Mit Gewalt erzogen - überforderte Mutter?

Hallo,

ich muss mir das mal von der Seele schreiben und vielleicht ist ja anderen auch ähnliches widerfahren.

Achtung, langer Text. Versuche mich kürzer zu halten.

Grundsätzlich war ich ein super einfaches Baby, Kind und Pubertierende. Mein Bruder war aber ein sehr anstrengendes und forderndes Kind, weshalb es vielleicht teilweise die Taten meiner Mutter erklärt.

Triggerwarnung ab jetzt, wegen Länge alles nur in Stichpunkten
- Mein Leben lang kaue ich schon Fingernägel. Als kleines Kind - so ca. 7 Jahre - band mir meiner Mutter alle Finger mit Pflaster ab. So musste ich überall hingehen, es war peinlich. Als sie merkte, es half nichts, schmierte sie mir ein bitteres Mittel aus der Apotheke auf die Nägel. Als das auch nicht half, schmierte sie es mir in den Mund. Übergab mich jedes Mal davon.
- Verhielt ich mich "falsch", musste ich seitenweise "Ich darf nicht .... " schreiben. Hat teilweise Stunden gedauert. Auch typische Strafe beim Nägelkauen mit "Ich darf keine Fingernägel kauen".
- Hab ich mich "Falsch" verhalten, holte sie einen Holzlöffel und prügelte auf mich ein. War dabei egal, wohin sie traf. Kopf, Arme, Beine, Rücken... Beispiel: Habe es nicht auf die Realschule geschafft.
- Als ich mit 14 die Schule schwänzte und die Polizei nach mir suchte, (naja gut, ganz brav war ich auch nicht) packte sie mich an den Haaren und schleuderte mich gegen einen Türrahmen.
- Weinte ich während der Prügeleien schrie sie "Hör auf zu weinen".
- Manipulationen gab es tagtäglich und sie schaffte es immer es so hinzudrehen, dass ich mich schlecht fühlte und Mitleid mit ihr hatte.
- Jahrelang kommentierte sie meinen Körper bzw. meine Figur. Ich sei fett.
- Mein Zimmer wurde regelmäßig durchsucht und war es nicht aufgeräumt, räumte es meine Mutter aus. (In der Pubertät.)

Bei meinem Bruder kann ich mich noch dran erinnern, wie sie und mein Stiefvater ihn mit Kleidung unter die kalte Dusche gestellt haben, wenn er nicht aufhörte, zu weinen.

Wir gehörten immer zur oberen Mittelschicht, meine Mama ging nicht arbeiten. Mein Stiefvater verdiente viel. Zwischen meinem (Halb-) Bruder und mir liegen 7 Jahre. Heute ist meine Mama psychisch sehr krank und Schmerzmittel abhängig. Aber sie ist meine Mutter und ja ich habe noch Kontakt - sogar täglich - zu ihr.

Ich habe nun meine eigene Familie, meine wundervolle Tochter mit 7 Monaten und mein Mann, mit dem ich seit 7 Jahren zusammen und glücklich bin. Ich möchte meine Tichter bedürfnisorientiert erziehen. Und eigentlich alles anders machen, als meine Mutter. Besser.

Falls jemand ein Buch kennt, das diese Thematik behandelt, wäre ich dankbar für Tipps.

Danke fürs Lesen 🤍

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Hast du mal mit jemandem darüber gesprochen?

Meiner Meinung nach wäre das ein Grund für eine Psychotherapie/ Gesprächstherapie. Der Hausarzt müsste dich anstandslos überweisen. Damit könntest du dir mal alles von der Seele reden und vielleicht auch deine jetzige Beziehung zu deiner Mutter besser verstehen.

Gab es je eine Aussprache zwischen dir und deiner Mutter? Hast du sie mit deiner Seite der Vergangenheit konfrontiert?
Man kann gleichzeitig sagen "ich verstehe, dass du überfordert warst, dass du nicht wusstest, was du sonst machen konntest UND TROTZDEM ging es mir mies damit, habe ich darunter gelitten und muss das jetzt auch noch aufarbeiten".

Vermutlich hätte deine Mutter früher Hilfe gebraucht. Hilfe bei der Erziehung, Hilfe mit eigenen Problemen. Du hättest jemanden gebraucht, der dich auffängt, mit dem du darüber reden konntest, der deiner Mutter Einhalt geboten hätte.

Ggf. kann man das jetzt in einer Therapie noch aufarbeiten.

Bücher: ich würde in die Bücherei gehen und mal in der Psychologie- und Pädagogikabteilung stöbern.
Ich habe bspw. vor einiger Zeit ein Buch über hochsensible Mütter gefunden und meine Mutter in vielem wiedererkannt. In dem Buch wurde (den Müttern) erklärt, warum sie in einigen Situationen überfordert sind oder "versagen". Dass sie manchmal schreien oder sich zurückziehen, weil zu viele Dinge auf einmal auf sie einprasseln und sie damit überfordert sind. Und ja, dass so etwas im Extrem zu Gewalt führen kann.

Damit will ich nicht sagen, dass deine Mutter hochsensibel war. Ich hatte das Buch ganz zufällig ausgeliehen und war überrascht, dass ich doch vieles wiedererkannt habe und einige Situationen, die ich als Kind schwer verstanden habe, in dem Buch wiederfand. Es hätte erklärt, warum es zu gewissen Missverständnissen und schwierigen Situationen gekommen ist.

Trotzdem würde ich dich ermutigen, falls vorhanden, auch mal die schönen Momente mit deiner Mutter in Erinnerung zu rufen. Es war oft nicht nur alles schlecht. Man tendiert dazu, sehr einseitig zu denken, wenn man sich mit einem Thema, z.B. Gewalt in der Erziehung, befasst. Man blendet dann andere Aspekte aus.

Die Sache mit de Nägelkauen ist z.B. sehr komplex. Du hast so Stress verarbeitet und sie hatte vielleicht Angst vor sozialem Ausschluss, sowohl ihr gegenüber als auch dir gegenüber (Kind findet keine Freunde etc.). Da war also ein enormer Druck und vermutlich keine Beratung an ihrer Seite und dann griff sie auf Methoden zurück, die die Symptome statt der Ursachen behandeln sollten.

Ich würde mich an deiner Stelle intensiv mit dem Thema Self-care, Selbstfürsorge befassen. Was kann ich für mich tun? Nicht nur Vorschläge online und in Büchern lesen, sondern selbst reflektieren, was dir gut tut.

Ich hatte bspw. mal so einen Moment in einem Jahr, in dem sehr viel Stress herrschte. Da konnte ich EINEN Sonntag ganze 30 min mit der Kamera auf einen Feldweg morgens und war danach soooo entspannt und merkte richtig, wie sehr mir das gefehlt hatte. Aber du wirst in keinem Ratgeber den Vorschlag finden, mit der Kamera morgens zu einem Feldweg zu fahren.

Also überlege mal für dich, was und WER dir gut tut und baue das dann stärker in den Alltag ein, nimm mit entsprechenden Menschen stärker bzw. regelmäßig Kontakt auf. Führe fortlaufende Listen von Bucket Lists, früheren Hobbys, Interessen, die du noch nicht ausleben konntest, kleinen Glücksmomenten, schönen Erinnerungen und versuche dann, regelmäßig etwas davon in den Alltag zu integrieren, um bewusst etwas für dich zu machen.

Bedenke, dass es einerseits befreiend sein kann, über Vergangenes und Belastungen, Verletzungen, Traumata zu reden, aber andererseits auch belastend. Man fokussiert sich dann immer auf das Schwere, das Schlimme und bleibt in diesen Gefühlen haften.
Daher würde ich bewusst auch den schönen Erinnerungen an deine Kindheit aufrecht erhalten, und wenn es nur einzelne Momentaufnahmen sind.

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Danke für die ausführliche Antwort.

Ich war in Therapie mit 18, war aber Verhaltenstherapie und so wurde nur darauf geschaut, wie ich mich ändern muss bzw. Dass ich klar komme.
Sobald ich merke, meine Tochter bekommt was von meiner Vergangenheit mit, auf eine Art wie ich es nie wollen würde, würde ich mir sofort Hilfe suchen.

Schöne Momente sind tatsächlich nicht einfach, ich kann mich beim besten Willen an keine erinnern. Mit meinem Stiefvater ja, er hat viel mit uns unternommen. Aber meine Mutter war nie dabei. Selbst im Erwachsenenalter fallen mit keine Momente ein, weil sie schon seit vielen Jahren krank ist und sie diese Krankheit(en) immer wieder vorschiebt.

Danke für deine Tipps, werde ich mir zu Herzen nehmen und werde etwas davon umsetzen. 😊

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Hallo,

du arme!

Ich bin auch mit einer Mutter groß geworden, die sich oft nicht im Griff hatte und sowohl körperliche als auch psych. Gewalt angewendet hat.

Nun bin ich selbst Mutter von 2 Kindern und kann teilweise nachfühlen, welche "Wut" manchmal hoch kommt - die bei meiner Mutter dann zu ihren Taten geführt haben könnte (ich habe seit 20 Jahren kein Kontakt).

Ich erziehe nicht unbedingt "voll bedürfnisorientiert", wobei ich da bei den Methoden nicht im Detail drin bin.
Aber immer mit Respekt.
Was ich merke, wenn ich selbst gestresst und müde bin, bin ich viel eher gefährdet in Bekannte Muster meiner Mutter zu fallen (sehr sehr gemäßigt, aber dann werde ich halt mal lauter, mehr passiert nicht. Niemals körperlich oder abwertend).

Deshalb schau ich, dass ich das versuche wahrzunehmen und dann frühzeitig meinen Mann zu Hilfe zu holen oder irgendwie anders die Situation zu entspannen.

Das hilft mir gut.

Ich habe mich mit Montessori beschäftigt. Für Kleinkinder - dieser Ansatz ist für uns schön und begleitet uns im Alltag.
Gibt ein Buch das heißt so, das ist voll schön.

Was mir auch immer wieder tollen input gibt ist der "Familienrat" Podcast.

Wenn du die Möglichkeit hättest, dann würde ich mir Therapie suchen. Oder wenn es finanziell geht - ein "Coaching"
Vermutlich braucht es bei dir ja gar nicht viel, sondern vor allem immer wieder supervision.

Einen Hinweis habe ich für mich sehr verinnerlicht - wenn ich dann doch aus Versehen mal inadäquat laut werde - entschuldige ich mich hinterher und beziehe die Ursache klar auf mich (also - Entschuldung, ich bin gerade so müde, verärgert wegen der arbeit - es hat nichts mit dir zu tun.
Als Alternative zu - du hast mich so gestresst, deshalb musste ich jetzt laut schimpfen. )

Meine Kinder nehmen das toll an. Und so lernen sie ja auch, dass jeder mal Emotionen hat. Und es okay ist so lange es im Rahmen bleibt und das man sich entschuldigen kann.


Eines noch - überlege dir in wie weit der Kontakt zur Mutter dir gut tut.
Alles Gute dir!

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Oh in den Podcast schaue ich mal rein 😊

Ja das mit der "Wut" kenne ich. Mein Mäuschen beißt aktuell leider beim Stillen oft und es macht mich wirklich raaaasend. Ich musste sie schon oft ablegen oder sie meinem Mann geben. Nicht, dass ich ihr was antun würde - aber ich kann dann in dem Moment nicht anders.

Das mit der Entschuldigung an die Kinder werde ich mir ebenso sehr zu Herzen nehmen, das finde ich auch sehr wichtig und schon oft gelesen. Werde ich genauso tun 😊

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Hi,

das kenne ich. Ging mir ähnlich.
Meine leibliche Mutter war bei uns bis ich 6 war.
Sie hatte viele Affären. Ließ uns Kinder spät nachts alleine und ging zu ihren Partnern, wenn wir dann vor die Tür sind (wohnten im Dorf), und heulend nach ihr riefen, war ihr das so peinlich, wenn sie das endlich mitbekam, dass sie uns mit einem stock blau geprügelt hat. Das kam super oft vor.(ich hab vor kurzem ein Video aus den USA gesehen, wo das passiert ist und sogar die Polizei kam und die Mutter angeklagt wurde wegen Kindeswohlgefährdung. Mein erster Gedanke war: "Ach, nicht so wild, hatten wir auch oft" und dann musste ich stutzen, weil ich ja weiß wie schlimm das ist, aber durchs selbst erleben ist man da so abgehärtet.)
Mein Vater hat uns auch geschlagen aber nicht mit einem Stock sondern einem Zweig. Wenn er uns 'züchtigen' wollte, weil wir was falsch gemacht haben, mussten wir uns einen langen Zweig/dünnen Ast von einem Baum nehmen, den komplett von der Rinde befreien und dann hat er uns damit auf die Hände oder Hintern/Beine geschlagen. Wenn du einen frischen Zweig schälst, dann wirkt er wie eine Peitsche beim schlagen.
Mein jüngerer Bruder sollte verdorbene Milch trinken, weil sie zu gemütlich war ihm die Flasche immer auszuspülen vor jeder neu Befüllung. Und wenn er nicht trank wurde er angeschrien und geschlagen.
Als ich 5 war, hat sie uns gesagt, dass sie zu jung war als sie uns bekommen hat (sie hat erst mit 25 geheiratet, also wurde sie mit 25/26 Mutter, was für damalige Verhältnisse, seeeeeehr spät war), sie wolle ihr Leben leben und reisen. Da das haus ihr gehört (was nicht stimmte, es gehörte ihrer Schwiegermutter), sollen wir unsere Koffer packen und gehen, sie wollte abschließen. Und sie hat uns rausgeworfen. Zum Glück wohnte unsere Oma daneben und wir sind zu ihr und sie hat alles geregelt.
Sie zwang meinen unterernährten 4-jährigen Bruder (er wog mit 7 Jahren 15kg und hatte eine Essstörung als Baby entwickelt) die 7-jährige Nachbarstochter Huckepack zu tragen, die sicher an die 30kg wog. Er hatte direkt einen Leistenbruch und die Nachbarn mussten ihn ins KH bringen, damit er operiert wird, sie wollte nämlich nicht.
Sie war eine schlechte Haushälterin. Das Haus war versifft. Ich trug noch mit 6 jahren Nachts Windeln. Sie hatte bis spät nachts lauten besuch da und schlief dann bis 10/11 Uhr und wurde sauer und hat uns geschlagen, wenn wir sie vorher geweckt haben, damit sie uns die nassen Stoffwindeln auszieht (ich erinnere mich, dass wir das nicht selber machen durften, Vermutlich, weil sie mit Sicherheitsnadeln verschlossen waren).
Und selbst nachdem sich meine Eltern scheiden ließen und ich eine Stiefmutter bekam, heißt es nicht, dass die Behandlungen. Ich erinnere mich noch, wie sie mich mit meiner Plastikflöte verprügelt hat, weil ich sie zum Geburtstag von Papa bekommen habe (wir sind in einem Spielzeugladen und ich durfte mir was aussuchen, sie hat 20DM gekostet) und sie bekam kein Geld um sich eine Dauerwelle beim Friseur machen zu lassen. Es war das letzte mal, dass sie uns geschlagen hat, weil meine Oma das mitbekommen hat und meinem Vater den Arsch hochgezogen hat.
Meine Schwester war wegen der Prügel einpaar mal weggelaufen. Ich hatte mit 10 Jahren extreme Ausschläge auf den Händen, ich sollte nämlich immer das Geschirr spülen. Das war täglich so an die 2h nur spülen. Als der Arzt sagte, dass ich ausschließlich mit Handschuhen Spülen darf, hat sie das nicht akzeptiert. sie meinte, dass es dann nicht so sauber werden würde.
Mein vater hat mich verprügelt als ich es gewagt hab ihm vor anderen zu widersprechen. Ich rede nicht mal von den Ohrfeigen, die waren so normal, dass ich mir das nicht mal als was besonderes gemerkt habe.
Schreien war bei uns im Haushalt immer Gang und gäbe. Genauso wie erniedrigen und runter machen.

Ich bin froh erst jetzt mit >30 und einem guten Partner Mutter geworden zu sein. Wäre ich mit Anfang 20 Mutter geworden. hätte ich unter Garantie sehr viel von meinen Eltern bei der Erziehung mit eingebracht. Sicher nicht absichtlich, aber bestimmt unabsichtlich. Jetzt mit bald 40 merke ich noch immer, wie leicht mir die Hand ausrutschen kann. Ich spüre den Impuls und mein Gehirn sagt mir. dass ich mich danach soooooo viel besser fühlen würde. Aber ich weiß, dass das total falsch ist. Mein Kleiner ist 2 ich habe ihn noch nie geschlagen und bin froh drum. Ich weiß auch, dass er echt viel tun müssen wird, dass ich diese Grenze überschreite. Aber ich merke auch, dass meine Hemmschwelle sehr viel niedriger als die meines Partners ist, der nie geschlagen worden ist und sich maximal etwas vernachlässigt gefühlt hat, weil seine Eltern dachten: "er packt das schon, er ist schlau".
Lies dir die Bücher von Jesper Juul an (oder hör die die Hörspiele an). Ich habe die mir angehört bevor ich Mutter geworden bin und war geschockt wie viel meines aktuellen Handelns noch daher rührt wie ich erzogen worden bin! Ich dachte, dass ich inzwischen alles abgelegt hätte, aber das war gar nicht so. Im Gegenteil, das meiste war von von meiner Erziehung.

Aber es war nicht alles schlecht beim erwachsen werden.
Vieles erfasse ich erst jetzt als erwachsene. Wir Kinder hatten immer genug zu essen und wir hatten Süßigkeiten und wir hatten Obst. Mein Vater vor allem hat praktisch nie das seltene Obst, wie Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Wassermelone, usw. gegessen. Wenn, dann hat er sich 1-2 von genommen und ich z.B. habe eine ganze Schale von gegessen. Ich habe ihn nie schokolade essen sehen. Und dann als ich erwachsen wurde und ausgezogen war, sah ich plötzlich, wie er schokolade liebt und gar nicht aufhören kann zu essen, wenn er mal anfängt und war irritiert, wieso das erst jetzt anfängt.
Aber nun als Mutter, wenn ich Erdbeeren aus dem Garten Pflücke und nur so 10 reife Beeren habe, dann bekommt mein Kleiner alle 10. Mein Mann und ich nehmen maximal eine. Ich finde es so toll wie genüsslich er das isst und ich verstehe wieso mein Vater auf seine Lieblingsspeisen verzichtet hat, damit wir die bekommen. Bei allem was er falsch gemacht hat, so hat er es nicht gemacht, weil er ein Sadist ist, sondern weil er es nicht besser wusste. Er hatte keine erziehungsratgeber. Er hatte keinen Zugang zum Internet und dem unendlichen wissen und selbst wenn er dazu Bücher aus der Bibliothek hätte leihen können, so hätte er erstmal wissen müssen, dass es sowas gibt und das wusste er nicht. Sein Vorbild waren halt seine Eltern. Sein Vater war Alki und hat die Mutter Misshandelt, so dass sie sich damals noch scheiden ließ. Er selbst wurde von seinem Vater auch nie gut behandelt, er hat nie gesagt ob er geschlagen wurde, aber mMn ist das sehr wahrscheinlich. Er hat nur einmal gesagt wie Eifersüchtig er auf uns Kinder war, weil sie all die Liebe seines Vaters bekommen haben, die keiner seiner Kinder bekommen hat. Das lässt schon recht tief blicken wie das Verhältnis war. Dann ist mein Opa gestorben als mein Vater noch keine 40 war, er hat wahrscheinlich nie aufgearbeitet wie er erzogen wurde.

Wir sind einfach durch das Internet sehr privilegiert. Wir hatten die Möglichkeit uns so zu entwickeln, weil wir nicht mehr von der kleinen Gemeinschaft der Familie und des Dorfes, wo es alle gleich machen, abhängig waren.

Zu meiner leiblichen Mutter habe ich keinen Kontakt mehr. Der Kontakt war schon abgerissen, als sich meine Eltern scheiden ließen und wir nach D gekommen sind.
Als ich sie mit 16 mal gesehen habe, hat sie mir direkt gesagt, wie dick ich wäre und sie hätte das niemals zugelassen, dass ich so fett werde. Und sie hat sich nie entschuldigt für ihre Taten. Als ich erwachsen war, wollte sie wieder Kontakt aufnehmen, aber statt zu versuchen mich kennenzulernen versuchte sie direkt mit zu belehren und mir zu sagen wie schlecht ich erzogen worden bin. Also habe ich ihr direkt gesagt: "Nein danke!"

Bearbeitet von AuchMalAnonym
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Danke für deine Offenheit, auch wenn es kein Wettstreit ist - dagegen war mein Leben ein Ponyhof. Meine Mama hat mir immer Essen gemacht, ich hatte es nie... "schlecht". Nur wenn ich halt was getan hab, was ihr nicht gefallen hat, gab es halt Prügel....

"Ich spüre den Impuls und mein Gehirn sagt mir. dass ich mich danach soooooo viel besser fühlen würde." Ich hab mich oft gefragt, wie ich dieses Gefühl einordne. Das trifft es auf den Punkt! Das hilft mir sehr, jetzt kann ich in Zukunft zu mir selbst sagen "Nein, du wirst dich nicht besser fühlen, wenn du xy machst".

Wünsche dir alles gute für dich und deine Familie 🤍

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Oh, das sollte es gar nicht sein, Ich wollte nur zeigen wie es bei mir war. Ich meine, ich betrachte meine Kindheit nicht als schlecht. Ich hatte meine Oma die ich zumindest 1-2x im Jahr für die Ferien gesehen habe. Sie war immer auf unserer Seite.
Unsere Kindheit war nicht schön, natürlich geht es besser, aber schlimmer geht ja bekanntlich immer....

Je älter ich werde, desto mehr Geschichten höre ich wie schlimm es anderen ergangen ist. Oft mals sind sie nicht mal erwachsen geworden. Oft sind sie so traumatisiert, dass sie das weitertragen.
Es gibt soooooo viele 100000e Geschichten die man täglich mitbekommt und da denke ich: "Ja gut, meine Eltern waren unfähig und überfordert, sie haben es nicht aus Böswilligkeit getan"

Genau so meine leibliche Mutter. Ich glaube jetzt nicht, dass sie uns Mädchen gehasst hat. Aber meinen Bruder vielleicht schon. Meine Kultur ist sehr Männerliebend und sie wurde praktisch gezwungen so lange schwanger zu werden bis sie einen Jungen bekam. Und da sie das nicht an den Personen auslassen konnte die sie dazu regelrecht zwangen, hat sie es vermutlich an meinem Bruder ausgelassen. Wenn ich wirklich darüber nachdenke, weiß ich gar nicht ob er seine Kindheit überlebt hätte, wenn wir bei ihr geblieben wären.

Es gibt halt genug Kinder deren Eltern sie absichtlich gequält haben, weil sie sie nicht mochten.
Aber viele Eltern haben ihre Kinder traumatisier, weil sie ihr eigenes Trauma auf die Kinder Projiziert haben. Du kannst praktisch Gift drauf nehmen, dass alles, was deine Mutter dir gesagt hat und mit dir gemacht hat, dass sie das mindestens noch viel stärker von ihrer Mutter/Großmutter. Das soll jetzt keine Entschuldigung für sie sein. Aber vermutlich kannst du sie dann etwas besser verstehen.

Ich sehe das Gefälle hier auch bei meinen Schwiegereltern. Meine Schwiegeroma wurde von ihrer Mutter wirklich schlecht behandelt. Sie war für nichts gut genug. Alles was sie gut gemacht hat, war 'Selbstverständlich' aber die kleinsten Fehler wurden ihr extrem Hart vorgeworfen. Und nun hat sie sowas von kein Selbstbewusstsein. Sie ist 95 und wenn sie den kleinsten Fehler macht, sagt sie über sich selber: "Ich bin so dumm. Ich bin zu nichts zu gebrauchen. Wie kann man so doof sein?" Und der Fehler kann sein, dass du z.B. lieber stilles Wasser trinkst als Wasser mit Kohlensäure und sie hats vergessen, weil sie dich halt nur einmal alle paar Monate sieht!
Aber ihre Selbstgeißlung ist heftig. Meine Schwiegermutter ist ähnlich mit der Selbstgeißlung. Nicht so schlimm wie ihre Mutter, aber sie hatte auch das Problem ihrer Mutter nie gerecht werden zu können. Andere Mädchen bekamen Auszeichnungen, weil sie zuhause beim Geschirr spülen geholfen haben, das sie das aber auch jeden Tag gemacht hat, wurde nicht mal mit einem 'danke' geehrt. Die Brüder mussten nie was machen und hatten in allem recht und sie war immer im unrecht usw.
Und man sieht halt, wie das Runterfallen eines Wasserfalls. Das eigene Trauma wird einfach weitergegeben.

Es ist heut zu Tage viel einfacher sich dessen bewusst zu werden. Früher wäre das ja praktisch unmöglich gewesen sich andere Meinungen einzuholen. Aber heute gehst du ins Internet und du hast Million anderer Meinungen und kannst daraus lernen.

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Wenn es um bedürfnisorientierte Erziehung geht, gibt es meiner Meinung nach keine besseren Bücher als die aus der "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn"-Reihe. Ich kenne aber nur die Bücher zum Kleinkindalter, 5-10 Jahre und zum Thema Geschwister. Seit kurzem gibt es auch eins über Babys, aber meine Kinder sind keine Babys mehr.

Das was du erlebt hast klingt wirklich schlimm. Ich bin sicher, da du es dir vorgenommen hast, wirst du es schaffen, das als Mutter selbst ganz anders zu machen. Die zwei großen Herausforderungen werden sein:

Einerseits der Umgang mit den eigenen Emotionen. Kinder lösen ganz viele Emotionen bei uns Eltern aus, sei es Angst, Hilflosigkeit oder Frustration (natürlich auch viele positive, aber die sind ja nicht das Problem). Mit diesen Emotionen gut umzugehen, wird eine schwierige Aufgabe sein, wenn man es in der Kindheit selbst nicht gut gelernt hat. Es hilft sich mit anderen Eltern austauschen, sei es mit dem Partner, oder mit Freunden oder auch hier im Forum, und wirklich offen und ehrlich über diese Emotionen zu sprechen.

Und andererseits fehlt dir einfach das Vorbild, wie ein liebevoller, aber auch konsequenter Umgang mit Kindern aussehen kann. Das führt oft dazu, dass man dann das Gegenteil von den eigenen Eltern macht. Das man die Kinder im Alltag z.B. alles bestimmen lässt und viel zu oft über die eigenen Grenzen geht oder auch Dinge zulässt, die für die Kinder gefährlich sind, weil man nicht weiß, wie man ohne Gewaltanwendung Grenzen setzt. Bei sowas können die genannten Bücher hoffentlich helfen. Auch hier im Forum mitzulesen oder Podcasts zu hören (gibt auch einen von den Autoren der genannten Wunschkind Bücher) hilft natürlich, immer wieder Beispiele mitzubekommen, die eine Alternative zu den eigenen Erfahrungen aufzeigen.

Oh und noch ein schwieriges Thema fällt mir ein: Viele Eltern, die sich große Mühe geben und keine Anstrengung scheuen, um ihren Kindern eine bessere Kindheit zu ermöglichen, als sie selbst hatten, sind nach ein paar Jahren völlig entsetzt, weil die Kinder so "undankbar" sind. Die Kinder wissen es nämlich nicht zu schätzen, wie sehr man sich bemüht. Vermutlich werden sie sich auch irgendwann über das ein oder andere bei euch Eltern beschweren. Sie werden keine perfekten Kinder sein, motzig sein, in der Pubertät vielleicht auch gegen euch Eltern ankämpfen.
Aber genau das ist ja das Ziel, dass ein liebevoller Umgang für die Kinder eine Selbstverständlichkeit ist und nichts, wofür sie dankbar sein müssten.

Und weißt du was das Schöne ist, meiner Meinung nach? Wenn man als Eltern mit den Kindern bedürfnisorientiert umgeht, überschreibt das ein bisschen die schlimmen Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Wenn es gut läuft, fängt man auch an mit sich selbst und dem eigenen "inneren Kind" liebevoller und bedürfnisorientierter umzugehen. Elternschaft (wenn es so klappt, wie du dir vorgenommen hast) kann auch sehr heilsam sein.

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"Mama was schreist du so laut"

Hier wird gut erklärt, warum wir wann wie reagieren.

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Hey!

Ich wurde auch mit Gewalt erzogen. Mir war eigentlich immer klar, dass es falsch ist.
Mir ist die Tage klar geworden, dass mein Vater sehr narzisstisch ist und meine Mutter auch psychisch (sucht-)krank.
Als mein erstes Baby da war, hatte ich arg daran zu knabbern, wie man ein kleines, schutzloses Wesen so behandeln kann.
Ich kenne auch die Wut, die aufkommt, wenn mein Kind mich versucht zu triggern. Anders als meine Eltern gebe ich dem nicht nach.

Überfordert bin ich nicht. Ich habe eine gute Bindung zu meinen Kindern, sie verstehen sich sehr gut und lieben sich abgöttisch. Das möchte ich nicht gefährden. Wichtig ist Ruhe, wenig Stress und ausreichend Schlaf.

Liebe Grüße
Schoko

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Es ist erschütternd zu lesen, was du erlebt hast.

Vllt. eher allgemeiner Buchtipp: Philippa Perry: "Das Buch von dem du wünschst, deine Eltern hätten es gelesen"

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Das lese ich gerade und wollte es auch vorschlagen 🙂

Es beschreibt, wie man nicht die gleichen Fehler macht, wie seine Eltern. Mit vielen Beispielen und Übungen.

Außerdem kann man vieles auch in der Beziehung zum Partner anwenden 😊

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Ist schon auf meiner Amazon Weihnachtswishlist 😅 danke 😊