste Mal meiner Mutter erzählt. Sie reagierte kühl und kann heute noch nicht damit umgehen. Ich habe das Gefühl, dass sie ihr Gefühl als Mutter in dem Punkt "versagt" zu haben bis heute (17 Jahre später) noch immer unter den Teppich kehrt. Ich habe mit psychologische Hilfe gesucht und alles aufgearbeitet. Gerade, weil ich durch den Missbrauch sehr viele "Folgeschäden" hatte.
Ich muss dazu sagen, dass dadurch vieles in mir kaputt ging und ich sehr schwer Vertrauen zu anderen Menschen fassen kann.
Mein bester Freund ist mein Mann und er kennt alles von mir - wir haben keine Geheimnisse. Zum ersten Mal fühle ich mich geborgen und angenommen wie ich bin.

Ich denke, dass es möglich ist auch ein Geheimnis einer Person zu erzählen, die eben nicht mit den betreffenden Personen zu tun hat oder zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Und heute gibt es viele Anlaufpunkte, um eben auch Belastungen zu bewältigen zu können.

VG

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Hallo

Ja, die gibt es bei uns zuhauf. Teilweise wissen gewisse Gruppen innerhalb der Familie etwas, aber außerhalb der Gruppe wird nicht darüber geredet, usw. Wie eine brasilianische Serie voller Intrigen und Komplikationen.
Ich habe mich unter anderem deshalb von meiner Verwandtschaft distanziert. Die sogenannten Geheimnisse interessieren mich nicht mehr, weil niemand die Probleme lösen oder zumindest richtig auf den Tisch bringen will. Innerlich habe ich mich mit der Zeit immer mehr distanzieren können, obwohl die Flashbacks zeitweise kommen. Ich fühle mich aber nicht belastet dadurch.

Du trägst dein Geheimnis nun seit einem Jahr mit dir herum. Bitte rede mit jemandem darüber, der nicht zur Familie gehört. Oder schreibe es auf, wie z. B. in einem Forum. Solche Geheimnisse können ansonsten physisch (nebst psychisch!) krank machen.

LG