Hund plötzlich extrem fixiert auf mich

Hallo zusammen,

ich bin ein bisschen ratlos und hoffe, hier hat jemand ein paar Tipps für mich.

Meine Hündin, 3 Jahre, haben wir mit ca. 4-5 Monaten aus dem Tierschutz bekommen.
Ein sehr fröhlicher und extrem lieber Hund. Von Anfang an stubenrein, Vorzeigeexemplar in der HuSchu, zutraulich und freundlich zu jedem.
Da sie den Tag über bei mir ist, Homeoffice oder sie darf auch mit ins Büro, bin ich natürlich ihre Bezugsperson.

Einziges Problem von Anfang an war das allein lassen. Sie bellt oder randaliert nicht, sondern sitzt vor der Türe und winselt, bis ich wieder komme. Wobei 1-2 Stunden schaffen wir inzwischen ganz gut.


Seit einigen Monaten, 4-5 vielleicht, ist ihre Anhänglichkeit aber sehr extrem und wird immer stärker.
Wenn mein Mann daheim ist und ich gehe, sitzt sie ununterbrochen vor der Haustüre und lässt sich auch nicht mehr ablenken, bis ich wieder da bin.
Bei meinen Eltern, wo sie oft auch mal tageweise, über Nacht und zum Urlaub auch mal ne ganze Woche war, will sie auch nicht mehr bleiben. Sie liegt dann nur da und trauert still vor sich hin, obwohl meine Eltern sich wirklich viel mit ihr beschäftigen. Gehen sie Gassi, zieht sie nur noch zur Straße, um nach meinem Auto Ausschau zu halten und dann wieder heim.
Will mein Mann oder Eltern mit ihr Gassi gehen und ich bin daheim und gehe nicht mit, weigert sie sich mit aller Kraft.

Das lässt uns alle etwas verzweifeln.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass wir seit einem halben Jahr in Kinderwunsch Behandlung sind, ich einmal für 8 Wochen schwanger war und danach mit Hormon Stimulation begonnen habe. Ich weiß nicht, ob es daran liegt und sie riecht oder fühlt, dass da was anders ist? Aber irgendwie hat ihr Extremverhalten recht zeitgleich begonnen.
Sonst ist nichts vorgefallen und es gab keine Veränderung.

Hat jemand vielleicht mögliche Erklärungen dafür und Tipps, was man tun kann, dass sie ihr Verhalten wieder normalisiert?

Ganz vielen lieben Dank schon mal
Gianna

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Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt antworten soll, denn im Grunde bin ich nicht "vom Fach", abgesehen von meinen Erfahrungen mit eigenen und einigen früher einmal betreuten Tierschutzhunden. Aber da sich sonst noch niemand gemeldet hat, versuche ich es mal. Daher bitte ich dich, meine Worte nicht für die einzig wahre und allein richtige Lösung zu halten.
Also was mir einfällt, um das anhängliche Verhalten wieder ein bisschen zu lösen, wäre:
Du ignorierst deinen Hund konsequent, während andere Familienmitglieder zugegen sind, und diese (also dein Mann, die Eltern...) bemühen sich, ohne aufdringlich zu werden, um den Hund. Spielen, Leckerli anbieten, Füttern. Du sprichst derweil nicht mit dem Hund, wendest dich ab, wenn sie kuscheln will, guckst in ein Buch oder sortierst Wäsche, schnippelst Gemüse, gießt Blumen, schreibst einen Brief, strickst einen Pullover oder machst irgendetwas anderes. Möglichst nicht hingucken, auch wenn's schwer fällt. Aber nicht wegschubsen oder mit Worten wegschicken! Einfach nur freundlich-gleichgültig und anderweitig beschäftigt sein.
Wenn ihr spazieren geht, nimmt jemand anders, nicht du, die Leine, du gehst aber natürlich mit. Teste mal, was passiert, wenn du dich unterwegs kommentarlos auf eine Bank setzt, und das restliche "Familienrudel" läuft weiter. Vielleicht klappt es mit der Trennung von dir ja draußen besser als zu Hause. Vielleicht gibt es einen Hundekumpel, mit dem gerne gespielt und getobt wird, und der die Hündin gegebenenfalls von dir ablenken kann. Sollte es kleine Erfolgserlebnisse geben, wirst auch du deine Fellnase wieder entspannter loslassen können.
Ob es einen Zusammenhang mit dem Kinderwunsch und der entsprechenden Behandlung gibt? Möglicherweise. Vielleicht geht die verstärkte Bindung ja sogar von dir aus, entweder weil du unbewusst (!) ein bisschen ein schlechtes Gewissen hast, deinen Hund auf Platz zwei zu verweisen, oder weil du dich aus Enttäuschung über die so früh geendete Schwangerschaft deinerseits dem Hund noch mehr angenähert hast. Das ist legitim! Kein Mensch kann so gut trösten wie ein einfühlsames Tier.
Da euer Hund ansonsten total lieb, freundlich, fröhlich und unkompliziert zu sein scheint, würde ich jetzt nicht auf Teufel komm raus versuchen, irgendetwas zu ändern oder seinen Charakter zu verbiegen. Übt weiterhin das Alleinbleiben, und legt euch ein dickes Fell gegenüber dem " demonstrativen Trauern" während deiner Abwesenheit zu. So lange sie nicht das Essen und Trinken verweigert und ihr Geschäft trotz Unlust Gassi zu gehen draußen verrichtet, kann, so glaube ich zumindest, nichts Schlimmes passieren.
Alles Gute für euch!

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Liebe Amafiori,

toll danke für deine ausführliche Antwort.
Das sind tolle Ansätze, die wir versuchen, ab sofort umzusetzen.
Ich hoffe, dadurch entspannt sie sich langsam wieder ein wenig.

Ehrlicherweise bin ich mir nicht sicher, ob ich nicht tatsächlich, nicht bewusst, auch etwas Auslöser bin.

Ich danke dir nochmals ganz herzlich.
Liebe Grüße
Gianna