Freundin gestorben, ihr Tod reißt alte Wunden auf

Letzt Woche ist meine Freundin gestorben. Ich bin noch dabei, das zu begreifen. Ich erhielt den Anruf, als ich gerade mit den Kindern beim Augenarzt war. Ihre Tochter hat mich informiert.

Zuerst wurde mir schlecht, dann bin ich erstmal zum Klo geflüchtet, weil ich dachte, ich muss mich gleich übergeben.

Mein Kopf hat dann auf Autopilot geschaltet. Ich habe das mit den Augenarzt noch durchgezogen und bin abends noch mit meiner Tochter zur Tanzprobe gegangen. Geweint habe ich da noch nicht, ich hatte nur so leichte Anwandlungen von Atemnot und Panik.

Die Geschichte dahinter ist tragisch. So ein Worst Case-Verlauf, den man sich nicht ausdenken kann.

Alleinerziehend, schon seit längerer Zeit verwitwet, in den letzten 2 Jahren ist alles aus dem Ruder gelaufen. Die Tochter, welches auch seit 7 Jahren die beste Freundin von meiner Tochter ist, entwickelte eine Form von Epilepsie und der Bruder meiner Freundin hatte im letzten Winter einen Schlaganfall. Er hatte ein kleines Unternehmen, was abgewickelt werden musste. Die Eltern pflegen ihn zuhause, sind aber selber zu alt, um alles alleine zu schaffen. Meine Freundin hat sich aufgerieben und dann hatte ihre Tochter ihren ersten Freund und hat nur noch Mist verzapft und ist in der Schule abgesackt.

Meine Freundin hatte im letzten Winter einen Zusammenbruch, war 2 Wochen verschwunden. Ich wusste von nichts und konnte niemanden erreichen. Die Tochter war in der Zeit bei den Großeltern.

Jetzt im Sommer hat das Jugendamt die Tochter in einer Wohngruppe untergebracht. Sie musste auch das Schuljahr wiederholen.

Vor zwei Wochen hatte ich noch lange mit meiner Freundin telefoniert. Sie hat viel geweint und hat sich sehr zurückgezogen. Sie war seit dem Tod ihres Mannes erwerbsunfähig. Hatte somit also auch ohne ihre Tochter keine Struktur mehr. Sie hatte vorher auch noch einen Hund und eine Katze, die versorgt werden mussten. Der Hund ist vor 2 Jahren gestorben, die Katze wurde im letzen Jahr überfahren. Sie hatte also gar keine Struktur mehr in ihrem Leben. Sie hatte zum Schluss noch viel Kontakt mit ihren Eltern, da es ja um die Pflege ihres Bruders ging.

Nun ist sie tot. Ich habe das nicht kommen sehen.

Das Schlimmste für mich: Das Leben geht gnadenlos weiter. Der Terminkalender ist voll, ich habe tausend Verpflichtungen, Weihnachten steht vor der Tür usw.

Und bei vielen Menschen habe ich das Gefühl, dass sie das gar nicht ernst nehmen, weil es ja nicht mein Partner oder meine Eltern oder sonstige Angehörigen waren, sondern "nur" meine Freundin.

Die Einrichtung kann nicht offen mit mir sprechen, da sie der Schweigepflicht unterliegt und die Eltern von ihr habe ich ja noch gar nicht kennengelernt. Für sie gehöre ich ja auch nicht mit zur Familie.

Mit der Tochter kann ich nicht über alles sprechen, denn sie ist ja noch ein Kind und braucht eigentlich selber Hilfe.

Und die Familie möchte im engsten Kreis Abschied nehmen und ich gehöre nicht dazu. Mit meinen Kindern kann ich nicht ganz offen darüber sprechen, da sie ja auch noch zu jung und damit total überfordert sind.

Ich muss den ganzen Tag funktionieren, als ob nie was gewesen wäre. Und ich weiß nicht, wohin mit mir. Manchmal steigt die Panik in mir auf und dann wieder fällt mir irgendwas aus der Hand, weil ich so zitterig und fahrig bin. Und dann zerfalle ich zu Staub und bin nur noch am Heulen.

Der Vater meiner Kinder ist selbst nicht greifbar, da er letzte Woche selbst einen Verkehrsunfall hatte und erst jetzt wieder arbeiten kann und nicht schon wieder fehlen kann.

Ich weiß nicht, wie das alles weitergehen soll. Gestern war ich so verwirrt, da habe ich das Telefon in die Hand genommen und wollte mir ihr über ihre Tochter reden und habe dann erst geschnallt, dass ich sie nicht mehr anrufen kann. Ich habe Angst, dass ich den Verstand verliere. #zitter

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Achso, sorry, alte Wunden: Mein Vater starb auch so überraschend, als ich 9 Jahre alt war. Meine Mutter war dann auch alleinerziehend und musste aber ziemlich schnell wieder arbeiten gehen. Es war keine Zeit zum Trauern. Ich hatte einen Zusammenbruch nach dem Abitur, als ich zum Zeitpunkt meines Schulabschlusses begriffen habe, dass ich keinen Vater habe. Und ich hatte Angst, dass ich es alleine nicht schaffen würde. Ich hatte einen Studienplatz und sollte mir in einer anderen Stadt eine Wohnung suchen und meine Freundinnen sind alle woanders zum Studieren hingegangen.

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Oje du Arme, lass dir mal drücken :-(
Natürlich nimmt dich das extrem mit, schliesslich war Sie eine langjärige Freundin!
Sie musste in Ihrem Leben wohl einiges mitmachen und hat nun hoffentlich Ihren Frieden gefunden. Ist Sie denn plötzlich gestorben oder war es eine längere Krankheit?
Wenn es eine längere Krankheit war, kann man sich schon ein bisschen darauf einstellen, auch wenn so eine Nachricht immer furchtbar ist. Plötzlich aus dem Leben gerissen zu werden ist besonders heftig.
Die wenigsten brechen nach so einer Nachricht sofort in Tränen aus. Das muss sich erst mal setzen und zum Trauern benötigt man Ruhe.
Deiner Tochter kannst du natürlich sagen, dass die Mama ganz traurig ist, weil die Freundin in den Himmel gegangen ist. Kinder verstehen mehr als man denkt.
Nunja, was soll ich sagen, da muss leider jeder alleine durch. Den Verstand verlierst du sicher nicht, das ist halt ein Trauerprozess. Lass es einfach zu.
Mit deinen "Altlasten" würde ich das erst gar nicht in Verbindung bringen. Deine Vergangenheit hat doch damit nichts zu tun, versuche das zu trennen wenns geht...
Alles Gute#liebdrueck

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Ich wusste, dass sie körperlich angeschlagen ist, denn sie war ja vor einem Jahr schon mal im Krankenhaus. Aber ich dachte, sie ist jetzt unter ärztlicher Aufsicht und kommt wieder auf die Füße. Sie hatte immer bessere und schlechtere Phasen. Eine zeitlang hatte sie mal Rücken. Das war auch unschön und hat lange gedauert, aber irgendwann hörte das auch wieder auf. Da war ich noch mit ihr einkaufen usw. Das sind ja alles Dinge, die zu schaffen sind. Aber mindestens muss ich leider sagen, dass sie über lange Zeit Raubbau am eigenen Körper betrieben hat. Kaffee, Zigaretten, schlecht gegessen (dabei konnte sie gut kochen), Alkohol zum Einschlafen, Medikamente. Sie war ja in der Altenpflege tätig, also wenn sie vorgehabt hätte, sich umzubringen, hätte sie wohl genau gewusst wie. Aber sie ist an Organversagen gestorben. Auf dem Sofa liegend.

Ich konnte mich eben wie bei meinem Vater nicht verabschieden. Bei noch relativ jungen Menschen rechnet man einfach noch nicht damit, dass sie sterben könnten.

Ich kriege es irgendwie immer noch nicht auf die Reihe...

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Nein, man kriegt es nicht auf die Reihe, wenigstens nichg von heute auf morgen,,das braucht Zeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand plötzlich stirbt oder krank war, ob er jung ist oder älter. Wenn man jemanden geliebt hat, ist es immer schlimm und muss erstmal verarbeitet werden.
Allerdings darfst Du die Todesfälle, die Du in Deinem Leben leider erleben wirst, nicht summieren und immer wieder alte Erlebnisse hochholen und begrübeln, denn dann hast Du ein echtes Problem. Der Todesfall Deiner Freundin hat nichts mit dem Tod Deines Vaters zu tun.
Ich habe vor 4 Jahren innerhalb weniger Monate meine seelenverwandte beste Freundin und meinen Mann verloren, ich weiß, wovon ich schreibe - und selbstverständlich waren das nicht die einzigen lieben Menschen, an deren Gräbern ich stand.
Ich wünsche Dir liebe Menschen, mit denen Du reden kannst oder schau nach einer Trauergruppe in Deinem Ort, das hilft manchen Menschen auch. Liebe Grüße von Moni

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