Schlechtes Gewissen nach Tod des Vaters

Hallo
Mein Vater ist vor 1 Monat im Krankenhaus gestorben
Ich vermisse ihn so sehr
Ich Kämpfe mit meinem schlechten Gewissen
Wir haten eine enge Verbindung
Als wir vom Krankenhaus angerufen worden sind dass wir kommen sollen um uns zu verabschieden stand ich unter Schock
Meine ganze Familie war da
Er lag da und hat nur noch gestöhnt und alles war voller Schläuchen
Ich habe so ein schlechtes Gewissen Weill ich in den Moment nur dran gedacht habe wie lange wir hier im Krankenhaus bleiben
Ich wollte nur dass es schnell vorbei geht
Jetzt denke ich mir was mit mir nicht stimmt?
Ich habe ihn so sehr geliebt
Und wollte einfach nur raus aus der Situation
Fühle mich so schlecht dass ich so egoistisch in dem Moment war
Verstehe mich selbst nicht
Diese ganze Situation war so schrecklich

1

Hi Naddl,

mein herzliches Beileid zum Tod Deines Vaters.--Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben und ich vermisse ihn auch immer noch sehr.
-Ich glaube, dass Schuldgefühle so gut wie immer Teil unserer Trauer sind. Sie sind irgendwie auch Ausdruck unserer Liebe zum Verstorbenen und durch sie hält man irgendwie auch die (Ver)bindung zum Verstorbenen.
Um eine Realschuld kann man in den wenigsten Fällen sprechen.
Es ist eine emotionale Ausnahmesituation. Wir reagieren eben so gut wir wir es können zum Zeitpunkt. Man hat ja nicht die Kapazität die man im Nachhinein hat. Man kann nicht endlos lange drüber nachdenken, wie man sich wohl am Besten verhalten sollte. Man tut das Beste was man zum Zeitpunkt kann. Etwas Egoistisches ist bei Dir nicht zu erkennen. Das sind alles total normale Gefühle und Gedanken, gerade angesichts des Anblicks von solchem Leiden.
Mir hat geholfen bzw. hilft mit meinem Vater innerlich ins Gespräch zu gehen, wenn ich solche Schuldgefühle mal wieder verfolgen. Da kommt dann meistens raus, dass er es überhaupt nicht so sieht und, vereinfacht gesagt, alles gut ist. Es kommt nun auch zunehmend, dass er sich wünscht, dass man nicht nur über den Schmerz verbunden bleibt, sondern auch über freudvolle Dinge.
Wenn es eine liebevolle Beziehung war--und so klingt es ja bei Dir--dann wird es einen Weg geben wie Du das gut verarbeiten kannst. Sollte von der belastenden Krankenhaussituation etwas traumatisch verarbeitet worden sein, könntest Du Dir dafür Hilfe holen, sollte es nicht von alleine mit der Zeit besser werden.

alles Gute

2

Hallo

Ich kann dir sehr Nachempfinden. Mein Papa ist vor 3 Jahren auf dem Geburtstag unserer Tochter verstorben. Er wollte noch zum Geburtstag aus dem Krankenhaus. Damit er noch ihren Geburtstag feiern kann und dann wieder zurück. Sie wurde 10 und es war voll in der Corona Zeit. Ich bin auch total Papakind gewesen. Als das Krankenhaus anrief, funktionierte ich nur noch. Ich durfte erst nicht rein, nur meine Mutter. Dennoch habe ich den 30 km zum Krankenhaus gemacht und auf meine Mutter zur warten. Mich haben sie dann doch rein gelassen und konnte mich verabschieden. Ich habe ihn angefleht, das er nicht Kämpfen soll Es war so schmerzhaft ihn da liegen zu sehen, in Windel mit Atemaussetzer, er sah so Fremd aus. Meine Tochter hat sich gewünscht, das der engste aus der Familienkreis zu Ihr kommt, Opa hätte es so gewollt. Als wir dann zuhause waren, kam 1,5 std später der Anruf aus dem Krankenhaus, das er verstorben sei. Meine Tochter hat jetzt ihren Opa als den Schutzengel für sich Persönlich. Er harte gewartet bis sie Geburtstag hat. Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, kommen mir die Tränen. Ich habe nie getrauert, auch nicht geweint als das Krankenhaus angerufen hat :(

Bearbeitet von hardcorezicke
3

Naja, das Szenario war nun mal eine neue, heftige und extrem emotionale Grenzerfahrung. Man ist extrem hilflos, man kann nichts tun, man kann nichts ändern.

Das man sich dort unwohl fühlt und am Liebsten weg möchte, was ja irgendwie auch ein "weg" von der Realität bedeutet, das kann ich vollumfänglich verstehen.

Ich kann dir deine Gedankengänge nicht nehmen, aber ich kann dir dalassen, das es keinen Grund gibt, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. Deine Gefühle in dem Moment waren vollkommen okay, denn sie wollten dich schützen, du wolltest dich schützen.....das ist einfach nur menschlich.

Wenn dich deine Gedanken und dein schlechtes Gewissen überhaupt nicht mehr loslassen, dann rate ich dir zu einer Trauerbegleitung. Die Kliniken selber bieten auch Gespräche an, du kannst das auch jetzt noch in der Klinik, wo dein Vater lag, beanspruchen. Oder sprich mit Menschen darüber, die schon Erfahrungen damit haben. Dann kannst noch mehr Stimmen, wie meine hören.

Wir alle reagieren in solchen Momenten komplett unterschiedlich. Ich bin damals 10 Minuten zu spät gekommen, da stand ich dann vor meinem toten Vater, den ich am Tag vorher nur in die Klinik gebracht hatte, weil wir dachten, das er mit seinen Tabletten durcheinander gekommen war oder bei der Hitze zu wenig getrunken hatte. Absolut nicht greifbar, nicht realisierbar, völlig surreal. Und was mache ich....ich fange an ihm die Haare zu kämmen.
Bei meiner Mutter habe ich die Sterbebegleitung zu Hause gemacht, dort durfte sie auch sterben. Der Bestatter kam, ich hatte schon Kleidung rausgesucht, wir haben sie zusammen umgezogen. Alles gut soweit....am Schluß lege ich ihr ihren Lieblingsschmuck (Erbstücke) an....Himmel, die Frau wurde eingeäschert....selbst wenn nicht....welcher Teufel hat mich denn da geritten? Mein Vater hat ihr zum Glück noch den Ehering wieder abgenommen...aber der Schmuck meiner Urgroßmutter ist für immer verloren.
Man ist einfach nicht Herr seiner Sinne und seiner Gedanken in solchen Momenten. Das ist einfach so und wäre es anders, dann wären wir Maschinen.