Konnte keine Freundschaften schließen

Hallo zusammen,
ich habe Mal ein bisschen quergelesen und habe mich nun entschlossen, auch einen Beitrag zu verfassen.
Ich bedanke mich vorab bei jedem, der diesen liest und ggf. antwortet.

Ich bin nun Mitte 30 und müsste ich Bilanz ziehen, stehen unter dem Strich keine Freunde.
Seit vielen Jahren hinterfrage ich nun, woran es gelegen hat und liegt.
Schon als Kind führte ich keine gesunden Freundschaften und wurde schnell ausgetauscht, sobald jemand nur den Anschein erweckte interessanter zu sein.
Dies hinterließ den Beigeschmack bei mir, nicht gut genug zu sein.
In meiner Jugend pflegte ich einige Kontakte, die ich in der Schule knüpfte. Auch hier war es oft so, dass ich Menschen einander vorstellte und diese sich dann plötzlich ohne mich weiterhin trafen.
Ich ertrug auch diese Umstände still.
Sobald ich mich beschwerte (auch nur in meinem Kopf), beschlich mich sofort das Gefühl nicht gönnen zu können.
Irgendwann änderte ich die Taktik und fragte auch mal nach, warum man das Interesse an einer Freundschaft mit mir verlor. Hierauf bekam ich leider nie eine Antwort bzw. gab man an, es selbst nicht zu wissen. Dann wurde ich auch oft gebeten, es gut sein zu lassen, da die Frage anscheinend Unwohlsein weckte.
Da ich auch nicht nerven wollte und ich das Ruder sowieso offensichtlich nicht mehr rumreißen konnte, fragte ich bei jedem nur ein Mal nach.
Als Erwachsene stellte ich dann fest, dass die innigsten Freundschaften bei den meisten die sind, die in der Jugend bzw. als junger Erwachsener geschlossen wurden.
Ich konnte leider nirgends andocken.
Sobald ich die Initiative ergriff, distanzierten sich die Menschen ziemlich schnell. Ein Mal bekam ich sogar die Ansage: "Wie kommst du darauf, hier mitmachen zu dürfen?"
Ich zog mich eigentlich immer mit dem Gedanken zurück "OK, das ist es also auch nicht. Beim nächsten Versuch und den nächsten Bekanntschaften klappt es bestimmt besser!".
Nach ein paar Jahren gab ich auf und arrangierte mich mit meiner Einsamkeit und fand Beschäftigungen, die auch für mich alleine geeignet waren und Spaß machten.
Auf der Arbeit kam ich übrigens bestens klar und kann sogar ein paar "gute Bekannte" verbuchen.
Vor kurzer Zeit lernte ich meinen Mann kennen und mittlerweile haben wir einen Sohn.
Etwas Besseres konnte mir nicht passieren und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ein Mensch (mein Mann) nicht die Nase voll von mir hat. Mein Mann hat einen festen Freundeskreis und zu mir sind alle sehr freundlich.
Mein Sohn ist mein größtes Glück und die schönste Aufgabe.
In den Gruppen, in denen ich nun Dank meines Sohnes bin, habe ich bereits nette Gespräche führen können.

Allmählich merke ich allerdings, dass mein Sohn die gleiche Ablehnung in meiner Umgebung erfährt, wenn ich mit ihm irgendwo bin. Dieser Umstand kann natürlich nur an mir liegen und ich bin wahnsinnig traurig deswegen. Ich möchte nicht, dass er später mal so einsam ist, wie ich.
Ich erhoffe mir also heute ein paar Ratschläge zu lesen, wie ich mich zum Positiven verändern kann.
Vielleicht gibt es Denkanstöße für mich oder Fragen, die ihr mir stellt und mir die Augen öffnen.

Vielen Dank an alle, die bis hier hin gelesen haben!

Bearbeitet von NetteL6
1

Du leidest ähnlich wie ich an deiner Empfindung, keine echten Freundschaften schließen zu können. Oder von anderen Menschen nicht als freundschaftswürdig wahr genommen zu werden. Seit deiner Kindheit verfolgt dich das, erst die Ehe mit deinem Mann haben dich in seinen Freundeskreis integriert. Nun bist du sehr besorgt, weil du meinst, eine ähnliche Entwicklung auch bei deinem Sohn beobachten zu müssen.

Hast du schon einmal daran gedacht, dass du deinem Sohne eine Eigenschaft vererbt haben könntest, die dir von deinen Eltern aufgeprägt worden ist?

Ich denke, bei mir war eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung die Wurzel meines Problems. Meine Mutter erzog mich und meine Schwester mit einem subtilen Wechsel von Liebesentzug und Phasen der Zuneigung. Sie war aber häufig distanziert zu uns Kindern, weil überfordert mit ihrer Mutterrolle und ihrer nicht ganz glücklichen Ehe. Sie wuchs selbst als Kind in einer völlig zerstörten Ehe ihrer Eltern mit viel Hass und Gewalt auf.

Bei mir führte diese frühe Prägung zu einer Grundhaltung der emotionalen Distanzierung von anderen Menschen und meinen Rückzug in meine Innenwelt. Es war, als wäre eine Mauer zwischen mir und anderen Menschen aufgebaut.
Echte Freundschaften waren so kaum möglich. Andere Menschen spüren so eine innerliche Mauer bzw. emotionale Distanziertheit instinktiv

Erst in letzter Zeit habe das erkennen können und versuche an mir zu arbeiten. Es ist langwierig zu lernen, eigene Emotionen zuzulassen, auch wenn sie weh tun. Auch das erstmalige Erlernen von Selbstliebe dauert. Noch schwieriger ist für mich das Eingehen von emotionalen Bindungen mit anderen Menschen, schon einfache Umarmungen waren am Anfang schwierig.
Aber es wird langsam besser. Selbstliebe bedeutet ja auch, sich eigene Defizite vergeben zu können und damit leben zu lernen.

2

Hallo Christoph,
vielen Dank für deine Antwort.

Meine Erziehung war im Großen und Ganzen sehr liebevoll. Ich empfinde die Beziehung zu meinen Eltern als sehr eng.
Ich erinnere mich jedoch daran, dass mir häufig meine Gefühle aberkannt wurden, weil sie gerade nicht zur Situation o.ä. passten.
Auch im Hinblick auf meine Einsamkeit, was mir witzigerweise jetzt gerade erst klar wird.
Dadurch habe ich, glaube ich, immer versucht mich anzupassen und meine wahren Gefühle nicht an die Oberfläche gelassen. Ich würde z.B. in 99% der Fälle nie zugeben, dass mich jemand durch sein Handeln oder seine Worte verletzt hat. Ich winke lieber ab und sage "Quatsch, ist überhaupt nicht schlimm.", weil ich denke, ich habe nicht das Recht verletzt zu sein.
Die Ausnahme ist lediglich mein Mann. Mit ihm kann ich offen über meine Gefühle sprechen, ohne dass es mir komisch vorkommt.

Mit der mangelnden Selbstliebe hast du natürlich genau ins Schwarze getroffen.
Das hat allerdings auch viel mit meinem vergangenem Liebesleben zu tun, das ich mehr oder weniger auf Wunsch meines Hausarztes therapeutisch aufgearbeitet habe.
Leider habe ich nie das Gefühl gehabt, heilen zu können.

LG

3

Aus eigener Anschauung glaube ich, eine echte Heilung von diesem emotionalen oder charakterlichen Defizit ist für mich nicht möglich. Lediglich eine Art Genesung.

Ich habe durch meine Distanziertheit Eigenschaften nicht, die anderen Menschen quasi angeboren sind, die sich in dieser Beziehung wie ein Fisch im Wasser bewegen.

Das kann ich nicht und werde ich niemals erreichen.
Aber ich kann daran arbeiten, es ist bei mir immer mit Selbstreflexion und einer gewissen Überwindung verbunden. Damit kann ich sehr gut leben, es wird auch tendenziell besser.

Der Fehler liegt vielleicht darin, immer Alles haben zu wollen, was die anderen auch haben wollen.
Ein Beinamputierter wünscht sich ja oft auch, dass das Bein wieder nachwächst, obwohl er wahrscheinlich ganz gut mit seinem Defekt zurecht kommt.

weitere Kommentare laden
4

„ Schon als Kind führte ich keine gesunden Freundschaften und wurde schnell ausgetauscht, sobald jemand nur den Anschein erweckte interessanter zu sein.“

Was bedeutet für dich „keine gesunden Freundschaften“?
Mir ist die Schilderung deinerseits etwas zu einseitig. Es kommt so rüber als würde es halt eben an den anderen Menschen liegen warum ein Kontakt nicht entsteht und/oder weiter besteht.
Zunächst wäre es einmal wichtig für dich zu erörtern was eigentlich eine Freundschaft für dich persönlich bedeutet? Welche Erwartungen hast du an Freundschaften? Und kannst/konntest du diese ebenfalls erfüllen?

6

Vielen Dank für deine Antwort!
So war mein Text gar nicht gemeint.
Ich meinte tatsächlich dass ich anscheinend nicht interessant genug bin.
An allen anderen kann es nicht liegen, da die Quote unnormal hoch wäre, wenn es immer an den anderen liegen würde 😊 nur leider komme ich einfach nicht auf die Lösung, was ich ändern könnte.

Was eine Freundschaft für mich bedeutet, kann ich gar nicht bis ins kleinste Detail beschreiben, da ich sie nie erlebt habe.
Ich hatte es mir aber immer so vorgestellt, dass man man selbst sein kann, Zeit hat und ein offenes Ohr.
Leider scheiterte es meist schon an der Zeit.
Oft wurde auch abgesagt, da man etwas besseres fand.
Mein Fehler war wohl, dass ich mich irgendwann verstellt habe, in der Hoffnung, das würde irgendwas ändern.

Mit wurde des öfteren schon gesagt, dass man sich auf mich immer verlassen kann und ich gute Ratschläge in schwierigen Lebensphasen habe.
Meine negativen Seiten als Freundin wurden mir leider nie mitgeteilt, auch wenn ich danach fragte.

7

Hey!

Ich habe mittlerweile 6 enge Freundinnen, bei denen ich mich immer melden könnte. Aber dennoch habe ich auch Erfahrung wie du machen müssen, dass sich Menschen ohne mich weitertreffen oder ich in Gruppen nicht gut ankomme.

Mittlerweile weiß ich, dass ich adhs habe und hochbegabt bin. Vielleicht war das der Grund.

Hast du schonmal einen IQ-Test gemacht?

Liebe Grüße
Schoko

9

Hallo Schokofrosch,

vielen Dank für deine Antwort!
6 enge Freundinnen sind ja schon echt eine Menge 😊

Nein, bisher habe ich noch nie darüber nachgedacht einen IQ-Test zu machen.
Darf ich fragen, wie du damals darauf gekommen bist einen zu machen? Waren es ähnliche Probleme wie meins?

LG

10

Ich habe nach der Geburt meines ersten Kindes im Lockdown eine ganz starke Hyperaktivität gespürt.
Dass ich vermutlich als Kind adhs hatte, war mir schon lange klar. Ich bin zur Diagnostik gegangen und habe mit Medikinet begonnen. So kam ich dann aus der Elternzeit zurück und dachte, nun endlich richtig gut zuhören und mich bspw an Konferenzen beteiligen zu können. Ich war total motiviert.
Mein Widereintritt war dann total ernüchternd. Ich konnte mich nun super auf alles konzentrieren, mitdenken- aber es passte dennoch nicht. Manchen Leuten sprach ich zu schnell, sie konnten mir nicht folgen und gaben mir das Gefühl, verwirrt zu sein. Meine Gedankengänge fanden sie nicht nachvollziehbar. Die besagten Konferenzen zogen sich wie Kaugummi. Es wurde geredet, geredet und geredet; das hatte ich im Träumeland bisher so nicht mitbekommen. Und man verschwendete viel Energie darauf, Probleme zu erläutern und um Lösungen herumzustarksen. Besagte Lösungen lagen für mich eigentlich auf der Hand- bis mir dann klar wurde, dass andere sie nicht sehen können. Ich erzähle manchmal und mir fehlt das Gefühl dafür, dass mein Gegenüber 5 Schritte zurück ist und noch mehr Kontext braucht. Als Beispiel.
Ich bin dann zur Lerntherapie gegangen, um Strategien für das adhs zu erarbeiten. Dort empfahl mir die Lerntherapeutin einen IQ-Test.

Ihre Erklärung war, dass hochbegabte eine andere Perspektive haben und das eben nicht harmoniert.

11

Vielleicht bist du sehr introvertiert und dazu noch nicht oberflächlich genug für viele Menschen.

Habe das Gefühl, dass die echt viele Leute nicht an tieferen Gesprächen interessiert sind und dann die Flucht ergreifen, weil sie entweder nichts zu sagen haben oder damit überfordert sind.
Das ist denen zuviel und zu anstrengend und man wirkt wie ein Alien.

Ansonsten kann's vielleicht auch sein, dass du dich zu sehr anpasst und viel zuviel gibst, damit du gemocht und angenommen wirst. Das kommt manchmal auch nicht so gut an.

Ich kann dir leider sonst keine Tipps geben, nur Gedankenanstöße.

12

Ein paar Erfahrungen kann ich durchaus mit dir teilen, wenn ich auch nie richtig einsam war. Aber ich glaube durch die Schnelllebigkeit und die vielen Möglichkeiten heutzutage, Menschen zu treffen / kennen zu lernen, ist für viele die Notwendigkeit nicht mehr da, sich etwas "verbindlicher" teilweise festzulegen. Hoffe du kannst mir folgen, es ist schon spät.
Also ich glaube, manchmal ist es einfach nur Pech, dass es nicht "funkt".
.
Mögliche Gründe die mir einfallen, die dazu führen, dass du keine Freunde hast, ohne zu wissen was auf dich zu trifft, dass kannst du sicher besser beurteilen:... :

- du bist für andere zu "langweilig", zb durch fehlende Gemeinsamkeiten / Hobbies / ähnlichen Humor oder so
- du suchst dir Menschen im "falschen Dunstkreis" aus, die du interessant oder potenzielle Freunde einstufst, zu denen du aber ggf nicht passt
- andere sind ggf überfordert von deiner Art (gibt's da vielleicht irgendwas spezielles??)
- ich finde zb das dein Text eher sehr gut formuliert ist, mir selbst ist aufgefallen, dass viele nicht mehr richtig kommunizieren können und eher in so einer instagram bubble oberflächlich leben und keine Lust haben, sich mit gewissen Themen auseinander zu setzen oder tiefgründigere Gespräche zu führen
- vielleicht strahlst t du auch viel negative Energie aus, aufgrund fehlendes Selbstbewußtsein oder Mecker-Mentakität? Kann man mit dir auch mal richtig lustig sein, Spaß haben, locker etc oder bist du aufgrund deiner Erfahrungen eher dazu geneigt, immer ernst reden zu wollen? Mir geht's zb so, dass ich Menschen, die irgendwie immer nur ernst bei der Sache sind, einfach nicht interessant finde. Ich möchte auch einfach mal über Gott und die Welt reden

... Naja das wären so ein paar Gedanken als Denkanstoß für Selbstreflwktion... Können uns gern noch weiter austauschen, LG

13

Hallo NetteL, vielleicht wäre eine Gruppentherapie/ein Gruppencoaching eine Möglichkeit, besser herauszufinden wie du auf andere wirkst und was Kontakt so schwierig macht. Bei Problemen im " zwischenmenschlichen" ist das manchmal eine gute Alternative zur Einzeltherapie.
Gruppentherapien gibt es auch wie Psychotherapien von der Krankenkasse bezahlt.