Hallo!
Sorry das wird bisschen länger.
Ich bin vor 10 Wochen Mama meiner wunderbaren kleinen Tochter geworden und könnte stolzer nicht sein. Bisher komme ich gut zurecht und versuche immer ruhig zu bleiben, auch bei stundenlangem Brüllen.
Nun hab ich aber Angst so wie meine Mama zu werden. Man übernimmt ja meist so bisschen die Erziehung die man selbst genossen hat und das möchte ich bei aller Liebe nicht.
Sie hat bestimmt alles richtig machen wollen und mir auch wirklich alles ermöglicht. Allerdings hatte sie auch eine schwere Kindheit und sie hat ihre Gefühle einfach nicht im Griff, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Da rede ich sowohl von psychischer als auch physischer Gewalt (Schreien, wochenlanges ignorieren, Schlagen, Gegenstände nach mir werfen die dann direkt neben meinem Kopf an der wand zersplittern, aus dem Auto/Haus rauswerfen wollen….könnte noch eine Weile weiter machen) Entschuldigungen oder Aussprachen gab es nie. Wenn für sie die Sache nach paar Wochen durch war, war sie wieder normal.
Alles in allem schon traumatisch und demnach hab ich nie gelernt meine Meinung zu sagen oder gar zu vertreten und dafür aber einfach meine Gefühle runterzuschlucken und zu unterdrücken. Ich hatte einfach meist Angst vor ihr und behandel sie auch jetzt noch mit Samthandschuhen. Sonst hätte ich wohl den Kontakt schon längst abgebrochen.
Das möchte ich weis Gott meiner Tochter nicht antun und hab richtig Angst davor, dass es doch irgendwie bei mir durchrutscht. Ich weis dass ich richtig zu tun mit mir habe wenn ich wütend oder traurig werde. Dass meine mama selbst niemals mit meiner Tochter alleine bleiben wird ist natürlich klar, sie besteht zwar auf ständiges sehen und macht schon wieder Terror weil ich den Kontakt so klein wie möglich halte, aber na gut…
Wie schafft man es aus diesem Teufelskreis dieser Erziehung rauszukommen? Ich arbeite wie verrückt an mir, mein Partner unterstützt mich sehr, da kleine Konflikte zwischen uns in mir schon die pure Angst entfacht haben (mittlerweile besser), aber wie handhabt man das mit Kind? Kennt ihr noch Bücher, Tipps, Hörbücher,…. In welchen es darum geht? Natürlich würde ich mein Kind im Leben nicht schlagen wollen, aber ich habe Angst, dass ich an einen Punkt komme an dem ich keinen anderen Ausweg sehe und genauso wenig mit meinen Gefühlen klar komme wie meine Mama.
Gewaltvolle Erziehung- Teufelskreis durchbrechen
ich finde es einen RIESEN Punkt, dass Du selbst so reflektiert drüber nachdenkst.-- und genau deshalb glaube ich, dass du nicht so bist.
Übrigens ist mein Mann komplett anders als die Erziehung und das Mind-set seiner Eltern. Ich selbst behaupte ebenfalls von mir, dass ich nicht die selben Fehler wie meine Eltern gemacht habe und bin gottfroh, dass ich nicht so bin wie meine Mutter..
Im Freundeskreis habe ich eine Freundin da ist es ähnlich .... also ich finde, das macht doch Mut, dass es wohl sehr verbreitet ist, dass man eben nicht so wird oder erzieht "wie seine Eltern".
Bei uns gehts um andere CHaraktereigenschaften, nicht diese offensichtliche Gewalt, die du schilderst, -aber gerade das ist doch noch eine SChippe drauf und ich bin mir sicher, dass du gerade deshalb eher ins Gegenteil fallen wirst, - vielleicht sogar zu lieb und zu inkonsequent sein wirst, - statt es Deinen Eltern gleich zu tun.
Mein Mann z.B. hat diesen Wesenszug. - Das krasse Gegenteil seiner Eltern.
Beobachte Dich einfach. -- aber hab keine Angst. -- das wird schon. Du bist reflektiert genug.
Natürlich kommt man als Mama mal bis an die Weissglut (im Trotzalter, - oder jetzt mit Teenies, die extrem herausfordern) -- aber ich bin dann aus dem Raum und ins Schlafzimmerkissen geschrien udn auch schonmal drauf eingeprügelt, aber nicht aus gewaltätigen Gründen, sondern um diesen Frust loszuwerden..... um mich abzureagieren ... wenn du dir das vornimmst, -dann ist doch alles gut?
Das ist wunderbar zu hören, dass man wohl doch nicht immer alles so blind übernimmt 🙏🏻 danke für die liebe Antwort!
Ich würde selbst nicht mehr froh werden, wenn ich meine Tochter in irgendeiner Weise so verletzen würde. Und hab definitiv schon viel gelesen über trotzphasen und co. Hab mir alle wichtigen Fakten aufgeschrieben, sogar schon viel über die Pubertät 😂 damit ich weis warum und wieso es so ist und mir es immer wieder anschauen kann und einprägen kann und in den Fällen dann halbwegs souverän reagieren werde. Ist vielleicht übertrieben, aber ich wünsche niemanden so eine Kindheit.
Auf jeden Fall werde ich auch an den Rand meiner Nerven kommen, darauf bin ich eingestellt sonst hätte ich kein Kind bekommen 😂 ist ja nicht so, dass ich direkt komplett ausarte, wenn ich wütend auf jemanden bin, natürlich hab Ich mich gesund unter Kontrolle aber Ausnahmen gibt es immer und lieber bin ich doppelt so gut vorbereitet, wenn es dann mal so weit ist und das wird sicherlich kommen 🙈 und ja ich glaube den Frust in einem anderen Raum rauszulassen um wieder ruhig zu werden ist definitiv ein guter Weg 🙏🏻
Fange an, JETZT schon ein oder mehrere Strategien zu üben.
Du wirst sauer - du gehst ins Schlafzimmer und schlägst auf die Matratze. Du drückst einen Wutball in der Tasche. Du übst täglich, dich bewusst zu entspannen (ohne, dass du vorher wütend oder aufgebracht warst) - und wendest diese Übung dann auch in Stresssituationen an. Erst mal in alltäglichen - Zeitdruck, Stau, Hitze, Wartezeiten etc.
Du nimmst dir täglich 5 min, in denen du detailliert visualisierst, wie du bspw, ins Schlafzimmer gehst und auf die Matratze boxt oder wie du dich aufregst und dann durch ruhige Atmung bewusst entspannst.
Du rufst dir täglich Situationen ins Gedächtnis, in denen du souverän, entspannt, unter Kontrolle warst - und stellst dir so detailliert wie möglich vor, wie sich das anfühlte. Und dann rufst du dir dieses Gefühl immer wieder zwischendurch ins Gedächtnis, mit allen Sinnen (was hast du gedacht, gefühlt, gesehen, gerochen, wie fühlten sich die Hände, Gesichtsmuskeln, Armmuskeln, Fußmuskeln an - einige Menschen verspannen bspw. bei Stress ihre Zehen/ Fußsohlen - wie fühlten sich die Schultern an? Und das rekonstruierst du so gut wie möglich, also du versetzt dich wieder in diesen Zustand, versuchst, auch deine Schultern etc. wieder genauso zu entspannen wie in der angenehmen Situation.
Je öfter und detaillierter du das übst, desto eher kannst du es bei Stress auch wirklich abrufen.
Du kannst dir auch vorstellen, dass du deine Tochter fast schlagen würdest und dann sehr detailliert ein Stoppschild über/ vor ihr sehen - so oft, bis du das in der Situation automatisch sehen würdest.
Machst du Gedächtnistraining?
Da gibt es ja bspw. die Idee, dass man, wenn man bswp. Ananas kaufen möchte, sich eine Ananas vorstellt, die in die Türklinke der Wohnungstür gerammt wurde, so dass man die "sieht", bevor man losgeht. Das kann man üben und nach einiger Zeit klappt das ganz gut. Parallel kann man sich auch vorstellen, wie man in seinem Stammsupermarkt steht und den Wagen nicht vorwärts schieben kann, weil ihn ihm eine riesige, schwere Ananas den gesamten Wagen ausfüllt und niederdrückt. Oder man stellt sich vor, wie man nasse Füße bekommt, weil man gleich in der Obstabteilung in eine verrottende, riesige Ananas trampelt, die Füße nass werden, überall Saft ausläuft, die Hände klebrig werden, wenn man die Frucht von den Füßen entfernen möchte.
In gleicher Weise kannst du dir auch sehr bildlich (und taktil!) "Stoppschilder" für deine Tochter in Stresssituationen vorstellen und Symbole für Alternativverhalten. Bspw. stellst du dir vor, wie deine Tochter schreit und du genervt bist, sie anschreien möchtest - und dann über ihr das Stoppschild hängt/ liegt und du Kaffee riechst und eine Kaffeetasse auf ihrer Stirn balanciert - du solltest dir also erst mal einen Kaffee machen und noch mal über alles nachdenken, runterkommen und dann entscheiden, wie du weiter vorgehst.
So etwas wird mit Übung immer leichter und nach einiger Zeit sieht man diese Visualisierungen automatisch, wenn man sie festgelegt hat.
Oh vielen Dank für die lange und liebe Antwort!
In der Schwangerschaft hab ich schon viel mit Hypnosen geübt um mich auf die Geburt vorzubreiten, bewusst entspannen kann Ich mich sehr gut also. Das dafür anzuwenden, darauf bin ich noch gar nicht gekommen, das ist eine gute Idee! Bleibe ich gleich am Ball.
Generell bin ich eher ein entspannter Typ, aber Trotzphasen und Pubertät können halt Extremsituationen sein und vor denen hab ich die Angst. Vielleicht zu unrecht, aber lieber bin ich doppelt und dreifach gewappnet als dass es mich doch überkommt. Deine Ansätze sind super und jetzt schon zu üben, wie man sich schnell regulieren kann ist super. Das Gedankenspiel klingt auch interessant, da werd ich mich mal reinlesen!
Darf ich dich fragen, Toschkalee, welche Bücher das sind? Ich suche Bücher mit dem besseren Umgang von Wut und Aggressionen, Visualisierungen.
Falls du da gute Lektüre-Tipps hast, gerne schreiben, auch per PN.
Die Ideen, die du schreibst, klingen super, ich würde gerne da dran bleiben.
Danke Dir!!
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Schreibabys? Noch nie gehört? Und ich halte es für ein Gerücht, dass deine Kinder nie geschrien haben. Babys nutzen im ersten Lebensjahr das Schreien als Signal, wenn sie hungrig, durstig sind oder Schmerzen haben. Wenn deine Kinder nie geschrieen haben, gibt es nur zwei Ursachen: es liegt eine Erkrankung vor oder Babys schreien nicht mehr, wenn sie merken, dass sich niemand um sie kümmert.
Hmm kann man das so pauschal sagen ? Ich kenne da wirklich ein paar so "Buddha Babys" die wirklich nie geschrien haben und einfach sehr unkompliziert waren
Die einzige Art, diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist vor allem die Traumas zu verarbeiten und die seelische Wunden zu versorgen. Sprich, durch Therapie. Und auch dann, garantiere ich dir, wirst du mal an einem Punkt kommen, wo dich dein Kind triggert und Du in alten gelernten Mustern fallen (kannst). Sei dann nicht zu hart mit dir, reflektiere und versuche es erneut.
Jedes Buch, das dir hilft zu verstehen wie Kinder funktionieren, ist gut. Du wirst es trotzdem nicht vermeiden können, dass dein Kind alte Wunden aufreisst, das ist leider so, wenn man selbst Mutter wird. Aber, wie die anderen schon schrieben, es ist wichtig und gut, dass Du dir deine Vorgeschichte bewusst wirst und versuchst, es anders zu machen.
Verdrängte Gefühle haben aber eine Art, hervorzukommen, wenn es einem nicht lieb ist. Du hast warscheinlich, so wie ich, auch sehr Wut in Dir angesammelt, diese Wut darfst du auf keinem Fall an deinem Kind rauslassen (aber wenn es mal passiert, siehe oben). Das heisst, es ist höchste Zeit dass Du deine Kindheit und die Beziehung mit deiner Mutter verarbeitest. Eventuell auch das Gespräch mit ihr suchst, oder zumindest für dich im Klaren wirst, was sie angerichtet hat, was Du ändern musst etc. Wenn man sich nicht bewusst damit auseinandersetzt, ist die Gefahr tatsächlich gross, dass man es selbst gleich macht (und damit meine ich nicht mal die körperliche Gewalt, es gibt ja viel mehr was man kaputt machen kann) und die gleichen Traumas an die nächste Generation weitergibt (wie es unseren Eltern meist auch ging).
Wow da hast Du aber ein ganz schönes Päckchen mit Dir rumzutragen.
Ich kann Dir das Buch "Das Kind in Dir muss Heimat finden" empfehlen, hab es meiner Mum geschenkt um ihre Kindheit aufzuarbeiten.
Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Kleinen Wunder und ganz viel Kraft!
Den ersten Schritt hast du geschafft, du willst dich von der "Erziehung" deiner Mutter distanzieren.
Um das zu können, brauchst im Grunde eine Art Begleitung (geht auch indirekt), denn das Problem ist ja, das du keine anderen Muster/Abläufe kennengelertn hast. Ich selber hatte tolle Freunde, die lange vor mir Kinder bekommen haben. Ich habe zugehört und beobachtet, wie sie das alles handhaben. Wie oft habe ich da gesessen und mir gedacht "Ach, so kann man das regeln.". Und ich habe mich in Streßsituationen immer gefragt, wie meine Mutter gehandelt hätte.....dann wusste ich, okay... so nicht.
So wie es klingt, sitzt das bei dir aber alles noch viel tiefer. Von daher rate ich dir doch, das prof. aufzuarbeiten. Geh genau mit der Frage, die du hier stellst in die Therapie oder im ersten Ansatz zu einer Erziehungsberatung, als Überbrückung bis zur Therapie. Bevor du an deine Grenzen kommst, das ist ganz wichtig.
Hi, da brauchst du keine Angst haben. Du achtest doch jetzt schon sehr darauf.
Du musst nur aufpassen, dass du nicht zu lieb bist. Kinder brauchen dennoch konsequente Erziehung. Das eine vielleicht mehr als das andere.
Das fällt mir immer wieder sehr auf bei unseren beiden Zwergen. Sie sind so verschieden. Und der Große bringt mich oft an meine Grenzen.
Auch dein Beitrag hilft mir, mich jeden Tag aufs neue zu reflektieren.
Du schaffst das!
Alles Liebe!