Angst vor Autismus

Ihr Lieben, mir und meinem Mann (er ist Erzieher und wird auch von Eltern darauf angesprochen) ist aufgefallen, dass das Thema scheinbar im Moment viele Eltern sehr beschäftigt. Hier im Forum lese ich gefühlt fast jede Woche den Beitrag einer besorgten Mutter und auch beim Kleinkindturnen war das schon Thema.

Gleichzeitig ist mir auch aufgefallen, dass mir auf Insta bei den Reels nach zig „Ratgeber-Beiträgen“ und niedlichen Babys immer häufiger Beiträge von betroffenen Eltern angezeigt werden. Im besonderen wie besagte Eltern schon früh Symptome an ihrem Kind bemerkt haben. Das gleiche auf YouTube. Und sobald man sich ein Video/Reel anschaut, bekommt man nichts anderes mehr vorgesetzt.

Meist sind eben nur Ausschnitte zu sehen von Dingen, die auch Kinder tun, die nicht dem Spektrum angehören. Bsp. mit den Händen „flattern“, Spielzeug auf eine bestimmte Art sortieren, usw. Ihr wisst sicherlich was ich meine.

Wie seht ihr das? Seht ihr da auch einen Zusammenhang zwischen der Angst/Befürchtung das Kind könne Krank sein und der „Überinformation“? Ist euch etwas ähnliches auch schon aufgefallen? Falls ja, lasst ihr euch davon manchmal etwas verunsichern? Oder habt ihr eine völlig andere „Theorie“ zu dem Thema?

Ich bin sehr gespannt auf eure Antworten! 😊 Liebe Grüße und einen guten Start in die neue Woche!

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Ich nutze Instagram, aber solche Videos werden mir persönlich nicht angezeigt.

Aber ich glaube, das ist ein gesamtgesellschatliches Problem, das über die Sorge zu Auffälligkeiten beim Kind hinausgesehen. Durch die ganzen Vergleiche, egal in welcher Hinsicht und auch der „Überinformation“, fragt man sich viel zu häufig, ob bei sich alles „normal“ ist. Dass i.d.R. alles in Ordnung ist, blendet man irgendwann aus und egal wie realistisch die Selbsteinschätzung und allgemeine Wahrnehmung ist, zweifelt man dann doch an dem jeweiligen Thema.

Das ist aber insbesondere ein Problem, das mit dem Internet entstand und durch die sozialen Medien beschleunigt wurde.

Ich glaube, dass es oft für Medienkonsumente schwierig ist ein realistisches Selbstbild zu behalten. Aber eine Lösung für die „Gesamtgesellschaft“ gibt es da wohl nicht.

Allerdings glaube ich auch, dass es speziell beim Fall Autismus, viele Eltern gibt, die kurz besorgt sind, dass was nicht stimmt und schnell wieder auf den Teppich geholt werden können, aber es gibt auch sehr viele Eltern, deren Bauchgefühl sich bewahrheitet. Die lassen sich aber glaub‘ auch nicht auf den Teppich zurückholen, weil das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, bleibt und sicher in vielen Fällen entsprechend bestätigt.

Ich glaube, dass man einfach viel mehr in der realen Welt leben muss und zumindest emotional Abstand von Internet(schein)welten nehmen sollte.

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Ich weiß nicht wie sich Autismus bei kleinen Kindern zeigt und habe mir darüber auch noch nicht eine Sekunde Gedanken gemacht. Die Beiträge dazu hier im Forum sind aber mir auch aufgefallen und ich möchte dazu mal kurz was sagen.

Autismus ist keine Krankheit und auch nichts, wovor man panische Angst haben muss. Bitte hört auf, solche Panik zu schieben. Und hört auf, Euch so viel mit vermeintlichen „Anzeichen“ zu beschäftigen. Wenn man lange genug sucht, findet man sicher haufenweise ebensolcher auch am eigenen Kind. Wer einmal anfängt, sich auf social media mit dem Thema zu beschäftigen, ist natürlich schnell in so einer bubble drin, nennt sich Algorithmus und ist gefährlich für die ängstliche Mutter😬

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Ich würde Autismus schon als Krankheit/Entwicklungsstörung bezeichnen. Eine Freundin von mir hat einen fast 4jährigen Sohn, bei dem Autismus stark vermutet wird. Er kann nicht sprechen, versteht scheinbar fast nichts und zeigt auch sonst starke Verhaltensauffälligkeiten. Meine Freundin liebt ihren Sohn natürlich, gibt aber zu, dass es auch sehr schwierig ist - er braucht zig mal in der Woche irgendwelche Unterstützung und Therapien, damit er in der Entwicklung vorankommt und sie meint, dass bereits jetzt feststehen würde, dass er auf keinen Fall in eine normale Grundschule gehen kann. Sie sagt selber, dass ihr Sohn eine KRankheit hat und behindert ist, auch wenn sie gleichzeitig sagt, dass es ihr wehtut das zu sagen.

Nur weil man etwas nicht als Krankheit oder wie auch immer bezeichnet, verschwindet es deshalb nicht bzw. wird es nicht besser.

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Ich versuche mich immer an den Selbstbezeichnungen der Betroffenen zu orientieren und war mir sicher, Menschen mit Autismus würden dies nicht als Krankheit definieren, sondern als Behinderung. Aber genau weiß ich es als Nichtbetroffene natürlich nicht…

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Instagram zeigt dir mehr den Inhalten, bei denen du bisher länger verweilt bist. Mir zeigt Instagram irgendwelche Billard-Trickschüsse.

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Dass es einen Algorithmus gibt ist mir klar 😊

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Ja, in den ersten beiden Lebensjahren meiner Tochter habe ich öfter mal nach Symptomen für Autismus im Internet gesucht und meine Tochter damit "verglichen". Der Grund dafür war, dass sie was die Kommunikation betrifft oft sehr hinterherhinkte. Also z.B. hat sie erst mit 13 Monaten zu Winken und Klatschen angefangen, das erste Wort kam auch erst mit 14 Monaten und das Zeigen dauerte auch sehr lange. Vieles davon haben die anderen Babys aus der Krabbelgruppe halt schon mit 9 oder 10 Monaten gemacht und natürlich überlegt man sich dann "warum macht mein Baby das alles nicht?"! Mit 18 Monaten fingen die anderen Kinder an immer mehr Wörter zu sprechen - meine Tochter konnte da immernoch nur 1-2 Wörter sprechen und es tat sich über viele, viele Monate gar nichts.

Erst kurz nach ihrem 2. Geburtstag ging es plötzlich los - sie sprach quasi täglich neue Wörter, übersprang die 2- und 3-Wort-Phase komplett und sprach direkt in vollständigen Sätzen mit mindestens 4 Wörtern. Ein halbes Jahr später sagten die Erzieherinnen in der Krippe sogar, dass sie den gleichaltrigen Kindern sprachlich weit voraus sei und für ihr Alter schon sehr deutlich sprechen würde.

Ich denke der Grund warum so viele eine Autismus-Erkrankung befürchten ist, dass man meint das Kind müsste sich nach Schema F entwickeln, die Kinder miteinander vergleicht und eineArt "Wettbewerb" daraus macht (wenn auch unterbewusst) und meint jede Abweichung würde automatisch eine Erkrankung bedeuten. Die meisten Kinder können mit 12 Monaten laufen - das habe ich z.B. schon sehr, sehr oft irgendwo gelesen. Komisch ist nur, dass ich nur sehr wenige Kinder kenne, die an ihrem ersten Geburtstag schon laufen konnten, die meisten lernen es mit 13,14 oder 15 Monaten - und ja, ich kenne sehr viele Kinder! ;-)

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Interessantes Argument. Wir haben das auch nochmal bequatscht und sehen das ähnlich. Kinder sind halt in ihrer Entwicklung nicht Plan- und berechenbar. Danke für deinen Beitrag 😊

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Ich glaube, dass das Überangebot an Informationen jedweder Güte eine Rolle spielt. Und sowas haut natürlich genau in die richtige Kerbe.. Angst der Eltern um das Kind. Funktioniert mit jeder anderen Sorge ja ähnlich. Vieles wird unreflektiert hingenommen und in Foren kann man außerdem super schnell und ohne große Konsequenz zum einen seinen Mist verbreiten, zum anderen einfach mal schnell nachfragen.
Ich glaube nichtmal, dass das ein größer werdendes Problem ist. Warum sollten Eltern heute mehr Angst um ihre Kinder haben als früher? Man hat eben nur mehr Möglichkeiten, diese Angst nach außen zu tragen und man bekommt eben einfach mehr mit, wenn man im Netz danach sucht.

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Ich denke das ist ein wichtiger Punkt. Natürlich haben unsere Eltern sich genauso Sorgen um uns gemacht. Aber die einzigen Informationsquellen waren meistens die eigenen Eltern, Kinderärzte und Pädagogen. Das hat seine Vor- und Nachteile.

Ich glaube aber auch, dass der Druck der auf Eltern ein höherer ist als früher. Eben auch durch die zahlreichen Angebote/Vergleichsmöglichkeiten im Internet (insbesondere Familieninfluencer)

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Hallo!

Ich finde das ganz auffällig.
Die Eltern vergleichen ständig ihre Kinder.
Die Kinder sollen sich alle nach Schema F entwickeln. Und wenn nicht, ist es ganz bestimmt Autismus. Vor ein paar Jahren war jedes agile Kind gleich von Adhs betroffen.
Das BABY mit 12 Monaten winkt und klatscht noch nicht?! Das Baby schaut mir nicht permanent in die Augen?! Das Kleinkind mit 13 Monaten deutet noch nicht?! Das Kleinkind mit 15 Monaten sortiert seine Bauklötze?! Das Kleinkind "flattert" mit den Armen, wenn es sich freut?! Oh Gott, das ist sicher Autismus!!! 😱
Nein, Kinder entwickeln sich in ihrem Tempo! Und Autismus ist so viel mehr!

Ich bin Mutter eines Kindes mit diagnostiziertem Autismus. Und mir geht manchmal echt die Hutschnur hoch.
Eine Diagnostik geht frühestens mit 5 Jahren. Davor macht es keinen Sinn. Denn es gibt auch einfach Entwicklungsstörungen, Verzögerungen, auch geistige Retadierung... Oder einfach nichts.

Autismus ist eine Behinderung, ja. Das kann man auch nicht schön reden. Von wegen "Nein, das ist eine tolle Begabung!". Autismus ist anders als der Rest der Gesellschaft und dadurch eckt man ständig an.
Ich liebe mein Kind über alles! Aber es ist nicht einfach.
Und Autismus ist keine Mode - Diagnose! Und es gibt auch nicht "ein bisschen Autistisch".

LG!

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Mein Neffe ist 3!
Er befindet sich in der diagnostik.

Er bekommt dementsprechend auch schon Förderung.

Warum sollte das frühestens mit 5 gehen?

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Die Diagnose kommt oft erst mit 4 oder 5 weil es im Kleinkindalter auch isolierte Entwicklungsverzögerungen im Kommunikativen-Sozialen-Bereich gibt, deshalb kann es in den frühen Jahren schwierig sein, zu differenzieren ob es "nur" eine Entwicklungsverzögerung oder eine tiefgreifender Störung wie Autismus ist.
Je nach schwere der Symptome ist eine Diagnose aber auch schon früher möglich. Das früheste was ich mitbekommen habe war 14 Monate, das Kind war aber auch wirklich sehr schwer betroffen.

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Ich glaube, dass Problem ist, dass Autismus eine recht häufige Erkrankung ist (etwa 2 Prozent aller Kinder sind in verschiedenen Ausprägungen davon betroffen). Sie ist also recht präsent in den Köpfen der Eltern.

Das nächste große Problem ist, dass viele Autismus-Warnzeichen Teil der völlig normalen Entwicklung sind. Solche Dinge wie mit den Händen wedeln oder Sachen in Reihen legen werden erst zu einem Warnzeichen, wenn sie über ein bestimmtes Alter hinaus bestehen bleiben. Wenn man kein Experte ist kann man aber eben nicht unbedingt beurteilen, was bis wann noch normal ist.

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Hallo, ich gebe offen zu, dass ich mich was das Thema Autismus angeht auch schon ziemlich verrückt gemacht habe, zum Beispiel als mein Sohn in seinen ersten drei Monaten kaum Blickkontakt gesucht hat. Ich kannte das von anderen Kindern anders. Dazu kommt, dass mein Bruder an einer Autismus-Spektrum-Störung leidet und es als Kind besonders in sozialen Situationen alles andere als leicht hatte, heute kommt er zum Glück wesentlich besser klar. Wegen dem erblichen Faktor hab ich mir dann schon einen Kopf gemacht. Inzwischen glaube ich zum Glück nicht mehr, dass mein inzwischen einjähriger Sohn autistisch sein könnte. Bitte vergesst Babyapps, wo z. B. steht, dass in den ersten Wochen euer Gesicht das Interessanteste überhaupt für euer Baby sei. Das muss nicht so sein. LG Margrit

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Bei uns ist es so, dass meine Kleine von Anfang an ein Schreibaby war und jetzt ein High Need Kind ist. Viele Stellen wie Schreiambulanz, Hebamme usw., an die wir uns Hilfesuchend gewendet haben, wussten anscheinend keinen anderen Rat und die einzig vernünftige Erklärung war scheinbar, dass unser Tochter Autist sein muss. Da macht man sich als Eltern natürlich schon Gedanken, wenn man das vom Fachpersonal hört.

Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass in dieser Gesellschaft kein Platz für Kinder ist, die "anders" sind. Die lauter sind, sich schlechter anpassen, zu weit entwickelt, in der Entwicklung hinter her hängen, zu aktiv sind. Oft wird denn von irgendwelchen Seiten ( Kita, Familie), eine Ursache für das "Problem" gesucht.