Dürfen nur Angehörige trauern?

Hallo, ihr Lieben!


Seit langer Zeit überkommt es mich, dass ich mal wieder was ins Forum schreibe... Dass es ausgerechnet dieses Forum hier sein sollte, hätte ich jetzt auch nicht gedacht....

Ich bin fast 53 Jahre alt und eigentlich sollte man meinen, dass ich schon so einige Menschen in meinem Leben verloren habe und weiß, wie sich das anfühlt... Aber der viel zu frühe Tod meiner besten Freundin zog mir so richtig den Boden unter den Füßen weg..... Sie starb ganz plötzlich, "mitten aus dem Leben" wie man so sagt...mit 62 Jahren, Mitte Februar diesen Jahres... Sie war nicht ernsthaft krank, fühlte sich nur ein paar Tage schon nicht wohl... Am frühen Nachmittag telefonierten wir noch, ich bot an wegen ihres Unwohlseins mit ihrem Hund raus zu gehen, was sie ablehnte, sie schaffe das schon. Am Abend dann rief ich nochmal an, um zu hören, wie es ihr ginge, sie nahm nicht das Telefon ab....

Da war sie bereits tot.....

Seither ist für mich nichts mehr wie es war.......Ich vermisse sie unglaublich.....Sie wohnte nur eine Querstraße weiter, war sehr beliebt, besonders bei den anderen Nachbarn mit Hund. Sie war noch so voller Pläne und Ziele.... Wir wollten, wenn es wärmer würde, meinen Garten neu gestalten, wollte ihren Enkel aufwachsen sehen und bald das zweite Enkelkind begrüßen....alles vorbei...

Sehr viele Leute waren auf der Trauerfeier, die Trauerhalle war voll..! Freunde und Nachbarn waren hinterher noch zum Kaffee in ein Restaurant eingeladen Die Freunde und Nachbarn trafen auf die Familie und Angehörigen.
Und plötzlich wurden wir Freunde und Nachbarn von den Angehörigen (nicht von der allerengsten Familie!) kritisch beäugt... "Was wollen die denn hier?" konnte man fast schon in den Gesichtern lesen.....irgendwie war das befremdlich...irritierend.... Teilweise kamen wir uns fehl am Platze vor...Es wurde dennoch eine schöne Runde...mit all denen, die sich so gut wie täglich auf der Straße trafen...Jeder hatte irgendeine Anekdote zu erzählen und es war fast so, als wäre sie mitten unter uns, mit am Tisch....

Aber dürfen wir Freunde....und Nachbarn....und Kollegen nicht trauern.....waren wir mit unseren kleinen Geschichten pietätlos? Ich bin im Nachhinein verunsichert....

Traurige Grüße.
jessy

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Ich habe zwei sehr liebe und enge Freundinnen in den letzten Jahren verloren, allerdings wohnten beide so weit weg, dass ich nicht hinfahren konnte zur Beisetzung. Von der ersten hatte ich mich einen Tag vor ihrem Tod verabschiedet, da fuhr ich nochmal zu ihr, sie starb an Leukämie - nur grausam.
Ganz sicher aber hätte mich niemand von den Familien schief angeschaut, es war ihnen ja bekannt, wie sehr wir aneinander hingen.
Und selbst wenn, es wäre mir sowas von egal gewesen.
Es gibt doch kein Privileg zum Trauern.
Als ein ganz lieber Nachbar hier vom Haus starb, fuhren mein Mann und ich auch zur Beisetzung und waren in die Familie sogar integriert. Sie wussten ja, wie herzlich das Verhältnis war. Nein, pietätlos wart ihr ganz sicher nicht, das ist Quatsch. Bei jedem Leichenschmaus werden kleine Geschichten vom Verstorbenen erzählt. Wäre ja sehr traurig, wenn es nichts zu erzählen gäbe.
LG Moni

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Liebe Jessy,

es tut mir sehr leid, dass du deine beste Freundin verloren hast.

Um deine Frage direkt zu beantworten: nein, natürlich dürfen nicht nur Angehörige trauern. Du hast eine liebe Freundin verloren und hast allen Grund für Trauer und Schmerz.

Ich würde allerdings den Blicken, Gesten und auch dem, was vielleicht auf der Trauerfeier gesagt wurde, nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Du musst bedenken, dass so eine Veranstaltung für die meisten eine absolute emotionale Ausnahmesituation bedeutet. Ich weiß aus eigener Erfahrung leider schon gut genug, dass viele Menschen (ich inklusive) bei solchen Veranstaltungen wie in einem Tunnel sind, absolut neben sich stehen und es ggf. sogar die Anwesenheit anderer Menschen befremdlich finden. Man ist einfach wahnsinnig sensibel in dieser Zeit. Ich war bei der Beerdigung und dem anschließendem Leichenschmaus (was für ein schlimmes Wort) meiner Oma so neben der Spur, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wer alles da war und mir die Hand geschüttelt hat. Viele von denen waren mir jedenfalls fremd, und dann kommen die da und schütteln einem die Hand und quatschen einen voll...nicht schön, wenn man sich eigentlich nur verkriechen will. Bei der Trauerfeier für meine Tante, die ich über alles liebte, stand ich in der Aussegnungshalle und fühlte gar nichts. Jemand Außenstehendes hätte mich wohl als ziemlich abgebrüht eingeschätzt, dabei hatte ich einfach keine Tränen mehr.

Was ich dir damit sagen will: mach dir keine Gedanken. Jeder Mensch trauert anders, reagiert anders, auch auf andere Trauernde, und verhält sich bei solchen Anlässen anders. Lass dich davon nicht verunsichern. Anekdoten aus dem Leben sind doch völlig okay und auch schön.

Alles Gute dir!

Liebe Grüße,
DieKati

Bearbeitet von DieKati
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Also für mich bist du eine Angehörige. Ich käme nie auf die Idee, diese Bezeichnung nur für Verwandte zu zählen. Für mich umfasst das die enge Familie und die Freunde etc.
Und natürlich dürfen Freunde, Nachbarn ... trauern. Jeder, der ein Verhältnis zu ihr hatte. Oder zu den Angehörigen, die trauern. Dieses mittrauern, obwohl man den Verstorbenen nicht kannte, finde ich oft tröstlich.
Du warst nicht pietätlos, sondern respektvoll ihr gegenüber.

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Hallo,
ich glaube nicht, dass jemand darüber irritiert war, dass du trauerst. Das darf jeder in dem Maße wie er es fühlt und braucht.

Allerdings ist es in unserer Familie auch so, dass zur Trauerfeier ( damit ist die Andacht in der Kirche gemeint ) und beim Begräbnis jeder dabei sein kann wie er möchte, aber beim anschließenden Leichenschmaus (fürchterliches Wort) tatsächlich nur die Verwandten hingehen zumal bei uns eben auch die Kinder der Verstorbenen das Ganze bezahlen und wenn da jeder hinkommt, wird das natürlich richtig teuer.
Vielleicht ist es in der Familie deiner Freundin ähnlich und sie waren deshalb etwas irritiert.

Liebe Grüße