Wie hält man nach der Trennung die mehrsprachige Erziehung aufrecht? Vor der Trennung haben wir aktiv Deutsch, Englisch und Türkisch mit unserer Trennung gesprochen. Da wir beide keine Englisch Muttersprachler sind, war das u.a. auch ein Streitpunkt, ob das wirklich zielführend ist. Seitdem wir getrennt sind, fand der Umgang sehr unregelmäßig statt und ihr Vater sprach ausschließlich Englisch mit ihr, allerdings spricht ihre Oma nur Türkisch. Mir wäre es ganz lieb, wenn unsere Tochter erst einmal nur unsere beiden Muttersprachen lernt, daher habe ich schon überlegt uns eine Türkisch-Lehrerin zu suchen, wenn sie ein bisschen älter ist. Mein Türkisch ist leider nur auf Smalltalk-Niveau. Hat jemand von euch eine ähnliche Situation? Erfahrungen oder Tipps parat?
Danke im Voraus!
Mehrsprachige Erziehung nach der Trennung
Ich würde mit dem Vater noch mal sprechen, dass er zum Wohle des Kindes und seiner Mutter bitte Türkisch mit dem Kind spricht und du deutsch.
Das Englisch entweder weg lassen oder im Alltag bei der Person, wo das Kind am meisten ist mit einbauen.
Vielleicht eher Worte für Dinge statt ganze Konversationen, 2 komplette Sprachen von einer Bezugsperson ist viel! Und da schleichen sich auch gern Fehler ein, weil es nicht eure Muttersprache ist
Achso und sollte er sich da wirklich quer stellen, dann finde ich das mit einer türkischen Lehrpersonal eine gute Idee!
Gibt nicht blöderes für Kinder als wenn sie die Großeltern nicht verstehen können und es ist wirklich schade die Bilinguale Möglichkeit nicht zu nutzen
Das Gespräch habe ich schon gesucht, aber er stellt sich leider quer und spricht mit ihr Mal Englisch, ein paar Brocken Deutsch und letztens fing er mit Französisch an, weil er das gerade lernt. Er singt ihr nur etwas Türkisches vor, wenn ich sie davor schon dran gewöhnt habe und sie darauf reagiert. Ja, das mit ihren Großeltern sehe ich genauso. Vielen Dank für deine Meinung!
Für den Spracherwerb ist von grosser Wichtigkeit, dass man mit dem Kind in der eigenen Muttersprache spricht. Das Kind benötigt eine sehr präzise Aussprache, Syntax und Prosodie bei den Bezugspersonen, um eine Sprache am Schluss wirklich beherrschen zu können. Sobald man nicht mehr in der Muttersprache spricht, ist das eben nicht mehr vollständig gegeben und die Lernmechanismen des Kindes funktionieren nicht mehr richtig. Das sieht man ja bei vielen Ausländern, die am Schluss weder Deutsch noch ihre Herkunftssprache vollständig korrekt mit grossem Wortschatz beherrschen. Ihr solltet also unbedingt in eurer Muttersprache mit dem Kind sprechen.
Das ist schon klar, aber leider hält er sich eben nicht daran. Er ist Akademiker und ist der festen Überzeugung, dass es seiner Tochter sehr viel nutzt, wenn sie von Anfang an viele verschiedene Sprachen lernt. Ich habe ähnlich argumentiert wie du, es hat leider nichts gebracht. Langsam gehen wir meine guten Ideen aus. Danke für deine Antwort!
Habt ihr euch, bevor ihr damit angefangen habt, mit dem Konzept zwei- oder mehrsprachiger Erziehung auseinandergesetzt? Klingt nicht so, deswegen holt das bitte nach.
Ich hatte von der 4. bis zur 13. Klasse und anschließend im Studium zwei weitere Jahre Englisch und war zudem kurzzeitig im Ausland. Ich würde meinem Kind definitiv kein Englisch beibringen. Man selbst merkt es nicht, wenn man Fehler macht, das Kind lernt es aber falsch.
Bitte bringt dem Kind nur Sprachen bei, die ihr selbst auf Muttersprachenniveau sprecht. Alles andere kommt in der Schule, was heutzutage ja schon Grundschule heißt.
Natürlich wäre es schön, die Kinder wachsen damit auf, aber wenn, dann bitte richtig. Bei euch ist das nichts halbes und nichts ganzes.
Derjenige der Muttersprachler ist, redet mit dem Kind in der Muttersprache. Der andere nur in seiner. So würde ich es nach einer Trennung handhaben.
Danke für deine Antwort. Natürlich haben wir uns mit dem Konzept auseinandergesetzt, sogar vor dem Jugendamt. Es hat leider nichts gebracht, weil er es anders sieht und sich nicht daran hält. Ich bin bin mir dessen schon bewusst, obwohl mir Sprachen liegen. Ich spreche 5, davon 3 fließend und trotzdem bringe ich meiner Tochter nur Deutsch bei. Leider kann ich ihn ja nicht zwingen mit ihr Türkisch zu sprechen. Aktuell versuche ich seine Mutter mehr einzubinden, die ihr ab und an ein paar Türkische Kinderlieder aufnimmt. Leider ist die ganze Geschichte nicht so einfach, daher hoffe ich auf Tipps, die ich noch nicht ausprobiert habe.
Hallo,
wie genau du das türkische jetzt vermitteln kannst, kann ich leider nicht sagen.
Ich möchte dich aber in Bezug auf das "Sprachchaos" beim Vater etwas beruhigen:
Du schreibst, der Kontakt sei zur Zeit ausgesetzt, das klingt nicht danach, als ob deine Tochter dort demnächst die Hälfte ihrer Zeit verbringen würde. Dann glaube ich auch nicht, dass der Vater da viel Schaden anrichten kann.
Wir waren mit unseren Kindern, v.a. mit der Großen, von Anfang an viel im Ausland.
Dort hat sie auch uns Eltern in verschiedenen Sprachen erlebt. Innerhalb von 2 Jahren wurde sie mit schwedisch, norwegisch, finnisch, französisch, italienisch und spanisch "bombardiert".
Lustigerweise hat sie mit 3 Jahren noch gar nicht so richtig verstanden, was eine Fremdsprache ist sie kannte zwar englische und schwedische Wörter, aber das war für sie gar keine getrennte Sprache.
Ein Jahr später, mit 4, war ihr das Prinzip mehrerer Sprachen dann plötzlich völlig klar und sie hat innerhalb weniger Tage eine Menge italienischer Wörter aufgeschnappt. Als wir nach nur einer Woche von Italien nach Frankreich rüber gefahren sind, hat sie dort leider nicht ganz so schnell angefangen - aber nach ein paar Wochen fing sie dann doch an, französisch zu plappern. Als dann spanisch dazu kam hat sie schon bewusst den Unterschied wahrgenommen.
Das ist ja aber alles kein "Spracherwerb" sondern eben ein Kontakt mit einer Fremdsprache.
Nichts von alledem kann meine Tochter heute noch - sie ist 10 und spricht deutsch als Muttersprache und durch gezielten Unterricht auch etwas englisch. Sie singt im Chor auch mal ein südafrikanisches Lied und versucht, ihre Mitschüler nachzuahmen, wenn die ihr polnisch vorsprechen.
Interesse und Sprachbegabung sind da. Geschadet haben ihr viele Sprachen bisher nicht.
Dein Ex wird mit seinem Chaos sicher nicht sein Ziel erreichen, aber ich glaube nicht, dass er deiner Tochter schaden kann, solange sie nicht den Großteil ihrer Zeit bei ihm verbringt.
LG!
PS
Erkundige dich mal nach muttersprachlichem Unterricht. Ist zwar noch lange hin - aber hier in NRW wird das im Grundschulalter von den Schulen angeboten. Dafür brauchen die Kinder auch keine Vorkenntnisse, türkisch kommt schnell zustande und der Unterricht ist nachmittags. Allerdings muss man je nach Wohnort relativ weit fahren, das ist nicht an der eigenen Schule (oder nur mit sehr viel Glück). Könnte aber bundesland-spezifisch sein...
Bis dahin würde ich selbst lernen und den Kontakt zur Oma fördern
Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort! Leider weiß keiner wie lang der Umgang ausgesetzt ist, daher denke ich es ist eine Frage der Zeit. Die Geschichte deiner Tochter beruhigt mich wirklich ein wenig. Ihr wart in den jeweiligen Ländern, von Muttersprachlern umgeben und ich glaube das ist der kleine aber feine Unterschied.
Problematisch ist bei uns eben, dass meine Tochter nicht von beiden Elternteilen Deutsch/Türkisch als Bezugspunkt hat. Mein Expartner spricht kaum Deutsch und ein im Studium selbst erlerntes Englisch mit starkem Akzent. Selbst das Französisch, das er mit unserer Tochter gesprochen hat, ist selbst erlernt. Wenn wir mal in anderen Sprachen mit Freunden sprechen, die Muttersprachler sind, sollte das nicht verwirren, weil es nicht die Norm ist, aber wenn die Basiskommunikation mit unserer Tochter plötzlich in vier verschiedenen Sprachen stattfindet und ständig wechselt, ist das vermutlich nicht so gut. Ich wäre auch verwirrt, wenn mein Vater plötzlich versucht im Alltag Dänisch oder Rumänisch mit mir zu sprechen.
Das klingt toll, wie das in NRW gehandhabt wird. In Berlin hätte meine Tochter die Möglichkeit Türkisch in der Grundschule zu lernen, allerdings wohnen wir im Umland und das wäre ein viel zu weiter Schulweg. Momentan singen wir viel, auch türkische Kinderlieder und ihre Oma nimmt ihr Sprachnachrichten auf. Sie checkt auch ab und an meine türkische Aussprache (nur für die Lieder) und sagt sie ist soweit gut. Im Herbst werde ich wahrscheinlich mit professionellem Türkisch Einzelunterricht anfangen, ob das auch was für meine Tochter ist und wann das gut wäre, weiß ich noch nicht. Erst einmal schauen, wie das mit dem Spracherwerb über die Oma klappt. Ich habe das Gefühl ich kann es nur falsch machen.
Um wirklich gezielt mit Sprachunterricht anzufangen hast du noch viele Jahre Zeit.
Das würde ich mit 4 oder 5 Jahren nur machen, wenn man vorhat, auszuwandern.
Meine jüngere Tochter war mit 7 z.b. von ihrem Englischunterricht bei weitem nicht so begeistert wie die Große mit 9. Wenn es durch die große Schwester nicht so selbstverständlich wäre, würde ich es wohl lassen, um die Motivation nicht zu gefährden.
Vielleicht verabschiedest du dich auch einfach von der Idee, dass türkisch eine Muttersprache sein muss. Dein Kind hat super Voraussetzungen, um überhaupt türkisch zu lernen. Das kannst du jetzt so fördern wie bisher und ab dem 4.oder 5.Geburtstag ein bisschen puschen - durch Urlaub in der Türkei u.ä. Vor allem, wenn du es bis dahin noch besser kannst.
Englisch kommt dann ab der Grundschule dazu - das reicht immer noch, um eine Sprache sicher im Langzeitgedächtnis zu verankern. (Mein Opa hat ab der 1.Klasse tschechisch gelernt, konnte vorher wohl nur wenige Wörter, und sprach es noch fließend, als er Pflegefall war und nicht mehr selbst seinen Namen schreiben konnte...).
Spannendes Thema - ich erlebe bei meinen Mädchen, dass die Motivation zum Sprache lernen sehr stark davon gesteuert wird, wie viel sie es anwenden können. Und die sind im Grundschulalter unglaublich aufnahmefähig, da lernen sie schnell.
Also lieber ab Grundschulalter gezielt lernen als im Kleinkindalter etwas anfangen, was man nicht beibehalten kann.
LG!