Hallo zusammen,
Ich habe ein Anliegen, zu dem ich auf Erfahrungen hoffe. Vielleicht war ja schonmal jemand in der Situation und kann mir helfen/einen Rat geben.
Vorab würde ich gerne ein bisschen erzählen.
Meine Mutter und ich haben eigentlich ein richtig inniges Verhältnis gehabt. Sie war bei mir für horrorfilm-abende, um mal zu Hause raus zu kommen (habb noch eine 9 jährige Schwester und meine Oma + Tante wohnen im gleichen Haus, andere wohnungen), wenn ihr alles zu viel wird.
Sie musste in den fast 6 Jahren in denen sie jetzt Oma ist nur einmal auf die Kinder aufpassen, als meine jüngste geboren wurde. Wenn sie Geld gebraucht hat, hat sie es bekommen. Wenn sie etwas anderes gebraucht/gewollt hat hab ich ihr die günstigsten Angebote rausgesucht, teilweise ihr die Sachen geschenkt. Wir haben alle paar Tage telefoniert, sie konnte sich immer auskotzen, genauso konnte ich mich bei ihr auskotzen. Telefonate unter 2h waren eine Seltenheit, aber es hat niemanden gestört.
Alles ging an sich zu ändern, als ich den Kontakt zu meiner Oma (ihrer mutter) abgebrochen habe. Meine Oma hat jahrelang zugesehen, wie meine Mutter und ihre Geschwister misshandelt und missbraucht wurden vom Mann, nie was gemacht. "Damals hat man sich nicht einfach getrennt" und dann kommen im gleichen Atemzug so Sätze wie " das war schon eine schöne zeit damals". Der Mann (Vater meiner mutter) hat sie dann für eine andere verlassen, mit der nochmal paar kinder bekommen und kam letzten Endes ins Gefängnis wegen Missbrauch und Misshandlung. Den Vogel abgeschossen hat die Situation, dass mein Sohn nicht still sitzen wollte, und sie ihn so gekniffen hat, dass er geweint hat, da war er 8 Monate alt, und das nachdem sie gesagt hat er soll aufessen, obwohl er sich schon erbrochen hatte vor lauter essen.
Jedenfalls scheint meine Mutter seitdem beleidigt zu sein, dass ich die Oma nicht mehr besuche mit den Kindern, "ist doch Familie und die Oma ist halt eine andere Generation, da hat man das halt so gemacht".
Wenn ich mit ihr telefonieren will rufe ich teilweise 4-5mal an und werde zur Mailbox geleitet. Wenn es was wichtiges ist muss ich mittlerweile meinem Bruder schreiben, dass er der Mutter xy sagen soll. Zu Besuch kommt sie gar nicht mehr, wenn wir mal telefonieren habe ich das Gefühl sie redet nur von der Oma, wie sehr die Oma doch die Kinder vermisst usw. Wenn sie einmal alle paar Monate vorbeikommt und ihr Handy klingelt geht sie sofort ran, ich muss mehrmals anrufen und bekomme dann nicht mal eine Nachricht von wegen "ich kann grade nicht" oder "ich rufe dich zurück."
Treffen werden im letzten Moment abgesagt oder zb um 4 ruft sie an sie hat migräne und kommt nicht, obwohl wir uns um 1 treffen wollten.
Die ersten Male dachte ich immer es wäre was passiert, untypisch, dass ich so oft anrufen muss und sie nicht mal drangeht. Mittlerweile habe ich nicht mal mehr Lust anzurufen.
Neulich wollten wir alle zusammen zum europapark. Sie sagt sie kann nicht, sie hat so migräne. Später hat sie Bilder im Status wie sie mit meinem Bruder und ihrer Freundin im europapark ist. Lauter solche beispiele
Jedenfalls tut es weh. Es tut so weh immer ignoriert zu werden, es tut weh wenn die Kinder nach der Oma fragen und ich sagen muss, dass Oma jetzt doch nicht kommt. Jedes mal die Kinder "auffangen" zu müssen wenn sie weinen weil sie Oma vermissen. Ich vermisse sie schrecklich, habe aber auch keine Lust auf sie zu zugehen, weil sie eh dann nur am Handy hängt.
Mehrere Versuche es zu klären haben nichts gebracht und ich bin die ständigen Enttäuschungen leid.
Darum wollte ich mal fragen, wie man sich distanziert. Ich schaffe es einfach nicht. Ich habe jeden Tag Hoffnung, ich werde ständig enttäuscht und ständig könnte ich heulen. Und ich will das nicht mehr. Ich bin aber irgendwie auch zu doof, das zu ändern, zu doof mich zu distanzieren.
Vielleicht weiß ja jemand von euch einen Rat oder hat Tipps.
Danke schonmal und tut mir leid, fürs vollheulen.
Liebe Grüße
Wie schafft man, emotionale Distanz zu einem Elternteil zu bekommen?
Liebe Traurigetochter,
Wie schafft man es sich zu distanzieren?
Indem man erkennt, wie faulig und desolat über Generationen das System "Familie " unter allen Umständen aufrechterhalten wird und man dieses kranke System nicht mehr aufrechterhalten möchte.
Du hast es erfasst und mit deinem Verhalten den Absprung vom Karussell gewagt.
Das ist mutig und wird deinen Kindern ermöglichen gesunde Strukturen zu erleben.
Alle anderen möchten sich weiter im Kreis drehen.
Es ist immer einfacher sich den Wahrheiten nicht zu stellen und zu entschuldigen und relativieren.
Das führt aber zu keiner Veränderung und es wird im schlimmsten Fall von Generation zu Generation weiter gegeben.
Du hast die Kraft und Stärke das zu durchbrechen.
Bleib bei deinem Kurs und halte dir vor Augen,das du es für dich und deine Kinder machst und mit der Zeit wird es einfacher.
Fülle deine Zeit mit Hobbys und Sport und bestimmt wachsen daraus neue Freundschaften oder Bekanntschaften.
Alles Gute dabei
Dass du nicht so einfach loslassen kannst, finde ich bei diesem schweren Familienthema wirklich normal.
Da zieht sich ja etwas durch die Generationen. Und du hast nun ein Tabu gebrochen: Konsequenzen gezogen.
In deiner Familie mit dem Missbrauchsthema geht es ja um Loyalitäten und Weggucken oder Hinsehen, und im Grunde übernimmst du etwas, das deine Mutter ebenso hätte machen können. Sie ist das Opfer. Sie hat aber den Kontakt behalten und anscheinend nichts aufgearbeitet. Vermutlich gibt es noch viel mehr Folgen ihres Missbrauchs, auch in ihrem Verhalten zu dir.
Den Anfang deiner Schilderung verstehe ich nicht : Horrorfilm? Was ich rauslese:
Dass deine Mutter evtl. in die Freundinnenrolle bei dir geschlüpft ist und dir zu viel Wissen und Verantwortung zugemutet hat? Ohne es böse zu meinen.
Du kannst für dich und vor allem für deine Kinder in dir Klarheit schaffen: Was läuft da zwischen euch, warum verhält sich deine Mutter so, warum die Oma?
Du übernimmst ja sozusagen den Schmerz der Ablösung und merkst, warum es deiner Mutter nicht möglich war. Du rührst aber auch an ihrem Tabu.
Kannst du dir vorstellen, diese Familiengeschichte therapeutisch aufzuarbeiten? Ich würde dir aber jemanden mit Erfahrung oder besser Spezialisierung zu Missbrauch empfehlen. Du brauchst echte Kompetenz.
Gerne würd ich dir auch Familienaufstellungen empfehlen. Ich habe viel dadurch verstanden. Aber da treibt sich auch eine Menge Inkompetenz auf dem Markt rum. Und das kann vieles verschlimmern. Ich würde dir empfehlen, erstmal den ersten Schritt zu machen, dir (spezialisierte) therapeutische Hilfe zu suchen und viel dazu selbst zu lesen und zu recherchieren. Von einem sehr erfahrenen Therapeuten/ einer erfahrenen Therapeutin kommst du auch zu weiteren sehr guten Angeboten wie Familienaufstellungen/ Selbsthilfegruppen o. ä.. Hoffe, du kannst dich durchbeißen durch Recherche, eventuell mit der Hilfe einer Beratungsstelle in deiner Nähe, die dir Experten empfehlen können. Es lohnt sich bestimmt, sich auf den Weg zu machen. Alles Gute!
Hey Traurigetochter!
Ich bin in einer ähnlichen Situation.
Deine Haltung finde ich gut. Deine Oma scheint ihre eigenen Kinder nicht geschützt zu haben und wird auch gegenüber dem Urenkel gewalttätig. Also würde ich mein Kind nun auch von ihr fern halten.
Es ist ganz grässlich, was dein Opa den Kindern angetan hat und es mit nichts zu entschuldigen. In meiner Familie gehörte Gewalt auch mit dazu- "früher war es so" kenne ich als Argument meiner Mutter. Aber auch früher gab es Menschen, die Gewalt verurteilten, auch wenn sie rechtlich erlaubt war. Es spricht deine Oma also nicht davon frei.
Und Missbrauch war ohnehin nie in Ordnung.
Ich würde meine Mutter nun in Frieden lassen. Ist sie vielleicht emotional abhängig von deiner Oma? So eine Art Stockholmsyndrom? Oder war sie auch vom Missbrauch betroffen und spürt durch deine Haltung, dass es doch nicht "einfach so" war? Kann ich nicht beurteilen, aber es ist auf jeden Fall gut, dass du dein Kind dort rausziehst. Ich hätte auch Angst vor Menschen, die die Gewalt weitergeben, die sie selbst erlebt und nicht aufgearbeitet haben. Oft werden die Opfer von Missbrauch leider selbst zu Tätern.
Die Argumentation deiner Mutter gerät übrigens dadurch ins Wanken, wenn deine Oma heute (!) ihren Enkel kneift. Denn laut deiner Mutter tat sie das ja früher, als es halt so war. Deine Oma sollte also nun wissen, dass Gewalt in jedem Fall strafbar ist, was sie aber auch nicht von den Handlungen abhält.
Liebe Grüße
Schoko
Hallo,
ich kann deinen Kummer verstehen. Emotionale Distanz ist mir in den letzten 37 Jahren nicht gelungen, weil es die Eltern sind, die leider viel zu häufig über unser Selbstwertgefühl bestimmen.
Einige haben schon geschrieben, dass die Zwänge innerhalb von Familien fürchterlich sind. Das ist hier auch ein häufiges Thema. Du kannst nur die räumliche Distanz suchen, solange du sie benötigst. Dann tut es nicht so weh.
Das Argument andere Zeiten entbindet nicht von der moralischen Pflicht nachzudenken, ob alles so richtig ist. Wenn deine Mutter selbst traumatische Erlebnisse hat, so kommt es vor, dass Opfer manchmal denken, dass sie sich nicht wehren durften und etwas tun konnten, also dürfen es andere auch nicht tun. Das ist aber ausschließlich die Sichtweise deiner Mutter.
Niemand kann dich zwingen, mit deiner Oma zu reden, gerade wenn Gewalt im Spiel ist, aber auch sonst nicht. Wenn deine Mutter nicht damit leben kann, dass du mit deiner Oma keinen Kontakt wünscht, so ist es ihr Problem. Du wirst deine Mutter nicht ändern können, das kann sie nur selbst. Vielleicht legt sich das auch in ein paar Jahren, dass sie doch noch einmal über ihre Mutter nachdenkt. Das Argument andere Zeiten hält oft dafür her, wenn es sonst keine Argumente gibt oder man sich mit einem bestimmten Verhalten nicht auseinandersetzen muss.
V.G. Golfmouse
Das ist alles sehr traurig! Bei meiner Mutter hat geholfen, dass ich sie nur noch als Bekannte gesehen habe. Ich hatte keine Erwartungen mehr, sie musste mich auch nicht lieben. Damit ging es mir dann etwas besser.
Aber irgendwann habe ich mich immer öfter gefragt, warum ich mich von einer "Bekannten" so mies behandeln lasse.....würde ich doch mit keinem anderen Menschen machen. Ich habe mich dann einfach nicht mehr gemeldet und es war vorbei. Ist jetzt 11 Jahre her und ein kleiner Stachel ist immer noch da, aber es ist auf jeden Fall 1000 mal besser als mit dieser Person weiterhin zu verkehren.
Deine Mutter kann dir auf deinem Pfad gerade nicht folgen. Vielleicht auch nie. Täte sie es, würde ihr komplettes System wie ein Kartenhaus kollabieren.
Sie hat metertief begraben, was ihr als Kind passiert ist und dass ihre eigene Mutter sie nicht geschützt hat. Alle leeren eimerweise Verklärung über dieses Thema. Das hält das System stabil. Lieber geht sie gegen dich, der das System ins wanken bringt, als sich mit den Vorfällen zu befassen.
Es ist ihre Art mit dem erlebten umzugehen. Und sie schützt sich ein Stück weit auch so.
Leicht gesagt, schwer gemacht.
Lass das Seil los.
Ich würde ihr glaub folgendes mal sagen.
"Ich liebe dich.
Die Tür ist offen. Immer.
Für dich.
Auch ohne dass man über diesen Themenblock redet."
Und dann schau ob sie das irgendwann kann und kommt. Oder ob sie ihr System so stark stabilisieren muss dass sie mit dir als es zerlegende Kraft nicht mehr kann.
Für dich ist wichtig: es geht nicht um dich. Du hast nur den absolut wunden Punkt empfindlich getroffen.