Trennung trotz Liebe

Hallo,
ich bin 21 Jahre alt und war 4 Jahre mit meinem Freund (vielleicht jetzt Ex Freund) zusammen.
Unsere Beziehung war sehr schön, sehr respektvoll - wir haben viel unternommen, sehr viel gelacht und immer über alles geredet. Er war nicht nur mein Freund sondern auch mein bester Freund, meine vertrauteste Person.
Das einzige „Streitthema“ das wir hatten war wegen unserer Zukunft: er ist Moslem und ich Christ (grundsätzlich kein Problem, da er nicht strenggläubig ist) aber bei Thema Kinder, dann doch ein Problem. Sein Wunsch ist es Kinder von Anfang an islamisch zu erziehen. Für mich ist das ein No-Go sich nur für einer der zwei Religionen zu 100% zu entscheiden. Mein Traum wäre es Kindern Werte beizubringen die wichtig sind und beide Religionen näher zu bringen. Wenn es sich irgendwann entscheiden möchte kann es das.

Von Anfang an ist das ein Thema, das immer damit endet dass er sagt „vielleicht ändert sich meine Meinung und ich kann das Kompromiss eingehen“
Vor zwei Tagen hat er mir gegenüber Angesprochen, dass er nicht glücklich ist. Nicht glücklich mit seinem jetzigen Leben, nicht unbedingt unglücklich mit unserer Beziehung. Er hat seinen Glauben vernachlässigt und er wünscht sich immer noch seine Kinder irgendwann so zu erziehen (mit der Religion) die er möchte.
Noch dazu kommt dass er vor unsere Beziehung nur 4 Monate Single war und davor schon ein mehrjährige Beziehung hatte. Er meinte er weiß nicht wie es ist allein zu sein und sich nur auf sich selbst zu fokussieren. Vielleicht hilft ihm das wieder mehr zu seinem Glauben zu finden und auch zu sich selbst.
Für mich total verständlich wenn er mal alleine sein möchte. Immerhin war er damals 17 als er in seine erste Beziehung gekommen ist. Das heißt aber nicht, dass für mich nicht eine Welt zusammen gebrochen ist. Er konnte mir nicht sagen, dass es komplett aus ist, sondern, dass er etwa Zeit braucht um nachzudenken. Eine Art Pause, dann hört mich sich wieder und redet nochmal wie es weiter geht. Für mich klang das eher wie ein „ich schaff es noch nicht Godbye zu sagen, vielleicht macht es das leichter“
Ich weiß er liebt mich, gestern haben wir uns nochmal zum Reden getroffen und er meinte er kann mich nicht verlieren - er liebt mich zu sehr, ich bin seine emotionale Stütze und wenn er mit mir ist geht es ihm gut- aber wenn nicht, dann nicht.
Das klingt vielleicht positiv, aber er überlegt wegen dieser Abhängigkeit, den Zuknunftsvorschlägen und der Zeit mal nur alleine zu sein, nicht mehr mir zusammen zu sein. Er möchte nicht Abhängig sein, er möchte alleine gut klarkommend und alleine glücklich sein können.
Irgendwie denke ich, dass kann es jetzt doch nicht gewesen sein. Von eigentlich einem Tag zum anderen verliere ich alles. Das schlimmste ist, dass er die erste Person wäre mit der ich über sowas reden kann - doch dieses Mal kann ich es nicht. Ich habe Hoffnung dass wieder alles wird.
Aber vielleicht, denke ich auch nur das alles wieder so wird wie es wahr, weil ich das nicht realisieren und akzeptieren kann. Lohnt es sich zu kämpfen? Ich würde einfach gerne von jemanden Außenstehenden hören wie er das interpretieren würde oder vielleicht hat jemand andere Erfahrungen?

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Hallo Kathii,

Ausgehend von dem hartnäckigen Wunsch deines Freundes, eure zukünftigen Kinder islamisch zu erziehen, hat sich bei ihm wohl der Gedanke entwickelt, er möchte versuchen, auch mal alleine klarzukommen. Er fühlt sich von dir emotional abhängig, vielleicht würde ihm das Alleinsein auch helfen, besser zu seinem Glauben zu finden.

Ist eine Trennung trotz Liebe möglich?
Aus meiner eigenen Erfahrung ja. Ich denke da an die Frauen, in die ich im Lauf meines Lebens fremdverliebt war und zwar teilweise recht heftig. Meinen Impulsen dieser Liebe habe ich, da langjährig verheiratet, nie nachgegeben. Sondern ich habe meine Verliebtheit quasi ausgesessen, bis meine Gefühle mit der Zeit langsam in mir abgeebbt sind. Die Zeit heilt wirklich viele Wunden, diese Erfahrung durfte ich machen (bin schon etwas älter).

Was mich persönlich bei der Schilderung eurer Beziehung bzw. deines Freundes aufgefallen ist: Er scheint mir doch sehr um sich selbst zu kreisen und ein unsicherer Mann zu sein, der seinen Halt in einer Beziehung und nun vielleicht auch in seinem islamischen Glauben sucht.

Wenn ich einen anderen Menschen liebe und eine Beziehung mit ihm eingehe, dann mache ich mich abhängig von ihm, genau das ist das Wesen der Liebe. Sonst wäre es keine Liebe.
Liebe bedeutet für mich, ein nicht unwesentliches Stück von mir um der Liebe willen aufzugeben.
Das ist eben der Preis der Liebe, Liebe ist für mich nicht emotional "kostenlos".

Damit komme ich auch schon zu meinem Punkt. Wenn ich mich in meiner Beziehung zu meinem geliebten Partner ein Stück weit selbst aufgebe, dann sollte es der Partner von seiner Seite auch tun. Beide Partner sollten bereit sein, sich zu bewegen und Kompromisse einzugehen.
Wenn ein Partner sich nicht oder nur zum Schein bewegen will, dann entsteht ein ungesunde, einseitige Abhängigkeit in der Beziehung.
Das Urbia-Forum ist voll mit der Schilderung von solchen Beziehungen, die von Anfang an oder im Lauf der Zeit so eine ungesunde Schlagseite entwickelt haben.

Du hast nach meiner Meinung - was die hypothetische religiöse Erziehung eurer gedachten Kinder anbelangt - deinem Freund einen fairen Kompromissvorschlag gemacht, aber er ist nicht auf dich eingegangen.

Ich denke, das sollte dir eine ernste Warnung sein, die du nicht auf die leichte Schulter nehmen solltest.

Meine persönliche Erfahrung zur Erziehung der Kinder im Glauben ist: Wenn ein Glaube von den Eltern nicht ehrlich und für die Kinder spürbar gelebt wird, dann erreichen die Eltern bei ihren Kindern oft genau das Gegenteil ihrer erzieherischen Absichten. Die Kinder wenden sich vom Glauben ab, weil der abschreckend und abstoßend auf sie wirkt. Die katholische "Praxis" meiner Eltern hatte mich fast mein ganzes Leben zum Atheisten gemacht.

Bearbeitet von Christoph61
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Hey Kathi!

Ich bin ein paar Jährchen älter als du und kenne diese Zwickmühle (Liebe vs emotionale Abhängigkeit) aus meiner ersten Beziehung.

Ich finde seine Haltung ehrlich gesagt ziemlich erwachsen und gut.
Er merkt, dass er von dir emotional abhängig ist und fasst den Entschluss, diese Abhängigkeit zu beenden.
Hier im Forum fühlen sich oft Frauen geschmeichelt, dass Männer mit der Begründung "Ich brauche dich" nach einer Trennung zurück kommen. ABER das zeugt eben nicht von Liebe und ist sehr einseitig.

Du merkst, dass diese Beziehung keine Zukunft hat- er stellt fest, dass sein Glaube doch größer ist als er bisher dachte und er diesen intensivieren möchte. Einen Kompromiss zwischen beiden Religionen sieht er nicht. Willst du nie mit deinen Kindern unter dem Weihnachtsbaum sitzen?
Ich schätze, in vielen Familien hat der muslimische Glaube einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Ich kenne ein paar Familien. Frau muslimisch, Mann christlich (1x), das Kind muslimisch. Mann muslimisch, Frau christlich (5x). Alle Kinder muslimisch.
Meine muslimische Freundin hat einen Moslem geheiratet, weil der kulturelle Unterschied für sie zu groß sei. Ihre Brüder sind teils mit Christinnen verheiratet. Als ich auf dem Geburtstag eines der Kinder war, wurde ich von den Tanten der Familie eiskalt ignoriert, weil man mich für eine der christlichen Freundinnen hielt. Alle, die an der Tür standen, wurden herzlich umarmt und geküsst- bloß an mir gingen sie vorbei, ohne mich anzugucken.

Tja. Ich würde die Aussagen des Mannes ernst nehmen und es dabei belassen.
Entweder hat er es sich anders überlegt, oder seine Familie hat sich eingebracht.
Die Brüder meiner Freundin haben ihre Eltern auch recht früh gefragt, ob sie Beziehung ok sei und man die Frauen als ST akzeptieren. Es wurde abgesegnet, aber die Kinder sollen muslimisch erzogen werden und auch passende Namen haben.
Vielleicht hat er das auch getan und zieht nun Konsequenzen.

Nimm es ernst.
Du bist noch soooo jung; ich wette, in ein paar Jahren siehst du es auch anders.
Auch wenn die Trennung sicher nicht leicht wird. Ich habe auch eingesehen, dass eine Beziehung, die auf emotionaler Abhängigkeit beruht, nicht gut ist.

Liebe Grüße
Schoko

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Grundsätzlich finde ich es gut, dass er reflektiert und klar kommuniziert, dass er Zeit braucht, um mehr Halt bei sich selbst zu finden. Beim Religionsthema hört es sich an, als hättest du einen deutlich pragmatischeren, toleranten Ansatz. Sein Ansatz klingt für mich nicht sonderlich respektvoll dir und deinem Glauben gegenüber. Du sollst wahrscheinlich Schwangerschaften und Geburten übernehmen, er kann aber keinen Kompromiss bei der Religionserziehung finden? Das finde ich nicht fair. Mich würde interessieren, ob vielleicht etwas anderes dahinterstecken könnte. Vielleicht gibt es hier sehr konkrete Erwartungen aus seiner Familie oder Glaubensgemeinschaft und er hat nicht den Mut, diese Erwartungen nicht zu erfüllen? Dann ist viel Zeit zum Nachdenken genau das Richtige. Vielleicht kann er so zu einer reiferen Einstellung kommen? Ein Versuch ist es Wert, weil du noch wunderbar jung bist und damit noch sehr viel Zeit hast, dir einen geeigneteren Vater für deine Kinder zu suchen, falls dieser es leider doch nicht werden sollte. Alles Gute euch beiden!