Ich bin der Gesellschaft müde.

Hallo alle,

ich habe meinen Text - eine Antwort auf einen Beitrag weiter unten -, doch noch mal zum Anlass genommen, einen eigenen Thread zu eröffnen. Irgendwie würde mich interessieren, ob es noch mehr Menschen gibt, die meine Eindrücke/Haltung teilen:

Wenn ich von mir ausgehe:
Es gab Zeiten, da war ich gesellig und aufgeschlossen. Inzwischen habe ich erkannt, wie ein großer Teil der Menschen drauf ist - Corona hat es sehr eindrücklich gezeigt. Im Zweifel bist du allen egal, dann zählt nur der Egoismus. Stichwort Klopapier und Nudeln. Ich fand das eine entsetzliche Erkenntnis.
Das hat bei mir Spuren hinterlassen.

Dazu auch jahrelanges funktionieren, eigene Bedürfnisse hinten anstellen..wie das halt so ist im Leben.
Jetzt kommt hinzu, ich habe die 50 überschritten und ich durchschaue einfach alles. Das ganze Blabla..die Gesellschaft ist so oberflächlich, die Kollegen alle frustriert...jeder kreiselt um sich selbst, hektisch, laut...
..Auch so ein totaler Quatsch, was sich alles auf Social Media präsentiert. Ich finde die Leute degenerieren alle so.
Ich bin das so satt oftmals.

Ich habe jetzt bewusst meinen Freundeskreis minimiert, weil mich alle so anstrengen. Abends ausgehen etc. mache ich bewusst nur noch alle paar Wochen. Ich konzentriere mich auf die Zeit mit meinem Partner und meine Kinder, denn Familie ist mir wichtig. Aber ansonsten - ganz ehrlich: Bis auf ein, zwei Freundinnen können mich inzwischen alle mal hinten rum heben. Ich kann Menschen echt nur noch dosiert ertragen.
Früher war es mir wichtig, anzukommen, gemocht zu werden. Inzwischen habe ich gar keine Lust mehr, mir Mühe zu geben. Treffe ich auf andere Menschen oder lerne durch Umstände neue Leute kennen (was öfter vorkommt), dann bin ich freundlich und verbindlich, aber innerlich hänge ich mich null rein. Manchmal entwickelt sich tatsächlich eine Verbindung, weil man irgendwie ähnlich tickt. Das freut mich dann sehr. Aber in den allermeisten Fällen ticken die Menschen komplett anders als ich. Haben andere Werte, anderen Lifestyle und die Themen sind mir oftmals echt zu doof.
Nur heute bin ich endlich in der Lage, da los zulassen. das befreit mich sehr. Macht aber natürlich auch ein Stück "einsam".

Nein, ich habe keine Depression oder sowas. Ich bin sehr fröhlich, wirklich aufrichtig fröhlich und ich habe viele tolle Hobbys. Aber Menschen brauche ich keine.

Das ist jetzt nur sehr knapp zusammengefasst. Aber es spiegelt in etwa wieder, wie ich mich in den letzten...sagen wir mal 10 Jahren verändert habe. Wie gesagt, da spielen mehrere Faktoren eine große Rolle. Aber insgesamt empfinde ich die Entwicklung der Gesellschaft fragwürdig und ich persönlich kann mich - je älter ich werde-, immer weniger damit identifizieren.

Vielleicht kann ja der eine oder andere meine Gedanken nachvollziehen.

Danke, grüße!

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Ich denke, auch da kommt es ganz stark darauf an, wie und wo man hin schaut.

Ja, ich kenne die Beispiele, die du aufzählst, aber ich lasse nicht zu, dass das meinen Blick auf das Gegenteil verklärt: auf die zahlreichen guten Dinge, die Menschen jeden Tag füreinander tun. Auf die Selbstlosigkeit, Nächstenliebe, Gutmütigkeit, Füreinander-Einstehen, auf Toleranz...

Ja, das kommt ein bisschen darauf an, wo man hin schaut. Aber das beeinflusst man ja selbst - wo man hin schaut ☺️

Mir jedenfalls kommen oft genug Alltagssituationen unter, welche mir das Herz öffnen, um nicht negativ zu werden.

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Hallo JaneDoe,

da gebe ich dir recht - ich möchte da auch gar nicht in einer Negativ - Spirale versinken. Ich tue da schon auch viel, um weiterhin positiv zu sein. Bin ich auch - wenn ich den Umgang mit meinen Mitmenschen etwas nachjustiere.

Ich habe neben dem gefühlt zunehmenden, "schwachsinnigen" verhalten der Menschen allerdings auch viele tolle und sehr bewegende Momente erlebt, die mir oftmals zeigten, wie viel Mitgefühl auch fremde Menschen mit mir haben. Ich selbst gebe das auch gerne weiter. Ich glaube da durchaus an Karma.

Aber Menschen wie ich, die viel und gerne geben, reiben sich dieser Tage auch schnell auf. Deshalb ist es für mich zunehmend wichtig, mich abzugrenzen und mich eben nicht mehr zu sehr "reinzuhängen". Und das schreibe ich durchaus der gesellschaftlichen Entwicklung zu.

LG

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Ich kann alles was du schreibst genau so unterschreiben , könnte von mir kommen. Ich bin erst 29 aber genau so fühle und denke ich. Vielleicht auch weil ich seit Jahren im Verkauf arbeite und mir dadurch immer mehr bewusst geworden ist, wie unglaublich anstrengend Menschen sind und wie wichtig sie sich selbst nehmen. Ich unternehme nur noch etwas mit meinem Partner / Familie wo ich mich auch 100% wohl fühle ohne blödes Geschwätz. Auf alles andere hab ich keinen Nerv mehr. Ich konnte vor 10 Jahren viel mehr aushalten aber jetzt merke ich auch das ich sehr schnell Reiz überflutet bin und oft meine Ruhe brauche. Lg

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Hallo Leatu,

das Gefühl des ausgebranntseins ist mir bekannt. Ich habe in der Vergangenheit ebenso viel Kundenkontakt gehabt, allerdings war das zu einer Zeit, wo die Gesellschaft vielleicht nicht ganz so egoistisch und schräg drauf war. Mag aber nur subjektiv sein, ich war auch eine Ecke jünger. Da tragen sich schwierige Situationen eventuell noch leichter.

Ich finde dich mit 29 eigentlich noch etwas jung, um schon so desillusioniert zu sein. Aber das macht wohl die Zeit mit uns allen, unabhängig vom Alter....schön aber, dass du ein liebes Umfeld hast, dass dich auffängt!

LG

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Ich arbeite auch im Verkauf und finde auch, dass es echt anstrengender geworden ist (bin 33).

Allerdings gibt es auch richtig oft Situationen, wo ich echt überrascht bin, dass Menschen so freundlich und hilfsbereit sind.

Und ich selbst versuche auch immer freundlich zu sein, was oft sofort ne Wirkung erzielt.

Ich hoffe, dass sich in der Gesellschaft bald wieder andere Werte durchsetzen und wir vom Egoismus und Unzufriedenheit weg kommen. Nur vom drüber jammern wird’s ja nicht besser.

Ich unternehme trotzdem gerne was und mag meine Bubble 😂

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Hallo esistjuli,

ja, ich glaube da an Karma und gebe gerne positive Vibes zurück oder streue sie überhaupt in die Welt. Aber das gelingt mir dauerhaft nur, wenn ich mich abgrenze, da ich mit zunehmendem Alter einfach nicht mehr die Power habe, alle Animositäten meiner Umwelt abzufangen. Und ich möchte das auch gar nicht (mehr).

Mich hat einiges ernüchtert in den vergangenen Jahren. Im privaten Bereich genauso, wie im Gesellschaftlichen. Da macht man sich dann irgendwann so seine Gedanken. Und dann stellt man fest: Brauch ich nicht mehr.

Auch vermeintliche Freundschaften, die schon lange halten,..wenn man die beleuchtet, so richtig ehrlich und nüchtern - da habe ich doch bei einigen festgestellt, dass der Freundschaftsgedanke reichlich einseitig empfunden wurde (von mir) und die Menschen eigentlich bestenfalls Bekannte sind. Im Grunde ist man ihnen gar nicht so arg wichtig. Das ist ok, aber davon trenne ich mich jetzt bzw benehme mich eine gute Portion unverbindlicher.

Ich mag meine neue Bubble auch sehr gerne ;-)

LG

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Da hast du sicher auch nicht unrecht.

Mich macht manches auch traurig oder ich hab das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen (merkt man ja sogar manchmal hier im Forum, grade wenns um „feministische“ Themen geht… das deprimiert mich tatsächlich oft und manchmal kann ich manche Diskussionen dann auch nicht mehr weiter verfolgen, weils mir Angst macht, wie diese Gesellschaft teilweise so drauf ist).

Aber noch bin ich motiviert, dass es im Großen und Ganzen viel bringt, wenn man mit gutem Beispiel voran geht 😅 und auch gute Bekannte geben meinem Leben einen Mehrwert^^

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Ich werde jetzt für meine Antwort hier vermutlich dermaßen gehatet werden. Ich sage Sie trotzdem :-)

Ja, ich stimme Dir zu 1000% zu. Egal wo man hingeht, jeder ist nur noch darauf bedacht ICH, ICH und dann nochmal ICH.

Die geringste Forderung an Rücksichtsnahme wird direkt gekontert weil irgendjemand seine Bedürfnisse und Gefühle nicht gewahrt sieht.

Akutelles Beispiel: Einer der letzten Feiertage, einer der Tage der letzten 6 Monate, wo es bei uns nicht geregnet hat. Einer der Tage, an denen man mal gemütlich im Garten hätte sitzen können. Da schmeißt eine Nachbarin den Hochdruckreiniger an. Auf die Bitte, das doch an einem anderen Tag zu machen, weil schließlich Feiertag ist, wird man aufs Übelste beschimpft. Kurze Anmerkung: Die Dame ist hauptberuflich arbeitslos und kann an jedem x-belieben Tag draußen arbeiten.

Dann arbeite ich hauptsächlich mit jungen Menschen zusammen. Es gibt Tage da komme ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Da kommen Fragen oder Kommentare, da fehlen mir manchmal die Worte. Auch wie mit anderen Menschen umgegangen wird. Und das von einer Generation, die doch soviel Wert darauf legt, tolerant zu sein. Von einer Generation, die Tage damit verbringt die deusche Sprache zu verunstalten, damit auch sich jeder, der sich als eine Mischung aus Hund und Pinguin identifiziert, mit dem richtigen Pronomen angesprochen fühlt. :-( Aber Toleranz dafür aufzubringen, wenn ein Vater wegen Krankheit eines Kindes für 3 Tage ausfällt, das liegt im Bereich des Unmöglichen.

Und dann mein schönes Gegenbeispiel gerade gestern erlebt. Ich bin in einem Verein Mitglied bei dem das gefühlte Durchschnittsalter der Mitglieder bei +/- 80 Jahren liegt. Alle sind freundlich, alle sind nett, alle haben das Gemeinwohl im Auge, alle sind hilfsbereit und alle konzentrieren sich auf das Wesentliche. Und das von einer Generation, die kein Familienbett hatte, die nicht bedürfnis orientiert erzogen wurde und die einfach nur männlich oder weiblich sind und nicht vom Planeten Alphacentauri kommen und mir Ihre Außerirdichkeit angesprochen werden wollen.

Long story short: Überlege Dir mal ernsthaft, Dich vielleicht mit älteren Menschen zu umgeben. Es ist soviel einfacher, so viel entspannter und auch so viel ehrlicher. Die Älteren haben alles hinter sich. Sie müssen nicht mehr höher, weiter, schneller und sie müssen nicht mehr die Ellbogen benutzen um alles um sich herum aus dem Weg zu schubbsen :-)

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Ich finde das total interessant, dass Du das Zusammensein mit älteren Menschen ansprichst. Denn genau das ist es, was ich mein Lebtag fühlte. Ich war und bin viel lieber mit Älteren als mit gleichaltrigen zusammen, und mit jüngeren schon mal gar nicht.

Die Älteren, das sind die Menschen, die noch Demut im Leben kennen und denen nicht alles in den Schoß geworfen wurde. Ich meine, unsere heutige Gesellschaft ist das Produkt des Wohlstandes.

Ich brauch das auch alles nicht, allerdings geht es mir mein ganzes Leben schon so. Zur Zeit habe ich das Gefühl, wir sind alle nur noch überreizt, und dass wir psychisch alle einen weg haben, ist kein Wunder.

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Hallo Tiffysb,

ja, die nachrückende Generation tickt schon anders. Und in Teilen gebe ich dir recht, dass die neue - wie heißt das? Wokeness? - echt anstrengend ist.
Ich versuche mich da stets zu hinterfragen, denn ich möchte nicht in die Schiene einer Altvorderen verfallen, die "früher war alles besser" propagiert. Das finde ich oll und gestrig.

Aber mit der Neuen Welt, dem Gendergedöns, Geschlechteridentitätsdiskussionen, Selbstbestimmungsgesetz...hach ja. Ist alles gut und schön, aber ich komme da nicht richtig mit. Macht auch nix. Jeder soll wie er kann.

Aber das ist eine Sache. Die andere Sache ist - und das stößt mir wirklich auf -, dass man nicht mehr wirklich seine Meinung sagen kann. Also kannst du natürlich, aber du musst damit rechnen, irgendwie Repressalien zu bekommen und wenn es nur in einen unsachlichen Diskurs ausufert, der dich - na klar! - in die rechte Ecke stellt.
Das war früher definitiv anders! Da wurde deftig diskutiert und meistens kam man ja auf einen Nenner.

Mir fällt das in den letzten Jahren - eigentlich seid Corona - auf, dass selbst im Freundeskreis heikle Themen nur noch hinter vorgehaltener Hand angesprochen werden. Ein offener Diskurs endet regelmäßig in Streit oder dicker Luft. Ich habe lediglich eine handvoll Leute, wo ich wirklich offen sein kann und umgekehrt. Das gabs so noch nie. Da bin ich mir sicher. Das sind alles Entwicklungen, die stimmen mich nachdenklich und veranlassen mich durchaus dazu, Menschen im weitesten Sinne zu meiden.

Ich gebe dir recht, ältere Menschen sind wirklich gelassener. Wirken zumindest so. Aber wahrscheinlich sind sie auch einfach nur müde angesichts dieser teils hanebüchenen Entwicklungen.....

LG

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Wir sind im selber Alter, ich habe mich ähnlich in den letzten Jahren entwickelt, allerdings sehe ich das überhaupt nicht negativ. Für mich persönlich habe ich einfach das nächste "Lebenslevel" erreicht....frei von so ziemlich allem, wovon man dachte, das es doch "lebenswichtig" ist. Das sind einfach alles nicht mehr meine Kämpfe.

Eine Gesellschaft ist immer im Wandel, das war schon immer so, ansonsten würde sie vor die Hunde gehen. Und natürlich bedeutet das nicht, das sie sich so verändert, wie ich es mir wünschen würde....das würde ja schon an ein fast perfektes Leben grenzen....also utopisch.

Corona war für mich wie ein leichter Fingerschnipp an unserer aller Bubble.....schon beeindruckend. Aber meine Eltern hatten mich darauf vorbereitet, das so vieles von ihren Gedanken und Erzählungen (zu anderen Situationen) eintreten wird....puh, erstaunlich. Und wenn wir ehrlich sind, dann war diese Pandemie noch nix dolles, was eine Gesellschaft so in die Enge treiben könnte.

Bist du dir sicher, das du Einsamkeit meinst? Schlußendlich hast du dein Leben "aufgeräumt", also Platz für neue Dinge geschaffen...dieser Platz will eben auch wieder (nur anders) gefüllt werden.

Kurzum, ich finde meine Veränderung geil....diese innerliche Gelassenheit ist für mich ein großer Gewinn. Die anderen sollen doch anders ticken, ich ticke, wie ich es will.

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Hallo Butterstulle,

ein sehr interessanter Beitrag von dir! Deine Sichtweise deckt sich mit meiner und ich bin aufrichtig froh, dass ich hier bei Urbia doch so viele Menschen finde, die meine Gedanken teilen. Das erleichtert mich sehr.

Stimmt, ich habe die letzten Jahre aufgeräumt, ich glaube, dass trifft es perfekt. Einsam bin ich auch nicht, aber ich habe aufgeräumt, dass hast du gut gesagt! Denn tatsächlich habe ich mich in Teilen neuen Dingen und Beschäftigungen zugewandt. Sehr erfüllende Dinge sind das, die mich sehr glücklich machen. Witzigerweise wäre früher dafür kein Raum gewesen, aber nun, da ich einigen Ballast entsorgt habe, sind plötzlich Ecken für Dinge frei geworden, das hätte ich nie gedacht. Als wäre es jetzt an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden, um Platz für Neues zu schaffen.

Die zunehmende innere Gelassenheit empfinde ich auch immer mehr als großen Gewinn! Und ich bin mit meiner Entwicklung tatsächlich sehr zufrieden. Das stimmt mich froh, hatte ich zwischendurch Zweifel, ob ich nicht falsch abgebogen bin...

LG

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Dein Text könnte 1:1 von mir sein und am erstaunlichsten ist, dass ich 5 Minuten bevor ich hier gelesen hab, noch die gleichen Gedanken hatte über meine Mitmenschen als ich nämlich meinen gestrigen Arbeitstag reflektiert habe und wie schon mehrfach wieder zum Ergebnis kam, dass mir so manch einer mal den Buckel runterrutschen kann. Und ja, das hat bei mir auf jeden Fall auch mit den Corona Jahren zu tun. Damit, wie ich die Gesellschaft allgemein und konkret Menschen aus meinem Umfeld wahrgenommen habe und wie mit uns Angestellten in meinem Unternehmen umgegangen wurde. Dazu kommt, dass ich vor 15 Monaten selbst an Corona erkrankt war, seitdem eine long-Covid-Diagnose habe, weil ich nicht nur weiterhin körperliche sondern auch mentale Einschränkungen habe wie z.B. brainfog und Konzentrationsstörungen. Das hat bei mir dazu geführt, dass mir Dinge, für die ich vorher gekämpft hätte oder die ich zwingend geklärt hätte, heute egal sind. Mir ist auch größtenteils egal, was Menschen, mit denen ich zwangsläufig Zeit verbringen muss (hauptsächlich bei der Arbeit) von mir denken. Ich glaube, es liegt auch an meinem Alter (58), dass ich mittlerweile Prioritäten im zwischenmenschlichen Bereich anders setze. Ich bin viel gelassener geworden, denke über Kränkungen und Enttäuschungen nicht mehr viel nach und konzentriere mich auf meine Kernfamilie, das sind mein Mann, unsere Kinder mit Anhang, meine Mutter und mein Bruder. Mein Mann und ich haben sogar dauerhaft den Kontakt abgebrochen zu Coronaleugnern, aggressiven Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern aus unseren Familien und Bekanntenkreis. Wir sind aber nicht (mehr) unglücklich darüber sondern mittlerweile längst erleichtert nicht mehr versuchen zu müssen, auch mit diesen Menschen klarzukommen und froh über jede Diskussion, die uns erspart geblieben ist. Es sind halt ein paar "echte" Freunde und Bekannte übriggeblieben, völlig ausreichend für uns. Das sind Menschen, die wir als zuverlässig und normal geerdet empfinden. Mir wird manchmal Angst und Bange wohin es unser Land in Zukunft führen wird, wenn ich die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Strömungen sehe. Diese vielen Influencer und Dschungelcamper, Politiker ohne Herz und Verstand, Arbeitsverdichtung, Fachkräftemangel ... dazu noch die kaputte Infrastruktur, Straßen, Brücken, Bahn fährt nicht ... ich könnte wohl noch stundenlang weiterschreiben aber das würde den Rahmen hier sprengen, deshalb zum Schluss nochmal 100 % Bestätigung von mir zu deinen Gedanken und liebe Grüße!

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Hallo Bin.dabei,

ja, es sind eben einige Komponenten in der Vergangenheit, die dazu geführt haben, sich zu hinterfragen. Sich und sein Umfeld.
Mir persönlich geht es dabei überhaupt nicht um Andersdenkende. Stichwort "Coronaleugner" oder "Impfgegner". Was das betrifft bin ich absolut tolerant. Jeder hat seine Motive, weshalb er sich so oder so entscheidet. Ich möchte eben nur auch akzeptiert werden und mich nicht rechtfertigen müssen, warum ich Gendern albern finde oder andere Themen nicht so präsent für mich sind.

Aber das insgesamte Verhalten der Menschen ist schon sehr fragwürdig in seiner Entwicklung. Möglicherweise wars immer schon so, nur hat man es nicht bemerkt, weil es einem vielleicht nicht wichtig war oder man seine Energie trotzdem gerne in die Menschen gesteckt hat. Mit zunehmendem Alter habe ich einfach keine Lust mehr dazu, weil ich immer mehr durchschaue, wie wenig Interesse auch durchaus Menschen in meinem direkten Umfeld an mir und meinem Leben haben.

Das war eine durchaus ernüchternde Erkenntnis, wenn man plötzlich bemerkt, dass selbst in der Verwandschaft keiner mal auf die Idee kommt, nach dir zu fragen. Nur die obligatorischen Geburtstagsgrüße einmal im Jahr. Das halte ich ja nun wirklich für Verzichtbar.
Oder auch im Freundeskreis. Wo kein offener Umgang mehr möglich ist, weil man bemerkt, dass jeder nur noch mit angezogener Handbremse spricht und auch sonst die Themen nur noch Plattitüden und Allgemeinplätze beinhalten. Oberflächliches Geschwätz oder Probleme, die gewälzt werden - denn die hat ja jeder und jeder hört sich ja auch gerne am liebsten über sich selbst reden.... Das ist für mich keine Freundschaft. Ich finde das ermüdent und deshalb dosiere ich meine Kontakte stringent.

Ansonsten gebe ich dir Recht, die Gesellschaft - nicht zuletzt befeuert durch sog. RTL2 - Formate - , degeneriert zusehends und manchmal bin ich froh, die nächsten 100 Jahre nicht mehr miterleben zu müssen.

LG

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Dein Text spricht mich sehr an, weil ich in einem ähnlichen Veränderungsprozess bin und ähnlich alt. Früher immer die letzte auf zahlreichen Parties, beruflich und privat überall "vernetzt", auf der Straße und unterwegs immer jemanden getroffen und etwas zu erzählen gehabt. Heute reduziere ich auf wenige Menschen und halte berufliche Kontakte auf freundlichem Abstand. Und ja, deine Gedanken kenne ich.

Aber ich habe eine Reha gemacht mit sehr interessanten professionellen und privaten Gesprächen und weiß danach, dass ich in einer ganz neuen Phase in meinem Leben bin. Es sind nicht "die anderen", die sich verändern, doof oder egoistisch werden, sondern dass ich mich verändere. Mir wird bewusst, dass sich außen alles verändert, wenn ich mich innerlich nicht verändern will, obwohl es an der Zeit ist.

Dieses "Außen wie Innen" ist überhaupt so ein interessantes offenes Geheimnis. Dem spüre ich täglich nach, bin mir dessen mal mehr, mal weniger bewusst. Damit es mir gut geht, such ich mir Nischen. Mein Arbeitsplatz ist ein Ort, wo Menschen mit Rücksicht aufeinander arbeiten und wo viele warmherzig sind (aber auch da Ellenbogenmenschen mit freundlicher Fassade arbeiten- wie die Menschen eben so sind). Und privat tanke ich in meinem kleinen intakten Stück Natur, das ich als großen Naturgarten pflege. Während die Welt, und da ist es ja belegt, immer artenärmer und kaputter wird. Das ist schon ein Gegensatz, den ich auch nur schwer verarbeitet bekomme.

Geholfen hat mir die Information von Menschen, die in Umbruchphasen coachen, dass es vielen in den mittleren 50ern und 30ern so geht. Dass da oft Erneuerungsphasen sind, und dass sie sich oft so anfühlen, als würde die Welt drumherum unausstehlich werden.

Ich arbeite grad an meinem "neuen" Weg,- noch kann ich eher Schemen sehen. Da kommt was, und dazu muss ich vieles Alte loslassen. Ich versuche, nicht so viel zu bewerten, sonst bin auch schnell drin in dem Gefühl, das du beschreibst. Aber es tut mir nicht gut.

Ich möchte lieber offen bleiben für das, was andere Menschen in mein Leben bringen und den Rückzug im Sozialen als Findungsphase sehen. Mir ist irgendwo klar, dass ich mehr Ruhe als sonst brauche, um meine innere Stimme zu hören. Nicht, weil alle anderen so egoistisch sind. Und außerdem merke ich, dass ich raus will aus dem Für-andere-da-sein. Dass eher ICH weniger für andere da sein will, um das zu finden, was jetzt FÜR MICH dran ist.

Hoffe, das war nicht allzu kryptisch? Ich bin eben selbst noch in einer Tast- und Suchphase... . Und deine Schilderung kommt mir ähnlich vor.

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Hallo Naima68.

auch von dir ein super interessanter Beitrag!

Das hat mich zum nachdenken angeregt:

>>Aber ich habe eine Reha gemacht mit sehr interessanten professionellen und privaten Gesprächen und weiß danach, dass ich in einer ganz neuen Phase in meinem Leben bin. Es sind nicht "die anderen", die sich verändern, doof oder egoistisch werden, sondern dass ich mich verändere. Mir wird bewusst, dass sich außen alles verändert, wenn ich mich innerlich nicht verändern will, obwohl es an der Zeit ist. <<

Ein wirklich interessanter Ansatz! Denn ja, ich bemerke meine Veränderung auch sehr stark, bin mir nur noch nicht im Klaren, ob das ein normaler Entwicklungsprozess ist oder ob er vom "Außen" ausgelöst wird, durch gesellschaftliche Wandel etc.

Insgesamt empfinde ich die Zeit grade als spannend und bewerte es als positiv. Auch meinen Weg aktuell. Ich erfreue mich daran - muss aber schon aufpassen, dass ich nicht frustriere oder desillusioniere. Die Zeit grade machts einem da ja eher leicht in eine Depression abzurutschen. Das möchte ich natürlich keinesfalls.

Ich bin sehr gespannt, wie meine Entwicklung am Ende sein wird.

LG

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Hej,

so geht es mir auch oft und manchmal komme ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.

Nur noch ich, ich, ich.

Vordrängeln, immer in Eile sein, alles für sich beanspruchen, es ist schlimm.

Einmal war ich an einem Samstag in einer Boutique, weil mir ein Kleid gefiel. Ich kam mit der Chefin, die ich relativ gut kenne, etwas ins Plaudern und sie sagte mir, dass ich heute die erste Kundin bin, die mal mit einer freundlichen Ausstrahlung und einem Lächeln den Laden betritt.
Es war erst halb zwölf, sie hatte erst anderthalb Stunden geöffnet, aber in diesen 90 Minuten wurde sie von einigen Kundinnen schon derart blöde behandelt, dass ihr Tag schon wieder gelaufen war.
Manche kommen rein, können nicht mal grüßen, stoffeln sich durch den Laden, geben keine Antwort, nehmen gefaltete Shirts hoch, schmeißen sie knüllig wieder auf den Tisch und gehen wieder.
Eine kommt mit Kaffeebecher rein, die andere knuspert was aus einer Bäckertüte - der leere Becher und das zusammengeknüllte Papier liegen später in der Kabine. Wie bei Schweins.
Eine Frau kam rein und maulte, warum die Marke XY immer so gedeckte Farben macht, sie will es knalliger.
Eine andere wurde richtig frech, sie suchte ein Kleid für eine Feier am nächsten Tag und fand nichts dem Anlass entsprechendes oder in ihrer Größe und bezeichnete den Laden als "Schei*laden"

Irgendwie ist sich jeder nur noch selbst der Nächste.

Ich frage mich auch oft, wann diese Unfreundlichkeit und Arroganz so in Mode gekommen ist...?

Ich bin gerne freundlich, wenn mal was nicht klappt oder etwas nicht verfügbar ist, dann ist es eben so und man findet einen Plan B. Aber Menschen grundlos anpflaumen muss echt nicht sein.

Im Internet, Social Media wird auch gehetzt und beleidigt - ich bin oft sprachlos, wenn ich sehe wie Leute, die was harmloses posten sofort dumm von der Seite angemacht werden, der Lüge bezichtigt werden usw. Eine Frau schreibt auf "Threads" kürzlich über ein schönes Urlaubserlebnis mit ihren Kindern und prompt pflaumt einer darunter "Geschichten aus dem Paulanergarten!" und ein anderer "Hältst Du Dich jetzt für die Übermutti oder was?"

Warum macht man sowas?
Warum kann man sich nicht einfach mal für andere Menschen freuen?
Oder einfach den Mund halten?

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Hallo Flamingoduck,

ich glaube ja fast, dass gabs schon immer. Nur hat man es vielleicht früher nicht ganz so empfunden, man war ja auch jünger und der Fokus lag sicher auf anderen Dingen.

Wie ich oben schon sagte, ich durchschaue inzwischen soviel. Klar, mit Ü50 hat man über die Hälfte seines Lebens gelebt. Ich habe sehr viel erlebt, das schärft den Blick. Den Rest hat mir allerdings Corona gegeben, ganz ehrlich. Seit dem ist für mich nichts mehr, wie es war. Mein Blick auf die Welt hat sich nachhaltig verändert. Das ist irreparabel.

Ich versuche das allerdings in eine gesunde Relation zu setzen, und meine Schlüsse, die ich daraus gezogen habe, positiv umzuwandeln. Ich denke, das gelingt, aber ich muss aufpassen.

Insgesamt habe ich sicher auch schon viel positives Erlebt, die Menschen an sich sind nicht alle doof. Aber die Meisten eben doch und die halte ich mir weitestgehend vom Leib und stecke meine Energie und Liebe in Menschen, die mir aufrichtig gut tun. Irgendwie ist man halt einfach nicht mehr so naiv, wie früher. ...

LG

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Ich bin sehr introvertiert, war ich schon immer. Keine Ahnung ob nicht ein guter Schwenk Autismus in mir schlummert- mein Vater hat diese Diagnose und mein Sohn auch.

Mit zunehmendem Alter (bin 41) wird es schwieriger sich trotzdem auf andere Menschen einzulassen. Das hat aber bei mir aber gar nichts damit zu tun das ich eine zeitlang kein Klopapier bekommen habe.

Das ist eher ein Zusammenspiel aus wenig Erholung weil man in der Rush Hour des Lebens angekommen ist und der Tatsache das sich Macken im Alter leider auch verstärken. Junge Menschen schaffen es noch besser zu kompensieren, bei älteren sind schon viele Ressourcen dafür aufgebraucht.

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Hallo Realtalk,

Möglicherweise hast du Recht,. Die Stressresistenz ist bei jüngeren Menschen sicher höher, als bei Älteren Menschen. Um so wichtiger ist mir inzwischen eine gesunde Abgrenzung und ein genaues selektieren, wer mir näher kommen darf und wer nicht.

Ich bin froh, hier doch überraschend viele Gleichgesinnte zu finden, die mein Denken und Empfinden nachvollziehen können oder sogar teilen.

LG