Sprache beibringen, die ihr selbst nicht fließend sprecht?

Hallo,

würdet ihr eurem Kind eine Sprache beibringen, die ihr selbst nicht fließend sprecht?

Hintergrund: Mein Mann und ich kommen beide aus marokkanischen Familien, wurden aber in Deutschland geboren. Seine Eltern und mein Vater sind als Kinder nach Deutschland gekommen, meine Mutter kam auf die Welt, als ihre Familie schon hier lebte.

Mein Mann und ich sprechen beide gut arabisch, aber nicht fließend. Wir sehen beide Deutsch als unsere Muttersprache an, denken auf Deutsch und die Verständigung auf Deutsch fällt uns wesentlich leichter.

Unser Sohn ist jetzt drei. Der ursprüngliche Plan war, dass die Großeltern mit ihm Arabisch sprechen und wir Deutsch, damit er nicht unsere Fehler lernt. Allerdings ziehen die Großeltern das nicht konsequent durch bzw. mittlerweile weigern meine Eltern sich regelrecht, mit ihm Arabisch zu sprechen, weil sie sagen, dass er sie dann nicht versteht.

Er versteht ein bisschen, aber nicht alles, und antwortet ausschließlich auf Deutsch. Bis auf wenige Wörter spricht er nur Deutsch.

Mein Mann und ich überlegen, ob wir gezielt Arabisch mit ihm üben sollen oder ob einer von uns Arabisch mit ihm spricht. Allerdings haben wir Angst, dass er sich unseren Akzent und unsere Fehler angewöhnt.

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Hi,
als ich die Überschrift las, dachte ich an förderwahnsinnige Eltern😉. Hmm, bei euch ist das ja aber die Sprache in einem Teil eurer Familie und da denke ich, Hauptsache er kann sie ein bisschen. Ähnlich wie jemand, der z.B. nach dem Hauptschulabschluss die Schule verlässt, da ist das Englisch ja auch nicht perfekt, aber es reicht aus, sofern man eine anständige Note erreicht hat, um sich einigermaßen zu verständigen und bildet eine Grundlage, auf die man aufbauen könnte, z.B. durch einen Auslandsaufenthalt.
Wenn ihr die Sprache braucht, z.B. wegen Verwandtschaftsbesuchen, würde ich ihm das mitgeben.

vlg tina

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Danke für deine Antwort. Das ist eine aufschlussreiche Perspektive.

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Habt ihr denn Probleme mit eurem Akzent? Ist das so schlimm? Ist er eher alleine bei den grosseltern oder mit euch? Dann könntet ihr Dolmetschen. Ich glaube dass ihr ihn nicht zweisprachig so erziehen könnt, aber zumindest ein Grundverständnis erreichen auf das er aufbauen kann. Wie gut spricht er denn schon?

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Also man hört schon, dass Arabisch nicht unsere Muttersprache ist. (Quelle: unsere Verwandtschaft) Wir werden verstanden und können uns gut verständigen.

Die Eltern meines Mannes leben seit ein paar Jahren wieder in Marokko. Da findet alle fünf, sechs Tage ein Videotelefonat statt. Alle paar Monate besuchen sie uns in Deutschland (sie haben die Staatsangehörigkeit und all ihre Kinder leben hier).

Meine Eltern besuche ich mit unserem Sohn mindestens jede zweite Woche, meistens öfter. Alle paar Wochen ist er auch mal alleine dort.

Deutsch spricht unser Sohn sehr gut. Ich würde sagen altersentsprechend.

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Ich würde es versuchen, wenn Dein Kind sprachlich normal entwickelt ist. Ich denke es gehört auch zu seiner Identität dazu, und wenn er nur ein paar Brocken lernt und Oma in Landessprache begrüßen, gratulieren, verabschieden etc kann.

Alles Gute euch!

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Lest euch mal ein wenig ein in mehrsprachige Erziehung, es gibt diverse gute Bücher darüber (z.B. "Wie Kinder mehrsprachig aufwachsen" von Elke Montanari).

Mehrsprachigkeit hat viele Facetten, es ist eher ein Mythos, das die Zweitsprache so gut beherrscht wird wie die Erstsprache (eher Umgebungssprache). Das ist eher die Ausnahme. Und auch dass man eine Sprache superduper perfekt können muss, um sie weiterzugeben.

Will sagen: Wenn Ihr eurem Kind das Arabisch gern weitergeben möchtet und es euch zutraut mit ihm Arabisch zu sprechen, dann macht das. Wichtig ist, sich zu überlegen wer in welchen Situationen mit ihm Arabisch spricht und das dann konsequent so zu tun (z.B. zu Hause wird Arabisch gesprochen, woanders Deutsch). Wenn Ihr euch selber nicht ganz sicher seid mit der Sprache, würde es euch bestimmt auch selber motivieren da nochmal besser zu werden (falls Ihr da Spaß dran hättet). Ein deutscher Akzent ist auch nicht dramatisch, wenn er nicht zu extrem ist.
Und wundert euch nicht, wenn euer Sohn nur auf Deutsch antwortet. Das ist völlig normal, denn er weiß ja längst dass ihn so jeder versteht. Macht aber auch nichts, denn er versteht ja trotzdem auch das Arabisch.

Eure Erwartung dürfte also nicht sein, dass er plötzlich perfekt Arabisch spricht, aber auch mit eurer Basis könnt Ihr ihm eine Menge mitgeben und die Oma ja noch dazu. Ich sehe eine zweite Sprache immer als Geschenk, es wäre schade das nicht zu nutzen, nur die Erwartungen sollten realistisch bleiben und es sollte nicht verkrampft sein.

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Danke für die Buchempfehlung und die Tipps.

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Wir haben so eine ähnliche Thematik. Mein Mann spricht seine Muttersprache nicht gern und macht inzwischen auch viele Fehler, hat Wörter vergessen, etc. Darum weigert er sich unserem Kind die Sprache beizubringen. Die Großeltern sehen den Kleinen zu selten, um ihm wirklich eine Sprache beizubringen.
Unser Kleiner lernt also nur Deutsch und wird sich mit dem muttersprachlichen Teil der Familie meines Mannes eben nicht verständigen können - so wie ich eben. Ich finde das schon etwas schade, aber gut, ein Weltuntergang ist es auch nicht. So häufig sind wir nicht bei der restlichen Familie meines Mannes.

Wenn ihr gern möchtet, dass euer Kind arabisch lernt, dann würde ich trotz ein paar Fehlern mit ihm so sprechen. Wenn es euch nicht so wichtig ist, dann bleibt bei Deutsch. Nur 1 Sprache zu sprechen ist auch keine Schande.

Bearbeitet von Pi.Ri
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Nur eine Sprache zu sprechen, ist keine Schande. Natürlich nicht. Aber irgendwie ist Arabisch auch Teil unserer Identität. Unser Sohn (und unser zweites Kind noch eindeutiger) hat einen arabischen Namen.

Wir fänden es schon sehr schade, wenn unsere Kinder gar kein Arabisch lernen oder nicht mehr als Begrüßungsformeln, Bitte, Danke.

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Ich kann euch raten, egal wie perfekt oder nicht perfekt euer Arabisch ist, es eurem Sohn beizubringen. Im Grunde reicht es aus, dass er sich in Maroko einigermaßen unterhalten kann und verstehen kann. Falls er irgendwann den Wunsch hat, die Sprache intensiver/perfekter zu können, hat er wenigstens schon mal eine gute Basis.

Wir haben das bei unserem Kind (leider) verpasst, aus den gleichen Gründen wie ihr. Bei uns kommt noch hinzu, dass mein Mann und ich aus unterschiedlichen Länder sind (beide 2. Generation, in D geboren und aufgewachsen), das heißt, dass wir uns untereinander nicht in unserer jeweiligen Muttersprache unterhalten können.
Keiner von uns hat es damals durchgezogen in jeweils seiner Sprache mit unserem Kind zu sprechen, die Großeltern haben es auch nicht gemacht.
Jetzt, im Teenie-Alter, möchte mein Kind dringend meine Muttersprache lernen und ärgert sich, dass ich ihm nicht die Sprache von Anfang an beigebracht habe. Das Ende vom Lied, wir zahlen jetzt privat einen Lehrer, der ihm die Sprache beibringt. ;-)

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Huhu,

ob meine Gedanken Erfolg haben, wird sich erst noch zeigen 😅 mein Kleiner ist erst ein Jahr alt.

Ich ermahne meinen Mann und seine Eltern seit Geburt konsequent, dass sie gefâlligst italienisch mit ihm sprechen. Anfangs haben sie sich quergestellt, aber ich hab den größeren Sturkopf 😏 meine Schwiegereltern sprechen nur gebrochen deutsch, sonst ihren italienischen Dialekt - kennen aber viele Fachbegriffe trotzdem nur auf deutsch. Das Ergebnis ist ein deutsch-sizilianisch-Kauderwelsch. Aber sie können sich hier wie dort verständigen. Mein Mann ebenso. Das ist für mich das Minimum, das ich gerne erreichen will.

Dass man dort wohl raushören wird, dass er wo anders aufgewachsen ist, ist eben so 🤷

Ich selbst lese jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte auf italienisch vor. Mein Mann belächelt mich so ein bisschen, da mein Schwäbisch auch bei meinem italienisch deutlich zu hören ist 😅 zumal ich selbst ja "nur" Deutsche bin. Ich zieh das trotzdem seit Geburt tapfer durch. Stur sein kann ich 😏

Schau dir mal die Edition Bilibri an, ich meine da gibts auch arabisch. Das sind Bücher, bei denen ein und dieselbe Geschichte in zwei Sprachen drin ist. Bei manchen gibts auch die Hörbücher in allen verfügbar Sprachen direkt mit dazu 😊

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Danke für den Tipp mit den Büchern.

Sowas ist vielleicht ganz gut, wenn wir uns angewöhnen, ihm abends auf Arabisch vorzulesen oder generell die Abendroutine auf Arabisch gestalten, zu bestimmten Zeiten mit ihm Arabisch sprechen.

OPOL (one person one language) finde ich in unserer Konstellation etwas schwierig. Das ist ja auch ein Ansatz.

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"OPOL (one person one language) finde ich in unserer Konstellation etwas schwierig. Das ist ja auch ein Ansatz."

One person - one language ist aber wirklich wichtig - vor allem so lange die Kinder noch klein sind.

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Meine Eltern sind nach D ausgewandert als ich 7 war, mein Bruder ist hier geboren und kann unsere Muttersprache nicht. Was nun dazu führt dass er sich mit den dortigen Verwandten nicht unterhalten kann und deshalb ausgeschlossen ist. Heute wünscht er sich meine Eltern hätten ihn zwei sprachig erzogen. Da er aber als Kind immer deutsch geantwortet und meine Mutter hat dann dauerhaft auf deutsch mit ihm geredet. Also ich werde mein Kind 100% auch dann zweisprachig erziehen wenn meine Muttersprache laut meinen Verwandten schon mit einem deutschen Akzent versehen ist

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Ich würde versuchen, ihm möglichst viel Arabisch beizubringen. Sprecht ihr nur Marokkanisch oder auch Hocharabisch?

Mein Mann ist auch Marokkaner (dort geboren) und spricht mit den Kindern Marokkanisch und Englisch. Ich sage ihm immer er soll möglichst nur Marokkanisch sprechen. Englisch ist unsere Familiensprache, aber ich verstehe auch alles auf Marokkanisch. Ich spreche mit den Kindern Deutsch. Der Grosse ist auch 3 und spricht momentan auch fast nur Deutsch, versteht aber alles auf Englisch und Marokkanisch. Plus spricht ein paar Worte. Später soll er dann auch Fusha lernen und die Schrift. Ich bin gespannt, wie die sprachliche Reise weitergeht. Meiner Meinung nach ist aber jede Sprache ein Plus, v.a. wenn man entsprechende Wurzeln hat.

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Danke für deine Antwort.

Arabisch mit marokkanischem Dialekt mit deutschem Akzent 😅

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Mein erster Impuls auf deine Frage war "nein" zu antworten.

Eben weil man seinem Kind eigentlich nur seine Muttersprache, die man fließend spricht, beibringen sollte, weil das Kind sonst Fehler / den Akzent übernimmt.

Allerdings ist es ja in eurem Fall eure Muttersprache, nur dass ihr eben 2. Generation seid und sie nicht mehr ganz so gut sprecht.

In eurem Fall würde ich es versuchen. Aber ich würde vielleicht zusätzlich noch eine arabische Spielgruppe / Schule suchen, damit das Kind auch das fehlerfreie Arabisch hört.
Den Großeltern würde ich sagen, dass sie bitte konsequent NUR arabisch mit dem Kind sprechen sollen, dann wenn sie immer hin- und herswitchen, ist das echt nicht gut für den Spracherwerb.
Außerdem - sprechen sie fehlerfrei deutsch? Wenn nein, dann sollen sie bitte nur arabisch mit ihm sprechen.

Es wäre bestimmt schön, wenn er zumindest die Grundlagen der Sprache seiner Vorfahren lernen würde.

Weitere Tipps:
- auf arabisch vorlesen (vielleicht die Großeltern?)
- Kindersendungen auf arabisch ansehen
- arabische Lieder singen, Reime aufsagen

Und, wenn möglich, immer wieder mal nach Marokko fahren. :-)

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Danke für deine Antwort und die Anregungen. Wir haben auch schon ein paar arabische Bilderbücher und hören manchmal arabische Kinderlieder. Das könnten = sollten wir auf jeden Fall ausbauen.

Ja, sie sprechen fehlerfrei Deutsch. Meine Mutter ist praktisch schon zweite Generation, sie wurde hier geboren. Die anderen Großeltern waren im Kindergarten- und Grundschulalter, als sie nach Deutschland kamen.

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Ok, wenn deine Eltern auch schon hier geboren bzw. aufgewachsen sind, dann ist es ja nochmal um eine Generation verschoben.
Klar, das macht es schwieriger.

Aber ich nehme mal an, dass das Arabisch deiner Eltern und Schwiegereltern dann trotzdem noch etwas besser ist, als deines - also wäre es trotzdem toll, wenn sie es mit ihrem Enkel sprechen würden.

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Mir stellte sich diese Frage unlängst einfach nur mit Englisch. Ich spreche sehr gut englisch, denke ich, aber längst nciht perfekt, und wir haben auch keine entsprechenden Wurzeln.

Unser Sohn wollte gerne, dass wir mal englisch reden, er fragt zurzeit viel, was dieses oder jenes auf englisch heißt. Fragt mich dann, ob ich ihn was fragen könnte und ihm dann sagen, was er antworten muss, etc. Wie im Unterricht halt ;-)

Und genauso machen wir das: wie Unterricht. Er hat ein Buch bekommen mit Bildern und Vokabeln. Ich sage ihm Sätze auf Englisch und wiederhole sie auf deutsch. Er antwortet genauso. So wie wir früher Bilderbücher mit deutschen Wörtern angeschaut haben, schauen wir sie eben jetzt auf englisch an.

Inzwischen spricht er einzelne Sätze und kann auf viele gängige Fragen auch antworten. Es ist längst keine zweisprachige Erziehung, aber er hat schon ein gutes Gefühl für den Klang und den Satzbau bekommen.