"Sterbebegleitung" bei Haustieren

Ihr Lieben, unser 6 Jahre altes Meerschweinchen ist vor ein paar Wochen gestorben. Es hatte seit ca. einem Jahr schon sehr abgebaut (schleichende Gewichtsabnahme - erst langsam, dann zunehmend schneller, verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen etc.) Soweit war aber noch alles ok und der Appetit war immer da. Mitte Januar waren wir bei einer Routineuntersuchung beim Tierarzt. Es gab u.a. eine kurze Narkose für eine minimale Zahnkorrektur der Backenzähne. An sich nichts schlimmes, das Schweinchen hatte in der Vergangenheit schon weitaus größere Behandlungen (verschiedene OPs) gut überstanden. Gefühlt war danach aber alles anders; als wenn das Schweinchen sich selbst aufgegeben hätte. Es hat noch gefressen, aber nur noch wenn wir es dafür aus dem Gehege genommen haben und dann auch nur sehr langsam. Außerdem war es gefühlt nicht mehr wirklich "da", hat viel geschlafen und war recht teilnahmslos.

Es stand nun die Frage im Raum: sollen wir es einschläfern lassen oder ist das der natürliche Sterbeprozess, den wir begleiten und aushalten müssen? Eine ganz furchtbare Entscheidung. Einschläfern lassen hatten wir zuvor schon bei anderen Meerschweinchen machen müssen (da gab es medizinisch / ethisch keine Alternative) und ich fand es im Umfeld der Tierarztpraxis keinen würdigen Tod (aber das ist sicher sehr abhängig von der Praxis denke ich).

Wir haben uns dann für einen natürlichen Tod entschieden, den wir mit Schmerzmitteln, füttern und weiteren Medikamenten so gut wie möglich begleitet haben. Trotzdem nagt es immer noch an mir: War das richtig? Oder der falsche Weg? Gibt es eigentlich heutzutage noch einen natürlichen Sterbeprozess bei Haustieren oder gehen fast alle zum Einschläfern zum Tierarzt wenn das Tier alt und der Tod absehbar ist? Ich weiß, es gibt wohl kein richtig und kein falsch, nur ein individuelles Abwägen... Welche Entscheidungen habt ihr getroffen und waren sie hinterher ok für euch oder habt ihr sie bereut?

1

Hallo Gesine,

ich selbst war noch nie in der Situation, werde aber als Haustierbesitzerin irgendwann selbst damit konfrontiert sein. Natürlich macht man sich darüber auch schon im Vorfeld Gedanken.

Für mich gibt's bei dem Thema nur einen richtigen Ansatz: unnötiges Tierleid vermeiden. Wie man das Ganze dann ausgestaltet und welche Handlungsspielräume man dabei hat, ist höchst individuell. Ob man das Tier, wie in eurem Fall, bei einem natürlichen Sterbeprozess mit Schmerzmitteln und viel liebevoller Zuwendung unterstützt (wenn das aus Sicht des Tierarztes vertretbar ist - warum nicht?) oder ob man es einschläfern lassen muss, weil alles andere nur noch eine Qual wäre - bei allem steht das Tierwohl im Vordergrund, nicht meine persönlichen Befindlichkeiten, nicht meine Emotionen. Alles, was angemessen ist, um dem Tier leid zu ersparen, ist absolut legitim. Es ist doch gut, dass es da nicht nur "den einen Weg" gibt.

Insofern bin ich nicht der Meinung, dass euer Handeln falsch war. Wie du schon sagst: es ist individuell und für euch hat dieser Weg gepasst. Alles gut so!

Liebe Grüße,
DieKati

Bearbeitet von DieKati
4

Lieben Dank für Deine Antwort. Es ist auf jeden Fall gut sich schon vorab Gedanken zu machen. Aber ich glaube, wenn tatsächlich die Situation X eintritt, fällt es unglaublich schwer sich nicht von seinen Emotionen leiten zu lassen und eine möglichst rationale Entscheidung im Sinne des Tieres zu treffen - so zumindest meine Erfahrung. Letztlich hängt man ja meistens einfach sehr an dem Tier.

Alles Gute für Dich und Dein Haustier!

2

Hallo,

ich finde diese Entscheidung immer sehr sehr schwierig. Man entscheidet ja quasi über Leben und Tod- und wann ist der Moment richtig oder wann könnte man noch weiter kämpfen?

In den 20,5 Jahren Meerschweinchenhaltung musste ich diese Entscheidung auch so manches Mal treffen. So auch mit den Zwerghamstern.

Wichtig ist zu sehen, wie fit sind die Tiere. Können sie sich noch bewegen? Oder sitzen sie nur noch in ihrem eigenen Dreck? Können sie noch dem nachgehen, was in ihrer Natur liegt?

Meerschweinchen sind z.B. Fluchttiere. Können sie noch flüchten oder sind sie durch Alter oder Erkrankung so weit eingeschränkt, dass sie nicht mehr weglaufen könnten?

Auch wenn fressen ein gutes Zeichen ist, muss der Rest auch noch stimmen. So hatten wir z.B. eine kleine Schweinchen-Oma, deren Hinterbeine von heut auf morgen ihre Muskulatur verloren haben. Sie wurde umgerannt, ist umgekippt wenn sie sich aufrichten wollte oder wenn sie gehen wollte, weil der hintere Teil nicht mehr mitkam. Wir waren beim Tierarzt, die Muskulatur wieder aufbauen wäre nicht mehr gegangen, Schmerzmittel hätte sie täglich gebraucht, um noch paar Tage oder 2-3 Wochen auszuhalten. Mir kam es wie der Gang zum Henker vor, sie hat noch fein gefuttert. Aber jeden Tag mit Medikamenten versorgen, während sie gern flüchten würde (Fluchttier eben), aber nicht kann? Ganz klares nein.

Einer der Zwerghamster, über 3 Jahre alt, konnte seinen Körper nicht mehr groß bewegen. Sein kleines Herz war stark, sein Körper zu schwach.

Unser damaliger Hund ebenfalls, konnte nicht mehr aufstehen, nichts, nur fressen und da sein. Auch ihr Herz war noch so stark, aber der Körper war am Ende.

Eines meiner Kaninchen musste mit 1,5 Jahren operiert werden und leider wurde, nahdem man dachte, es heilt, festgestellt, dass es unter der "Kruste" arg eitert und so tief durch ist, dass man den Knochen sehen konnte. Und der Kleine hat so sehr 3 Wochen gekämpft, ehe er die Reise antreten musste.

Wie du aber auch sagst, gibt es kein richtig oder falsch. Ihr kanntet euer Meerschweinchen. Offenbar war es ok, wenn es täglich in eure Hände musste (es gibt ja auch Meerschweinchen, die weitaus zutraulicher sind, ich hatte hier auch mal einen kleinen Hund in Form eines Meerschweinchens, die sah nur aus wie ein Schweinchen, war aber vom Verhalten ein Hund) und ihr es so auf der letzten Reise begleitet. Wenn sich das Tier dabei nicht quält, ist der Weg genauso ok, wie es eben andernfalls die erlösende Spritze wäre. Stress ist auch diese Reise mit der Spritze. Der Weg zum Tierarzt ist Stress pur, die Gerüche, Umgebung, alles. Meerschweinchen sind einfach sehr auf ihre Umgebung fixiert, da ist ausmisten schon großer Stress oder erst recht wenn die Einrichtung umgestellt wird. Das spielt ja auch mit rein.

Für euer Tier war es in der Hinsicht auch schön, es war in der vertrauten Umgebung, bei seinen Artgenossen und konnte am Ende dort einschlafen. Nicht einsam ohne seine Freunde, die wichtigste Gesellschaft im Leben des Tieres, nicht in der Tierarztpraxis.

Man muss einfach sehr individuell entscheiden. Man kennt sein Tier am Besten. Ich hatte mal ein Meerschweinchen, die hat sich beide obere Schneidezähne rausgeschlagen. Die würden nachwachsen, ja. Leider war es bei ihr alles so verletzt, dass sie im Mäulchen übelst anfing zu eitern, starke Schmerzen hatte und und und. Tagelang hat sie Medikamente bekommen, doch ihr Zustand wurde schlimmer, sie ist fast an der Medizin erstickt. Eine damalige Freundin wurde wütend, als ich über Erlösung nachgedacht habe. Ich muss kämpfen, ich muss abliefern, ich darf nicht aufgeben. Mein Tier hat sich massiv gequält. Egal was andere da sagen- man sollte auf sein eigenes Gefühl hören. Man selbst sieht sein Tier, kennt es, erlebt es.

Ich habe definitiv nicht alle Tiere einschläfern lassen. Die meisten sind hier gestorben. Durch meine jahrelange Rassezucht hatte ich halt mehrere Tiere und musste entsprechend mehrfach schauen, welcher Weg für den jeweiligen Kandidaten der richtige ist. Auch wenn sie bereits ihre Reise angetreten sind und im Sterben lagen, habe ich noch individuell entschieden. In der Regel dürfen sie dann aber in Ruhe in Gesellschaft einschlafen.

Ihr hattet Gründe, warum ihr euch für diesen Weg für euer Tierchen entschieden habt. Es hat sich richtig angefühlt. Also war es auch richtig.

Alles Liebe,
erdbeerchen

3

Vielen lieben Dank für Deine Antwort und Deine geteilten Erfahrungen. Wir haben über die Jahre auch schon einige Schweinchen gehen lassen müssen und es war nie einfach. Plötzlich gestorben, spontanes Einschläfern lassen aufgrund negativer Tierarztprognose, geplantes Einschläfern lassen aufgrund nicht heilbarer Krankheit... Alles dabei gewesen. Aber dieses Mal war es anders und so schwierig abzuwägen.

Etwas tröstlich für mich war, dass ich gelesen habe, dass bei Tieren, die friedlich gestorben sind, die Leichenstarre sehr schnell eintritt. Demgegenüber tritt die Leichenstarre erst spät ein, wenn die Tiere vor dem Tod noch ein hohes Stress-Level hatten. Ich habe nun den direkten Vergleich - das würde wiederum für mich zukünftig auch für ein Sterben zu Hause in gewohnter Umgebung sprechen, sofern es medizinisch/ethisch vertretbar ist.

Danke und alles Liebe auch für Dich!

5

Der Sterbeprozess ist von der Natur gut ausgeklügelt und ja, ein Tier darf ganz natürlich sterben ohne Hilfe.
Ausnahmen sind in meinen Augen akute Situationen wie eine schwere Verletzung die in jedem Fall tödlich enden würde oder eine akute schwere und schmerzhafte Erkrankung.
Altersschwäche und der damit eingehende Tod bedarf aber nicht den Stress der Euthanasie. Die Tiere unterstützen mit Schmerzmitteln ja, für Ruhe sorgen und es dem Tier so angenehm wie möglich machen ist gut.
Aber auch das Tier in der Gruppe lassen kann gut sein. Bei meinen Kaninchen ist es so dass der beste Kumpel bei dem Anderen bleibt, es putzt und sich daneben legt bis es vorbei ist. Es hat etwas ruhiges und würdiges.
Die Euthanasie bei Kleintieren ist doch oft grausig und stressig für Alle.

6

Bei uns kommt der Tierarzt nach Hause.
Also für die Hunde wurde das so gemacht und das war toll!
Ganz gemütlich auf dem Sofa. Der andere Hund war auch dabei und konnte sich verabschieden.

Für das Pferd kam der Tierarzt an den Stall. Auch da waren die anderen Pferde aus dem Offenstall einfach mit dabei.

Ehrlich gesagt war das immer wunderschön. Neben der Trauer natürlich