Sitzen gelassen in der 7.SSW

Bisher habe ich immer versucht mein Leben aus dem Herzen zu leben und mich nicht von der Angst führen zu lassen, was als Selbstständige in einer Stadt wie Berlin nicht unbedingt einfach ist. Diese Einstellung sollte am 2. August 2018 bitter auf die Probe gestellt werden. Es ist offiziell. Ich wurde von meinem Freund in der 7. SSW sitzen gelassen. Natürlich, es war ungeplant und ich verstehe seine Situation. Doch wann ist ein Kind wirklich geplant und die Natur schenkt einem zum Glück 9 Monate um die richtige Situation zu erschaffen. Wenn man(n) denn will. Für mich ist die Sache klar: Er steht nicht wirklich hinter mir (uns) und zieht sein eigenes Leben dem anderer vor.

Seine gestrigen Worte klingen noch immer in meinen Ohren. Ich solle ihm doch einfach schriftlich geben, dass er sämtlicher Verantwortung, finanziell wie physisch entbunden wird. Zum Glück ist sein Vater Rechtsanwalt – meiner auch. Natürlich würde er, wenn er sich dazu bereit fühlt in 5-10 Jahren auch etwas dazu beitragen, aber ich möge ihn das doch bitte selbst entscheiden lassen. So wie ich mich auch selbst für das Kind ja entschieden habe. Gut, dass man Kinder irgendwo zum wachsen abgeben kann und dann nach Lust und Laune etwas zu beiträgt. Entschuldigung, aber wir stecken da beide drin! In mir tobt eine imposante Mischung aus Wut, Enttäuschung, Selbstvorwürfen (warum schon wieder so ein Mann?) und tiefer Traurigkeit. Die Nachricht ist gerade mal 10h alt und ich fühle immer noch diesen stechenden Schmerz in der Brust, der ein fast automatisches Brennen in meinen Augen hervorruft. Er ist 25 und das spricht für sich, ja. Zweifelsohne kann ich seine Situation verstehen. „Leben noch vor mir“, „Fühle mich noch nicht bereit“,.. dennoch das Leben kommt wie es kommt und ich habe mir mit Sicherheit auch kein Kind herbeigewünscht oder es in irgendeiner Form forciert (wie er mir auch mehrmals vorwarf). Zumindest nicht SO! Aber ich stelle mich nun der Verantwortung.

Klar ist, dass ich ihm die geforderte Abtreibung leider nicht schenken kann. In seinen Augen heißt es: Abtreibung und alles ist wieder auf Null. Kein Gedanke daran, was es mit einer Frau macht, die 37 ist, sich irgendwo doch Kinder wünscht und sich diesen Schritt wohl nie verzeihen könnte. Seiner Ansicht nach wäre es für ihn möglich eine Liebesbeziehung fortzuführen, wenn ich denn die Abtreibung machen ließe, aber so nicht. Niemals. Bumms, das saß. Denn er weiß auch, dass ich wohl nach einer Abreibung ihm und mir selbst nicht mehr in die Augen schauen könnte.

In mir schlagen zwei Herzen in meiner Brust, im doppelten Sinne. Gebe ich mich dem Schmerz hin (ja vermutlich muss man da durch) oder schaue ich nach vorn mit dem Motto „Jetzt erst recht“. Ich denke an das Buch von Thich Nhat Hanh: Ohne Schlamm kein Lotus. Die Kunst, Leid zu verwandeln. Vermutlich eine gute Sache für die nächsten Tage..

Ja leben wir denn nur um uns selbst zu verwirklichen? Um noch mehr zu arbeiten und Geld anzuhäufen, zu reisen? Nichts dagegen und ich habe es selber teilweise so gelebt. Aber ich empfinde es als eine Ehre ein Kind ins Leben begleiten zu dürfen und etwas weitergeben zu können. Dieses Kind wurde mir geschenkt und so viele Frauen da draußen wünschen sich Kinder oder haben sie zu viel ungünstigeren Bedingungen zur Welt gebracht. Und tatsächlich, aus diesen sind nicht unbedingt Psychocouch-Kandidaten geworden. Ein Kind braucht in erster Linie Liebe und alles andere ergibt sich Stück für Stück. Am schlimmsten ist es für mich das ich mich in meinem nun Exfreund so getäuscht habe. Er ist viel weniger ein Mann und reif als ich es bisher erlebt habe. Klar, aus ihm spricht die pure Angst, Verzweiflung und Egoismus (den man in dem Alter natürlich hat). Ich habe ihm gesagt, dass ich es alleine schaffe, aber ich hätte mir weniger Vorwürfe und zumindest emotionalen Rückhalt gewünscht. Es tut weh ihn zu verlieren und mich von der romantischen Idealvorstellung einer Familie zu verabschieden, aber ja wie das Leben so spielt und ich finde einen Weg.

Irgendwann werde ich mich auch in Richtung Vergebung bewegen, alleine schon um das Ungeborene wie auch mich selbst zu schützen um nach vorne blicken zu können. Denn ab jetzt heißt es WIR. Alles was ich denke, tue und esse betrifft nun auch den kleinen Wurzelzwerg in mir drin. Frau empfindet diese Verbindung einfach schon vom frühesten Stadion an. Neben der unsäglichen Trauer, dem Dauerbrennen in der Brust, beginnt eine wahnsinnige Energie in mir hoch zu steigen und ich weiß, ich kann es schaffen. Dann eben allein.