Wie kommen wir aus der Krise?

Ich habe hier schon einige Beiträge verfasst nun bin ich in einer neuen Situation. Mein Mann und ich hatten vergangenes Jahr eine handfeste Ehekrise. Unsere Tochter war zu diesem Zeitpunkt zehn Monate und er rutschte in eine depressive Phase. Keine Gefühle für nichts, unerträglich im Alltag, überhaupt nicht belastbar, konnte sich nicht um unsere Tochter kümmern. Ich habe im Januar, nach einem halben Jahr gesagt ich kann das so nicht. Er sagte er ist nicht Glücklich, nicht gemacht für Familie usw...
Gut, er wollte ausziehen. Man muss dazu sagen, dass wir 16 Jahre zusammen sind und unsere Tochter absolut geplant war. Er hat ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter und seinen Vater plötzlich vor vier Jahren verloren. Er ist super sensibel und ich glaube, ihm ist da viel eigener Kram um die Ohren geflogen. Er sagte, vielleicht finde ich dann jemanden, der es besser machen kann als er....
Wir haben dann sehr viel geredet, ich bin erstmal einige Wochen weg. Wir haben zwei Sitzungen bei der Paartherapie gehabt. Er wolle sich Hilfe suchen. Seine Wohnungsbesichtigungen hat er abgesagt. Es würde sich falsch anfühlen... Das alles ist jetzt also zwei Monate her. Tatsächlich führen wir aktuell ein recht schönes Familienleben. Er ist toll mit unserer Tochter, wir unternehmen viel, kochen zusammen, planen unseren Sommerurlaub (er hat den initiiert) und haben jede Woche eine 'Datenight' wenn unsere Tochter schläft. Aber auf der Paarebene läuft fast nichts... Wir haben im Januar aufgehört uns mit Kosenamen anzusprechen und körperliche Nähe ist auf ein Minimum beschränkt (Kuss zur Begrüßung, ab und zu mal Arm umlegen). Ich weiß nicht was ich Erwarte, aber mir geht das alles nicht schnell genug. Ist das mein Thema? Ja, es ist so viel besser geworden. Aber wir als Paar? Er würde jetzt sagen, wir arbeiten doch daran... Aber wie? Im Juli haben wir ein Jahr kein Sex. Auch der Urlaub jetzt im Juni liegt mir schwer im Mage... Fliegen wir wie Freunde? Bin ich zu ungeduldig? Hilfe...

1

Wenn man vor Kindern nicht die eigene schwierige Kindheit aufarbeitet, fliegt einem das oft mit eigenen Kindern um die Ohren. Das ist blöd für dich, aber auch für ihn. Hättest du ihn auch nach einem halben Jahr verlassen wollen, wenn er zum Beispiel an Krebs erkrankt wäre? Psyche kann sich auch nach überlebenskampf anfühlen, nur, dass dass das zusätzlich ein gesellschaftliches Tabu ist.

Meine Erwartung an ihn wäre, dass er sich kümmert, Therapie macht (auch wenn es im Moment besser ist, die Kindheit der eigenen Kinder kann voller Trigger für einen selbst sein) und sonst wäre ich zuerst für die Tochter und mich da, würde ihn aber auch nicht im Stich lassen. Nach dem, was du schreibst, bemüht er sich doch sehr.

Sowieso ist das Babyjahr bei vielen auch ein Krisenjahr, da sollte man nach Möglichkeit keine großen Veränderungen beschließen. Und Sex ist bei vielen auch lange Zeit kein Thema. Ich würde ansprechen, dass mir die Alltagszärtlichkeiten und auch der Sex fehlen, würde aber (leicht gesagt, ich weiß schon) keinen Druck machen. Und selber mehr Alltagszärtlich sein. Wäre weitere Paarberatung neben einer Therapie für ihn eine Möglichkeit?

Ach so, ein Nachtrag: Ich würde fliegen. Ihr könnt bestimmt eine entspannte Auszeit und schöne Familienerlebnisse miteinander brauchen. Wenn es gut läuft, bringt es auch mehr Nähe als Paar. Zuhause bleiben bringt bestimmt keine Verbesserung.

Alles Gute für euch :)

Bearbeitet von Apfelkiste
2

Ich kenne deinen alten Beiträge nicht, aber du beschreibst in diesem Post sehr kurz und knapp was eigentlich furchtbar schwer gewesen sein muss. Nicht umsonst hast du ja im Januar erstmal die Notbremse gezogen und gesagt, es geht so nicht.
In deinem Post jetzt fällt mir auf, dass dein Mann scheinbar das Tempo vorgibt. Was er nicht konnte oder nun doch nicht aufgeben möchte, bestimmt ein gutes Stück weit die Richtung. Aber was ist mit dir? Ist das für dich ok so? Möchtest du das unter diesen Umständen? Möchtest du einen Familienurlaub machen, wenn ihr quasi wie Geschwister miteinander umgeht?

Du fragst ob du zu ungeduldig bist. Natürlich muss man in einer Krise erstmal ein bisschen Zeit ins Land gehen lassen, manche Dinge klären sich nicht über Nacht. Eine psychische Krise ist hart, ich finde es erstmal toll, dass du ihm scheinbar Zeit gibst und an ihm festhältst.

Trotzdem finde ich es nicht verwerflich, wenn du jetzt die vergangenen Monate reflektierst und für dich feststellt, dass dich euer Umgang irritiert, dass dir etwas fehlt und du dir Sorgen wegen des Urlaubs machst. Und das darfst du auch kommunizieren. Nicht im Vorwurfsmodus, sondern als Ich-Botschaft. Er könnte dir erklären, wie er das gerade empfindet. Ist das so ok für ihn? Wünscht er es sich langfristig anders? Sieht er euch prinzipiell noch als Liebespaar, oder eher als Gemeinschaft, weil er das Vertraute nicht aufgeben, kein Trennungspapa sein will? Überfodert ihn Nähe generell gerade? Da gibt es viele Möglichkeiten. Nur wenn du die kennst, kannst du damit umgehen. Wenn du eine Richtung weißt, ist vielleicht der Zustand jetzt einfacher auszuhalten. Oder es gibt Veränderungen.

Ich rate generell zu Geduld, aber immer auch dazu, zu schauen wie es für dich ist. Deine Gefühle haben jede Berechtigung, und du musst nicht alles mittragen. Du musst ja auch noch für deine Tochter da sein und brauchst deine Kraft. Alles Liebe!