Ich habe gerade ein Problem, dass mich sehr beschäftigt. Ich, weiblich, mittleres Alter, hatte als Kind und Jugendliche sehr wenig Selbstvertrauen. Im Laufe der Zeit hatte ich aber immer wieder Phasen, in denen sich meine Persönlichkeit schubweise entwickelte. Leider jedes Mal mit dem Resultat, dass enge Freunde, denen ich blind vertraute und für mich so zusagen, das Wichtigste sind, sich von mir abwenden. Bereits öfters in meinem Leben habe ich den Satz gehört "Du hast dich verändert. Es ist nicht mehr dasselbe mit dir". Das tut mir sehr weh. Denn für mich hat sich in unserer Beziehung nicht, gar nichts verändert. Ich stelle mir auch die Frage, ob ich nur solange interessant bin, solange ich nicht mit meinem Gegenüber auf Augenhöhe bin. Ich bin völlig zerrissen. Denn ich will mich sein, habe aber Angst wieder liebgewonnene Vertrauenspersonen zu verlieren. Auch ist mein Selbstvertrauen momentan gerade wieder in den Keller gerutscht..
Hat mir jemand einen Rat, wie ich damit umgehen kann?
Selbstbewusster, aber Freunde weg
Mein Rat wäre, niemandem blind zu vertrauen und die Menschen wenn immer nötig deine Grenzen spüren zu lassen. Das geht über die Körpersprache auch subtiler, z. B. ein schneller Blick, eine Veränderung der Sitzhaltung, auch beim Stehen. Auch das ist eine Art Stärke, da deine Freunde dann nicht das Signal bekommen: „Aha, da kann ich noch ein Stück weitergehen und sagen, was ich will.“ Gib auch kontra, indem du ruhig und bestimmt erklärst, dass du dich ganz bestimmt nicht verändert habest, und ob man denke, dass du gerade etwas Falsches gesagt hast? Bei solchen Rückmeldungen einfach nett herausfordern. Und wenn man dir querkommt oder emotional reagiert, dann weisst du, dass du der jeweiligen Person nicht nachtrauern musst. Achte einfach darauf, dass du deine Kommunikation und Körpersprache nicht ruckartig veränderst - das verunsichert Menschen, was vielleicht zu solchen Rückmeldungen führen kann.
Wie sehen denn diese Veränderungen, die du durchmachst aus?
Es kann durchaus passieren, das Menschen sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn du z.B. immer lieb alles abgenickt hast und dann plötzlich auch mal "Nein" sagst.
Manchmal entwickelt man sich auch in eine eher negative Richtung und merkt es selbst gar nicht. ( Nicht dass das bei dir der Fall ist, aber ich hatte eine Freundin, bei der es so war).
Sagen die "Freunde" denn auch, warum sie dann nicht mehr mit dir sein wollen? Eine Begründung sollten sie ja schon geben können.
Hey guten Morgen,
ich muss auch mal fragen, wie sieht denn dieses neue "Selbstbewusstsein" bei Dir aus?
Hast Du früher alles abgenickt, Dich eventuell auch mal etwas ausnutzen lassen, warst immer gutmütig und sagst nun öfters "nein!"?
Oder kommt vielleicht mit dem neuen Selbstbewusstsein eine gewisse Arroganz rüber, derer Du vielleicht gar nicht so bewusst bist aber die andere Menschen verunsichert?
Ich habe beides schon erlebt.
Das "Neinsagen" habe ich durchgezogen und ja, das schmeckt so manchem Leuten nicht.
Früher war ich auch eher ruhig und zurückhaltend. Habe mich eher verstellt, um den Leuten in der Schule zu gefallen und merkte aber, dass sie mich trotzdem nie so wirklich in den inneren Kreis ließen. Das änderte sich dann aber schlagartig durch einen Schicksalsschlag und ich merkte wer die richtigen Leute waren und wen ich in der Pfeife rauchen konnte.
Den falschen Leuten schmeckte es gar nicht, dass ich plötzlich andere Grenzen zog, ihnen nicht mehr so den Hof machte oder "blöde Aufgaben" bei Gruppenprojekten übernahm sondern auch mal "nein!" sagte.
Ich war nicht mehr dieses gutmütige Naivchen, sondern sagte klar, was ich wollte und was eben nicht.
Wenn sich solche Menschen distanzieren, dann ist es nur gut so.
Für diese Leute war und ist man nur wertvoll, solange es ihren Bedürfnissen entspricht.
Weg damit.
Bei einem guten Freund dagegen war/ist es leider diese Sache mit der Arroganz.
Wir kennen uns beinahe 20 Jahre und hatten wirklich viel zusammen erlebt. Gelacht, geweint, haben uns auch mal unterstützt bei zB Todesfällen oder Schicksalen in der Familie und im Freundeskreis oder als er geschieden wurde.
Und dann gab es bei ihm so ein paar Änderungen, die man ja eigentlich als positiv sehen sollte. Er wurde befördert, sein Sohn machte einen Abschluss und die Band in der er spielt, wurde schon etwas bekannter und sie brachten CDs raus usw.
Ich freute mich sehr für ihn, gab ihm auch viel Support.
Aber da wehte immer mehr und mehr so eine Überheblichkeit durch.
Ich verstehe dass er stolz auf das alles ist, aber er vergisst immer mehr wer er eigentlich Wirkich war und ist.
Plötzlich distanzierte er sich von etlichen langjährigen Freunden. War beleidigt, wenn mal jemand keine Zeit hatte, um auf ein Konzert zu gehen. Eine Freundin von ihm trauerte um ihre verstorbene Schwester, eine andere Bekannte musste sich um ihren älteren Vater kümmern der gerade Chemo bekam. "Das sind blöde Kühe!" kam da von ihm und "Die haben nur keinen Bock auf das Konzert zu kommen!"
Ließ diese Menschen mehr und mehr links liegen und fokussierte sich nur noch auf ein sehr junges Publikum, kontaktierte junge Bands und vor allem junge aufreizende Frauen (oder eher Mädchen) auf Social Media, von denen er sich versprach, dass sie auf seine Konzerte kommen oder ihn verlinken und der Band dort durch ihren Social-Media Auftritt weitere Reichweite verschafften. Menschen, die teilweise 25-35 Jahre jünger waren als er. Denen schmierte er unglaublich Honig ums Maul, umschmeichelte sie und tat/tut viel um die Kontakte aufrecht zu erhalten.
Von denen aber kaum was zurück kam.
Um die Menschen, mit denen ihn früher total viel verband - die mit ihm die Schulbank drückten, Ausbildung machten, Arbeitskollegen, Leute die mit ihm zusammen auch Eltern wurden und gemeinsam die Kinder großgezogen haben - kümmerte er sich immer weniger und auch ich bekam das zu spüren.
Zum Beispiel als ich durch eine Insolvenz meinen Job verlor, kam nur ein "Ja so gehts gerade vielen!". Oder als mein Vater starb kam nur ein "Das ist schlimm und tut mir leid, mein Vater ist auch alt, mir gehts bald genauso!"
Er hat da nie gefragt, wie es mir geht, wie die Beisetzung war oder so. Da waren dann ganz andere Menschen da.
Ich weiß aber noch, wie er viel mit mir schrieb als seine Mutter im Krankenhaus lag oder bei einer seiner besten Freunde Krebs diagnostiziert wurde und dieser am Schluss im Klinikum starb. Und ich war gerne und viel für ihn da, habe ihn getröstet als er mir sagte, wie es ihn mitgenommen hat seinen einst so guten Kumpel da so leiden zu sehen.
Und dann bekommt man selber nur so eine flapsige Nachricht "Mir gehts bald genauso!".
Danke dafür. Nicht.
Ich distanziere mich von ihm gerade sehr und vielleicht schreibe ich mal irgendwann einen Brief, auch um ihm eine Chance zu geben darüber nachzudenken. Ghosten ist nicht mein Ding, das finde ich nur unfair und kindisch, aber ich finde er soll und muss es wissen wie er gerade auf mich und andere wirkt.
Und damit spanne ich den Bogen zu Dir: geht ihr denn in einen Dialog, wenn die Freunde Dir sagen, dass Du Dich veränderst?
Sagen sie Dir denn was genau sie an Dir stört? Geben Sie Dir denn auch die Möglichkeit, Dich dazu zu äußern?
Ich finde, auch das gehört dazu, dass man jemandem hier eine Chance gibt sich mit diesem "Vorwurf" zu befassen und darüber nachzudenken.
Wenn sie sich direkt abwenden, dann hat ihnen diese Freundschaft wahrscheinlich nie etwas groß bedeutet sondern war eher ein Mittel zum Zweck.
Bei tiefen Freundschaften - so wie bei mir mit dem arroganten Freund - wäre es mir wichtig, mit ihm darüber zu reden und auch mal seine Meinung dazu abzuwarten. Manchmal sind Leute im Blindflug und bemerken gar nicht, wie sie sich gerade verhalten.
Sieht er das zB nicht ein und denkt, das sei okay so, dann wäre das Thema für mich auch beendet.
LG
„Ich stelle mir auch die Frage, ob ich nur solange interessant bin, solange ich nicht mit meinem Gegenüber auf Augenhöhe bin.“
Kannst du das vielleicht etwas näher erläutern?
Danke für die Nachfrage! Sie hat dazu geführt, dass ich mich ernsthaft gefragt habe "Was meine ich genau damit?". Die führte zu einer ergebnisreichen Selbstreflexion. Ich habe erkannt, dass ich mich selber immer wieder in die "kindliche-" oder "Schüler-" Position begebe. Ich gebe durch mein Auftreten meinem Gegenüber die Erlaubnis, mich zu belehren und zu korrigieren. Es ist mir auch aufgefallen, dass ich viele Leute in meinem Umkreis habe, die in irgendwas sehr, sehr gut sind und ich im Gegenzug von mir denke, dass ich einiges kann, aber nichts wirklich beherrsche. Ich denke, das führt dazu, dass sich die Freunde bei mir wohl, gebraucht und vielleicht durch das auch besser fühlen. Wenn ich nun plötzlich nicht mehr nur Ratschläge annehme, sondern auch gebe und auch mal nein sage, könnte es tatsächlich sein, dass sich mein Gegenüber nicht mehr so wohlfühlt.
Dies ist jeden fall momentan meine Erkenntnis.