Opa im Heim, Schuldgefühle

Mein Opa lebt im Heim, er hat demenz mittlerweile Stadium 4 oder 5. Mich macht das irgendwie fertig, wenn ich ihn so im Bett liegen sehe. Er baut immer mehr ab, isst und trinkt kaum noch was. Vor 2 Wochen hat er mich noch erkannt, wenn man gehen will, will er mit. Das macht mich einfach so fertig alles. Beim letzten mal, vor einer Woche hat er nur geschlafen und nur kurz die Augen auf gehabt, ich weiss nicht ob er mit bekommen hat das ich da war. Ich habe jedes mal angst wenn ich ihn besuche, in welchem Zustand ist er? Hat er noch mehr abgebaut? Kann er noch sprechen? Erkennt er mich noch? Besuche ich ihn habe ich ein schlechtes Gewissen, besuche ich ihn nicht habe ich auch eins. Ich schaffe es nur einmal die Woche. Das ist doch gar nichts. Kennt jemand diese ganzen Gefühle? Wie geht man damit um?

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Ich finde einmal pro Woche völlig ok. Ob er dich beim nächsten Mal noch erkennt, kann ich dir leider auch nicht sagen, da die Krankheit fortschreitet, musst du wohl damit rechnen.

Was helfen kann: viele Demenzkranke erkennen ihre Angehörigen nicht mehr in dem Sinne, dass sie den Namen, das Verwandtschaftliche Verhältnis oder sonstige Details wissen. Oftmals sind aber die Gefühle für die Person noch intakt. Du bist also vielleicht eine Brücke, die deinen Großvater mit seinen Gefühlen verbindet.

Das ist schon ziemlich viel, wenn du mich fragst. Dass du dich der Begegnung stellst, bewundere ich sehr. Viele Bewohner in Pflegeheimen bekommen nie Besuch.

Ich jedenfalls ziehe den Hut vor dir!

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Hallo, das tut mir sehr leid für dich. So ist leider das Leben, wir sind eben nur eine begrenzte Zeit hier und irgendwann endet für jeden alles, auf welche Art auch immer. Finde einen weg für dich damit umzugehen, es wird noch viele weitere solcher Situationen geben. Religion, Sport, gute Freunde, positive Dinge im Leben, Kinder, essen, reisen, Ehrenamtliches Engagement im seniorenheim oder Hospiz hat mir sehr geholfen um mit so etwas besser umzugehen. Tod und Sterben wird in unserer Gesellschaft noch viel zu sehr tabuisiert und viele fühlen sich deshalb in diesen Situationen hilflos und überfordert

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Hallo, es tut mir leid, wie traurig dich das macht, deinen Opa so krank im Heim zu sehen. Ich habe selbst auch zwei nahe Angehörige mit Demenz gehabt, beide sind mittlerweile verstorben. Ich kenne das Gefühl, so traurig darüber zu sein, dass jemand, den man lieb hat, sich irgendwie aufzulösen scheint. Was hilft, ist, es anzunehmen wie es ist und nicht so dagegen anzukämpfen. Ich meine damit, dich darauf einzustellen, dass dein Opa früher oder später weiter abbauen wird, dass wahrscheinlich der Moment kommen wird, wo er dich nicht mehr erkennt. Aber dass das zum Leben dazu gehört, dass man irgendwann krank wird, und dass das aber nicht heißt, dass das Leben dieses geliebten Menschen als ganzes nicht gut war. Es heißt nicht einmal, dass es deinem Opa jetzt schlecht gehen muss, Demenz ist oft für die Familie schlimmer als für den Kranken selbst.

Dass dir die Krankheit deines Opas so nahe geht, zeigt, dass du mit ihm eine Herzensverbindung hast. Was mehr kann man sich wünschen, als dass wenn man alt wird, die eigenen Enkelkinder mit einem im Herzen verbunden sind? Auch wenn dein Opa nicht mehr alles versteht, so etwas spürt er, und das tut ihm sicher gut.

Fühl dich gedrückt!

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Ich fühle mit dir und ich kann mir gut vorstellen, wie es dir geht. Mein Papa ist relativ jung an Demenz erkrankt und vor wenigen Jahren gestorben.
Es ist der Lauf der Krankheit, dass das Gehirn mehr und mehr abbaut. Aber ich bin mir ganz sicher, dass dein Opa sich bis zuletzt über deine Besuche freuen wird, egal ob er dich noch erkennt oder nicht und auch dann, wenn er scheinbar teilnahmslos daliegt. Sie merken das und es ist gut.
Sei stark und begleite ihn weiter solange du kannst.

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Bedenke, dass man im Heim viel besser für ihn sorgen kann als in der Familie. Im Heim arbeiten ausgebildete Mitarbeiter in drei Schichten - die wissen, was sie tun müssen und müssen "nur" 8 Stunden am Tag da sein, nicht 24. Insofern kannst du dich schon mal etwas entspannen.

Schaue dir mal diese Short-Videos an, die zeigen typisches Verhalten und Umgang damit/ Workarounds. Damit fühlt man sich etwas sicherer.

https://www.youtube.com/@dementiasuccesspath2239

Vielleicht kannst du etwas mitbringen, durch das er dich erkennen könnte? Immer den gleichen (leichten) Schal tragen, die gleiche Begrüßungsformel, das gleiche (ihm bekannte) Parfüm?

Und ansonsten akzeptieren, dass er dich nicht immer erkennen wird oder nicht immer wissen wird, wann du das letzte Mal da warst oder was ihr besprochen oder gemacht habt. Da sein und Hand halten oder einfach nur da sein hilft auch.

Google mal Bettlägerigkeit. Da gibt es einiges, was man machen kann, damit der Betroffene geistig nicht so sehr abbaut. Sinne anregen mit Düften, z.B. frischem Kaffee, den man mitbringt, Blumen, Cremes, Ölen (nicht Duftölen unbedingt, aber z.B. diese Weleda-Öle). Man kann auch etwas wie Eau de Toilette auf ein Taschentuch geben und demjenigen zum "Zuppeln" geben. Dann hat er den Geruch in der Nase und erinnert sich vielleicht an einiges, wenn auch nur emotional.

Es gibt für Demenzpatienten einen sogenannten "Icho-Ball", den man mit bekannten Geräuschen bespielen kann. Leider ist der extrem teuer. Ich weiß nicht, ob man da über die Krankenkasse Zuschüsse beantragen kann. Sonst müsste man in der Familie fragen, wer etwas dazu geben möchte (online lese ich Preise von über 1000€). Der Ball hat den Vorteil, dass der Patient selbst damit umgehen kann und durch verschiedene Bewegungen immer neue Geräusche und Lichter erzeugen kann.

Bedenke auch, dass jede Minute, die du bist, potenziell wertvoll für deinen Opa sein kann. Vielleicht nimmt er ja mehr mit, als man von außen merkt. Vielleicht nimmt er ja deine Anwesenheit noch mit in seine Träume oder sie hellt seine Stimmung allg. an dem Tag noch auf. Wichtig ist nur, positiv und geduldig zu bleiben. Ich denke, dabei könnten die oben verlinkten Videos helfen. Sie zeigen auf, wie man sich auf die Welt des Betroffenen einlassen kann, statt immer zu versuchen, ihn in die "reale" Welt zu holen, was oft zu Frust auf beiden Seiten führen kann.

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Der innere Zwiespalt ist normal.
Man kann es nur akzeptieren wie es ist.
Im Heim bekommt er eine Versorgung, die zu Hause nur sehr schwer zu bewältigen wäre.

Aber du kannst versuchen ihm die Besuche zu etwas besonderem zu machen. Bring alte Fotoalben mit und schau sie mit ihm an. Hat er bestimmte Lieder gemocht? Spiel sie auf dem Handy ab. Das sind so Dinge auf die er reagieren könnte. Vielleicht nicht an dem Tag, aber am anderen. Ich würde es einfach immer wieder versuchen.
Wird er auch von anderen Verwandten und Freunden besucht? Wenn ja sprecht euch ab, damit sich die Besuche besser verteilen.

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Hallo,

auch ich kann nachvollziehen wie es dir geht und wie traurig doch das macht.

Mir ging es mit meinem Opa und meiner Lieblingsoma ebenfalls so.

Bei meinem Opa war noch das schlimme, dass er dann in der Vergangenheit gelebt hat und plötzlich Kriegstraumata aufgekommen sind. Er sehr verzweifelt um Hilfe gerufen hat. Das war für mich als gerade 18 jährige sehr erschreckend.

Bei meiner Oma habe ich mit ihr immer die Schallplatten gehört, die ich als Kind bei ihr gehört habe oder ich habe ihr Bücher von früher vorgelesen, den Gurkensalat gemacht, den sie immer gemacht hat. Sie konnte mich nicht mit Namen zuordnen, aber vom Gefühl her.

Diese Krankheit ist echt ein Arschloch, aber wenn du es akzeptieren kannst, dass ihr auf einer anderen Ebene Zugang findet, ist es leichter.

Auch diese Zeit ist wertvoll, versuche ihn weiter zu besuchen, wenn es für dich geht. Er nimmt ganz bestimmt etwas wahr. Und auch einen Menschen in diesem Prozess zu begleiten, ist zwar echt Heavy, aber irgendwie auch schön für die Bindung (ich hoffe, man versteht was ich meine).

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Einmal die Woche ist völlig ok.

Das ist teilweise immer noch mehr als andere Heimbewohner Besuch bekommen.

Die Oma meines Freundes hat schon teilweise blöde Sprüche bekommen, weil täglich kurz jemand da war. Wir haben sie extra im Heim bei uns im Ort untergebracht. Es ist ja nicht unser Problem, dass die anderen Kinder, die auch im selben Ort wohnen, eben nicht täglich vorbei kommen, oder noch nichtmal wöchentlich. Das war purer Neid.

Die Pflege haben sich gefreut, weil es sich auch entlastet hat. Meine Schwiegereltern sind immer zur Kaffeezeit gekommen und haben dann beim Essen geholfen, den anderen Bewohnern am Tisch auch mal einen Kaffee eingeschenkt und natürlich zugehört. Die Kinder waren natürlich auch immer gern gesehen, vor allem dann als unsere Kleine geboren war. Babys ziehen ältere Menschen magisch an :D.

Gegen Ende haben wir es dann auch auf alle 2 Tage geändert, weil sie auch (noch mehr)bösartig wurde und meine Schwiegermutter das schlecht ausgehalten hat. Da gab es dann auch bessere oder schlechtere Tage. Am Ende ist sie dann ganz plötzlich und unerwartet gestorben, ohne Anzeichen. Einfach im Schlaf.

Von daher, besuche deinen Opa, lass ihn spüren dass du da bist. Wenn er dich nicht erkennt, ist das auch nicht schlimm, das ist eben bei Demenz leider so. Rede einfach trotzdem mit ihm. Lies ihm was vor. Vielleicht hatte er früher mal ein Lieblingsbuch. Auch wenn er nicht darauf reagiert, bekommt er es wahrscheinlich mit.
Du musst dir keinen Vorwurf machen, es gibt nichts was du tun könntest, was seinen Zustand ändern oder verlangsamen wird. Er liegt schon im Sterben, es weiß nur niemand wie lange es noch dauert.
Versuch dir das klar zu machen und nutze die Zeit um dich zu verabschieden.

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Meine Oma hatte auch schwere Demenz. Sie verbrachte ihre letzten Jahre auch im Heim weil man sie nicht mehr alleine lassen konnte (sie wollte immer in der Nacht spazieren gehen und hat sich verirrt).
Besonders gut tat ihr alte Fotos anzuschauen und was zu fragen. "Schau mal Omi, ist das da nicht die Nachbarin vom oberen Hof gewesen? Oder vom unteren?"
Es ist erstaunlich was sie da noch alles zu erzählen wusste obwohl das teils über 60 Jahre her war.
Auch haben wir ihr das Heim so erklärt, dass sie auf Kur ist. Da hats ihr dadurch total gefallen wenn man sie gefragt hat wie die Kur so läuft und wie das Essen schmeckt.
Diese Gespräche haben wir ausnahmslos jedes Mal geführt und sie hat sich jedes Mal wohl gefühlt danach und hatte Freude beim erzählen.

Versuche es mal, bei uns brachte das große Erleichterung.
Übrigens hat sie mich schon lange nicht mehr erkannt zu dem Zeitpunkt obwohl wir in einem Haushalt gelebt haben 25 Jahre lang. Das macht aber nix, denn das vertraute Gefühl hatte sie trotzdem wenn sie mich gesehen hat, sie konnte es bloß nicht mehr einordnen.
Wahlweise war ich Tante Linde, die Nachbarin, ihre Schwiegermutter- Na und? Ihr das jedes Mal zu erklären hat ihr nur das Vergessen vor Augen geführt und das brachte Schmerz.
Wenn Sie Ihre Mama gesucht hat habe ich ihr gesagt, diese sei gerade im Kuhstall beim melken. Da war sie dann beruhigt.

Viel Erfolg! 🍀

Bearbeitet von Guppyfisch