Wie die Eltern oder das genaue Gegenteil

Mich beschäftigt schon länger eine Frage, vielleicht habt ihr ja ein paar Denkanstöße.

Ich hab schon oft darüber nachgedacht, woran es liegt dass manche Kinder genau so werden wie die Eltern und andere genau das Gegenteil versuchen.
Ich meine damit, bei uns früher war mein Vater der absolute Pascha, meine Mutter total unselbständig. Für mich war schon immer klar, dass ich niemals einen Mann wie meinen Vater haben könnte und auch niemals so sein möchte wie meine Mutter. Ich habe schon früh angefangen mich um alles selbst zu kümmern, wollte auch schnell finanziell unabhängig sein von meinen Eltern. Das sind nur zwei kleine Punkte die aber meine gesamte Beziehung zu meinen Eltern geprägt haben und den Rest quasi überschatten.
Meine Freundin z. B. ist das genaue Gegenteil. Sie lebt in genau so einer Beziehung wie ihre Eltern, hat einen Mann ähnlich ihrem Vater obwohl ihr auch vieles nicht gefällt wie es läuft. Aber für sie ist es eben so normal weil sie es nicht anders kennt.

Das könnte man jetzt auf viele Bereiche auszuweiten. Warum werden mache Kinder aus sozial schwachen Familien genau so wie ihre Eltern und manche kämpfen sich da raus weil sie das auf keinen Fall möchten? Warum behandeln Menschen ihre Kinder genau so ( gut oder schlecht sei Mal dahin gestellt) wie sie selbst behandelt wurden und andere tun alles, um es anders zu machen?

Ich hab keine Idee, woran es liegt dass manche die gleichen Fehler machen wie ihre Eltern, andere die gegeben Chancen die sie durch ihre Eltern haben, nicht nutzen weil sie sich abwenden, und andere einfach aus Prinzip immer das Gegenteil von dem tun, was ihre Eltern tun würden oder gerne hätten.

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Das Thema hatte ich neulich mit meinen Kindern. Hintergrund: mein Vater ist sehr herrisch, cholerisch, brüllt gern mal rum. Auch in der Familie meines Bruders herrscht ein anderer Ton. Er und seine Frau meckern ständig mit den Kindern, wirklich schlimm. Da blutet mir das Herz. Auf Feiern muss ich mich immer zusammenreißen und wir machen meist schnell die Biege.

Nach dem 70. Geburtstag meines Vaters, wo vor allem ständig über den kleinen Neffen gemeckert wurde und er auch ziemlich grob angepackt wurde, kamen meine Kinder auf mich zu. Sie fanden das auch schlimm und haben mich ausgefragt. Ich habe gesagt, dass ich das leider auch nicht anders kenne. Mein Vater hat mich auch immer angebrüllt.
Da hat mein großer Sohn gefragt, warum ich denn nicht so bin? Warum ich mit ihnen so lieb rede und so. Meine Antwort: man kann sich entscheiden. Und ich möchte mit meinen Kindern nicht so umgehen und auch nicht so ein Mensch sein.

Ich denke, in den meisten Fällen hat man eine Wahl. Entweder macht man ohne hinterfragen das was man kennt, auch wenn es einem nicht gut tut oder man geht den, zugegebenermaßen, oft steinigen und schmerzhaften Weg und versucht das zu analysieren und zu verarbeiten, um dann anders handeln zu können.

Der Satz, den ich am meisten hasse: ich kann nicht anders, ich bin halt so…. Und ja, ich glaube tatsächlich auch, dass es für manche Menschen zu schmerzhaft wäre, sich mit einigen Sachen auseinanderzusetzen. Dass sie einfach nicht die Kraft dazu haben. Und das ist manchmal sehr schade, weil sie dadurch nicht ihren eigenen Weg gehen können.

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Ja, ich hab auch schon beobachtet, dass das oft so läuft. Z.B. eine Freundin von mir hat immer versucht, etwas ganz anderes zu machen als ihre Eltern, weil sie es so schlimm fand. Vor allem ihren Vater konnte sie nicht ab. Also machte sie genau das Gegenteil - er war Atheist, sie wurde extrem religiös, usw. Und sie erinnert mich immer mehr an ihn! Nur das sie Gegenteil macht, aber sie ist darin genauso extrem! Und da hast du ja auch eine Erklärung: Gegensätzliche Extreme, aber Extreme sind es halt. Ich glaube, dass ist oft so. Zumal - wenn man eine schlechte Kindheit hatte, dann fällt es auch schwerer, gelassen und ausgeglichen zu sein. Und wenn man dann bei der Kindererziehung so gelassen und ausgeglichen sein will, weil die Eltern streng und hysterisch waren, dann fällt einem das nicht so leicht.

Ausserdem wird ja auch einiges direkt genetisch vererbt. VIelleicht hat man ein ähnliches Temperament wie die Eltern, oder ähnliche Interessen. Dann ist es auch nicht so leicht, ganz anders zu werden.

Ein anderer Punkt ist natürlich. Es gibt auch Erwachsene, die hatten eine ganz doofe Kindheit, aber sie wollen das nicht wahrhaben und machen sich da etwas vor. Dann ist es auch nicht so einfach es anders zu machen.

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Das finde ich auch ein super spannendes Thema.
Ich glaube, es gibt Dinge bei meinen Eltern, da hab ich schon früh beobachtet, dass ich das so später für mich und meine Kinder nicht will. Aber- es gibt auch immer mal Situationen wo man sich selbst beobachten kann, und dann denkt, genauso wie meine Mutter früher. Bis zu einen gewissen Grad, kann man sich bestimmt selbst entscheiden, wie man etwas machen möchte, doch manchmal ist es dann schwer im Alltag oder unter Stress dann nicht doch so zu reagieren, wie man es halt selbst in der Erziehung kennengelernt hat.
Bei vielen Spielt wahrscheinlich auch, mindestens unbewusst eine Rolle, dass sie denken, mir hat es damals ja auch nicht geschadet. Dazu gibt es aber ganz viele tolle Beispiele, was unser Generationen vielleicht doch geschadet hat, und warum man dann später zb probleme in Beziehungen hat.

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Jeder Mensch kommt mit bestimmten Voraussetzungen (Temperament, Persönlichkeit, kognitives Potential) zur Welt, das sich in der Interaktion mit der Umwelt im Laufe des Lebens realisiert. In der individualistisch geprägten, westlichen Welt, hängt der Verlauf des eigenen Lebens in sehr hohem Massen von den eigenen Voraussetzungen ab. Diese können nun dazu führen, dass die eigene biographie ähnlich verläuft wie bei den Eltern - oder eben nicht. In anderen Ländern sind die eigenen Lebensumstände viel mehr durch äussere Umstände bestimmt, so wie das früher auch bei uns der Fall war. Da zählt dann mehr, welche Traditionen gelten, welcher Ethnie/Kaste man angehört ist, welcher Status die eigene Familie hat und solche Dinge.

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Charakter, weitere Sozialisation, unterschiedliche Erziehung, das alles sind mögliche Faktoren.

Auch Geschwister sind ja, trotz meist sehr gleicher oder ähnlicher Erziehung, unterschiedlich.

Fakt ist (wissenschaftlich belegt), dass viele Kinder erlernte Muster verinnerlichen und es ihnen schwer fällt, diese zu durchbrechen. Manchen fällt es leicht, den meisten aber nicht. Andere zu verurteilen, empfinde ich als etwas unfair. Dazu ist es zu komplex und doch individuell.

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Das ist Charaktersache, die einen sind stark genug aus alten Mustern auszubrechen, die anderen nicht.

Meine Mutter hat mir auch erzählt, wie schlimm sie es fand als Kind geschlagen zu werden und wie ungerecht das war, hat sie aber nicht davon abgehalten den Kochlöffel rauszuholen und mir den Hintern zu versohlen.

Ich schlage meine Kinder nicht. Punkt. Und ich werde auch nicht wie meine Mutter. Doppelpunkt :)

Meine Mutter ist so ein Sturkopf, wir kamen letztens auf das Thema wegen Kälber und Mutterkühen und da meinte sie echt, es wäre Blödsinn, dass Kühe jedes Jahr ein Kalb bekommen müssten, ihr Onkel (den sie nur in den Sommerferien gesehen hat) hatte ja auch Kühe und da waren auch keine Kälber und trotzdem hatten die Kühe Milch... Tja Muttern, warum waren da wohl keine Kälber.. es war sinnlos.. :D
Oder ihr Vortrag, dass die heutigen Eltern es sich zu leicht machen und die schlechten Ergebnisse der Kinder in der Schule eben damit zusammenhängen, weil die Eltern sich keine Zeit mehr nehmen, bei den Hausaufgaben zu kontrollieren.
Das von meiner Mutter... die ab der 3. Klasse nicht mehr geschaut hat, in der 4. Klasse musste ich mal eine Stunde früher kommen, um die fehlenden Hausaufgaben nachzuholen. Wohlgemerkt als HAUSFRAU... Aber von arbeitenden Eltern dann erwarten, dass die das machen, was sie selbst nicht hingekriegt hat.
Aber das war natürlich gaaaanz was anderes.
Oder zum Thema Mobbing, dass ist sooo schlimm heutzutage.. Mein Einwand, dass es damals schon schlimm war, wurde weggewischt. Das Mobbing bei mir damals wäre ja nicht so schlimm gewesen.. Ne klar, deswegen hatte ich mir ja nur schon eine Brücke ausgesucht, aber gut.. Gott sei Dank hat meine Oma gemerkt das was nicht stimmt und mit mir geredet. Sie hatte Verständnis und hat mir nur durch Reden geholfen. Während meine Mutter. als ich ihr vom Mobbing berichtet habe, nur meinte: Wer sich wie ein Opfer verhält, wird halt wie eins behandelt..... Danke für nichts.

Ich hoffe ich habe später mal so ein gutes Verthältnis zu meinen Kindern und hoffentlich Schwiegerkindern, wie meine Schwiegereltern. Die sind meine Vorbilder dafür. :) Genau so wie ich es mir immer vorgestellt habe. Man unternimmt als Familie was zusammen, ist füreinander da. Hilft einander. Wären mein Mann oder sein Bruder gemobbt worden, wäre meine Schwiegermutter in die Schule marschiert und hätte den Lehrern aber Dampf gemacht.

Der Weg raus aus meiner Unsicherheit und Ängsten musste ich auch alleine bewältigen. Arzttermine... mach dich gefälligst selbst aus, du bist alt genug. Das ich eben zuviel Angst hatte um auch nur meinen Personalausweis zu beantragen, war egal. Sie kam nicht mit. Ich hatte in der Aubildung dann eine super tolle Kollegin, die die Arbeit die meine Eltern hätten machen müssen (wobei mein Vater im 3 Schichtbetrieb gearbeitet hat und viel nicht mitbekommen hat (ich hab ihm das nie erzählt und meine Mutter wohl auch nicht,) er ist also schon etwas entschuldigt). Sie hat mir toll geholfen und als ich erst mein Selbstbewusstsein entdeckt hatte, dann fing mein Leben richtig schön an. Aber es ist hart und das schafft nicht jeder ohne Hilfe und nicht jeder ist stark genug sich Hilfe zu holen.

Heute wäre ich direkt beim ersten Mobbing beim Lehrer und würde mich wehren und es gar nicht so weit kommen lassen. Bei Suizidgedanken würde ich mir Hilfe suchen, damals hatte ich einfach zu viel Angst vor allem und die Personen, wie meine Mutter, die eigentlich ja da sein sollten zum helfen, haben es nicht gemacht. Daher habe ich es nicht geschafft, mich da alleine rauszukämpfen.
Und genauso geht es anderen eben auch. Ohne eine wahnsinnige innere Stärke oder viel Hilfe ist das kaum zu schaffen.

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Witzig (nee, eigentlich überhaupt nicht), den Spruch mit dem Mobbing hat meine Mutter bei meinem letzten Besuch auch gedrückt. Die war ja wirklich überzeugt, es wäre nicht so schlimm gewesen weil ich ja nie drüber geredet hätte.

Ja, Mama, während deiner Krebserkrankung hab ich tunlichst vermieden, dir noch mehr Sorgen zu bereiten. Undank ist jedoch der Welten Lohn, denn auch in den letzten 22 Jahren seit Heilung wird diese Scheiß Krankheit vor sich hergetrieben, als Entschuldigung für ALLES.

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Das ist eine gute Frage. Meine Theorie: vielleicht haben diejenigen, die dann bewusst ganz anders werden, neben den Eltern noch andere Familienmitglieder, die ein besseres Vorbild sind.

Meine Familienverhältnisse sind etwas kompliziert: Eltern haben sich zu Beginn der Grundschulzeit getrennt, bin dann in eine Pflegefamilie. Auch hier 2 Jahre später Trennung der Pflegeeltern und etwas später wurden dann mein Vater und meine Pflegemutter ein Paar. Das ist jetzt 30 Jahre her. Meine Eltern (Vater und Stiefmutter) sind grundverschieden. Mein Vater ist emotional, unpünktlich, euphorisch, sprunghaft (was Projekte und Ideen angeht), künstlerisch begabt, leidenschaftlich. Meine Mutter ist strukturiert, überpünktlich, eher nüchtern vom Typ her und lebt oft nach dem Motto "das hab ich schon immer so gemacht".

In manchen Dingen bin ich total gegensätzlich wie meine leiblichen Eltern. Ich kann mit Geld umgehen, lege Wert auf Pünktlichkeit, bin organisiert usw. Hab ich von meiner Stiefmutter übernommen. Von meinem Vater hab ich das emotionale, die Begeisterungsfähigkeit und die Flexibilät.

Mein "Glück" war, dass meine leiblichen Eltern beide geraucht haben damals. Fand das als Kind schon so eklig, dass ich in meinem 40järhigen Leben niemals selbst nur einen Zug probiert hab. Hatte also letztendlich was gutes.

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Genau, Rauchen und Trinken ist auch so ein Punkt. Manche junge Erwachsene rauchen und trinken mit den Eltern zusammen, andere rauchen und trinken weil oder obwohl die Eltern es nicht tun und wieder andere tun es auf keinen Fall weil die Eltern es tun. Ich verstehe es einfach nicht. Also was den Unterschied in der Erziehung macht, dass es für manche selbstverständlich ist und für andere ein No Go obwohl die Eltern das gleiche tun. Weißt du was ich meine.

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Super spannende Frage. Ich würde da am liebsten meine Bachelorarbeit drüber schreiben:D (psychologie) aber das ist dann doch etwas zu komplex und würde ewig dauern.
Meine Theorie (also rein subjektiv!) wäre, dass viele, die ähnlich werden wie ihre Eltern, entweder nichts aufgearbeitet haben (Gewalt physischer oder psychischer art/ geringe Wertschätzung/...) und deshalb alles weitergeben oder sie haben einfach nichts aufzuarbeiten weil sie einfach so glücklich sind (z.B. eine freundin die sehr strukturierte Eltern hat und selber eine gewisse ordnung braucht um glücklich zu sein).
Die die dann komplett anders werden versuchen vermutlich entweder ihre eigenen Erlebnisse zu kompensieren (bzw. Sogar bis zur überkompensation) weil sie das erlebte eben (sehr) schlecht fanden, oder sie haben eventuell schlechte sachen aufgearbeitet und möchten deshalb dinge anders machen (z.B
streng-autoritäre Erziehung führt dann zu eher Bedürfnissorientierter Erziehung).
Aber das sind natürlich alles nur Mutmaßungen. Vielleicht untersucht das ja mal jemand in der Forschung^-^

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Ich glaube das hängt auch einfach viel mit dem Charakter zusammen. Und warum die Eltern so waren wie sie waren.
Ich zum Beispiel Versuche um Gottes Willen nicht so zu werden wie meine Mutter. Es gibt da nur einige Probleme.
Meine Mutter hat wahrscheinlich ADHS (darf man ihr nicht erzählen... nimmt sie nicht ernst)
Ich habe es offenbar von ihr geerbt. Sie war sehr emotional. Nah am Wasser gebaut und in einer Millisekunde von Null auf 180.
Wurde handgreiflich, hat hysterisch geschrien etc. Konnte aber nicht mit unseren Emotionen umgehen und war sehr ungeduldig.
Was soll ich sagen: Ich weiß das. Ich weiß dass es nicht gut ist, aber ich komme auch schwer da raus.
Ich bemühe mich jeden Tag die Mutter zu sein, die ich gerne hätte. Aber es ist verdammt harte Arbeit. Man kann sich manchmal nicht einfach entscheiden. Es kann ein harter weg sein. Und nicht alle haben die Kraft dazu. Nicht alle sind bereit an sich zu arbeiten oder auch nur über ihren Tellerrand zu schauen.
Nicht alle können die Verbindung herstellen zwischen dem was in ihnen vorgeht und dem Einfluss ihrer Eltern.
Beispiel: Meine Mutter hat mir bei Hausaufgaben die Heftseiten rausgerissen wenn ich was durchgestrichen habe. Auch wenn es mit Lineal war. Was unsere Lehrer sogar gut fanden, denn aus Fehlern lernt man. Aber es war ihr zu unordentlich. Ich musste dann alles säuberlich mit Bleistift schreiben um es dann mit Füller nachzuschreiben damit auch ja kein Fehler passiert.
Hat übrigens nicht im entferntesten zu einer ordentlichen Heftführung später geführt.
Nun. Ich kämpfe jedesmal wenn meine Tochter etwas malt, etwas bastelt oder sonst was in der Richtung macht damit es sein zu lassen wie es ist. Ich habe enorme Probleme damit. Es tut fast weh es einfach sein zu lassen.