44 und unendlich traurig durch unerfüllten Kinderwunsch

Diese Jahr bin ich 44 geworden, es bricht langsam alles zusammen. Meine eigene physische und psychische Gesundheit aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches. Ich bin seit Jahren tieftrautig. Ich habe bereits ein Kind, aber ich wollte immer zwei. Es fehlt mir so unglaublich ein kleiner Mensch. Die Zeit ist davongelaufen und ich habe es nicht geschafft schwanger zu werden. In dieser Trauer die mich tagtäglich begleitet, getriggert durch viele Paare die gerade zum mehrfachen mal schwanger werden, werde ich noch trauriger und wütender. Leider kann ich darüber mit niemanden sprechen. Wütend bin ich auf meinen Partner, er hat nicht gerne sex. Wie soll man dann schwanger werden mit vielleicht einem mal Sex pro Jahr. Das hat beim ersten Mal geklappt aber da waren wir 10 Jahre jünger. Auch da gab's kaum Geschlechtsverkehr. Er ist irgendwie nicht der Typ dafür, es oft zu wollen und er hat auch gesundheitliche Einschränkungen. Jetzt bin ich 44. Die Zeit für Kinder ist vorbei, auch für mich und dabei dreht sich mein Magen direkt um.

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Liebe Annabella,

ich lese aus deinen Zeilen ganz viel Frust, Trauer, Wut und Resignation heraus. Verständlich angesichts deiner Situation - immerhin hast du dir immer ein zweites Kind gewünscht und es hat nie geklappt.

Du musst mich mal ein bisschen in eure Situation mit reinnehmen. Wie ist das denn bei dir und deinem Partner - wie funktioniert eure Beziehung ganz allgemein so? Mir scheint so aus der Ferne, bei euch liegt einiges im Argen. Du kannst mit ihm jetzt nicht über deine Gefühle sprechen, du hegst viel Groll gegen ihn, weil euer Liebesleben kaum bis gar nicht stattfindet und unter den Umständen eine Schwangerschaft natürlich sehr schwierig herbeizuführen ist. Dass er gesundheitliche Einschränkungen hat, kann ja durchaus ein guter Grund für wenig Sex sein, aber da ist ja noch viel mehr als Sex, was eine Partnerschaft ausmacht. Ich spreche von emotionaler Nähe, die bei euch auch zu fehlen scheint. Man sieht ja den Partner und den partnerschaftlichen Sex im Idealfall nicht nur als "Samenspender", überspitzt formuliert. Wie ist das bei euch, wie nah seid ihr euch noch? Habt ihr in den vergangenen Jahren ernsthaft über eure jeweiligen Wünsche gesprochen? Weiß er von deinem starken Kinderwunsch, der sich nun womöglich nicht mehr erfüllen wird? Weiß er von den Gefühlen, die du mit dir herumträgst? Wenn ja, wie geht er damit um?

Ich hoffe, du verstehst meine vielen Fragen nicht falsch, ich möchte deine Trauer keinesfalls kleinreden. Ich bin und bleibe sehr wahrscheinlich kinderlos wegen eigener körperlicher Baustellen und verstehe es somit vollkommen, wenn Trauer und Frust einen überkommen oder gar übermannen, wie es bei dir gerade der Fall ist.

In meinen Augen wäre es wichtig für dich, diese Gefühle nicht mehr wegzudrücken und noch länger zu warten, bis es vielleicht von alleine besser wird (wird es selten, man wird eher verbittert). Ich würde dir empfehlen, deine Trauer und Wut am besten professionell aufzuarbeiten, mit psychologischer Hilfe und zunächst einmal für dich allein. Und anschließend, wenn du gefestigter bist und idealerweise ein paar Strategien an der Hand hast, mit den negativen Gefühlen umzugehen, ist aus meiner Sicht ein Gespräch mit deinem Partner unerlässlich.

Liebe Annabella, fühl dich zum Abschluss ganz fest und herzlich umarmt und verstanden. Von Frau mit unerfülltem Kinderwunsch zu Frau mit unerfülltem Kinderwunsch.

Alles Liebe!
DieKati

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Vielen Dank für deine Antwort, sie rührt mich sehr, da sie vieles anspricht und in Worte fasst was ich nicht mag. Ich kann meine Gefühle und Gedanken nicht so gut vermitteln. Da ist eine innere Blokadę, ich denke immer jedes Wort kann verletzen,.den ich selbst bin unglaublich verletzlich. Wir sind fast zwei Jahrzehnte zusammen, ich kenne seine gesundheitlichen Situation, ich bin da hineingewachsen. Ich weiß,dass er deswegen weniger Lust hat als andere Menschen. Es ist eine chronische Erkrankung. Es gibt auch keine Lösung dafür. Leider hat er auch einen sehr stressigen Job der dies auch noch begünstigt. Aber auch da ist ein Ausweg in derzeitigen Marktsituation schwierig und wenn man ein Haus gekauft hat, hat man auch eine Verantwortung. Wir haben ansonsten genug von allem, können alles uns Leisten was wir wollen. Er ist ein guter Mann und Mensch. Ich will ihn nicht "hassen" aber ich fühle diesen Groll in mir und will ihn loswerden. Ich möchte auch nicht darüber sprechen, das würde sehr verletzen. Irgendwie mache ich immer alles alleine mit mir aus. Die Geschwister meines Partners sind ähnliches Alter wie ich, auch sie haben keine Kinder oder Partner. Irgendwie spielt Intimität auf dieser Seite keine Rolle. Ich muss aber einlenken, sie sind alle sehr intelligent und hochbegabt. Es gibt keine plumpen Gespräche über Sex oder ähnlichem zwischen innen. Also mein Mann kennt die Tragweite nicht, die kein zweites Kind bekommen, für mich bedeutet. Aber er weiß, dass es mir nicht gut geht psychisch, da spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Ich bin schon depressiv seit meiner Kindheit. Habe nie Medikamente genommen. Will ich auch nicht. Ich hatte schon eine Psychotherapie aber die hat nicht ganz gewirkt. Jetzt bin ich in einem Loch gefangen, voller negativer Gefühle die mich erdrücken.

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Es tut mir wirklich leid zu lesen, wie sehr du leidest und wie schlecht du dich fühlst - und dass du alles immer mit dir selbst ausgemacht hast. Es war, denke ich, ein guter Anfang, hier zu schreiben und auf offene Ohren zu stoßen. Ich freue mich jedenfalls sehr darüber, dass du dich hier so geöffnet hast!

Deine negativen Gefühle, die Depression, die sicherlich ein erheblicher Teil des Problems ist - weißt du, ich bin der Meinung, die wollen eigentlich nur eins: gesehen werden. Deine Seele schreit um Hilfe, sie möchte, dass sich um sie gekümmert wird. Ein erster Schritt ist es, darüber zu reden und sich selbst einzugestehen, insbesondere auch gegenüber deinem Mann einmal zuzugeben: "Ich bin zutiefst verletzt und wütend, weil mein Kinderwunsch nicht erfüllt wurde." Du schreibst, er ist ein guter Mann, du möchtest ihn nicht hassen - er hat es also irgendwo auch verdient, die Wahrheit über deine Gefühle zu kennen. Wenn er auch nichts daran ändern kann - dann liegen die Gefühle zumindest schon einmal für alle offen auf dem Tisch.

Du schreibst, jedes Wort kann verletzen. Das ist wahr, lässt sich aber ganz gut vermeiden, wenn man bei Gesprächen, Diskussionen oder gar Streit ganz bei sich und seinen Gefühlen bleibt. Um die geht es ja schlussendlich, und nicht um irgendwelche Anklagen und Vorwürfe, die einen ja eigentlich nie weiterbringen.

Ich kann dich also nur ermutigen: Hör auf, im Außen nach der Lösung zu suchen - seine Krankheit, seine daraus resultierende sexuelle Unlust, die Familie, die Tatsache, dass es wohl zu keinem zweiten Kind kommen wird: diese Fakten sind unumstößlich, sie stehen wie Bäume in dem Wald, der dich den Horizont nicht mehr sehen lässt. Du musst bei dir selbst anfangen, um dich aus dem Loch herauszuarbeiten, in dem du dich gefangen siehst. Pflege deine Verletzungen, statt sie zu ignorieren.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du einen Weg findest, mit deinen Traumata umzugehen, sie anzuerkennen - deine Gefühle sind nämlich völlig normal und es ist überhaupt nichts Schlimmes dabei, sie einfach mal zu nehmen und aus ihrem Schattendasein herauszuholen.

Schreib gerne wieder, wann immer du das Bedürfnis hast. Gerne auch per PN, wenn du das nicht öffentlich machen möchtest.

Ich wünsche dir einen Tag mit guten Gedanken!

Liebe Grüße,
DieKati

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Liebe Annabella, ich selbst habe zwei Kinder, aber meine älteste Nichte, die wie eine weitere Tochter für mich ist von klein auf, hat fünf Sternenkinder, davon eine Totgeburt, wie man damals sagte. Niemand fand je den Grund heraus, warum sie kein lebendes Kind zur Welt bringen durfte. Ich habe sie durch jede Fehlgeburt begleitet. Nach fünf Schwangerschaften gab sie auf. Etliche Jahre später bekam ihre Schwester ein Kind und sie wurde wie eine engagierte Zweitmama für den Jungen - bis heute. Der Stachel aber, garkein eigenes Kind zu haben, blieb und letzten Endes scheiterte auch ihre Ehe daran. Sie ist nun wieder mit einem lieben Mann verheiratet, aber für Kinder war es dann auch zu spät.
Du hast ein Kind, das ist wunderbar und Du darfst es aufwachsen sehen. Ich kann Deinen Wunsch nach einem zweiten Kind sehr gut verstehen, aber bitte lass Dein Kind das nicht spüren, dass die Familie für Dich nicht vollständig ist. Einen solchen Fall kenne ich nämlich auch und es tat weh zuzusehen, wie das kleine Mädelchen immer trauriger wurde, weil kein Geschwisterchen kam - wie von der Mama doch so sehr gewünscht und sehr oft erwähnt. Ich habe sechs Nichten und Neffen, da erlebt man einige Schicksale hautnah mit.
Bitte hole Dir psychologische Hilfe, damit Du Deinen Frieden finden und Dein Kind genießen kannst. Ich meine es wirklich sehr lieb mit Dir.
Liebe Grüße von Moni

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Vielen Dank, dass du meine Nachricht liest. Nein mein liebes Kind weiß nichts von dem Wunsch der Mama. Ich bin auch froh, daß er nie über Geschwistern gesprochen hat. Das wäre der Supergau gewesen für mich. Er sieht die vielen Kinder in der Umgebung und weiß wie die sich streiten und bekämpfen, das findet er doof. Wie gesagt, ich mache dass alles mit mir selbst aus. Aber es tut so sehr weh und macht mich wütend. Mein Kind wächst inmitten von Familien auf mit zig Kindern. Das unangenehme für ihn und mich sind die Gruppen die sich bilden, immer Familienweise und er ist immer allein gegen alle und hat dann keine Chance. Wir sind deshalb auch nicht so innig mit ihnen verbunden, da ihm dort sehr oft wehgetan wird oder er ausgeschlossen wird. Ich würde auch sofort ein fremdes Kind aufnehmen, aber für Adoption sind wir zu alt und als Pflegefamilie hat man sehr viel Kontakt zu den Herkunftsfamilien, ich weiß nicht ob ich damit zurecht käme.

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Liebe Annabella,
das vorhandene Kind geht vollkommen unter in Deinen negativen Gefühlen. -Als ich dies zuerst las, dachte ich, Du hättest null Kinder. Dass Du bereits eines hast, muss man sich fast mit Anstrengung immer wieder ins Gedächtnis rufen. Es ist zu hoffen, dass das Kind, dies nicht auch so erlebt.
Ich will nicht den Schmerz negieren, der entsteht, wenn man kein Geschwisterkind bekommen kann. Dennoch ist er für mich nicht vergleichbar mit dem, überhaupt keine Kinder bekommen zu können. Letzteres zwingt einem doch dazu, die Lebensplanung vollkommen neu auszurichten.
Du deutest es auch selbst an; es liegt mehr im Argen. Und da wird mehr (und auch noch anderes) dahinterstecken als allein der unerfüllte Wunsch nach einem zweiten Kind). Wenn Du bereits als Kind Depressionen hattest, liegt es nahe, dass Deine Aufwachsbedingungen belastend oder traumatisierend waren. Eine qualifizierte Psychotherapie, ggf. Traumaschwerpunkt, ist da das Mittel der Wahl.
lG

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Ja das stimmt, mein liebes Kind geht in der Beschreibung unter aber niemals im Leben! Es geht um meine Gefühle, deshalb klingt alles düster, ich muss sie mal loswerden. Um das nächtliche Aufwachen und feststellen, schei... Ich bin 44 da geht nix mehr mit Familienplanung!...

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Hallo!

Bis ich den kompletten Beitrag gelesen hatte, hätte ich dir geraten, dich um ein Pflegekind zu bemühen, wenn es dir wirklich um ein zweites Kind geht und nicht um das "ein zweites Mal schwanger sein". Allerdings dürfte sich das wegen der psychischen Schwierigkeiten auch erledigt haben.

Freunde von uns haben unerfüllten Kinderwunsch, wollten jedoch nicht adoptieren oder Pflegefamilie werden. Sie mussten sich also mit der Situation arrangieren.

So könntest du das Thema jetzt auch angehen. Die Faktenlage ist klar, das Einzelkind möchte bekümmert werden, der kranke Mann kann nichts dazu. Diese Situation gilt es nun anzunehmen.

Vielleicht hilft ein anderes Wesen, um das du dich kümmern kannst. Mein Spruch lautet "Das letzte Kind hat immer Fell!". Könnt ihr einem Vierbeiner ein Zuhause geben? Klar, das ist kein Ersatz, aber jemand, um den man sich kümmern kann und muss, der ein Spielpartner für das große Kind ist, jemand, der dich an die frische Luft lockt und auf andere Gedanken bringt...

Alles Gute,
Gruß
Fox

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Hallo, in sehr vielen Menschen schlummern depressive Gedanken, es ist nun mal nie alles perfekt im Leben. Der Verlust eines Elternteils begleitet einen lebenslang. Diese Lücke lässt sich nie schließen und je nach Lebensphase wird man mal mehr mal weniger damit konfrontiert.

Bearbeitet von Inaktiv
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von "nicht alles perfekt" und handfesten psychischen Störungen ist es aber nochmal ein großer Unterschied. Du deutest nun den Verlust eines Elternteils an. Damit müssen sich viele Menschen auseinandersetzen und den meisten gelingt es auch, ohne dass sie psychisch krank werden. Natürlich hinterlässt es eine Lücke. Aber dass man danach nicht auch wieder gut weiterleben kann, das muss nicht so sein.--Insgesamt legen Deine Antworten nahe, dass es um noch andere Lebensthemen geht (als allein Zweitkind). Ich denke, es geht darum diese Themen anzugehen. Mutmaßlich würden diese Themen sich durch ein weiteres Kind auch nicht einfach auflösen, da es im Kern um etwas anderes geht, was betrachtet werden will.

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Hallo Annabella,

du schreibst in deiner Antwort auf Kati: "Ich bin schon depressiv seit meiner Kindheit. Habe nie Medikamente genommen. Will ich auch nicht. Ich hatte schon eine Psychotherapie aber die hat nicht ganz gewirkt. Jetzt bin ich in einem Loch gefangen, voller negativer Gefühle die mich erdrücken."

Deine dich erdrückende Negativität scheint immer mehr um deinen unerfüllten Kinderwunsch zu kreisen. Aber könnte es laut deinem oben angeführten Schlüsselsatz nicht eher so sein: Du hast eine depressive Veranlagung seit deiner Kindheit. Deine dunklen Gefühle projizierst du auf deinen Kinderwunsch. Aber stelle dir mal vor, du hättest durch ein Wunder doch noch ein Kind bekommen.
Wären deine negativen Gefühle dann verschwunden? Oder würdest du dir angesichts deiner Veranlagung nicht ein neues Thema suchen, an dem du verzweifeln und trauern kannst?

Letztlich stehst du an einem Scheidepunkt. Du fühlst dich trotz einer Psychotherapie weiterhin unglücklich. Antidepressiva lehnst du ab, was ich aus medizinischer Sicht für sehr unklug halte (willst du vielleicht innerlich weiter leiden? Willst du wirklich von deiner Haltung loskommen, in der du dich ja seit deiner Kindheit befindest?).

Du hast hier bereits viele gute Ratschläge bekommen, die natürlich in Richtung Akzeptanz, Selbstfindung und Sinnstiftung laufen. Sie sind absolut richtig. Sie werden aber genausowenig bringen wie die Psychotherapie, wenn du eine Veränderung nicht aus deinem tiefsten Inneren willst.
Oder frei nach Heinz Kappes: "Man muss wolle wolle".

Ich denke, nur wenn du bereit wirst, dein inneres Koordinatensystem, deinen inneren Kompass zu verschieben, dann könnte sich deine Befindlichkeit grundlegend bessern. Löse dich von der Fixierung auf den Kinderwunsch als Ablenkungsmanöver in meinen Augen.
Das Baden in Selbstmitleid ist eine spezielle und heimtückische Form der Selbstsucht. Es zerstört jede Selbstliebe und jede Liebe für deine Mitmenschen.