*Trigger* Abschied

Hallo,

wie oben geschrieben ist das eventuell ein Triggerthema.
Meine Oma liegt mit einer sehr schweren Corona Infektion im Krankenhaus und man vermutet dass sie es nicht mehr raus schaffen wird. Meine/unsre Oma, ist für uns Enkel sehr wichtig. Sie ist auf allen Seiten der letzte Grosselternpart und wir(meine beiden Cousins und ich) sind während unsere Eltern gearbeitet haben quasi zusammen dort aufgewachsen. Unsere Eltern sind natürlich bei ihr auch wenn sie nicht mehr so viel mitbekommt. Auf die Frage ob wir auch kommen dürfen hieß es, wir sollen nicht sehen wie sie da liegt und sie lieber in Erinnerung behalten wie sie war. Es ist schwierig für uns das zu entscheiden. Meine Cousins sind nicht so emotional, sie sind da eher „stark“ und ich bin ziemlich emotional.
Wart ihr in einer solchen Situation? Wie habt ihr entschieden? Habt ihr es letztendlich bereut? Wir wollen heute Abend nochmal zusammensitzen und reden was wir machen wollen. LG

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Hallo eule,

Wie alt bist du?

Als ich 20 war, hab ich innerhalb von ein paar jahren meine Mutter, meine Oma und meinen Opa beim Sterben begleitet. Bei keinem hab ich die Person anders in Erinnerung als zu den guten Zeiten. Und das obwohl ich bei zweien sogar direkt beim Sterben dabei war.

Meine Mutter war vom Krebs gekennzeichnet, abgemagert und schon die Jahre die sie mit dem Krebs noch leben durfte, am Verfall. Es zog sich über 5 Jahre und trotzdem ist in meinem Kopf das gesunde Bild von ihr. Fotos aus dieser Zeit meide ich bewusst. Dieses "kranke ich" auf den Bildern, ist nicht meine Mutter.

Mir war es wichtig da zu sein. Ob du beim Sterben begleiten darfst, entscheidet sowieso der sterbende. Besuchen würde ich auf jeden Fall.

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Wir sind alle schon um die 30. Unsere Oma kann leider nicht mehr kommunizieren ob sie das möchte. Sie versteht nicht mehr was vor sich geht.

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Mit "entscheiden" meinte ich, dass oft der sterbende auf den Besuch einer Person wartet oder eben auf die 5 Minuten Abwesenheit, wo kurz mal ein Kaffee geholt wird. Jeder sterbende, ist da anders.

Meine Mum hat auf uns alle gewartet, hat alle Schmerzmittel absetzen lassen um noch klar zu sein, ist an ihrem sterbetag regelrecht aufgebluht und dann eingeschlafen. Sie hat sogar noch an einem Eis geleckt obwohl sie die Nahrungsaufnahme schon vor Tagen eingestellt hatte. Es war sehr traurig aber auch sehr schön für uns.

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Hallo,

es tut mir sehr leid, dass deine Oma im Sterben liegt.

Bei meiner Oma war es der Krebs. Ich lebe 3h von meiner Familie weg und habe sie so auch nicht regelmäßig gesehen. Am Ende ging es doch sehr schnell. Wir hatten noch telefoniert am Wochenende und wenige Tage später war sie schon nicht mehr ansprechbar. Ich bin dann trotzdem noch hingefahren. Sie war da nur noch eine Hülle ihrer selbst, aber für mich war es gut und richtig noch bei ihr zu sitzen, sie zu streicheln und mich von ihr zu verabschieden.
Ich mußte dann am selben Tag wieder nach Hause, aber ich würde es immer wieder so machen.

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So ein Moment ändert ja nichts an euren Erinnerungen, wie sie damals gewesen ist zu euch, alle Erinnerungen werden ja nicht verändert, deswegen verstehe ich persönlich solche Aussagen zum größten Teil leider nicht.
Und wir sehen das im beruflichen Alltag doch leider zu oft, dass man es Nachhinein bereut, doch nicht da gewesen zu sein.
Es wird ja auch angenommen, dass die sterbende Person, die auch so anscheinend nicht bei Bewusstsein ist und rein theoretisch nichts mehr mitbekommt, im Unterbewusstsein doch sehr viel mitbekommt.
Es gibt da sehr sehr viele Beobachtungen zu, auch unsererseits, wenn Patienten versterben zB.
Da wird manchmal wirklich auf eine einzige Person gewartet zB... Alles weitere würde hier aber den Rahmen sprengen.

Ich persönlich kann nur sagen, dass ich mich definitiv verabschieden wollen würde, sie war immerhin jahrelang eine meiner engsten Bezugspersonen, sonst würde ich das in naher Zukunft wirklich bereuen.

Bearbeitet von hey.du
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"Wir wollen heute Abend nochmal zusammensitzen und reden was wir machen wollen"

Letztlich musst DU für Dich entscheiden, was Du tun möchtest. Wenn sich all Deine Cousins entscheiden, nicht mehr hinzugehen, darfst Du trotzdem hin, wenn Du denn das Bedürfnis hast.
Das Schlimmste, das passieren kann, ist, wenn Du später mit der Entscheidung haderst.

Mein Mann hat sich gegen den Besuch seiner Oma entschieden und ist fein damit. Er wollte sie so nicht sehen.

Ich war bei meinem Opa und würde es wieder tun. Würde mir beim nächsten Mal sogar noch mehr Zeit ganz allein am Sterbebett einräumen wollen. Für mich stehe da eher weniger ich mit meinen Gefühlen im Fokus, sondern ich möchte einfach begleiten und nicht allein lassen.

Meine Tante, gezeichnet vom Krebs, hat Freitags die Info bekommen, dass man nun nichts mehr für sie tun kann und ihr noch 3 - 6 Wochen bleiben. Samstags hat sie all ihre Geschwister zu sich ins KH eingeladen. In der darauffolgenden Nacht hat sie ihren Mann angerufen, er möge bitte kommen, es gehe zu Ende. Und genau so war es, im Laufe des Vormittags starb sie.

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Wenn du das Bedürfnis hast sie zu besuchen, dann mach es.
Ich war bereits 4 Mal in so einer Situation.
Einmal war ich bis zum letzten Atemzug dabei. 2 Mal habe ich die Person kurz vor ihrem Tod noch besucht.
Einmal war alles nicht möglich, weil es ein Herzinfarkt mit sofortigem Tod war.

Ich bin froh, noch einmal bei den Personen gewesen zu sein.
Auch wenn deine Oma nichts mehr mitzubekommen scheint weiß man es nicht genau.
Das letzte "Bild" bleibt im Gedächtnis, aber es löscht die schöne gemeinsame Zeit nicht.

Wenn du von vorne herein sagst "ich schaff das nicht" ist es genauso in Ordnung, als wenn du hingehst.

Du solltest es für dich selber entscheiden, nicht deine Eltern.

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Hey!

Ich habe eine Oma kurz vor ihrem Tod entgegen des Rats meiner Eltern im Krankenhaus besucht und bin darüber sehr froh.
Die andere Oma ist an Demenz verstorben, von ihr konnte ich mich nur in der Leichenhalle verabschieden. Auch wenn der Anblick sehr schlimm war, bin ich froh drum. Wenn ich nun an beide denke, habe ich nicht unser letztes Treffen vor Augen.

Ich würde an deiner Stelle hinfahren. Je eher du da bist, desto mehr bekommt sie vielleicht noch mit.
Meine Oma habe ich am letzten Tag im Krankenhaus besucht, als sie noch reden konnte. Das spendet uns seit Jahren viel Trost, denn wir wissen, dass sie in Frieden gegangen ist.

Liebe Grüße
Schoko

Bearbeitet von schokofrosch
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Wenn ihr sie nochmal sehen wollt, euch verabschieden wollt, dann tut das unbedingt.

Ich bereue es keine Sekunde. Habe meine Oma beim Sterben begleitet. Natürlich ist das kein schöner Anblick, aber es ist ein ganz besonderer Moment. Ich finde, jeder Angehörige sollte das Recht haben, sich verabschieden zu dürfen.

Ganz viel Kraft wünsche ich euch

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Das tut mir sehr leid für dich.

Mach wasimmer dir jetzt gut tut und sich richtig anfühlt. Und wenn du zu deiner Oma willst, hör nicht auf andere, geh hin.

Ich habe Jahre voller Erinnerungen an meinen Vater wenn ich an ihn denke, die letzte Stunde dominiert diese Erinnerungen nicht. Wenn es sich richtig anfühlt wird es richtig sein.

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Hallo,
Erstmal wünsche ich dir Kraft, für die nächste Zeit!

Ich persönlich halte das Abschied nehmen von sterbenden, geliebten Menschen für sehr wichtig.
Es hilft in einen Augen dabei zu verstehen, dass dieses Leben endet. Genau wie man sich im Alltag verabschiedet, ist dieser letzte Abschied etwas, was einen Schlusspunkt setzt. Dieser Ritus ist, anders als Beerdigungen, nicht nur für die Hinterbliebenen wichtig, auch für den sterbenden.
Ich finde dieses "kommt lieber nicht, behaltet den Menschen so in Erinnerung, wie er war" als sehr bevormundend.
Unsere Kultur und auch unsere Gesellschaft ist nicht gut darin, mit Trauer und Tod umzugehen. Wir schieben dieses Thema so gerne von uns weg. Aber in den letzten Jahren findet ja ein gewisses umdenken statt. Da gehört auch dazu, dass die Hinterbliebenen Abschied nehmen.

Mein Opa ist, stark vom Krebs gezeichnet gewesen, als er starb.
In meinen Erinnerungen gibt es auch Bilder, an diese Zeit. Aber es gibt mehr Bilder und Erinnerungen an die guten Zeiten.
Unser Hochzeitstag liegt auf seinem Todestag. Wir haben das nicht so bewusst so gewählt,aber als das Datum sich herauskristallisierte, fand ich die Tatsache eigentlich ganz schön. Und ich denke seit dem noch wieder mehr an ihn und meine Oma,aber weniger traurig. Also du siehst, es ist ein ambivalentes Thema.
Abschied ist ein langer Prozess.

Als vor 4 Jahren der Opa meines Mannes im Sterben lag, habe ich ihm nahegelegt, noch mal ins Hospiz zu fahren.
Sein Opa war schon lange an Demenz und Parkinson erkrankt, er war die 6 Jahre davor schon nicht mehr "da", hat kaum mehr was wahrgenommen oder reagiert.
Meinen Mann hat dieser Besuch sehr mitgenommen, denn es war für in der Moment in dem er verstanden hat, dass Opa jetzt wirklich seine letzte Reise antritt. Heute sagt er, dass es richtig für ihn war, um zu verstehen, dass es vorbei ist. Er hat dort Abschied genommen, hat ihn nochmal berührt, ihm ein paar Dinge gesagt und ist das gegangen. Ob der Opa das mitbekommen hat? Wir wissen es nicht, es gab keine körperlichen Reaktionen mehr. Aber er ist erst gestorben, nachdem alle nochmal da waren.

Du bist erwachsen, treffe die Entscheidung so, wie du sie für richtig hältst und nicht danach, was andere Menschen für dich richtig halten.

Alles alles Gute für dich