Guten Abend!
Es geht um unseren Sohn.Er ist sechs Jahre alt.
Eine Erzieherin betitelte ihn in seiner Kitazeit mal als "überangepasst".Was sie damit meint?
Er lässt sich zB.von seinen Freunden alles vorschreiben,sich rumkommandieren.
Letztens hat ihn eine Freundin gehauen.Als ich ihn fragte ob er ihr etwas gesagt hätte kam nur:"Aber es ist doch meine Freundin."
Ein anderer Junge ist ihm gegenüber aggressiv geworden,hat ihn gewürgt,gekniffen,gebissen.
In einem Gespräch mit ihm sagte er:"Aber es ist doch mein Freund"
Auch in vielen anderen Dingen will er "draußen" nicht auffallen,hat sich auch in der Kita an alle Regeln gehalten usw.
Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.Ich hoffe es verdeutlicht was ich meine.
Nun das Problem:
Zuhause mit uns und mit seinem kleinen Bruder kehrt sich das Ganze um.
Ja,es ist sein Zuhause,hier ist er sicher,hier kann er sich erproben aber es gibt andauernd Stress und Streit deshalb.
Hier lebt er quasi das aus was er sonst erlebt.
Er kommandiert seinen Bruder rum,will alles kontrollieren,verteidigt alles bis aufs letzte und kann Zugunsten seines kleinen Bruders kein Stück davon abweichen.
Er diskutiert mit uns alles aus usw.
Wir haben schon oft mit ihm gesprochen,haben versucht emphatisch zu sein,sind sauer geworden..was auch immer.
Aber letztendlich würden wir uns wünschen,dass er das was er hier "erlernt" auch nur mal ansatzweise bei seinen Freunden ausleben würde bzw.einsetzen würde.
Das passiert aber nicht.Er sagt seiner Freundin nicht einmal,dass er ihr Spiel nicht spielen will.
Hat einer eine Idee?
Wie können wir sein Verhalten "umleiten"?
Hallo mila,
ganz spontan fiel mir "nach oben buckeln, nach unten treten" ein. Ich weiß, euer Bürschlein hat ganz sicher keine bösen Absichten, er sucht einfach nur seinen Weg. Ist sich vermutlich noch ganz unsicher.
Das er daheim in sicherem Umfeld auftrumft ist positiv, das ist sein Training. Setz sachliche Grenzen. Macht dabei klar - euer Sohn ist geliebt, wie er ist. Ihr liebt nicht immer, was er tut, aber ihr liebt ihn als Person immer. Nur so als Beispiel, ich weiß ja nicht ob das zutrifft: "Ich glaube, du bist gerade sehr wütend. Ich muß X. jetzt beschützen, weil er viel kleiner und schwächer ist als du und das selbst noch nicht kann. Ich bin auch deine Löwenmama." Stärkt ihn darin, seine Emotionen und Bedürfnisse jederzeit verbal kund zu tun. Hört zu, habt Geduld, keine Lösungsvorschläge, keine Bewertung. Vielleicht stärkt ihn das so, das er auch im Außen vorsichtig beginnt, seine eigenen Grenzen zu achten und zu wahren.
Sucht euch evtl. Hilfe in einer Beratung, manchmal kann ein unabhängiger Blick Türen öffnen.
Falls meine Gedanken nix für dich sind - bitte einfach weglegen. Alles Gute euch!
Danke für deinen Beitrag ♡
Es nicht zu bewerten und keine Lösungsvorschläge zu machen fällt uns sehr schwer. Das ist sicherlich ein Punkt den wir angehen müssen.
Hat er außer den beiden genannten Kindern keine Freunde?
Hat er.
Es waren Beispiele um zu verdeutlichen was ich meine.
Dann würde ich da ansetzen. Freunde, die einem nicht gut tun, sind keine Freunde.
Ist ja bei Erwachsenen nicht anders und mit 6 ist er in der Lage das zu verstehen.
Er fühlt sich nicht toll, wenn er gehauen wird. Sein Bruder empfindet dasselbe.
Er diskutiert gern? Okay, dann darf er auch gerne wissen was passiert Erwachsene sich schlagen. Erkläre ihm die rechtliche und psychische Seite.
Er muss sich nicht alles gefallen lassen.
Es gibt Mittel und Wege das zu unterbinden. Schafft er es alleine oder mit eurer Hilfe nicht, würde ich einen Selbstverteidigungskurs empfehlen.
Hm, wäre ein überangepasstes Kind denn nicht durchgängig so im Verhalten?
Du beschreibst mit deinem Sohn auch meine Tochter, sie ist aber auch im Safe Space sehr angepasst. Es ist kein Unterschied im Verhalten zu Hause oder außerhalb zu erkennen. Mittlerweile hat sie sich sehr entwickelt...aber es ist immer noch die Grundsituation, das wenn sie uns widerspricht oder ihren Unmut kundtut, uns das Herz aufgeht.
Von daher spukt auch mir hier der Gedanke "nach Oben buckeln..." durch den Kopf. Mir fehlt hier einfach ein durchgängiges Grundverhalten deines Sohnes.
Wie definiert er denn eigentlich Freundschaft? Fühlt er sich im Kindergarten wirklich wohl? War er denn jemals zu Hause auch mal so im Verhalten, wie die Erzieherin aus der Kita schildert?
Spontan fällt mir, ein das ich sein Verhalten zu Hause einfach nicht dulden und unterbinden würde. Es wird ihm sicherlich nicht schaden, dort Grenzen aufgezeigt zu bekommen, die er anderswo noch nicht getestet hat.
Warum muss es durchgängig so sein?
Immerhin ist er hier bei uns zuhause "sicher" und lässt wahrscheinlich unbewusst das heraus bzw.durchlebt für sich Situationen, die er erlebt.
Manchmal erzählt er Abends von Sachen, die ihm passiert sind.
Ja, er hat sich da wohl gefühlt. Hatte Freunde, die viele tolle Sachen zusammen gespielt haben.
Seit dem Sommer ist er in der Schule. Dort geht er ebenfalls gerne hin aber auch da zeigt sich dieses Verhalten und leider findet sich dazu auch oft ein "Gegenspieler" der dominant ist und das erkennt.
So wurde er von diesem gewürgt, gebissen, geohrfeigt.
Ja,wir kennen ihn auch zuhause so bzw.eher wenn wir mit ihm unterwegs sind. Hier zuhause scheint es für ihn ein geschützter Raum zu sein was ja auch gut so ist bzw.so sein soll.
Er erfährt hier Grenzen, es gibt Regeln, die er kennt.
Es könnte sein, dass er autistische Züge hat, oder Asperger-Autismus. Ich arbeite selbst mit solchen Kindern, allerdings mit Teenagern. Mit so kleinen Kindern hab ich nicht so die Erfahrung. Auf jeden Fall haben sie ja so ihre Probleme mit der sozialen Interaktion mit Gleichaltrigen. Und wenn man da nicht so gut drin ist, dann passiert es leicht, dass man in die Extreme verfällt, entweder alles bestimmen will, oder sich völlig passiv verhält. Eben weil man nicht das richtige Mass findet. Das haben wir teilweise auch bei Teenagern, aber viele sind da inzwischen dann auch schon besser drin.
Umleiten - weiss nicht genau, wie du dir das vorstellst. Aber was man bei autistischen Kindern macht - ich weiss jetzt nicht, ob man das in Deutschland so nennt, ich wohne schon lange im Ausland - aber wir nennen das "soziale Erzählungen". Also man erzählt eine Geschichte, die eine Moral enthält, etwas das das Kind verstehen sollte. Am besten eine Bildergeschichte, also dass man die zwei Figuren zeichnet (oder vielleicht kann man irgendwo fertige Bilder finden). Im Falle deines Sohnes könnte das sein: Jemand wird von seinem Freund schlecht behandelt, und er sagt dem Freund, dass das nicht okay ist, dass Freunde so etwas nicht tun. Eine Art Vorbildgeschichte also. Und das funktioniert ja generell bei Kindern, wenn sie solche Schwierigkeiten haben, d.h. sich z.B. Gleichaltrigen gegenüber nicht angemessen behaupten können.
Es gibt auch so puppenspiel- therapien.
Da werden solche Situationen im puppenspiel nach gemacht.
Vielleicht wäre das was.
Ja, aber das sollte man als Eltern selbst machen, direkt im Anschluss an die Situation. Sonst ist ja nicht mehr so aktuell. Egal wie genau, aber wenn du eine Routine schaffen kannst, wo du ihm deutlich machst, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann, dann könnte ihm das helfen.
Es ist nicht sein Kumpel, sondern sein Bruder. Ich finde sein Verhalten völlig normal. Was hast du erwartet? Dass deine Kinder Freunde statt Geschwister sind? So ist das halt nicht. Seid doch froh, dass er sich wenigstens daheim sein gesundes Selbstbewusstsein bewahrt hat. Schafft ihm sein Reich, d.h, der kleine Bruder darf diesen Bereich nur nach expliziter Erlaubnis und in Gegenwart des Großen betreten und das wird von euch durchgesetzt (umgekehrt dito). Das - zusammen mit realistischeren Erwartungshaltungen - entzerrt vieles.