„Trotzphase“ oder doch was anderes?

Hallo ihr Lieben,

ich weiß mit meinem 3 Jährigen echt nicht mehr weiter. Er war immer ein super einfaches/liebes Baby, bis zu meiner Schwangerschaft.. da haben wir uns irgendwie „auseinander gelebt“. Und seit der Geburt seines Geschwisterchens (jetzt 2 Monate her) ist er einfach nur noch unerträglich.
Er macht echt nur Blödsinn, hört auf kein Nein.. egal ob ich es lieb versuche oder beim dritten Mal mit schreien reagiere, selbst dann hört er nicht und lacht nur über mich. Ich habe gelesen, dass Kinder in dem Alter noch nicht provozieren können aber ich habe das Gefühl er macht alles was mich ärgert extra.. an der mangelnden Aufmerksamkeit kann es eigentlich nicht liegen. Er wird überall mit einbezogen und sein Geschwisterchen ist den ganzen Tag in der Trage bei mir, sodass ich mich mit ihm beschäftigen kann. Zu seinem Geschwisterchen ist er auch total schlimm. Er schlägt es, wirft es mit Sachen ab sodass ich oft total Angst habe und es deshalb nur in der Trage hab. Natürlich reagiere ich mittlerweile dann auch über und brülle ihn an. Habe auch schon Sachen gesagt wie, dass er furchtbar ist und ich ihn nicht mehr sehen will wenn er sowas macht.. seine Großeltern sind irgendwie auch nur noch genervt von ihm weil er ständig Dinge kaputt macht oder wie gesagt einfach nicht hört. Uns schlägt/tritt er auch wenn er nicht bekommt was er will. Ich habe Angst in der Erziehung total versagt zu haben.. ich frage mich, ob das wirklich die Autonomiephase ist oder ob es an etwas anderem liegen könnte? Mir ist es mittlerweile einfach nur noch unangenehm mit ihm unterwegs zu sein.. und das tut mir so leid. Ich habe total das schlechte Gewissen..

1

Seit wann ist er denn so? Gibt es einen zeitlichen Zusammenhang zur Geburt des Geschwisterchens? Hat er sich denn darauf gefreut, großer Bruder zu werden?

2

Es hat in der Schwangerschaft angefangen, als er gemerkt hat das ich nicht mehr zu 100% für ihn da sein kann weil es mir zum Ende hin einfach alles schwer gefallen ist. Er hat immer gesagt er möchte mit seinem Geschwisterchen kuscheln und ihm alles zeigen, also denke ich schon, dass er sich gefreut hat. Aber seit der Geburt, also seit 2 Monaten, ist es so extrem geworden.

3

Das ist in erster Linie nicht die Autonomiephase, sondern die Geschwisterkrise. Stell es dir so vor, wie wenn dein Mann, ohne es mit dir abzusprechen, eine zweite Partnerin mit nach Hause bringt und wenn du nicht nett zu ihr bist, findet er dich furchtbar. Dein Kind ist verzweifelt über diese Situation. Ich vermute das provozieren ist nicht nur der Wunsch nach Aufmerksamkeit, sondern er testet (ohne das selbst verstehen zu können) eure Beziehung. Er muss dringend herausfinden "hat Mama mich noch lieb, auch wenn ich eifersüchtig bin und das Baby nicht mag?", "hat Mama mich noch lieb, auch wenn ich mich daneben benehme?". Er sucht Gewissheit, dass er zu Hause immer willkommen ist und bedingungslos geliebt wird und dass du nicht einfach entscheidest "ich habe jetzt ein neues Kind, das alte ist mir zu anstrengend, das brauche ich nicht mehr".
Mit den erneuerten Provokationen gibt er dir wieder und wieder die Chance, deine bedingungslose Liebe zu beweisen. Leider bewirken deine Reaktionen das Gegenteil und er zweifelt immer mehr an eurer Beziehung. Aber er hat keine andere Wahl, er kann nicht aufgeben, er kann nicht auf deine Liebe verzichten, weil er alleine nicht überlebensfähig ist. Also gibt er dir weiter und weiter neue Chancen.

Mein ganz klarer Tipp wäre, zu versuchen die Not deines Kindes zu verstehen und ihm Sicherheit statt Ablehnung zu geben. Klassische Erziehung sollte jetzt keine Priorität sein, das bringt während der Geschwisterkrise einfach nichts. Wenn diese Phase überwunden ist, wird das Verhalten von alleine wieder besser. Wenn dir das nicht gelingt, weil dich sein Verhalten zu sehr aufregt und sich die Fronten schon verhärtet haben, dann lass dich von einer Erziehungsberatungsstelle unterstützen.

4

Wir haben das Thema auch gerade zu Hause und ich denke auch, dass es wie bei uns am Geschwisterchen liegt. Ich habe schon in den Schwangerschaft mit dem Umfeld kommuniziert, dass es vollkommen normal ist, wenn sie die neue große Schwester nicht freut. Mal ehrlich warum sollte sie auch. Da ist ein kleines Baby was 24/7 an Mama klebt, kann eigentlich nichts außer schreien und kriegt von allen volle Aufmerksamkeit. In dieser Anfangsphase hat ein Geschwisterkind doch wirklich gar nichts davon, das kommt erst später, wenn gemeinsame Aktivitäten möglich sind usw. Ich würde dir raten dir Hilfe bei einer Erziehungsberatung zu holen, weil ich fürchte gerade deine negativen Reaktionen verstärken euer Problem noch und die Ablehnung des neuen Geschwisterkinders wird so noch verstärkt.

5

Geschwisterkrise.... Ich kann diet sehr DAS geschwisterbuch vom gewünschtesten Wunschkind empfehlen.

Es ist eine wirklich harte Zeit, aber normal. War bei uns auch so. Ich habe meine Große nicht mehr wiedererkannt, sie ist aber mittlerweile wieder "normal".

6

Mir fällt auf dass du schreibst dass das Geschwisterchen immer in der trage bei dir ist. Vielleicht will dein Sohn dich einmal alleine haben und so nah bei dir sein? Kannst du Oma / Babysitter / Papa mit dem Baby im Kinderwagen rausschicken und Zeit zu zweit mit deinem Sohn verbringen?
Alles Liebe

7

Ich denke es liegt daran, dass ihr euch "auseinander gelebt" habt. Arbeite an einer sicheren Verbindung mit deinem Kind. Schreien, brüllen usw. bewirkt nur das Gegenteil. Das ist harte Arbeit, ich weiß.

8

Ich glaub da kommt Autonomie und Eifersucht zusammen. Wenn das Baby angegriffen wird in dem Alter ist das Eifersucht. Manche Kinder drücken das auch verbal aus und sagen "das Baby muss weg". Man kann durch einbeziehen vorbeugen, ABER das ist kein Garant. Manche Kinder kann man einbeziehen wie man will, Eifersucht ist ne Typfrage. Manche Kinder sind geborene Geschwister und andere Einzelkinder. Wobei auch jene die sich schwer tuen, in der Regel spätestens dann fein sind mit dem Geschwisterkind, wenn man mit diesem was konstruktives anfangen kann.

Wichtig ist vor allem Unikatzeit. Nicht nur einbeziehen.

Darüber hinaus bzgl Autonomiephase. Mein zweites Kind war auch ein super entspanntes Baby und bis er ca 2 war. Dann plötzlich ist ihm ein Pfurz im Hirn quer geschossen und aus ultrapflegeleicht wurde ein Kaliber, das man an manchen Tagen mehrfach hätte aussetzen können (macht man nicht, aber man bekommt Aggressionen!). Zwischen 2 und 4,5 Jahren bin ich regelmäßig an meine Grenzen gekommen. Das letzte große Ding war, als er im Urlaub sein 3 Jahre älteren Bruder aus Wut in die Schulter gebissen hat, das der geblutet hat. Da willst du einfach aus Reflex zuhauen. Und das gab so ein Anschiss, dass er so eingeschüchtert war, daß er das nie mehr gemacht hat. Manchmal hat er heute, mit fast 6 Jahren noch mal ein Aussetzer... aber ist im großen und ganzen wieder das liebe Kind was ich zuvor kannte und endlich wieder hab. Seine Sturheit, damit muss man leben lernen, das wird sich nicht verwachsen.

Ich behaupte ja immer, dass jedes Kind ne Phase hat, wo man sich selbst am liebsten erhängen könnte vor verzweiflung. Und manche Kleinkinder sind absolute Tornados.

Kinder in dem Alter können nicht bewusst provozieren auch wenn das zugegeben oft so wirkt, vor allem wenn sie einen dabei noch angrinsen. Aber das ist aus 2 Gründen nicht möglich. 1. Entwickeln Kinder frühestens ab 4 Empathie und man muss sich in sein Gegenüber hineinversetzen können um gezielt zu provozieren. Jüngere Kinder spiegeln maximal das Verhalten. 2. Müssen sie Ursache und Wirkung in Kausalität bringen. Sprich wirklich verstehen, dass wenn ich x mache - y die Folge ist. Und so komplex denken können sie frühestens ab dem Vorschulalter und selbst da kann das noch nicht jedes Kind.

Kinder reagieren hoch emotional und Freud und Leid können binnen Sekunden umschlagen ohne ersichtlichen Grund. Das extreme Verhalten wird sich ausschleichen irgendwann! Solange musst du sicher stellen das keine Gefahr für das Baby besteht. Du musst auch Masse und er darf spüren das sein Verhalten unerwünscht ist. Aber geh konsequent in Erklärungen auch wenn du dir den Mund fusselig redest. Bei uns gab es im ersten Impuls oft Ärger, wir wurden laut, haben geschimpft und nicht immer waren wir pädagogisch wertvoll, manchmal waren wir einfach nur Menschen die sich nicht mehr kontrollieren konnten und die nerven verloren haben. Wenn auch wir wieder heruntergefahren sind. Haben wir aber immer das klärende Gespräch gesucht und auch erklärt warum wir so reagiert haben, haben uns entschuldigt und dann war wieder alles ok. Wichtig ist sein eigenes Fehlverhalten nicht schön zu reden oder das Kind dafür verantwortlich zu machen. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden.