Hin und hergerissen mit meinem mann

Hallo
Wir überlegen von der Kleinstadt in der wir wohnen auf einen Bauernhof zu ziehen.

Wir haben erst ein Kind, wollen aber in ein paar Jahren noch ein zweites. Ich bin gerade in Elternzeit und mein Mann berufstätig. Unsere Wohnung ist mit 2 Zimmern nun doch langsam zu klein.

Das Haus ist traumhaft schön gelegen. Der Schulbus fährt direkt vor der Haustür ab. Aber hier kommt der knackpunkt das war es auch.

Mein Mann ist im ersten Augenblick dagegen, weil man im Ort selbst kein Lebensmittelgeschäft hat und keine Zugstation.
Außer dem Schulbus gibt es leider keine Busverbindung dort. Wir müssten dalso immer ca 10 min zum Bus oder 15 min in die stadt fahren. Lebt jemand so von euch? .. das fahren würde mich nicht groß stören aber man ist ja immer aufeinander angewiesen...

Was für mich dazu kommt ist, dass wir einen Garten hätten (nicht allzu groß, aber ich fände es dennoch schön für unser Kind und ein weiteres) und durch die Lage auch unsere beiden Katzen raus können.

Seit Jahren denken wir darüber nach und hatten sogar schon mal die Chance, als mein Vater ein Haus dort kaufte. Dann hab ich die Krise gekriegt und alles wieder abgesagt denn plötzlich hatte ich alle Stadtvorteile so klar vor Augen (öffentlicher Nahverkehr,massenhaft Kulturangebote für Kinder und Erwachsene,kurze Wege,1000 Einkaufsmöglichkeiten,Multikulti,Vielfalt,Toleranz, fortschrittliche Schulen,Uni....)

Sicher ist es sehr individuell und jeder muss selbst entscheiden, aber wie ist das bei euch....? Schon jemand von der Stadt aufs Land gezogen?

Mein Mann und ich sind beide in der (Klein)Stadt (ca 16.000 Einwohner) aufgewachsen, haben von den Möglichkeiten als Jugendliche sehr profitiert, mit Bus und Rad überall hin usw. Wir wohnen immer noch im selben Stadtteil, Schwiegereltern sind nur wenige Minuten entfernt.

Werd ich glücklich in einem Dorf in dem ich niemanden kenne bisher? Würde sich das alles aufwiegen indem ich mir einen Traumgarten auf dem Land verwirklichen kann? Und so weiter....

Nachdenkliche Grüße
M.

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Hallo,

Dorf heute ist nicht wie Dorf gestern. Ich bin in einem 450 Seelen-Dörfchen aufgewachsen und hatte eine wunderschöne freie Kindheit. Mit Baumhöhlen bauen, Zelten am Fluß/See, Versteck Spiele im ganzen Dorf, Kirschen klauen, Zwille bauen, Stroh springen, heimlich mit dem Roller vom Opa über den Feldweg brausen, Schlitten und Schlittschuh fahren, Eishockey spielen auf der Straße, Schlittenschlange hinterm Pferdegespann, Übernachtungen in der Gartenlaube mit Lagerfeuer usw.usw…
Eine Busverbindung zur nächsten Großstadt gab es. Dauerte 40 min und der Bus fuhr stündlich von 06-20 Uhr. Ist heute leider nicht mehr so.
Meine drei Mädels sind 15,12 und 9 Jahre alt.
Ich wünschte meine Mädels könnten genauso aufwachsen wie ich damals aber da macht einem die Digitalisierung und die Optimierung des Kindes einen Strich durch die Rechnung.
Heute sind Nachmittags kaum noch Kinder auf der Straße. Die sitzen zu Hause vor ihren Handys, Tablets, PCs, schauen fern, trainieren im Verein, sind beim Musikunterricht, bekommen Nachhilfe, quälen sich durch endlose Berge von Hausaufgaben oder lernen für anstehende Leistungsfeststellungen. Da bleibt für all das was ich oben aufgezählt habe keine Zeit.
Auf dem Dorf wirst du viel fahren müssen was dir in der Kleinstadt größtenteils erspart bleibt.
Wir leben in einem 10.000 Einwohner Dorf in dem wir ein recht entschleunigtes Leben führen und alles haben was wir brauchen.
In mein Heimatdorf würden mich keine 10 Pferde mehr bekommen. Da kommt nur noch 2x täglich ein Bus. Am WE gar nicht. Kein Laden, Post, Arzt, Frisör, Kita mehr vor Ort.

An deiner Stelle würde ich mich von der romantischen Vorstellung „Dorf“ verabschieden.

Das klingt ziemlich düster aber leider ist es so…

LG

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Ich würde wirklich schauen, dass die Kinder notfalls wenigstens mit dem Rad weg kommen.
Wie wohnen auch sehr ländlich. Aber im Umkreis von 10 km wohnen die Freunde meiner Kinder.

Meine Kinder sind noch klein (4 und 6), aber der Große fährt ins Nachbardorf bereits allein mit dem Rad.

Allerdings leben wir das auch vor. Einkaufen (7km) mach ich oft mit dem Rad. Zur Arbeit fahre ich 10 km Rad um zum Zug zu kommen.

Ich möchte nie wieder anders wohnen. Aber gerade mit Kindern hat man die Wahl ihnen Selbstständigkeit beizubringen (da muss ich allerdings fairerweise dazu sagen, wir sind hier Radwegetechnisch super aufgestellt und die Kinder müssen eigentlich quasi gar nicht auf der Straße fahren. Gäbe es hier nur Bundesstraßen ohne Radweg, sähe das auch anders aus.

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Einfach ausprobieren. Mehr als schiefgehen kann es nicht. 😊

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Mhm ich würde weitersuchen. Wir haben hier wenigstens Supermärkte vor Ort, aber ansonsten ist hier nichts los.
Man kommt schwer in die Dorfgemeinschaft rein, hier ist niemand auf neue Bekanntschaften angewiesen oder gar daran interessiert.
Für vieles muss man die Wege mit dem Auto fahren und aufgrund zwei verschiedener Arbeitsstellen brauchen wir 2 Autos.
Es gibt nur eingeschränkte Hobbymöglichkeiten vor Ort, auch für die Kinder.
Die Ärzte leben hier fast noch im Mittelalter und sind unfreundlich… vielleicht ist das bei euch anders, aber ich würde es mir überlegen.

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Achtung, kleiner Spoiler....eine Bushaltestelle auf dem Land bedeutet noch lange nicht, das man da auch ein vernünftiges Liniennetz vorfindet. Unsere Bushaltestelle vor dem Haus ist ausschließlich auf den Grundschulverkehr ausgelegt.....in den Ferien und am Woe....nüscht. Morgens ein Bus hin, nach der 6. einer zurück....ergo, man musste das Kind in der Randstundenbetreuung anmelden, denn einfach so dürfen Kinder heutzutage nicht in/an der Schule warten, oder man holt es ab....zu Fuß ist nämlich auch nicht...keine Ampeln, kein Fußgängerüberweg, dafür aber ne Durchgangsstraße wo morgens und mittags die Hölle los ist. Ab der weiterführenden Schule, die sogar im Ort ist, auch nüscht...denn die fangen früher an. Tja, nu steht unsere Tochter mit einem gesponserten Deutschlandticket da und muß trotzdem mit dem Rad, zu Fuß oder Elterntaxi zur Schule. Aber hey, dafür kommt sie in ganz Deutschland kostenlos überall hin....nur halt nicht nutzbar an ihrem Lebensmittelpunkt.
Übrigens wurden bei uns in den letzten Jahren schicke neue Radwege gebaut......aber irgednwie nicht für die Bevölkerung, sondern nur für die Fahrradtouristen....die lieben unsere Gegend. Klar, die müssen ja auch nicht ihre Kinder hier zur Schule schicken. So viel Kohle versenkt, aber nicht einen Cent für die Kinder, generell Fußgänger, die hier leben abgezwackt.

Ganz ehrlich, ich mag es hier morgens halb nackt auf der Terrasse sitzen zu können....das war es dann auch, denn es ist hier auch nicht ruhig, schon gar nicht zur Saat-und Erntezeit. Hier in der Straße (wohlbemerkt 30 Zone und für LKW eigentlich gesperrt) wurden in den letzten Jahren mehr Katzen platt gefahren, als vorher an der Hauptstraße in der Stadt oder sie liefern sich wilde Beißereien mit Füchsen, zumindest unsere. Wir haben hier im Ort eine gute Infrastruktur, für die Basics....alles top, Schulen, Kindergärten, sogar noch Ärzte, Apotheke. Ohne das alles innerhalb von 3km würde ich hier nicht eine Nacht bleiben.

Unsere Tochter ist jetzt aber aus dem romantischen Gartenalter raus....hier gibt es aber für sie auf der anderen Seite nichts, kein Kino, kein Shoppingcenter, Sport nur Standard (Handball, Fußball, Judo, Gymnastik für Senioren). Keine Bücherei. Kein Schwimmbad. Nicht mal ne schnöde Pommesbude. Man trifft sich auf dem Schulhof um dann vom Dorfpolizisten verjagt zu werden.
Für ALLES was Teenies Spaß macht, außer Daddeln, müssen wir mit ran....denn auch der Linienverkehr fährt in den Ferien und am Wochenende nur sehr eingeschränkt. Zum Glück findet sie die Jugendfeuerwehr toll, ist aber auch nicht für jeden was.

Früher mussten wir mit ihr immer in die nächste Stadt, denn Spielplätze gibt es hier auch keine mehr.

Das nächste Schwimmbad ist 30km entfernt, aber da muß ich sagen hat sich die Gemeinde echt für die Schüler ins Zeug gelegt, es gibt ausschließlich für die Schulen ein kleines Hallenbad, aber eben nicht für den Freizeitbereich. Die Grund- udn auch die Gesamtschule hier im Ort sind Top...sie und die unsagbar günstige Miete halten uns hier. Und natürlich aich die Leute, die man in den Jahren so kennengelernt hat....aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann "matched" es eigentlich nur zwischen Dazugezogenen.....der Kontakt zu den Eingesessenen ist aber freundlich distanziert, reicht also.

Nein, nochmal würde ich das hier mit Kind nicht machen.....denn dieses Landleben, wie ich es früher kannte, gibt es hier nicht mehr. Und cih bin geusndheitlich mittlerweile sehr angeschlagen....der Garten ist riesig, aber von mir nicht mehr zu händeln. Die knappe Freizeit meines Mannes geht sehr viel in die 2000qm udn es nervt mittlerweile wirklich.

Das Stadtleben ist gar nicht so verkehrt und bietet für Kinder so viele tolle Dinge.

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Sei mir bitte nicht böse, aber du klingst nicht wie jemand, der auf Dauer so leben möchte.
Vielleicht findet ihr was Passendes am Stadtrand. Dann habt ihr auch nen kleinen Garten, wenn ihr wollt.

Ich lebe schon mein Leben lang sehr ländlich und wir möchten es auch unter keinen Umständen missen.
Für uns bringt es nur Vorteile. Aber jeder setzt seine Prioritäten anders.

Frag dich am besten mal andersrum:

1. Welche kulturellen Events gönnt ihr euch vwie oft im Monat? Und warum könnte man diese nicht per Auto erreichen?
2. Können eure Kinder am jetzigen Wohnort alleine zur Schule laufen?
3. Fühlt ihr euch "sicher" und gut aufgehoben?
4. Wie ist euer Einkaufsverhalten? Jeden Tag einkaufen evtl. mit Lastenfahrrad? Tüten schleppen im Bus?
5. Welche Vorteile hast du von "Multikulti"?
6. WAS verstehst du unter "Vielfalt"?
7. Denkst du echt, dass Schulen in der Stadt fortschrittlicher sind und deine Kinder dort besser aufgehoben sind? Wenn die Grunschulzeit vorbei ist, werden die Kinder oftmals eh vom Dorf in die nächste Stadt gefahren auf die weiterführende Schule.
8. Freundschaften: Denkst du, dass deine Freunde euch nicht mehr sehen wollen, wenn ihr aufm Dorf wohnt? Oder suchst du neue Freunde? Und diese meinst du nur in der Stadt zu finden? Hast du diesbezüglich Erfahrungen gesammelt?
9. Hast du Führerschein/Auto?

Wenn du tatsächlich "Team Stadt" bist, dann wird ein kleiner Garten auf dem Land das mit Sicherheit nicht aufwiegen können.

Bearbeitet von Inaktiv
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Liebe TE,

Wir leben zwar auf dem Dorf, aber mit einer immer besser werdenden ÖPNV (halbstündlich bis stündlich unter der Woche), Edeka, Arzt und Zahnarzt, Tankstelle, Bäckerei und Grundschule. Das war uns damals wichtig. Und hier sind unsere beiden Kinder auch groß geworden.
So wie ihr das vorfindet, nein danke. Für mich wäre das Timbuktu, auch wenn das alles noch zu schön ist. Überall die Kids hinfahren, bloß nicht. Selbst bei uns musste ich unseren autistischen Sohn (unser Jüngster) mit dem Auto zu sämtlichen Therapien gefahren werden. Mein Großer war mit dem Fahrrad und später mit der Mofa
unterwegs. Den hätte ich dann auch noch überall hinfahren müssen, solange er keinen
Führerschein hatte. Für mich wäre das alles viel zu umständlich gewesen, vor allen wenn man eh wenig Zeit hatte.
Das würde ich mir 3 mal überlegen an eurer
Stelle. Bleibt bitte realistisch.

LG Hinzwife

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Stell Dir mal vor, 2 Kinder im Kindergarten irgendwo - und Du fliegst über das Bobbycar und brichst Dir das Bein = komplizierter Bruch mit vielen Wochen KrHs und Gips. Ist hier mal passiert bei Nachbarn.
Kann dann Dein Mann so lange, wie er will, alles übernehmen?
Die Einsamkeit klingt romantisch, ist sie aber nicht.
In unseren Dörfern hier rundum nur mit Schulbusanbindung ist der Hund begraben, teils kein Laden, sowieso weit und breit kein Arzt, kein Lokal, nichts.
Muss man mögen - und etwaige Krankheiten/Unfälle schon im voraus durchorganisieren.
Zugezogene bleiben leider in vielen Dörfern sehr lange fremd.
Ich hätte nie so wohnen mögen, mir gefällt meine Stadtgröße (25.000)
LG Moni

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Mal eine Wortmeldung von jemand der aus der Stadt (35.000 Einwohner) ins Dorf (140 Einwohner) gezogen ist. Ich war anfangs enorm skeptisch muss ich ehrlich sagen, aber mein Mann träumte immer vom Dorf. Hier gibt es tatsächlich keine direkten Einkaufsmöglichkeit, Ärzte oder sonst was....einmal die Woche kommt ein Bäcker, ein Fleischer und ein mobiler Einkaufsmarkt. Im Sommer der Eismann dafür täglich 😂 Wir lieben die Ruhe und den Platz. Gerade als Corona war haben wir gemerkt wie toll Dorf ist....unser Leben hier hatte sich kaum geändert. Nachbarn....naja ich sag Mal so.... freundlich und offen zu Anderen sein dann wird das schon. Nach inzwischen 5 Jahren in unserem Dorf gehören wir eben mit dazu. Aber wir halten uns auch an Ruhezeiten, helfen wenn Hilfe gebraucht wird usw. Zum Thema Kinder....jeder hat uns prophezeit, dass es in der Pubertät der Großen zum Problem wird...ja es kommen nur 5 Busse am Tag hier lang (wobei es notfalls Rufbusse hier gibt) und ein Ausflug in die nächste größere Stadt braucht damit bissl Planung. Aber trotzdem hat unsere Große bisher nach jedem Ausflug in andere Städte inklusive Klassenfahrt Berlin Sehnsucht nach "ihrem Dorf" gehabt. Ich denke einfach es gibt Menschen für die ist Dorf mit der Ruhe, dem Miteinander usw die Erfüllung....und für andere Leute eben der wahr gewordene Albtraum.