Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Keine Beweise - Strafanzeige?

Hallo Zusammen,

vielleicht hat jemand ähnliches erlebt oder kennt sich etwas aus.

Ich wurde am Arbeitsplatz eindeutig (Brust) sexuell begrabscht,
meine Firma stand mir sofort zur Seite und es stellte sich heraus, das dieser Kollege
wohl schon häufiger in diesem Bereich auffällig war.
Bisher hat sich keine der Frauen getraut dazu schriftlich etwas zu verfassen, daher war meine Firma immer machtlos.
Keine der Frauen hatte Beweise oder Zeugen. Leider sind diese Frauen nicht mehr in der Firma, da diese aufgrund ähnlicher Vorfälle gekündigt hatten.
Die Angst vor diesem Kollegen ist sehr groß bei den Frauen.
Nun soll meine Sache vor Gericht gehen, weil der Beschuldigte natürlich alles abstreitet.
Es steht meine schriftliche Aussage gegen seine Aussage, mein Unternehmen duldet dieses Verhalten nicht und er wurde nun suspendiert und nun geht es vermutlich ums Geld.
Mir persönlich ist nur wichtig, dass das Thema nicht unter den Tisch fällt und andere Frauen zukünftig vor dieser Person beschützt werden und nicht irgendwann schlimmeres passiert.

Hat jemand ähnliches erlebt und wie ist es ausgegangen?
Kennt sich jemand mit Strafrecht aus bzw. nützt eine private Strafanzeige etwas um der Sache mehr Gewicht zu geben?
Vermutlich wird diese Sache im Sand verlaufen, wenn es keine weiteren Aussagen gibt.

Viele Grüße

1

Also geht das jetzt vorsichtig Arbeitsgericht?

Ich würde davon ausgehen, dass ein Strafverfahren der Sache mehr Rückenwind verleiht. Bzw ich würde mich fragen, warum nicht längst Strafanzeige erstattet wurde. Ob da eine neutrale Überprüfung gemieden werden soll.

In derartigen Verfahren ist es übrigens üblich, dass es weder Sachbeweise noch unabhängige Zeugen gibt. Das liegt in der Natur der Sache. Da kommt es dann tatsächlich darauf an, wer seine Geschichte im Verfahren überzeugender vorträgt.

4

Richtig, mein Arbeitgeber hat Anzeige erstattet und nun beginnt die Verhandlung vorm Arbeitsgericht.
Ich dachte, dass mein Arbeitgeber den Sachverhalt regelt und ich nichts weiter tun brauche?

Oder ist es üblich privat auch Strafanzeige zustellen und was erwartet mich dann?
Immerhin habe ich keine Beweise. Er streitet alles ab. Es gibt nur diverse Frauen die ähnliches beitragen könnten. Eine Frau ist noch bei mir im Unternehmen. Sie sagte, das ihre Belästigung schon gut 15 Jahre zurück liegt, sie aber einen Zeugen hat.
Damals waren die Gesetze noch anders deswegen wurde nichts unternommen.
Haben alte Vorfälle auch ein Gewicht oder sind diese völlig irrelevant nach so langer Zeit?

8

Ja, ich denke schon das alte Vorfälle als Zeugenaussagen hilfreich sind, damit das Gericht den Beschuldigten besser einordnen kann. Ebenso eine Aussage der Personalabteilung oder von Vorgesetzten/Betriebsrat, die über weitere Hinweise zu seinem Verhalten berichten können.

Ich würde mich anwaltlich beraten lassen. Hast du eine Rechtsschutz? Oder bezahlt es dir ggf. sogar dein AG weil es bei der Arbeit passiert ist?

2

Na, eigentlich ist doch deine Firma dein Zeuge, wenn der Kollege bei denen schon für sein Fehlverhalten bekannt ist.

5

Bisher haben sich in den letzen 25 Jahren öfter Frauen beschwert, aber die Gesetze waren damals noch anders als heute.
Warum die Damen genau gekündigt weis ich nicht, da war ich noch nicht im Unternehmen.

7

Es reicht doch wohl schon, dass sich mehrere Frauen über ihn in der selben Angelegenheit beschwert haben.
Ist ja klar, dass es ansonsten keine Zeugen gibt.
Der Typ wird ja nicht so dämlich sein und sich dabei zusehen lassen.
Bin sicher, dass die Aussage deiner Firma reicht, um ihm mal auf die Eisen zu steigen.

3

Wenn dein Kollege schon dafür bekannt ist, frage ich mich ernsthaft, warum die Firma da nicht längst eingeschritten ist.

Wie kann es denn sein, dass die betroffenen Frauen lieber kündigen, anstatt dagegen vorzugehen? Und die die nicht kündigen, haben Angst vor dem Mistkerl.

Ich bin echt fassungslos. Hut ab, dass du dich der Sache stellst.

Alles Gute für dich 🍀

6

Glaub weil der Typ viele Freunde in der Firma hat und diese Angst hatten man glaubt ihnen nicht. So ging es mir erst auch.

9

Hallo du,

Es tut mit Leid, was du erleben musst.

Dass jemand, der durch mehrere Vorfälle bekannt ist, immer noch bei der Firma ohne Konsequenzen arbeitet, ist ein Armutszeugnis. Ein AG ist verpflichtet bei der Information, dass es sexuelle Belästigung gab, zu reagieren!!! Er hat die gesetzliche Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigungen zu verhindern. Hierunter fallen grundsätzlich auch vorbeugende Maßnahmen (§ 12 I AGG), wie beispielsweise eine Schulung der Mitarbeiter oder die Einrichtung einer Beschwerdestelle.

Bitte informiere dich hier:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/lebensbereiche/arbeitsleben/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz-node.html

Ich denke, ohne, dass ich anwaltlich Ahnung habe, deine persönliche Anzeige tut schon etwas zur Sache.
Ich würde dich unbedingt ermutigen Anzeige zu erstatten. Unbedingt. Nur so ändert sich etwas und du gehst kollektiv mit anderen Betroffenen stärker raus. Die persönliche Anzeige bewirkt, dass dem Fall nachgegangen werden MUSS von Außenstehender Stelle. Ob es Zeugen gibt, ist egal. Es steht Aussage gegen Aussage und ehemalig Betroffene können deine Aussage stützen.

Für alle offenen Fragen kannst du dich kostenlos telefonisch hier informieren und beraten lassen:
116 016

"Passieren" tut in sofern nach der Anzeige so viel, dass er eine Anzeige bekommt. Ist es seine erste Anzeige, kann er erstmal schriftlich Stellung nehmen, mit oder ohne Anwalt. Vermutlich geht es vor Gericht. Sollte er für schuldig gesprochen werden, kann er abgemahnt werden bis hin zur Kündigung und ggf. muss er dir Schmerzensgeld bezahlen. Wenn es seine erste Anzeige ist, steht es im Bundeszentralregister, im Führungszeugnis nur sollte er zu mehr 3 Monaten bzw. 90 Tagessätze verurteilt werden, was ich nicht vermute.

Du siehst, ihm passiert erstmal nicht sehr viel. Es verhindert jedoch, dass er es wieder und wieder tut, denn würde erneut Anzeige erstattet werden, wäre er schon Wiederholungstäter. Außerdem wäre spätestens nach deiner Anzeige dein AG in der Pflicht Maßnahmen zu ergreifen, so dass ihr alle einen gesicherten Arbeitsplatz habt.

Nochmal: hab den Mut und zeige ihn an. Du und jeder andere Mensch, hat einen sicheren Arbeitsplatz verdient!

Bearbeitet von vorblida
10

Hallo,

vielen Dank für Deine Nachricht.
Wie gesagt mein Arbeitgeber hat sofort reagiert und ihn suspendiert und die Sache läuft jetzt vor Gericht.
Leider können nur die Fälle von vor 20 Jahren nicht mehr vorgebracht werden, da das Gesetzt damals noch ein anders war und somit die Tat verjährt ist.

11

Hallo! Es tut mir sehr leid, dass du sowas erleben musstest und jetzt durch die Auseinandersetzung damit durch musst, obwohl es dein Kollege ist, der sich falsch verhalten hat. Kurze Frage zum Rahmen in deiner Firma: Habt ihr eine AGG-Beschwerdestelle oder eine Frauenbeauftragte/Gleichstellungsbeauftragte? Die AGG-Beschwerdestelle prüft deinen Fall zwar nur auf Verstöße gegen das AGG und gibt dir eine Rückmeldung, ob ein Verstoß vorliegt ja oder nein, schlägt aber auch einen Maßnahmenplan für weitere Schritte durch und kann bestimmt auf Anfrage auch Auskunft zu Rechtsmitteln geben. Gleichstellungsbeauftragte oder Frauenvertretung beraten auch. Du kannst Anzeige nach Strafrecht erstatten (Strafgesetzbuch: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung), denn: dein Fall würde von der Staatsanwaltschaft nur auf Antrag von dir ermittelt (Stichwort: Antragsdelikt im Gegensatz zu Offizialdelikt). Eine automatische Strafverfolgung wegen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht findet aber nicht statt und im Strafverfahren gilt der Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten. Es kann also sein, dass bei geringer Beweislast die Anzeige gar nicht erst vors Gericht kommt (Ermittlungen eingestellt) oder aus Mangel an beweisen das Verfahren bei der Verhandlung eingestellt wird.

12

Hey!

Klingt für mich, als solltest du dich juristisch beraten lassen.
Klar können die alten Fälle nicht mehr angezeigt werden- aber dennoch spielt es doch deiner Glaubwürdigkeit in die Karten, wenn sie berichten.

Liebe Grüße
Schoko