Tod der Mutter - schlechtes Gewissen

Hallo zusammen,

Am 26.2. diesen Jahres ist meine Mutter gestorben und ich komme damit einfach nicht zu recht. Sie ist nur 61 Jahre alt geworden. Sie hatte es noch geschafft den Notruf selber zuweilen und ist dann wohl zusammen gesackt.
Die Sanitäter haben sie 30 Minuten in der Wohnung versucht zu reanimieren. Leider ohne Erfolg. Auch im Krankenhaus wurde sie noch mal reanimiert. Auch das war ohne Erfolg.
Meine Cousine hatte an diesem Abend Dienst im Krankenhaus und hat meine Daten an die Ärzte weitergegeben. Keiner wusste sonst wer sie war. Sie hatte nichts dabei. Wäre meine Cousine nicht da gewesen, hätte ich es wohl nie erfahren oder erst nach Wochen...

In den letzten Jahren hatte ich sehr wenig Kontakt zu meiner Mutter. Dafür gibt es sehr viele Gründe. Alle Details aufzuzählen würde einfach den Rahmen sprengen.

Meine Mutter war eine Person, der ich irgendwann nichts mehr glauben konnte, so dass ich mich zurückgezogen habe um einfach mich selber und meine Familie zu schützen.

Ich hatte mit ihr nur telefonischen Kontakt und via WhatsApp. Sie wollte nicht, dass ich sie besuchen komme. Das wollte ich seit langem tun, aber sie wollte keinen Besuch von mir.
Auch habe ich sie häufig zu uns eingeladen, aber auch das hatte sie immer abgelehnt, aufgrund der gesundheitlichen Probleme.

Nun musste ich mich kümmern, dass meine Mutter bestattet wird. Meine 3 Geschwister hat das wenig interessiert. Niemand wollte mich unterstützen oder gar helfen. Natürlich hat das ihre Gründe, aber sie war trotzdem ein menschliches Wesen und sie hat vor allem meine Schwester sehr viel unterstützt in vielen belangen. Meine Schwester wollte aber nicht mal sich an den Beerdigungskosten beteiligen, doch den Zahn konnte ich ihr ziehen. Denn rein rechtlich war sie dazu verpflichtet.
Damit wir alle Unterlagen für den Antrag der Sterbeurkunde musste ich in die Wohnung rein.
Ich kann gar nicht beschreiben, wie die Wohnung ausgesehen hat. Ich wusste danach, warum meine Mutter keinen Besuch wollte.

Ich habe so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr nicht mejr Hilfe angeboten habe. Egal wie der Kontakt zu ihr war, ich wollte immer, dass sie zu mir in die Nähe zieht. Aber sie wollte auch das nicht. Ich mache mir solche Vorwürfe, dass ich oft nachts nicht zur Ruhe komme.
Ich weiß, dass ich keine Schuld trage an den Vorkommnissen und ich weiß, dass ich nichts hätte tun können. Sie war schwer krank, COPD, Diabetes, mehrere Herzinfarkte, ich weiß nicht was noch alles. Irgendwann wäre der Tag gekommen. Und dennoch mache ich mir Vorwürfe, dass ich einfach nicht genug getan habe.
Ich weiß einfach nicht wohin mit mir.

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Hallo Kalina,

"Und dennoch mache ich mir Vorwürfe, dass ich einfach nicht genug getan habe."

Erst einmal mein Beileid zum Tod deiner Mutter. Auch wenn - oder wohl eher gerade weil - euer Verhältnis schwierig war, ist es natürlich etwas, womit man klarkommen muss.

Den Satz, den ich oben zitiert habe, den kenne ich von mir selbst. Kann es sein, dass sich dieser Gedanke bei dir nicht erst jetzt, seit ihrem Tod manifestiert hat, sondern sich schon länger durch dein Leben zieht? Ich hatte auch immer das Gefühl, ich hätte die Verantwortung für alle um mich herum. Ich war ein Kümmerer, eine Freundin bezeichnete mich mal als "Seelenmülleimer". Ich dachte immer, wenn ich mich besonders anstrenge, wird mir dasselbe widerfahren - wird man sich auch um mich gut kümmern. Die Rechnung ging nie auf.

Bist du auch so eine Person, die immer alles gibt? Ich kann es mir jedenfalls gut vorstellen. Du hast auch für deine Mutter viel getan. Du sagst, es ist so viel zwischen euch vorgefallen, dass eine Schilderung den Rahmen sprengen würde. Du musstest dich und deine Familie schützen. Und doch war da immer Kontakt. Sie wollte nicht, dass du zu Besuch kommst, du wolltest es aber. Du hast immer mehr gegeben, als du bekamst, und hast folglich jetzt ein schlechtes Gewissen. Was immer du versucht hast, es war nicht genug.

An dieser Stelle möchte ich einen Stopp in deinem Gedankenkarussell einlegen und dir einen Ausweg zeigen.

Liebe Kalina, du bist nicht verantwortlich für deine Mutter, wie sie war, wie sie handelte und wie sie mit dir umging. Was du für sie zeitlebens und nach ihrem Tod getan hast, war mehr als genug. Ich weiß, dass es Zeit braucht, bis das schlechte Gewissen weg ist. Ich habe es heute noch manchmal gegenüber manchen Personen, aber man muss irgendwann an den Punkt kommen, an dem man die Verantwortung loslässt, die man sich selbst auferlegt hat, an der man auch schwer getragen hat.

Ich wünsche dir, dass du den schweren Rucksack, den du nun schon so lange getragen hast, ablegen kannst. Gib dir Zeit, um Frieden mit dir selbst zu schließen. Das darfst du nämlich, gestehe dir dieses Recht zu.

Alles Gute, von Herzen!

DieKati

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Vielen Dank für deine Antwort.

Es ist tatsächlich so, dass ich mich immer um alles und keinen kümmern möchte und häufig das Gefühl habe, dass es nicht genug ist, was ich tue.

Ich weiß, dass viele Menschen meiner Mutter helfen wollten. Auch meine Familie. Aber meine Mutter hat leider alles abgeblockt. Sie ist gestorben, wie sie gelebt hat. Alleine.

Leider ist mein Vater mir auch keine Hilfe oder Unterstützung. Er hat sich in seiner querdenker-reichsbürger-rolle mit seiner neuen Partnerin verkrochen.

Mit meinen Geschwistern habe ich auch keinen Kontakt mehr seit den Tod meiner Mutter.
Ich glaube, es wäre einfacher für mich, wenn ich mit ihnen sprechen könnte. Aber da fehlt von deren Seite das Interesse, so dass ich resigniert habe.
Ich hoffe, dass ich damit bald abschließen kann. Es belastet mich einfach sehr.
Viele Grüße

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"Ich weiß, dass viele Menschen meiner Mutter helfen wollten. Auch meine Familie. Aber meine Mutter hat leider alles abgeblockt. Sie ist gestorben, wie sie gelebt hat. Alleine."

Ich finde es toll, wie klar du das reflektieren kannst. Schade, dass dir die Mitglieder deiner Familie keine Hilfe bei der Verarbeitung sind. Familie kann man sich eben nicht aussuchen und Blutsverwandtschaft bedeutet nicht immer Liebe und Zusammenhalt.
Und was das Helfen angeht: ich musste auch erst lernen, dass ich niemandem helfen kann, der es nicht möchte. Dass ICH damit klarkommen muss, dass es so ist, dafür aber kein schlechtes Gewissen haben muss. Ich denke dann immer an das Bild vom Pfadfinder, der der alten Dame über die Straße hilft - obwohl sie sich mir Händen und Füßen wehrt, weil sie gar nicht rüber möchte. Klingt albern, hilft mir aber, wenn ich wieder mal den Fokus zu verlieren drohe.

Hast du schon mal überlegt, ob es dir guttun könnte, mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin zu sprechen? Dazu muss man, wie ich finde, auch nicht zwingend gläubig sein. Auch Trauerbegleiter/innen könnten Anlaufstellen sein - du musst da nicht alleine durch. So eine "Draufsicht" von jemand Drittem kann ja immer auch neue Perspektiven eröffnen.

Schreib auch gerne wieder hier, wann immer dir danach ist.

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Du sollst dich nicht fertig machen. Mutter/Tochter Verhältnisse sind oft schwierig. Ich selbst habe erst nach Geburt meiner Tochter wieder ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter. Es rechnet auch keiner mit so etwas schlimmen.

Alles Gute!