Kind in 2. Klasse zurückstufen lassen oder nur auf andere Benotung hoffen?

Hallo,
wir stehen vor einer wichtigen Entscheidung Ende November. Unser Sohn ist in der 3. Klasse. Er geht furchtbar gerne zur Schule. Er hat ADS und ein leichtes Asperger Syndrom, was sich vor allem in Deutsch auswirkt. Er hat Probleme Aufsätze zu schreiben oder Fragen zu Texten zu beantworten. Gefühle kann er schlecht deuten und Ironie und Redewendungen kann er nicht verstehen. Wir sind gerade dran, dass er in Deutsch aus diesem Grund anders benotet wird. Erschwerend kommt aber die ADS dazu, Er kann sich nicht lange konzentrieren. So sehen alle anderen Noten, außer Kunst, Musik und Werken leider auch nicht gut aus. Er schreibt immer nur 4er und 5er. Die Lehrerin der 2. Klasse versetzte ihn, weil er immer wieder überrascht und auch keinen 5er im Zeugnis hatte.
Jetzt stellt sich die Frage, hoffen wir nur auf eine andere Benotung oder stellen wir ihn 1 Jahr zurück, damit er seine Defizite aufholen kann? Die Befürchtung ist, dass er in einem Jahr genau da steht, wo er jetzt steht und zusätzlich er der "Depp" ist vor seinen Klassenkameraden, weil er es nicht geschaffft hat. Kinder können so gemein sein. Da er lange braucht, um Freundschaften zu schliessen und bis er seinen Platz gefunden hat, habe ich Angst, ihn aus seiner Klasse zu reisen, was er auch auf keinen Fall will.
Ich bin so ratlos. Hat da jemand schon mal Erfahrungen gemacht?
Katharina

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Hallo, ich stand ungefähr zur gleichen Zeit vor einer ähnlichen Entscheidung. Mein Sohn war in der 3. Klasse und es ging einfach gar nichts mehr. Er war körperlich anwesend, das war es aber auch schon. Die Noten gingen in den Keller, keiner wusste, warum, weil er ein großes Potential hat.

Die Lehrerin hat mich gebeten, ihn auf ADS untersuchen zu lassen, habe ich auch getan, der Arzt im SPZ hat nicht lange gebraucht, er sagte, das Kind ist so weit von einem ADS entfernt, wie es nur sein kann, aber er hat eine kindliche Depression begründet in dem, was er zu der Zeit erleben musste.

Mir war klar, dass er, sollte ich ihn zurückstufen lassen, komplett zusammenbrechen wird. Also habe ich mir einen guten Therapeuten gesucht, Leo ist einmal die Woche hin und hat viel aufgearbeitet, parallel wurde es in der Schule besser, aber eben nicht gut genug. Ich habe ihn trotzdem in die 4. Klasse versetzen lassen, hatte aber da schon im Hinterkopf, dass er diese wiederholen wird. Nach der 4. Klasse sind alle anderen auf weiterführende Schulen gekommen, d.h., sein Schulfreundeskreis hat sich eh aufgelöst und er musste nicht in der Pause dastehen, und sehen, wie die anderen evtl. herablassend auf ihn herab schauen (auch wenn sie das vielleicht nicht getan hätten, aber sein Selbstwertgefühl, das eh schon kaum vorhanden war, hätte noch mehr gelitten).

Ich habe das alles mit ihm besprochen und er fand die Idee gut und was soll ich sagen, er ist in seine "neue" 4. Klasse gekommen und war ein völlig neues Kind. Ich habe seiner damaligen Klassenlehrerin viel zu verdanken, sie hat ihn wo es nur geht bestärkt und motiviert, er hat wieder gute Noten geschrieben, hat sich die Gymnasialempfehlung als Ziel gesetzt und erreicht (trotzdem geht er jetzt auf die Realschule, dafür gibt es aber Gründe). Seit September geht er nun in seine neue Schule und gehört zu den Klassenbesten.

Ich denke, dieser Weg war der für uns beste. Er musste nicht von seinen Freunden weg, musste sich wegen der "Niederlage" nicht schämen und hatte nun einen tollen Start in die weiterführende Schule mit den wirklich besten Voraussetzungen.

Ich weiß nicht, ob Dir mit unserer Geschichte weitergeholfen habe, aber vielleicht einen Impuls gegeben.

Ich wünsche Euch alles Gute.
Liebe Grüße von Dani

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Hallo, danke für Deine Antwort. Mit dem Gedanken spielte ich auch schon, nur leider kann man hier bei uns in Bayern die 4. Klasse nicht wiederholen. Man kann das Kind bis Ende November zurück setzen lassen. Nach der 4. Klasse kann man hier dann auf die Hauptschule gehen und es dann nochmal auf die Realschule versuchen nach der 5. Aber das will ich ihm ersparen, weil eben nur die "Deppen" hier auf der Schule bleiben und arg gehänselt werden :-( Und bis dahin sind noch 1 1/2 Jahre. Die 5er drücken ihn jetzt schon arg.

Wir waren 3 Wochen in München in einer Einrichtung, die spezialisiert ist auf ADS, ADHS, Autismus etc. Die Diagnose ist also sicher. Die Empfehlung von dort war die Rückstufung.

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Oh, das wusste ich nicht :-( Auch nicht mit Härtefallantrag? Ich würde in diesem Fall den Schulpsychologen einschalten. Bei meinem Sohn war z.B. klar, dass er zu früh eingeschult wurde (gerade 6 geworden), er war zwar kognitiv schulreif, emotional aber nicht. Alle, die damals mit der Sache zu tun hatten (Klassenlehrerin, Direktorin, Psychologe, Beratungslehrerin) haben es ebenso gesehen. Die Entscheidung, ihn nicht mitten im Schuljahr zurückzustufen sondern ihn die Grundschule fertig machen und dann eben die 4. Klassen wiederholen zu lassen, war im Fall meines Sohnes eine logische Konsequenz, wie bereits erwähnt, alles andere hätte ihm das Genick gebrochen. Ich würde an Deiner Stelle bis zur letzten Instanz gehen, Dein Sohn ist nicht faul oder soll die Klasse wiederholen, damit er die für Dich passend Grundschulempfehlung bekommt, er hat eine klare Diagnose. Was sagt er selbst denn dazu? Es würde ja bedeuten, dass er in die 2. Klasse zurückversetzt wird, oder? Käme er damit klar? Wenn ja, würde ich es wohl machen, wenn Du denkst, dass er dadurch erst recht "dicht" macht, würde ich alles andere versuchen.
LG Dani

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Hallo,
hat dein Sohn diese beiden Diagnosen denn wirklich von der KJP diagnostiziert bekommen, oder wird das nur vermutet von jemanden? Im Grunde gibt es eine "leichte" ASS nicht. Entweder man hat es, oder nicht. Und wenn man es hat, dann schlägt es oft auch (in den völlig falschen Minuten), völlig unerwartet zu.
Mein Sohn hat Frühkindlichen Autismus, jedoch auf hohem Niveau (also normaler IQ) - der Unterschied zum Asperger liegt in der Sprachentwicklungsstörung die mein Sohn extra noch hat. Er hat auch eine sehr leichte Art. Jedoch geht er nur mit I-Kraft in die Schule. Er wird auch in einer Regelgrundschule (jetzt 2. Klasse) nach Regellehrplan beschult. Alles kein Problem, solange die I-Kraft da ist. Warum versucht ihr es nicht einmal mit I-Kraft. Eine I-Kraft kann deinem Sohn permanent zur Seite stehen. Sie kann ihn permanent erinnern, dass er zu arbeiten hat und nicht zu träumen, sie kann ihm helfen, Freundschaften zu schließen und wenn ihm alles zu viel wird, kann sie ihm eine Auszeit verschaffen. In Tests ist es so vielleicht auch möglich, dass er in einem extra Raum schreibt, wo es leiser ist und er sich besser konzentrieren kann.

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Vielen Dank für die vielen Antworten
Die Spezialklinik ist spezialisiert auf die frühe Diagnostik und Therapie von Entwicklungsstörungen und Behinderungen. Fachleute aus verschiedensten Gebieten - Kinderheilkunde, Sozialpädiatrie, Kinderneurologie, Psychologie, Genetik, Pädaudiologie arbeiten dort zusammen. Es wird also nicht nur Autismus oder AD(H)S behandelt.
Unser Sohn ist auffällig seit er auf der Welt ist. Angefangen vom Schreibaby bis zu motorischen Entwicklungsverzögerungen bis zum 4. Lebenjahr. Wir haben schon etliche Therapien gemacht. Asperger wurde schon mit 2 Jahren vermutet, aber es wurde uns gesagt, bevor er nicht 7 oder 8 ist könne man das nicht testen. Es lief mal besser, mal schlechter, er war eben immer etwas langsamer, als Gleichaltrige. Wir machten Logo und Ergo und er machte immer wieder grosse Schritte. Nun stagniert das ganze seit ca 1 Jahr. Wir hatten ambulante Termine in der spezial Klinik, aber die Diagnose war schwer zu stellen, wenn man ihn immer nur 1 Stunde sieht. Also waren wir dann im September 3 Wochen lang dort. Er ging dort auch zur Schule, da die Schulsituation eigentlich das einzige ist, mit der wir nicht weiter wissen. Der Autismus im Alltag macht es uns eher leicht mit ihm umzugehen, auch wenn das komisch klingt, er braucht einfach seine Rituale und seine Zeitabläufe. Die Diagnose leicht autistische Züge wurde so gesagt, weil er eben nicht alle Symptome des Autismus aufweist. Man könnte es so beschreiben: wenn man bei einem Test 10 Punkte erreicht, spricht man von Autismus, bei 9 Punkten nicht. Es sind aber 20 Punkte erreichbar. Er hat jetzt 10 Punkte, also ist es zu viel um zu sagen, er hat es nicht. Zusätzlich wurde die Diagnose neurologisch abgeklärt und die Tests zeigen die gleichen Kurven, wie bei anderen Autisten.

Die ADS wurde durch zahlreiche Konzentrationstests diagnostiziert.

Und nein, er hat sicher keine Depression. Er ist ein sehr fröhliches Kind, lacht immer, hat meist gute Laune, geht gern zur Schule. Nur die 5er drücken in in letzter Zeit.

Ich wollte aber eigentlich gar nicht über die Diagnose diskutieren, sondern um Erfahrungen mit anderer Benotung und um Rückstellung in die 2. Klasse.

Ich werde auf jeden Fall das Gespräch mit der Lehrerin suchen und mir alle Möglichkeiten aufzeigen lassen.

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Hallo Katharina,
ich glaube, Autismus würde euch etwas falsch erklärt. Deine Erklärung passt auf so ziemlich jede andere Erkrankung, aber NICHT auf Autismus. Das ist nach oben hin offen. Es gibt auch kein Mensch, der alle Punkte für Autismus erfüllt. Der wäre schlichtweg nicht überlebensfähig. Die Punkte gibt es, weil sie vermehrt bei Autisten beobachtet wurden und ein auffälliges Verhalten darstellen, FALLS sie noch zusammen mit anderen, ebenfalls auffälligen Verhaltensmustern auftreten. Nur durch das Zusammenspiel vieler auffälliger Verhaltensmuster kann man überhaupt die Diagnose "Autismus" bekommen. Das zu erreichen ist sehr, sehr schwer. Auch gesunde Kinder haben autistische Züge - eben genau diese auffälligen Verhaltensweisen. Das ist völlig normal. Aber erst die unglaubliche Menge macht ein Kind zu einem Autisten.
Wieso macht euer Kind Logo? Er ist Asperger. Als solcher müsste er doch super in sprachlichen Dingen sein - das ist Voraussetzung bei Asperger.
Ich kann dir nur den Tipp geben, ihn etwas flexibel zu halten und ihn nicht ganz so starr zu machen. Die Rituale vereinfachen alles sehr und gestalten deinen Alltag sehr übersichtlich und machen es ihm leicht, aber er wird umso einspuriger - gerade als Autist. Wenn er einen so leichten Autismus hat, wie du sagst, dann braucht er so großartig nämlich keine Rituale. Bei uns regiert da etwas das Chaos und entsprechend müssen da meine kleinen Autisten lernen, etwas flexibel zu werden...komischerweise ist das kein Problem.

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Ich kann das nur beitragen. Wenn mein Kind schon in der 3 noten 4 und 5 haette wuerde ich lieber die 3. Statt 4 wiederholen. Es bringnt nichts wenn das Kind z.b. Zahlen bis 100 rechnen probleme hat statt 2x die viertemwo man Zahlen bis 1000000? Hat. Ich fand bei meine Kinder die 3 (bayern) lernte man wichtiger baumsteine. In der 4 wird es erweitert.

Gehe lieber ein Schritt zuruck um die weiterer schritten einfacher zu machen

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Hallo, mein Sohn wiederholt jetzt die 2. Klasse an einer Förderschule, er hat ADS und Depressionen. Aber jedes Kind ist anders. Weißt du, dass es in München spezielle Schulen für ADHS und Autismus gibt? Das hatte mir die tolle besagte Ambulanz, bei der wir wohl auch waren, nicht gesagt, die haben von Schule gar keine Ahnung. In welcher Ecke von München wohnt ihr denn? Du solltest dich ganz dringend beim zuständigen Mobilen Sonderpädagogischen Dienst vorstellen, da bekommst du Empfehlungen. Den findest du bei eurer zuständigen Sprengelfoerderschule.

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Da es ein problem ist, welches sich durch wiederholen nicht löst, sehe ich keinen Sinn darin. Hinzu kommt, dass jede Änderung der Umwelt für einen Aspie megastress bedeutet.

Wenn das ADS so im Vordergrund steht, dann wäre eine Medikamententherapie gekoppelt mit einer Verhaltenstherapie das richtige.

Asperger Autisten können NT (Nerotypisch, d.h. Nichtasperger) sprache und Verhalten so lernen, wie eine Fremdsprache. Da helfen Filme und vor allem Serien (weil die Charaktere über mehrere Episoden bleiben) wenn ein NT mit dem Aspie bespricht, warum xy sich in der und der Situation so und so verhält.

Imho ist die richtige Herangehensweise nicht, festzustellen, was aufgrund von Aspie-sein und oder ADS nicht geht! Es muss herausgefunden werden, wie eine Teilhabe möglich ist, welche Hilfsmittel helfen (Ohrenstöpsel bei Klassenarbeiten/Stillarbeiten, Laptop wenn keine funktionale Handschrift erlernt werden konnte oder oder oder). Und: welche Stärken hat der Schüler!!!

Integrationshelfer müssen beim Schulamt schriftlich beantragt werden. Allerdings muss hier auf die Qualität der Fach!Kraft abgezielt werden.

Gruß

Manavgat

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Auch ein Aspi kann das lernen, meiner kann nur bis heute nicht interpretieren, alles andere haben wir geübt, zb. Sprichwörter einfach mit der Herkunft dieser erklären, gerade Aspis sind da zu begeistern. Ein Spiegel auf dem Schreibtisch damit Mimiken geübt werden und damit lernt er wie sich andere fühlen , oft über gefühlsverletzungen reden, zb. ich fühle mich jetzt mies, bin traurig .... Eine andere Benotung wegen Asperger kannst Du beantragen Nachteilsausgleich das hilft deinem Kind mehr als ihn in eine Fremde Umgebung (zurückstufen) zu geben. Meiner sagte immer: Ich bin das Schaf und kenne die Wölfe die mich umgeben, er ist jetzt 12. Klasse mittlerweile trifft er sich auch mal privat mit einigen und schließt sich nicht aus. Bei Gruppenarbeiten wir der gerne gewählt, da er da top leistungen bringt
Lg und genieße dein kind, unsere Kinder sind so einzigartig und vergleichsweise in der Pupertät einfacher als normale#winke