Wer lässt sein Kind alleine, wenn es einen Wutanfall hat oder einen beißt?

Ich wollte mich zum Thema Beißen informieren und bin auf einen alten Post gestoßen wo mehrere Eltern erklärt haben, dass sie ihre Kinder dann ignorieren oder alleine ins Zimmer setzen oder anschreien oder vielleicht doch mal leicht auf die Hand hauen oder sogar zurückbeißen. Achtung: Das sind alles Formen der körperlichen oder psychischen Gewalt.

Ich möchte erstmal niemanden verurteilen, dessen persönliche Situation ich nicht kenne. In Akut-Situation reagieren wir anders als wir wollen und greifen häufig auf Maßnahmen zurück, die wir von unseren Eltern / Großeltern kennen. Das heißt aber nicht, das das in Ordnung ist! Da der Post veraltet ist habe ich das Bedürfnis 14 Jahre später noch einmal Bezug darauf zu nehmen und meinen Senf dazu abzugeben:

Vorab muss ich aber auch sagen, dass ich bisher sicher auch nicht immer adäquat in so einer Situation gehandelt habe. Aber das sollte uns eine Warnung sein, dass wir überfordert sind, generell, von der Situation, den Gefühlen, die die Situation in uns hervorruft und weil wir nicht wissen wir wir angemessen reagieren sollen.

Aber: In dem Moment wo ein Kind beißt, will es etwas ausdrücken, möglicherweise Wut oder großen Frust, den es anscheinend noch nicht anders ausdrücken kann (auch wenn es vielleicht schon sprechen kann). Wer von uns kann alle seine Gefühle gut ausdrücken?

Wie würdet ihr euch fühlen, wenn man euch jedes Mal alleine lässt, wenn es euch nicht gut geht? Kinder sind genauso Menschen wir wir Erwachsenen und sollten auch so behandelt werden.

Auch wenn unsere und frühere Generationen nicht so aufgewachsen sind, sollte wir unseren Kindern beibringen, dass alle Gefühle gezeigt werden dürfen (nur vielleicht nicht durch beißen). Es ist für ein Kind sehr wichtig zu sehen, dass seine Gefühle gehört werden und nicht einfach ignoriert werden, nur weil sie nicht “wünschenswert” oder “schlecht” sind. Sonst wird das Kind später nicht gut auf seine Gefühle hören bzw. sich niemandem öffnen, wenn es mal etwas schlechtes fühlt, da es die Erfahrung gemacht hat, dass ihn die Menschen immer verlassen, wenn er etwas “Schlechtes” fühlt. Aber auch ein Gefühl der Sicherheit wird fehlen, das ein Kind doch genau von seinen Eltern bekommen sollte.

Auch wenn die ersten Jahre dadurch nicht unbedingt einfacher werden, helft Ihr eurem Kind seine Gefühle kennenzulernen und langfristig selbstständig mit ihnen umzugehen. Es ist ein Irrglaube, dass einem das Kind dann eher auf der Nase herumtanzen wird. Die Trotzphase kommt so oder so und ist ein ganz normaler und wichtiger Entwicklungsschritt (so unglaublich anstrengend sie auch sein kann).

Das schwierige ist, dass wir in Stresssituation auf das zurückgreifen, was unsere Eltern / Großeltern gemacht haben, auch wenn wir eigentlich anders reagieren wollen. Da hilft es nur Luft zu holen und zu überlegen, warum es uns gerade so aufregt. Entweder sind wir einfach am Ende und haben deswegen keine Ressourcen mehr um angemessen zu reagieren und oder wir fühlen uns in eine Situation zurückgesetzt, in der wir möglicherweise selbst einmal waren. Es wird schwer das zukünftig zu ändern, aber man muss es versuchen, für das Wohl des Kindes und auch für das eigene. Denn ich glaube niemand fühlt sich gut nachdem er seinem Kind eine so extreme Reaktion gezeigt hat.

So das wollte ich mal loswerden.

Ich nehme mir das Geschriebene vor, mache aber sicher nicht alles richtig und erkenne langsam und schmerzhaft, dass das auch nicht geht. Wir können nur versuchen diese teilweise wahnsinnige Aufgabe als Eltern so gut es geht zu meistern und aus unseren Fehlern zu lernen. Nichts anderes sollen auch unsere Kinder lernen.

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?

Na klar, Zeiten ändern sich.

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Das stimmt! Und gut, dass es für dich klar ist. Aber leider heißt das nicht, dass das schon überall angekommen ist.

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Mein Sohn kommt gerade in die Beiß- und Hauphase.
Er hat mich auch schon mal gebissen als er mir seine Zuneigung zeigen wollte. Also den Kopf auf die Schulter, über meine Wange gestreichelt und Zack in die Schulter gebissen.

Hauen macht er aktuell, wenn er gegen seinen Willen auf den Arm genommen wird, oder wenn man mit ihm auf den Wickeltisch geht abends wenn er schlafen soll.

Ich könnte ihn in so einer Situation weder anschreien oder alleine lassen. Obwohl ich ein ziemlich ungeduldiger und impulsiver Mensch bin, ist es mir bisher immer gelungen ruhig zu bleiben, auch wenn ich sauer geworden bin weil er mir bspw weh getan hat.

Was ich aber schon tue, ist ihm klar zu sagen, dass beißen/hauen/treten weh tut und dass jetzt Schluss ist damit. Wenn er dann anfängt zu toben lass ich ihn auch kurz, gebe ihm dann einen Kuss oder drücke ihn und sage ihm, dass ich weiß, dass er das doof findet (zb Zähne putzen oder anziehen), aber dass das jetzt sein muss weil so und so. Er hört dann relativ schnell auf und stellt mir Fragen, die ich ihm dann beantworte, während wir weiter machen.

Ob das jetzt richtig oder falsch ist weiß ich nicht, aber für uns passt es so.

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Hallo, Wutanfälle dauern hier manchmal etwas länger und wenn ich aufs Klo muss, gehe ich auch. Wenn ich Stress habe mache ich auch mal was und natürlich ganz wichtig, wenn mein Baby mich währenddessen braucht, kümmere ich mich zu aller erst ums Geschwisterchen. Es ist leider so, dass Hunger vom Baby manchmal mit Wut beim Großen (2,5) beantwortet wird. Es ist dann schlicht zwingend Notwendig das Baby zu stillen und erst danach kann ich mich zum Großen auf den Boden setzen. Letzte Woche hat er sich zwei mal geweigert in die Whg zu gehen und blieb schmollend im Stiegenhaus. Ich habe den Kleinen trotzdem in der Whg gestillt! Die Tür war natürlich offen. Danach habe ich ihn geholt.

Der Große wird noch nicht in der Kita betreut und der Kleine ist erst zwei Monate alt. Ich biete eigentlich, meiner Meinung eine hochwertige Betreuung aber auch ich bin nur ein Mensch. Diese Woche lief es wieder viel besser und ich habe einen neuen Weg gefunden ihn zum weitergehen zu motivieren.

Ich hatte übrigens noch nie das Gefühl, dass es sich hier um psychische Gewalt auf meiner Seite handelt. Da fand ich das Wachhalten viel schlimmer und auch diese pädagogische Glanzleistung kam bereits ein paar mal vor.
Mit Beißen gehen wir adäquat um, denke ich. Ach ja und Zähne putzen ist aktuell auch ein Problem, da müssen wir ihn leider auch zwingen. Bei Augentropfen Gabe war das damals auch so, als er eine Augenentzündung hatte.
Wir erziehen nach Möglichkeit bedürfnisorientiert aber, wir sind auch nicht perfekt.

Wie läuft es denn bei dir so?

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Das was du beschreibst ist glaube ich eine ganz gewöhnliche Situation mit zwei Kindern. Und dein Verhalten klingt nach einem sehr bedachten und liebevollen Umgang. Bei zwei Kindern muss man ja schauen was in dem Moment wichtiger ist. Und ich meine auch nicht Situationen wo es einfach mal nicht anders geht. Ich spreche davon, dass man das systematisch so macht, weil man es für richtig hält, also bewusst alleine lassen als klare Konsequenz für das „schlechte“ Verhalten und nicht weil es die Situation gerade mal erfordert. Das habe ich vielleicht nicht klar in meinem Beitrag formuliert.

Wir sind alle nur Menschen und können nicht immer nach Lehrbuch handeln. Das wäre auch unrealistisch und man würde dem Kind etwas vorspielen was nicht wirklich dem echten Leben entspricht. Ich finde, dass ein Kind auch mal sehen darf, dass man an seine Grenzen stößt. Und man muss gerade bei der starken Belastung auch noch schaffen auf seine eigenen Bedürfnisse schauen. Und wenn das Kind deswegen mal warten muss und sich darüber ärgert, dann muss es das auch mal aushalten können. Und wenn man gerade total verzweifelt ist, dann kann man nicht von sich erwarten in dem Moment auch noch gut die Gefühle seines Kindes aufzufangen. Aber man kann es ihm danach erklären und versuchen solche Situationen zu erkennen und versuchen anders zu reagieren (was alles andere als einfach ist).

Ich habe bisher nur ein Kind und bin damit oft genug überfordert, vor allem wenn ich einfach keine Energie mehr habe und trotzdem weitermachen muss. Also will ich hier niemandem ein schlechtes Gefühl machen, der eh schon sein Bestes gibt.
Ich wollte lediglich auf den alten Post reagieren, weil ich nicht möchte, dass jemand sich an solchen Maßnahmen orientiert.

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Ah, verstehe. Das kenne ich noch aus meiner Generation, bei den jetzigen Kindern nur vom Hörensagen.

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Ich merke selbst, dass mich Wutanfälle mit Geschrei triggern. Ich durfte das nicht und so fällt es mir schwer es zu ertragen. Um nicht falsch zu reagieren, muss ich manchmal selbst durchatmen. Der Große hatte nur wenige Wutanfälle, doch die Kleine hat schon jetzt mit 1,5, sehr oft welche. Sie kreischt so sehr, dass einem fast das Trommelfell platzt. Ich habe mir Lärmschutzkopfhörer besorgt. Je leiser ich das Geschrei höre, desto weniger triggert es mich. So kann ich bei ihr bleiben und für sie da sein.
Sie haut öfter mal oder beißt. Ich bringe dann aber eine gewisse Distanz zwischen uns, zb setze ich sie von meinem Schoß runter und neben mich und erkläre ihr dann, dass mir das weh tut.

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Das ist glaube ich mit das Schwerste, wenn es einen triggert und man es trotzdem aushalten muss. Wie gut, dass du einen Weg gefunden hast damit umzugehen.

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<<<Ich wollte mich zum Thema Beißen informieren und bin auf einen alten Post gestoßen wo mehrere Eltern erklärt haben, dass sie ihre Kinder dann ignorieren oder alleine ins Zimmer setzen oder anschreien oder vielleicht doch mal leicht auf die Hand hauen oder sogar zurückbeißen. Achtung: Das sind alles Formen der körperlichen oder psychischen Gewalt.<<<

Liebe TE,

so etwas macht man nicht. Ich kenne es zwar nicht mit beißen, aber mit hauen. Unser Jüngster war damals so 2 Jahre alt, Wutanfälle waren häufig mal an der Tagesordnung und auch Hauen. Das versuchte er gerne mal mit seinem großen Bruder, der allerdings 5 Jahre älter war und damals auch gefühlt drei Köpfe größer war. Unser Jüngster ging ins Kinderzimmer und hautes seinen großen Bruder. Nur der war ziemlich konsequent, schnappte sich seinen Bruder und setzte ihn vor die Tür mit den Worte: "Raus mit dir, hier wird nicht gehauen". und die Tür war dann auch zu. Bei mir versuchte er es auch. Ich nahm den Jüngsten, zog ihn wettergerecht an (war nicht einfach, wenn er um sich haute) stellte ihn auf die Terrasse und entfernte mich mehrere Meter. Notfalls ging ich wieder in den Wintergarten zurück und machte die Tür ran (aber nicht zu, er konnte jederzeit wieder reinkommen). Das half. Er rannte halt schreiend durch den Garten und dann war gut. Als er größer wurde, ging er von alleine nach draußen. Ich sagte höchstens zieh dich an und geh einfach raus, wenn ich seine Wut nicht ertragen konnte. Allerdings ist mein Jüngster Autist. Er lernte das man seine Wut auch irgendwie anders auslassen kann.

LG Hinzwife