Mein Freund hat sich das Leben genommen

Hallo ihr lieben, ich schreibe hier rein da ich mein Kopf und Herz so zerrissen ist und ich meine Geschichte erzählen möchte und vielleicht habt ihr ja ähnliches erlebt.

Vor ca 3 Wochen hab ich mein Freund erhängt in seiner Wohnung gefunden. Wir haben uns davor gestritten. Es ging um sein Alkohol Problem, er hat immer Doll übertrieben und das konnte ich nicht richtig ab . Mein erster Freund war auch immer so extrem und das hat mich immer von ihm Weg gedrückt. Er hatte eine schlimme Kindheit, musste immer kämpfen. Depressionen hatte er auch. Wir waren trotzdem unglaublich glücklich wenn wir uns nicht wegen dem Thema Alkohol gestritten haben. Wir waren 2 Monate zusammen, ich weiß es nicht lange , aber wir haben in diesen 2 Monaten so viel gefühlt und wollten uns so viel aufbauen. Seine Freunde sagen er hatte mit mir die schönste Zeit seines Lebens aber warum geht er dann ausgerechnet jetzt? War es wirklich gewollt oder eine Kurzschlussreaktion? So viele Fragen. Hab ich ihm ein schlechtes Gefühl gegeben was dazu beigetragen hat? So viele und ich werde die eine Antwort bekommen. Wir hätten alles geschafft und es ist so unfassbar traurig um diesen unglaublich tollen Menschen der einfach nicht mehr wieder kommt. Wie soll ich das verkraften

Liebe Grüße eure Lotte

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Hi meine Liebe,

Es tut mir unglaublich leid, dass du deinen geliebten Partner verloren hast.
Deine Welt steht nun komplett Kopf. Alles ist anders.

Als erstes möchte ich dir sagen, dass du NICHT SCHULD BIST. Streit hin oder her. Du trägst nicht die Verantwortung für den Suizid.

Du hast geschrieben, dass er es im Leben nicht leicht hatte. Die Folge waren dann Depressionen und scheinbar Alkoholmissbrauch.

Ich kann natürlich nicht in deinen Partner reinsehen, ich will mir da auch gar nichts anmaßen. Ich kann nur versuchen es dir aus einer anderen Perspektive "zu erklären":

Die Menschen gehen verschieden mit dem Leben und dem Erlebten um. Depressionen können auftreten. Mit dem Thema wird sich immer ungern beschäftigt, es tritt aber doch viel häufiger auf als man denkt.
Weisst du, es gibt so Momente im Leben bzw Erlebnisse ... da möchte man sich nur noch komplett betäuben. Man möchte am besten nix mehr fühlen. Man fragt sich immer wie man das alles ertragen soll. Wie man jeden Tag mit diesen Gedanken aufstehen und Leben soll. Die meisten Leute um einen drum herum haben wenig Feingefühl, kaum Empathie... naja es gibt solche und solche. Auf jeden Fall hat dein Partner scheinbar den Alkohol als vermeintlichen "Helfer" gewählt. Man greift sich irgendwas, an dem man Halt findet bzw das einen zumindest etwas betäuben soll. Man möchte einfach, dass "es aufhört". Depressionen sind ne schwierige Geschichte. "Es" spielt sich im Kopf ab und hört einfach nicht auf. Wenn man Glück hat findet man in Schlaf Ruhe.

Ich möchte hier nichts verallgemeinern oder weiss der Geier was. Ich möchte lediglich der TE es vielleicht ein wenig verständlicher und vielleicht erträglicher machen.

Nach schweren Traumas oder eben auch im Verlauf einer Depression kann es dazu kommen, dass man einfach nur noch möchte, dass "es aufhört". Man kann die Gedanken in seinem Kopf und die damit verbundenen Gefühle nicht mehr ertragen.
Viele Menschen sagen immer so Sprüche wie "Suizid ist keine Lösung".
Der betreffenden Person geht es nicht um eine Lösung. Es geht einfach nur darum, dass es aufhört.

Und um den Kreis hier zu schließen:

Er wollte sicher nicht, dass die Zeit mit dir endet. Das war wahrscheinlich sein einziger Trost und Rückhalt.
Und ich weiss, dass du dich nun fragst warum er es dann jetzt gemacht hat.
Genau auf diese Frage wirst du wahrscheinlich nie eine Antwort kriegen. Die wirklich wichtigen Fragen im Leben bleiben leider ziemlich oft unbeantwortet.

Nimm dir Zeit. Mach das, was dir gut tut und du für richtig hältst. Er wird immer ein Teil deines Lebens bleiben. Das trägst du in dir.
Die Zeit heilt keine Wunden. Man kann nicht alle Erlebnisse in einen Karton packen und verschließen.

Aber wenn ich dir eins sagen kann, dann dass sich mit der Zeit die Bilder ändern werden.
Trauer verläuft in Wellen. Es gibt gute und schlechte Tage. Das ist alles völlig okay.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die kommende Zeit. Und ich kann es nur nochmal wiederholen: Es liegt nicht an dir und du trägst keine Schuld.
Alles Gute!

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Ich danke dir für deine Worte. Ich bin auch in Therapeutischer Behandlung und werde eine Selbsthilfegruppe aufsuchen damit ich mit Menschen spreche die das gleiche erlebt haben. Danke nochmal, deine Worte haben mir geholfen, auch wie sehr es schmerzt.

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Ich denke meine Worte sind noch zu früh, trotzdem möchte ich sie dir da lassen.
Ich weiß aus Erfahrung, das man diese Bilder der Auffindesituation nie wieder vergessen wird und ich weiß, das die ganzen Fragen niemals beantwortet werden. Ich weiß auch, das einen die Frage sehr lange beschäftigt, ob man es hätte verhindern können.
Hör bitte niemals auf zu kämpfen, dafür das du den Fokus weg von ihm, sondern hin zu dir nicht aus den Augen verlierst. Laß niemals zu, das seine Entscheidung gegen das Leben auch dein Leben zerstört. Nichts, aber auch gar nichts an seiner Entscheidung hat irgendetwas mit dir zu tun.
Ich vermute, das auch bei dir irgendwann der Moment kommt, das du eine unsagbare Wut auf ihn verspürst. Eine Wut darauf, welche Spuren/Konsequenzen seine Entscheidung in deinem Leben hinterlassen. Ich konnte sie erst nicht einordnen, aber schlußendlich war sie wie ein Befreiungsschlag, der so dringend notwendig war.
Auch wenn du es dir heute noch nicht vorstellen kannst, ja man kann so ein Erlebnis verkraften. Man kann akzeptieren, das die Person nicht mehr leben wollte und lernen, das das eigene Leben sehr wertvoll ist.

Ich habe gelesen, das du in therapeutischer Behandlung bist und auch den Austausch mit anderen Betroffenen suchen willst. Das ist ein guter Anfang. Ich wünsche dir für die nächste Zeit viel Kraft.

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Ich danke dir für dein Worte.

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Hey Lotte,

das ist grausam!

Ich war vor 12 Jahren in der Situation, dass sich mein Ex umgebracht hat, auch durch erhängen.
Wir waren schon länger getrennt, aber hatten zu dem Zeitpunkt wieder freundschaftlichen Kontakt. Wir haben in der Zeit viel geschrieben, ich habe gemerkt, dass es ihm mental nicht gut ging. Er hatte einen starken Hass auf sich selbst- das schrieb ich ihm. Er projiziere seinen eigenen Selbsthass auf andere Menschen. Nicht sie hassen ihn, sondern er sich. Meine letzten Worte an ihn.

Ich glaube, man muss sich klar machen, dass Menschen in diesem Moment in einer Ausnahmesituation sind. In dem Moment ist das Gefühl so schwer zu ertragen, dass man es beenden will. Das hat nichts mit den Mitmenschen zu tun, sondern spielt sich nur in dem Menschen selbst ab. Alles drum herum wird in dem Moment belanglos.
Du hättest ihn nicht retten können.
Mein ex hatte Pläne. Er war gerade einkaufen und hatte Essen vorbereitet. Aber statt es zu essen, hat er sich erhangen.

Du weißt auch nicht, wie lange er diesen Plan schon hatte. Mein Ex hatte mir in der Beziehung gesagt, dass wenn er mal sterben möchte, er sich erhängen werde. Das sei sicher.

Ich denke, dass er vorher schon oft darüber nachgedacht haben muss. So war es seine Entscheidung. Depressionen und Alkohol sind eine üble Kombination.

Liebe Grüße
Schoko